| Titel: | Ueber die Verbrennungswärme der explosiven Substanzen; von Roux und Sarran. | 
| Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. LIII., S. 304 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LIII.
                        Ueber die Verbrennungswärme der explosiven
                           								Substanzen; von Roux und Sarran.
                        Aus den Comptes rendus.
                              									t. LXXVII p. 138; Juli 1873.
                        Roux und Sarran, über die Verbrennungswärme der explosiven
                           								Substanzen.
                        
                     
                        
                           1) Die Untersuchungen von Berthelot über die Kraft des
                              									Pulvers und anderer explosiver SubstanzenPolytechn. Journal, 1873, Bd. CCIII S. 304. haben dargethan, wie wichtig in dieser Hinsicht die Messung der durch die
                              									Verbrennung jener Substanzen entwickelten Wärmequantitäten ist. Das einzige
                              									Versuchsresultat dieser Art, welches unseres Wissens bis heute veröffentlicht wurde,
                              									ist das welches die HHrn. Bunsen und Schischkoff
                              									bezüglich eines unserem Jagdpulver ähnlichen Pulvers mitgetheilt haben. Wir haben
                              									daher geglaubt, daß es nicht ohne Interesse sey, für diesen Zweck einen einfachen,
                              									nicht kostspieligen Apparat zu construiren, welcher sicher und rasch genug arbeitet,
                              									um die Proben welchen die verschiedenen im Kriege oder in der Industrie
                              									gebräuchlichen explosiven Stoffe im Centraldepot der Staatsfabriken unterworfen
                              									werden, praktisch zu ergänzen.
                           2) Die Verbrennung geschieht in cylindrischen gußeisernen Bomben von 6 Millimeter
                              									Wandstärke, und einen: inneren Rauminhalt von 270 bis 280 Kubikcentimetern. Diese
                              									Bomben sind durch einen geränderten bronzenen Schraubenstöpsel geschlossen. Durch diesen
                              									Stöpsel geht ein isolirter Draht, mittelst dessen ein im Inneren angeordneter dünner
                              									Draht durch den galvanischen Strom in's Glühen gebracht, und auf diese Weise die
                              									Entzündung der Substanz bewerkstelligt wird. Die Bombe ist in ein kupfernes Gefäß
                              									von 0,140 Met. Durchmesser und 0,160 Met. Höhe eingetaucht, welches 1,830 Kilogrm.
                              									Wasser enthält. Die Temperatur des Bades kann mittelst eines in 1/10 Grade
                              									getheilten Thermometers bis auf 1/100 Grad genau bestimmt werden. Um die entwickelte
                              									Wärme zu erfahren, genügt es, das Bad auf die Temperatur der Umgebung zu bringen,
                              									das Pulver zu entzünden und unter Umrühren des Wassers die Temperaturveränderung des
                              									Bades zu beobachten. Bezeichnet man diese Veränderung mit ∆ und mit P das Totalgewicht des Calorimeters (Gefäß, Bombe nebst
                              									Bronzestöpsel, und Wasser), so ist die entwickelte Wärme P ∆.
                           3) Folgendes sind die Elemente der Berechnung für einen Fall, bei welchem 8 Gramme
                              									feines Jagdpulver von Angoulême als Bombenfüllung dienten:
                           
                              
                                 kupfernes Gefäß
                                 0,8806 
                                 Kil. × 0,0951
                                 Kil.
                                 = 0,0838
                                 
                              
                                 Bronzestöpsel
                                 0,3180
                                   „   × 0,0939
                                   „
                                 = 0,0299
                                 
                              
                                 gußeiserne Bombe
                                 1,176
                                   „   × 0,130
                                   „
                                 = 0,1529
                                 
                              
                                 Wasser
                                 
                                 
                                 
                                 = 1,8300
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Totalgewicht P
                                 = 2,0966
                                 
                              
                           beobachteter Temperaturüberschuß ∆ = 3°,07
                           die durch 8 Gramme entwickelte Wärme P
                              									∆ = 6,4366
                           die durch 1 Kilogrm. entwickelte Wärme = 804,4 Calorien.
                           Es sind zwei Fehlerquellen vorhanden, deren Einfluß wenigstens annäherungsweise zu
                              									bestimmen, nicht ohne Nutzen ist. Die erste, welche in der Wärmeausstrahlung des
                              									Calorimeters liegt, läßt sich auf folgende Weise corrigiren. Es sey τ die Zeit, nach welcher die Temperatur des Bades
                              									um ∆ zunimmt. Nimmt man an, daß während dieser Zeit die Temperatur
                              									gleichförmig und nach Maaßgabe des mittleren Ueberschusses ∆/2 abnimmt, so
                              									wird die totale Abnahme (h τ ∆)/2 seyn,
                              									wenn h die Abkühlungsgeschwindigkeit für einen
                              									Ueberschuß von 1° bezeichnet. Der Wärmeverluft ist demnach (h τ P ∆)/2, woraus sich ein relativer
                              									Fehler
                           ε₁ = (h τ)/2 ergibt.
                           In unseren Versuchen haben wir h = 0°,00672 und
                              										τ =1,5 Min. gefunden. Hieraus folgt ε₁ = 0,00504, wofür wir 1/200 setzen
                              									wollen. Diese Correction
                              									ist eine sehr unbedeutende; man kann sie daher in der Praxis vernachlässigen, oder
                              									besser, den Fehler dadurch annähernd ausgleichen, daß man die Anfangstemperatur des
                              									Bades um eine Größe ungefähr gleich der Hälfte der Aenderung ∆ unter
                              									diejenige der Umgebung erniedrigt.
                           5) Die zweite Fehlerquelle resultirt aus dem im Allgemeinen sehr schwachen
                              									Unterschied zwischen der inneren und äußeren Temperatur der Bombe, wenn nach der
                              									Entzündung die Temperatur des Bades ihr Maximum erreicht.
                           Dieser Unterschied ist von der Art, daß die daraus resultirende Bewegung der Wärme
                              									durch die Wand der Bombe während einer sehr kurzen Zeit, vom Momente des Maximums
                              									an, die durch Strahlung des Calorimeters verlorene Wärme ausgleicht. Die hierauf
                              									bezügliche Rechnung ließe sich leicht ausführen, wenn der Coefficient des
                              									Leitungsvermögens der Bombenwand genau und unter den Bedingungen des Versuches
                              									bekannt wäre. Bezeichnet man inzwischen diesen Coefficienten mit k, mit e und s die Dicke und mittlere Oberfläche der Bombenwand und
                              									mit δ den gesuchten Temperaturunterschied, so
                              									hätte man
                           (skδ)/e = Ph ∆
                           Die Quantität der verlorenen Wärme ist diejenige, welche nöthig ist, um die
                              									Verbrennungsproducte auf dem Temperaturüberschuß δ, und die Masse der Bombe auf dem mittleren Ueberschuß δ/2 zu erhalten. Bezeichnet man daher mit p das Gewicht der Verbrennungsproducte, vermehrt um das
                              									halbe Gewicht der Bombe, so ist der Wärmeverlust
                           ph = (eph . P∆)/sk
                              								
                           woraus sich der relative Fehler
                           ε₂ = (eph)/sk
                              								
                           ergibt. Der Werth des Coefficienten k ist wegen des dominirenden Einflusses des Oberflächenzustandes bei den
                              									Erscheinungen des Leitungsvermögens sehr unsicher. Nimmt man, um einen Begriff von
                              									der Bedeutung des begangenen Fehlers zu erhalten, den Werth k = 0,477, welchen man für das Eisen erhält, indem man die von Despretz ermittelten relativen Leitungsfähigkeiten der
                              									Metallstäbe mit dem von Péclet für den
                              									Coefficienten des Leitungsvermögens des Bleies gefundenen absoluten Werth combinirt,
                              									und setzt die direct bestimmten Werthe
                           
                           p = 0,093 Kil.; e = 0,006
                              									Met.; s = 0,0319 Met.,
                           so würde man finden
                           ε₂ = 0,00025.
                           Die Correction ist somit von der Art, daß sie gänzlich vernachlässigt werden darf.
                              									Nur in dem Falle, wo man, um den Widerstand der Versuchsbombe zu erhöhen, es für
                              									passend hielte, ihr Gewicht und ihre Dicke zu vermehren, würde sie Berücksichtigung
                              									verdienen. Sie könnte auch merkbar werden, wenn die Verbrennung in einer Hülle vor
                              									sich ginge, die aus einem schlechten Wärmeleiter besteht, z.B. aus Glas, dessen
                              									Coefficient des Leitungsvermögens 1/36 von dem des Eisens ist.
                           6) Hiernach hat man bezüglich der verschiedenen in Frankreich fabricirten
                              									Pulvergattungen die in folgender Tabelle zusammengestellten Resultate ermittelt:
                           
                              
                                 1.Pulvergattung
                                 2.Mengungsverhältniß
                                 3.Entwickelte Calorienper 1 Kilogrm.Pulver
                                 4.Gewicht derGaseper
                                    											1 Kilogrm.
                                 
                              
                                 
                                 Salpeter
                                 Schwefel
                                 Kohle
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Feines Jagdpulver
                                 78
                                 10
                                 12
                                 807,3
                                 0,337
                                 
                              
                                 Geschützpulver
                                 75
                                    12,5
                                    12,5
                                 752,9
                                 0,412
                                 
                              
                                 Gewehrpulver (B genannt)
                                 74
                                    10,5
                                    15,5
                                 730,8
                                 0,414
                                 
                              
                                 Pulver für den auswärtigen Handel
                                 72
                                 13
                                 15
                                 694,2
                                 0,446
                                 
                              
                                 Gewöhnliches Sprengpulver
                                 62
                                 20
                                 18
                                 570,2
                                 0,499
                                 
                              
                           Aus der letzten Columne ersieht man das Verhältniß der durch die Verbrennung jeder
                              									Pulvergattung gelieferten permanenten Gase. Man verschafft sich dieses Element,
                              									indem man die Bombe mit ihrer Füllung vor der Entzündung wiegt. Am Schluß der Probe
                              									trocknet man sie sorgfältig, schraubt den Stöpsel vorsichtig los, läßt die Gase
                              									entweichen, und wiegt die Bombe von Neuem. Die Differenz gibt das Gewicht der Gase
                              									an. Jedes der in die Columnen 3 und 4 eingetragenen Resultate ist das Mittel aus
                              									drei sehr übereinstimmenden Bestimmungen. Für jede Reihe ist die mittlere Abweichung
                              									bezüglich der Wärmemengen weniger als 1/200. Die Gewichte der Gase sind weniger
                              									genau; ihr Näherungswerth ist nur ungefähr 1/50.
                           7) Berthelot adoptirt als relatives Maaß des durch ein
                              									Pulver voll gegebenem Gewichte in einem unveränderlichen Raume ausgeübten Druckes
                              										das Product aus dem Gasvolumen dieses Pulvers (auf 0° und 0,760 Met. Druck reducirt) und der
                                 										entwickelten
                              									Wärmemenge. Wären die specifischen Gewichte der Gase verschiedener
                              									Pulvergattungen wenig von einander verschieden, so könnte man ihre Gewichte dem
                              									Volumen substituiren, und die relative Kraft der Pulvergattungen mit Hülfe eines auf
                              									experimentellem Wege weit leichter zu bestimmenden Elementes messen; wir hoffen
                              									diesen Punkt durch directe Messung der Volume aufzuklären.
                           Wie dem auch sey, so ist es immerhin merkwürdig, daß das Product aus den
                              									correspondirenden Zahlen der Columnen 3 und 4 für die fünf Pulversorten nahezu das
                              									gleiche ist. Man könnte hieraus den Schluß ziehen, daß ihre Explosivkraft ungefähr
                              									die gleiche sey, und dieses Resultat wird durch Versuche bestätigt, welche uns in
                              									den Stand setzen zu constatiren, daß die Sprengladungen unserer Bomben in allen
                              									Fällen zwischen 15 und 17 Grammen betragen. Dagegen ist das durch die freiwerdende
                              									Wärmemenge gemessene Arbeitsmaximum, welches das Pulver durch die Expansivkraft
                              									seiner Gase entwickeln kann, je nach der Pulvergattung sehr veränderlich.
                           8) Wir bemerken schließlich, daß sämmtliche vorstehende Bestimmungen unter solchen
                              									Bedingungen gemacht wurden, daß die Verbrennungsproducte von 8 Grammen Pulver ein
                              									Volumen von 275 Kubikcentimetern einnehmen und folglich eine mittlere Dichtigkeit =
                              									0,029 darbieten. Es ist nicht unmöglich, daß man, unter anderen Bedingungen
                              									arbeitend, zu merkbar verschiedenen Resultaten gelangt, weil die Temperatur der
                              									Pulvergase mit ihrer Dichtigkeit in dem Falle variiren kann, wo diese Umwandlung, in
                              									einem vom vollkommenen Gaszustande entfernten Zustande vor sich gehend, zu einer
                              									wahrnehmbaren Arbeit der inneren Kräfte Anlaß geben würde.