| Titel: | Ueber die Fabrication des Chloralhydrates; von Gust. Detsènyi. | 
| Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. XXXVI., S. 224 | 
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                        XXXVI.
                        Ueber die Fabrication des Chloralhydrates; von
                           								Gust. Detsènyi.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. III.
                        Detsènyi, über die Fabrication des
                           								Chloralhydrates.
                        
                     
                        
                           Die außerordentliche Preiserniedrigung welche das Chloralhydrat seit dem Jahre 1869
                              									erlitten hat – von 90 Thlrn. per Kilogramm auf 3
                              									Thlr. – ist erklärlich wenn man den kolossalen Aufschwung in Betracht zieht,
                              									welchen, dem Consum entsprechend, die Production dieses Präparates genommen hat. Zu
                              									Anfang des Jahres 1869 führte Dr. Liebreich, in Berlin das Chloralhydrat in die Medicin ein und gab dadurch den Impuls zu
                              									einfacheren, billigeren Darstellungsmethoden; heute stehen dieselben auf einer
                              									solchen Stufe der Vollkommenheit daß eine Verbesserung derselben im Wesentlichen
                              									undenkbar ist. Vor drei Jahren konnte man kaum während einiger Wochen einige Pfund
                              									chemisch reines Chloralhydrat darstellen; heute liefern einige Fabriken Deutschlands
                              									ununterbrochen täglich bis 500 Pfd. davon.
                           Das Hauptmoment bei der Darstellung ist das Einleiten von Chlor in mindestens
                              									96procentigen Alkohol. Das Chlor wird am einfachsten aus Salzsäure und Braunstein
                              									dargestellt.
                           In der bezüglichen Abbildung Figur 5 sehen wir einen 4
                              									bis 5 Fuß hohen, starken thönernen Topf, der bei a zur
                              									Hälfte mit Braunstein gefüllt wird. Die Salzsäure fließt bei b in den Topf. Das sich entwickelnde Chlor wird, nachdem es in einer Woulff'schen Flasche c Wasser
                              									passirt hat, durch Combinationen von Blei- und Glasröhren in den Ballon x geleitet, der 120 bis 150 Pfd. 96procentigen Alkohol
                              									enthält. Mit diesem Ballon steht unter gutem Verschluß ein anderer Ballon y in Verbindung, der zur Aufnahme der sich entwickelnden
                              									Salzsäure dient.
                           Das Tag und Nacht ununterbrochen fortdauernde Einleiten des Chlors währt 12 bis 14
                              									Tage, bis der Alkohol sich auf 60 bis 75° erwärmt hat und eine Dichte von
                              									41° nach Baumé besitzt.
                           Diese Operation bildet die eine Hälfte der Fabrication und erfordert umsichtige,
                              									gewissenhafte und erfahrene Arbeiter. Besondere Aufmerksamkeit muß der Verkittung
                              									und der erneuten Füllung des Topfes gewidmet werden. Die Verkittung des Apparates
                              									geschieht mit einem Gemisch von Kleienmehl und Wasser. Außerdem wird der Deckel des
                              									Topfes auch noch mit Gewichten beschwert.
                           Bevor der Topf neuerdings mit Braunstein gefüllt wird, was je nach der Erfahrung circa alle Monate ein Mal geschieht, wird die bei der
                              									früheren Operation entstandene Chlormanganlösung bei e
                              									abgelassen, nachdem das noch etwa im Topfe befindliche Chlor durch die Röhre f einige Klafter über dem Gebäude in's Freie entwichen
                              									ist.
                           Solcher Apparate sind z.B. in der chemischen Fabrik auf Actien in Berlin 40 in einem
                              									Raume aufgestellt, die ununterbrochen täglich 3 Ballons Chloral liefern.
                           Die Reinigung des Chloralhydrates bildet den anderen Theil der Fabrication.
                           Zu diesem Behufe wird der als Endproduct gewonnene gechlorte Alkohol in 300 bis 400
                              									Pfd. fassende, innen verbleite kupferne Blasen gebracht und mit gleichen
                              									Gewichtstheilen englischer Schwefelsäure, die partiell hinzugegeben werden, über freiem Holzkohlenfeuer
                              									vorsichtig zum Sieden erhitzt. Dabei entweicht eine nicht unbeträchtliche Menge
                              									Salzsäure, während die Chloraldämpfe in einem aufsteigenden Kühlrohre condensirt
                              									werden. Diese Behandlung wird so lange fortgesetzt, bis die Entwickelung von
                              									Salzsäure aufhört. Gewöhnlich dauert dieß bei 150 Pfd. Chloral 7 bis 8 Stunden.
                              									Bemerkenswerth ist, daß bei dieser Operation das als Verunreinigung geltende
                              									Chloralalkoholat gänzlich zerstört wird.
                           Nun wird der Kühler abgenommen, und das freie Chloral, nachdem die Blase mit einem
                              									Thermometer versehen ist, daraus abdestillirt. Anfangs siedet die Flüssigkeit bei 95
                              									bis 96° C. Wenn das Thermometer auf 100° gestiegen ist, unterbricht
                              									man die Destillation, da dann alles Chloral schon übergegangen ist. Das Destillat
                              									wird einer erneuten Rectification unterworfen. Zu dieser gebraucht man kleinere, 150
                              									bis 180 Pfd. fassende, innen ebenfalls verbleite kupferne Blasen, die mit
                              									empfindlichen Thermometern versehen sind. Vor der Destillation wird noch die sich im
                              									Chloral befindende freie Salzsäure mit geschlämmter Kreide neutralisirt. Das
                              									destillirende Chloral wird in Glaskolben aufgefangen und, nachdem je 4 Pfunden 5 1/2
                              									Loth destillirtes Wasser zugefügt wurden, durch fortwährendes Schütteln rasch
                              									gekühlt; es wird dann je nach Bedarf entweder zur Krystallisation in eine zum
                              									Dritttheil mit Chloroform gefüllte Kruke oder in große, ebene Porzellanschalen
                              									geschüttet, in welchen letzteren es nach einer halben Stunde zu den besonders in
                              									Amerika sehr verlangten Platten erstarrt. Diese werden in kleinere Stücke
                              									zerschlagen und in Steingutkruken verpackt in den Handel gebracht.
                           Die Krystallisation mit Chloroform erfordert mindestens 8 Tage. Die Krystalle werden
                              									auf Centrifugen von der anhaftenden Lauge befreit und in dazu eingerichteten, mit
                              									Dampfleitung erwärmten Schränken getrocknet. Die abgeschüttete Mutterlauge kann
                              									immer statt Chloroform für neue Portionen verwendet werden.
                           Nachdem hiermit die Massenproduction des Chlorals skizzirt ist, sind noch die
                              									Nebenproducte, welche eine große Rolle spielen, zu berücksichtigen.
                           In riesigen Mengen tritt das Chlormangan auf, welches leider in der Technik sehr
                              									wenig Verwendung findet. Bei Schering in Berlin hatten
                              									sich während zwei Jahren circa 5000 Ballons mit
                              									Chlormanganlösung angesammelt, die bloß im Werthe der Gefäße kein geringes Capital
                              									verschlangen, so daß man sich zuletzt entschließen mußte, die Flüssigkeit
                              									wegzuschütten.
                           Das zweite Nebenproduct ist die beim Einleiten des Chlors und bei der ersten Destillation
                              									gewonnene Salzsäure, die neuerdings in den Topf geschüttet wird.
                           Interessant ist die im Ballon unter der Salzsäure sich ansammelnde ätherische
                              									Flüssigkeit, welche nach Untersuchungen des Prof. Krämer
                              									in Berlin ein Gemisch von Aethylen- und Aethylidenchlorid ist. Beide sind
                              									werthvolle Producte, die in der Medicin Anwendung finden. Das Aethylidenchlorid
                              									wurde ebenfalls von Dr. O. Liebreich als Anästheticum in
                              									die Heilkunde eingeführt. Die Fractionirung dieser beiden Aether geschieht nach
                              									allgemein bekannten Methoden durch Destillation aus kupfernen Blasen. Natürlich muß
                              									die freie Salzsäure enthaltende Flüssigkeit erst mit Soda oder Potasche neutralisirt
                              									und auf Chlorcalcium getrocknet werden. Obgleich die Differenz dieser Aether in den
                              									Siedepunkten 23° C. beträgt, gelingt es doch kaum, dieselben in größeren
                              									Quantitäten absolut zu trennen.
                           Als drittes Nebenproduct bleibt die zur Austreibung der Salzsäure gebrauchte
                              									Schwefelsäure, die um billigen Preis an andere technische Anstalten verkauft wird,
                              									bei denen die Verunreinigung nichts schadet, z.B. an Sodawasser-Fabriken.
                              									(Ackermann's Gewerbe-Zeitung, 1873 S. 28.)
                           
                        
                     
                  
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