| Titel: | Ueber Nahrungsmittel im Allgemeinen und über den Werth des Fleischextractes als Bestandtheil der menschlichen Nahrung insbesondere; von Dr. Max v. Pettenkofer. | 
| Fundstelle: | Band 209, Jahrgang 1873, Nr. LXV., S. 378 | 
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                        LXV.
                        Ueber Nahrungsmittel im Allgemeinen und über den
                           								Werth des Fleischextractes als Bestandtheil der menschlichen Nahrung insbesondere; von
                           								Dr. Max v. Pettenkofer.Briefliche Mittheilung vom Februar 1873 an Hrn. Joseph Bennert, General-Agent der Liebig's Extract of Meat Company, in
                                 										Antwerpen. – Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1873, Bd. XCI S.
                                    										271.
                           							
                        v. Pettenkofer, über Nahrungsmittel im Allgemeinen und über den
                           								Werth des Fleischextractes.
                        
                     
                        
                           Sie haben mir den Wunsch ausgesprochen, eine kurze Darstellung auch meiner
                              									Anschauungen über den Werth des Fleischextractes zu haben.
                           
                           Wenn ich meine Ansicht darüber Ihnen auseinandersetzen soll, müssen Sie mir
                              									gestatten, etwas weiter auszuholen und zunächst von Dingen zu sprechen, welche mit
                              									dem Fleischextract gar nichts zu thun zu haben scheinen.
                           Die erste Frage, die ich beantworten möchte, ist: warum wir überhaupt Nahrung
                              									genießen? und was Nahrung ist? Zweck der Nahrung ist, durch Zufuhr gewisser Stoffe
                              									unseren Körper auf eine bestimmte normale Zusammensetzung zu bringen, um alle seine
                              									verschiedenen Functionen in Wirksamkeit zu setzen und darin zu erhalten.
                           Wir können uns im Wesentlichen den Körper stofflich zusammengesetzt denken aus
                              									eiweißartigen Substanzen und deren Abkömmlingen, aus Fetten, aus
                              									Aschenbestandtheilen, Wasser und Sauerstoff; jedenfalls sind das die
                              									Hauptbestandtheile, die wir in unserem lebendigen Organismus ohne Ausnahme vorräthig
                              									und thätig finden, die sich durch die Functionen des Organismus beständig verändern
                              									und zersetzt ausscheiden, und deren Ersatz unerläßlich ist, wenn die
                              									Lebensfunctionen fortdauern sollen.
                           Den Sauerstoff nehmen wir bei jedem Athemzuge mit Hülfe unserer Blutkörperchen aus
                              									der Luft die uns umgibt, und da uns das in der Regel leicht gelingt, ohne daß wir
                              									besondere Anstrengungen oder Geld ausgaben dafür zu machen haben, so zählen wir
                              									gewöhnlich die Luft gar nicht unter den Nahrungsmitteln auf, sondern setzen sie
                              									nicht selten sogar in einen gewissen Gegensatz damit, wenn wir sagen, daß Niemand
                              									von der Luft leben könne.
                           Nicht viel anders machen wir's mit dem Wasser, das von unserem Körper durch
                              									Verdunstung auf der Haut und in den Lungen sowohl dampfförmig, als auf anderen Wegen
                              									auch tropfbar-flüssig fortgeht. Auch das verlorene Wasser, ohne stets genau
                              									zu wissen wie viel, müssen wir unserem Körper wieder zuführen.
                              										„Jedoch,“ sagt Voit,Ueber die Bedeutung des Leimes bei der Ernährung. – Zeitschrift für
                                    											Biologie Bd. VIII S. 386.
                              									„sind wir darüber in praxi meist nicht in
                                 										Verlegenheit, da wir das Wasser umsonst, oder doch sehr wohlfeil haben können.
                                 										Wir würden die Sache ganz anders beurtheilen, und das Wasser für ebenso wichtig
                                 										halten als das Fleisch und andere Stoffe, wenn wir es eben so theuer zu bezahlen
                                 										hätten.“
                              								
                           Auch auf die Aschenbestandtheile achten wir gewöhnlich nicht viel, und führen sie
                              									deßhalb auch nicht regelmäßig unter den Nahrungsmitteln auf, obschon jeder einzelne
                              									Bestandtheil davon ebenso unentbehrlich ist, als Eiweiß und Fett. Die Notwendigkeit
                              									der Aschenbestandtheile oder der Salze hat Baron v. Liebig
                              									nicht nur in der Nahrung der Pflanzen, sondern auch in der Nahrung der Thiere längst
                              									dargethan, und Voit hat durch mehrere Versuche gezeigt,
                              									daß Thiere so ziemlich in der ganz gleichen Zeit zu Grunde gehen, man mag alles
                              									Eiweiß, oder gewisse Salze aus ihrer Nahrung vollständig ausschließen. Man kann
                              									ebenso aus Mangel an Salz wie aus Mangel an Eiweiß, oder aus Mangel an Wasser
                              									verhungern. Den Wasserhunger nennt man gewöhnlich Durst. Daß wir weniger von den
                              									Salzen in der Nahrung sprechen, hat seinen Grund theils darin, daß die
                              									Nahrungsmittel welche unserem Körper das kostspielige Eiweiß und Fett liefern, für
                              									gewöhnlich auch schon die nöthigen Aschenbestandtheile enthalten, theils darin, daß
                              									die Aschenbestandtheile des Körpers, als unveränderliche, nicht-organische
                              									Stoffe, immer wieder in den Kreislauf gezogen, d.h. zurückgehalten werden können,
                              									und nur ein geringer Bruchtheil derselben unvermeidlich ausgeschieden wird, sobald
                              									sie dem Körper nicht mehr zugeführt werden. Unser Körper kann daher mit
                              									verhältnißmäßig sehr geringen Mengen derselben haushalten.
                           Im gewöhnlichen Leben versteht man unter Nahrungsmitteln vorzugsweise nur jene
                              									Stoffe, welche wir genießen, um den Eiweiß- und Fettverlust unseres Körpers
                              									zu decken. Ein gewisser Eiweißgehalt in der Nahrung ist unter allen Umständen
                              									unentbehrlich, eine unerläßliche Hauptsache, ja es läßt sich von allen organischen
                              									Stoffen allein mit Eiweiß mit Zuhülfenahme von anorganischen Salzen und Wasser ein
                              									thierischer Organismus erhalten, nicht so mit Fett und anderen organischen
                              									Nahrungsstoffen. Die Zufuhr von Fett ist unter Umständen entbehrlich. Das Fett ist
                              									zwar auch ein constanter, integrirender Bestandtheil unseres Körpers, auch der
                              									Magerste hat eine gewisse Menge davon; aber es ist in der Nahrung doch nicht absolut
                              									nothwendig, weil aus dem Eiweiß Fett sich bilden kann, was umgekehrt nicht der Fall
                              									ist. Auf die Fettbildung im Organismus haben verschiedene Umstände und verschiedene
                              									Stoffe in der Nahrung einen wesentlichen Einfluß. Nach dem Vorgange Baron v. Liebig's heißt man eine ganze Classe von Stoffen, welche
                              									in der Nahrung von Menschen und Thieren neben Eiweiß oft in großer Menge genossen
                              									werden, geradezu Fettbildner. Es sind das die Stoffe, wie Stärkemehl, Dextrin und
                              									Zucker, welche von den Chemikern unter dem Ausdruck Kohlehydrate zusammengefaßt
                              									werden. Es ist noch eine wissenschaftliche Controverse, ob die Bildung und Anhäufung
                              									von Fett im Körper ausschließlich aus Eiweiß und dem in der Nahrung schon fertig
                              									vorhandenen Fett erfolgt, ob also diese fettbildenden Stoffe nur begünstigend
                              									wirken, oder ob sie sich unter Umständen theilweise selbst in Fett verwandeln: im praktischen
                              									Erfolge wird dadurch wenig geändert, ihre Rolle bleibt gleich wichtig, sie mag in
                              									der einen oder anderen Weise sich abspielen.
                           Ich stehe in den Fragen der Ernährung auf dem Standpunkte, welchen Baron v. Liebig zuerst geschaffen, und der sich von ihm aus in
                              									consequenter Weise weiter entwickelt hat. In neuester Zeit hat wohl Voit die gründlichsten, umfassendsten und weittragendsten
                              									Untersuchungen an Menschen und Thieren angestellt, welche nicht bloß auf die
                              									chemische Zusammensetzung der Nahrungsmittel, sondern auch auf ihre Ausnutzung und
                              									Zersetzung im Körper die unerläßliche Rücksicht nehmen. Voit
                              									Ueber den Unterschied der animalischen und vegetabilischen Nahrung.
                                    											Sitzungsberichte der kgl. Akademie der Wissenschaften in München. Jahrg.
                                    											1869, Bd. II S. 516. unterscheidet zwischen Nahrung, Nahrungsmittel, Nahrungsstoff und
                              									Genußmittel.
                           Nahrungsstoff heißt jede chemische Verbindung, welche irgend einen der wesentlichen
                              									stofflichen Bestandtheile unseres Körpers (Eiweiß, Fett, Salze u.s.w.) zu ersetzen
                              									vermag. Reines Eiweiß, reines Fibrin, Fett, reine Stärke, Zucker, Kochsalz,
                              									phosphorsaures Kali, phosphorsaurer Kalk u.s.w. sind Nahrungsstoffe. Wasser ist ein
                              									Nahrungsstoff.
                           Ein Nahrungsmittel ist ein natürliches Gemenge aus mehreren Nahrungsstoffen. So ist
                              									z.B. Brod ein aus Eiweißkörpern, Stärke, Salzen und Wasser bestehendes
                              									Nahrungsmittel, aber noch keine Nahrung für uns. Von Brod allein kann der Mensch
                              									nicht leben.
                           Milch ist auch ein Gemenge von mehreren Nahrungsstoffen, für Neugeborne sogar eine
                              									Nahrung, aber für Erwachsene nur mehr ein Nahrungsmittel und nebenbei wohl auch ein
                              									Genußmittel.
                           Genußmittel sind Stoffe, welche nicht nothwendig Material zum Aufbau unseres Körpers
                              									abgeben, aber doch sowohl für die Processe der Ernährung als auch für andere
                              									organische Functionen wesentliche Dienste leisten.
                           Nahrung endlich ist immer erst die Summe aller Nahrungsstoffe in den Nahrungsmitteln,
                              									sammt Genußmitteln, welche alle zusammen nothwendig sind, um einen Körper auf einem
                              									gewissen normalen Stande zu erhalten.
                           Das Fleischextract enthält weder Eiweiß, noch Leim, noch Fett, noch Fettbildner, es
                              									gehört, abgesehen von seinem hohen Gehalt an Nährsalzen, vorwaltend zu den
                              									Genußmitteln, ist daher auch keine Nahrung, aber ein Genußmittel der
                              									hervorragendsten Art, und ich will etwas näher darauf eingehen, was ein Genußmittel,
                              									als nothwendiger Bestandtheil der menschlichen Kost, zu bedeuten hat. Voit sagt hierüber: „Für die Ernährung (d.h. für den
                                 										stofflichen Ersatz der verbrauchten Körpersubstanz) würde ein Gemenge aus reinem
                                 										Eiweiß, Fett, Stärke, Salzen und Wasser genügen, und doch würden wir uns damit
                                 										nicht befriedigt erklären; wir sagen, es ist geschmacklos, und verweigern es zu
                                 										essen. Allen unseren Speisen, auch denen aus dem Pflanzenreiche, sind
                                 										schmeckende Substanzen, welche keine Nahrungsstoffe sind, in Menge beigemischt,
                                 										so daß kein Mensch sich den Genußmitteln dieser Art zu entziehen vermag. Das
                                 										Geschmacklose, oder schlecht Schmeckende, oder Eckelhafte thut uns nicht gut; es
                                 										können z.B. Brechbewegungen schon vor dem Hinabschlucken sich einstellen, so daß
                                 										wir daraus ersehen, daß die Centralorgane der Geschmacksempfindung in
                                 										functionellem Zusammenhange mit dem Magen stehen und auf ihn influiren. Wenn
                                 										dieß die schlecht schmeckenden Speisen thun, so thun es auch die
                                 										wohlschmeckenden, nur im entgegengesetzten Sinne.“
                              								
                           Daraus erklärt sich die alte Erfahrung, daß man nur essen soll, was einem schmeckt,
                              									und so lange es einem schmeckt. Gleichwie das Geschmackscentralorgan den Magen und
                              									Darm beeinflußt, so beeinflussen auch diese wieder rückwärts das Geschmacksorgan.
                              									Nach der Sättigung schmecken uns Speisen nicht mehr, die uns kurz zuvor doch noch so
                              									angenehm dünkten.
                           Voit macht weiter darauf aufmerksam, daß die Wirkung der
                              									Genußmittel zunächst allerdings wesentlich nur auf das Nervensystem gehe, welches
                              									aber nicht bloß bei allen willkürlichen Bewegungen und Handlungen, sondern auch bei
                              									allen Processen der Verdauung, der Resorption und Assimilation, die unserer Willkür
                              									und theilweise auch unserer directen Wahrnehmung entrückt sind, eine höchst wichtige
                              									Rolle spielt. Gewisse Stoffe, wenn wir sie verschlucken, erregen z.B. zunächst die
                              									Nervenenden der Schleimhaut des Verdauungscanales, von wo aber die Erregung sich auf
                              									gewisse Centralorgane im Darm selbst, oder auf entferntere im Gehirn oder Rückenmark
                              									fortpflanzt; andere gelangen vom Magen oder Darm aus nach der Resorption zunächst
                              									in's Blut, und von da erst zu den Centralorganen des Nervensystemes und versetzen
                              									sie in veränderte Zustände. Von diesen Centralorganen aus sind dann noch weitere
                              									Uebertragungen möglich, wodurch oft auf großen Umwegen wieder Einflüsse zurück auf
                              									diejenigen Theile im Verdauungscanale ausgeübt werden können, welche bei dem
                              									ursprünglichen Contacte mit dem Genußmittel sich noch neutral verhalten haben. Wenn
                              									die Bahnen für solche Einflüsse auch noch nicht genügend bekannt sind, so steht
                              									thatsächlich doch schon so Vieles fest, daß ihr Vorhandenseyn als unumstößlich
                              									bewiesen betrachtet werden muß.
                           
                           Man sieht, daß die Genußmittel noch lange nicht gehörig gewürdigt sind, ihr Begriff
                              									für gewöhnlich noch viel zu eng genommen und ihre Bedeutung noch viel zu wenig
                              									erkannt wird.
                           Als feststehend darf angenommen werden, daß viele Genußmittel schon durch ihren
                              									bloßen Geschmack von der Mundhöhle aus den Magen auf irgend eine Art zur Verdauung
                              									vorbereiten.
                           Der Mensch opfert daher gewiß nicht ohne Zweck und Nutzen solchen Reizen so große
                              									Summen Geldes, wie er es z.B. beim Zucker thut, dessen Geschmack wir so
                              									außerordentlich lieben, daß wir nach ihm gern Alles bezeichnen, was uns überhaupt
                              									angenehm ist. Der Zucker ist ein Kohlehydrat und damit auch ein Mittel zum Ersatz
                              									des Fettverbrauches im Körper, aber wir zuckern manche unserer Speisen gewiß nicht,
                              									weil der Zucker ein Nahrungsstoff ist, wie Stärkemehl und Dextrin, vor denen er im
                              									Nährwerthe nicht das Geringste voraus hat, sondern wegen seines Geschmackes, wegen
                              									seiner Wirkung auf die Nerven. Moses tröstete sein Volk in der Wüste nicht ohne
                              									Erfolg mit der Verheißung, daß er es in ein Land führen werde, das von Milch und
                              									Honig fließt.
                           Ich habe schon erwähnt, daß die Wirkung der Genußmittel durchaus nicht auf die
                              									Geschmacksnerven in der Mundhöhle beschränkt ist, sondern sich nachweisbar noch viel
                              									weiter erstreckt, wenn wir auch in der Regel nicht im Geringsten eine directe
                              									Wahrnehmung davon durch besondere Empfindungen haben. Es wird bekanntlich nicht
                              									beständig im Magen Magensaft abgesondert, sondern meist nur dann, wenn etwas in den
                              									Magen gelangt. Schon durch bloßen mechanischen Reiz der Schleimhaut, z.B. mit einem
                              									Federbart, oder durch einen Glasstab quillt Saft hervor und füllen sich die Gefäße
                              									der Schleimhaut mit Blut. Ganz ähnlich, nur viel behaglicher, wirken auch andere
                              									Reize: ein Tropfen verdünnter Weingeist- oder Kochsalzlösung, auf die
                              									Magenschleimhaut eines lebenden Thieres gebracht, macht einen Austritt von Saft aus
                              									den Drüsen.
                           Dasselbe bewirkt auch schon die bloße Vorstellung von etwas Leckerem, wobei nicht nur
                              									dem Menschen, wie man sagt, das Wasser im Munde zusammenläuft, sondern man kann auch
                              									an Hunden mit künstlich angelegten Magenfisteln beobachten und zeigen, wie plötzlich
                              									Magensaft hervorquillt, sobald man dem nüchternen Thiere ein Stück Fleisch vorhält,
                              									ohne es ihm zu geben. Voit erklärt auf diese Art den
                              									Nutzen der Einleitung einer reichlichen Mahlzeit durch etwas Caviar oder Sherry. Als
                              									das einfachste und erfahrungsgemäß beste Mittel zu diesem Zweck erklärt auch Voit eine kräftige warme Fleischbrühe.
                           Der Mensch hängt so sehr an Genußmitteln der verschiedensten Art und zwar nicht bloß
                              									für Zwecke der Verdauung und Ernährung, sondern auch noch für zahlreiche
                              									Nerventhätigkeiten in ganz anderen Richtungen, daß er dafür, um sich dieselben zu
                              									verschaffen, gern etwas opfert oder bezahlt. Wie viele verzichten nicht auf ein
                              									Stück Brod, um sich eine Tasse Kaffee, oder Thee, eine Prise Tabak, eine Cigarre,
                              									ein Glas Bier oder Wein zu sichern, wenn ihnen die Wahl gelassen wird, obwohl ein
                              									Stück Brod zum Fett- und Eiweißersatz am Körper beiträgt, und die genannten
                              									Genußmittel nicht!
                           Die Genußmittel sind wahre Menschenfreunde, sie helfen unserem Organismus über manche
                              									Schwierigkeiten hinweg, ich möchte sie mit der Anwendung der richtigen Schmiere bei
                              									Bewegungsmaschinen vergleichen, welche zwar nicht die Dampfkraft ersetzen und
                              									entbehrlich machen kann, aber dieser zu einer viel leichteren und regelmäßigeren
                              									Wirksamkeit verhilft, und außerdem der Abnutzung der Maschine ganz wesentlich
                              									vorbeugt. Um letzteres thun zu können, ist bei der Wahl der Schmiermittel eine
                              									Bedingung unerläßlich: sie dürfen die Maschinentheile nicht angreifen, sie müssen,
                              									wie man sagt, unschädlich seyn.
                           Und diese letztere Bedingung erfüllt das Fleischextract in einem hervorragenden
                              									Grade, denn es ist geradezu ein natürlicher Bestandtheil unseres Körpers selbst, wie
                              									Eiweiß und Fett, es ist von seinem Ursprung her ein unserem Organismus durch und
                              									durch befreundeter Stoff, der nichts erhält, was nicht ohnehin ein integrirender
                              									Bestandtheil jedes gesunden Körpers wäre. Wie das Extract in den Handel kommt,
                              									besteht es wesentlich aus drei Gruppen von Bestandtheilen: 1) aus etwa 20 Proc.
                              									Wasser, 2) aus etwa 22 Proc. Aschenbestandtheilen oder Salzen, und 3) im Uebrigen
                              									aus etwa 58 Proc. organischen Bestandtheilen, sogenannten Extractivstoffen.
                           Von den Extractivstoffen des Fleisches sind bekanntlich mehrere bereits näher
                              									chemisch definirt oder isolirt, aber damit ist die Aufgabe der Chemie der
                              									organischen Bestandtheile des Fleischextractes gewiß noch lange nicht erschöpft.
                              									Unter den isolirten finden sich drei aus der Reihe der organischen Basen oder
                              									Alkaloide: Kreatin, Sarkin und Carnin. Ein anderer organischer Bestandteil, der in
                              									größerer Menge im Fleischextract enthalten ist, ist die Fleischmilchsäure. Auch
                              									sonst weiß man noch Einiges, aber nach meiner Ansicht wäre es sehr voreilig, aus
                              									unserem einstweiligen Wissen über die organischen Bestandteile des Fleischextractes
                              									seinen physiologischen und hygienischen Werth erklären zu wollen, und eben so
                              									voreilig wäre es, aus der Mangelhaftigkeit dieses Wissens seinen Unwerth folgern zu
                              									wollen.
                           Von ganz besonderer Wichtigkeit scheint mir der Gehalt an den eigenthümlichen Salzen
                              									zu seyn, welche nicht nur Genußmittel, sondern auch Nährsalze sind, gerade so wie das Kochsalz. Jedes
                              									Organ hat seine eigene Mischung von Salzen, die es beim Verbrennen als Asche
                              									hinterläßt. Die Asche des Blutes ist sehr verschieden von der Asche des Muskels.
                              									Kein Organ am Körper hat eine so große Masse, als das Muskelorgan, bloß die
                              									Skeletmuskeln allein machen beim Menschen schon nahezu die Hälfte seines ganzen
                              									Körpergewichtes aus. Das Fleischextract enthält nun die natürliche Mischung aller
                              									löslichen Salze dieses größten aller Organe.
                           Dagegen läßt sich nun zwar einwerfen, daß wir in einer Nahrung, welche die nöthige
                              									Menge von Eiweißstoffen enthält, gleichviel ob in der Form von Fleisch oder Brod
                              									oder Milch, in der Regel auch schon die nöthige Menge von Aschenbestandtheilen oder
                              									Salzen genießen, die für den Aufbau der Organe, und damit auch des Muskelorganes
                              									unumgänglich nothwendig ist, und es könnte ferner eingeworfen werden, daß ein
                              									Ueberschuß an solchen Salzen, wenn er genossen wird, nach kurzer Zeit schon wieder
                              									ausgeschieden wird; – aber es wäre nach meiner Ansicht doch ein nicht
                              									gerechtfertigter Schluß, aus diesen Thatsachen die Nutzlosigkeit eines gewissen, und
                              									wenn auch nur zeitweisen und geringen Ueberschusses folgern zu wollen. Man weiß ja
                              									nicht, welche Störungen sowohl bei der Assimilation als auch bei den Functionen der
                              									Organe vorkommen, ob nicht durch gewisse Störungen, durch Nebenprocesse der eine
                              									oder andere Bestandtheil hier und da seinen Zwecken entzogen, so zu sagen mit
                              									Beschlag belegt ist, wo dann ein gewisser Vorrath oder Ueberschuß helfend und
                              									ausgleichend eintreten kann. Die Erfahrung entspricht vielfach einer solchen
                              									Annahme.
                           Es ist noch nicht lange her, daß in der Physiologie viel von der Luxusconsumtion die
                              									Rede war. Manche Physiologen glaubten, es wäre Luxus, dem Körper mehr an
                              									Nahrungsstoffen zuzuführen, als der hungernde, aber noch functionsfähige Organismus
                              									zersetzt und ausscheidet; jedoch die Ernährungsversuche von Bischoff und Voit haben schlagend nachgewiesen,
                              									daß mit einer solchen Zufuhr eben immer nur ein Rothstand, ein fortgesetzter
                              									Hungerzustand erzielt werden kann, der den Anforderungen eines normalen Lebens auf
                              									die Dauer nicht zu genügen vermag. Zu einem gesunden und kräftigen Leben gehört ein
                              									gewisser Wohlstand, ein wenn auch geringer Ueberfluß, es reicht nicht immer aus,
                              									bloß so viel zu haben, um die äußerste Nothdurft damit zu decken. Es ist eben so,
                              									als wenn man einen Organismus in seiner Wärmeerzeugung auf ein Maaß beschränken
                              									wollte, bei dem er gerade vor dem Erfrieren geschützt wird, und Alles, was darüber
                              									ist, für überflüssigen Luxus erklären wollte.
                           
                           Ein lehrreiches Beispiel gerade im Hinblick auf die Salze im Fleischextracte ist der
                              									Gebrauch des Kochsalzes, welches gleichfalls Nahrungsstoff und Genußmittel zugleich
                              									ist. Man kann sagen, auch das Kochsalz aus den Salinen sey nur Genußmittel und ein
                              									Luxus, denn die unerläßliche Menge für die Blutbildung sey schon in den natürlichen
                              									Nahrungsmitteln enthalten, und je mehr man sonst der Nahrung der Menschen und Thiere
                              									beimische, desto mehr werde sofort in ihrem Harn auch wieder ausgeschieden. Der
                              									Mensch läßt diese Theorie heutzutage wohl nicht mehr auf sich selbst anwenden, aber
                              									in vielen Gegenden wird doch der ganze Stand an Hausthieren auch gegenwärtig noch
                              									ohne den Gebrauch von Kochsalz aus Salinen erhalten. Die zur Blutbildung absolut
                              									nothwendige Menge ist allerdings in den gewöhnlichen Nahrungsmitteln der Thiere
                              									schon vorhanden, denn sonst müßten sie ja zu Grunde gehen, jedoch man frage
                              									erfahrene und erfolgreiche Viehzüchter, ob sie es deßhalb für überflüssigen Luxus
                              									halten, Steinsalz zum Lecken zu geben, oder etwas Kochsalz unter das Futter zu
                              									streuen? Alle Landesregierungen betrachten es als ihre Pflicht, für eine
                              									hinreichende Lieferung von Viehsalz an alle Landwirthe Vorsorge zu treffen. Mit dem
                              									gleichen Rechte und Vortheile, als wir in der täglichen Nahrung mehr Kochsalz
                              									zuführen, als ein Organismus gerade zu seinem nothdürftigsten Bestehen braucht,
                              									dürfen wir auch Fleischextract unseren Nahrungsmitteln und selbst dem Fleische noch
                              									hinzufügen, obschon letzteres bereits eine bestimmte Menge davon enthält und dennoch
                              									eine günstige Wirkung davon erwarten. Es ist eine merkwürdige Thatsache, daß gerade
                              									in zwei Städten, wo notorisch das meiste Fleisch verhältnißmäßig verzehrt wird, in
                              									London und in Hamburg, auch der Consum an Fleischextract der verhältnißmäßig höchste
                              									bisher geworden ist.
                           Eine Frage möchte ich noch beantworten, nämlich ob denn die Fleischbrühe und das
                              									Fleischextract nicht mit anderen, wohlfeileren Mitteln ersetzt werden könnte?
                              									Darüber kann nur die Erfahrung entscheiden, die einstweilen noch für die
                              									Fleischsuppe spricht und wahrscheinlich auch noch länger dafür sprechen wird. Der
                              									Mensch kann ohne Fleischsuppe und Fleischextract leben, das ist keine Frage,
                              									gleichwie er auch ohne Thee und Kaffee, ohne Bier und Wein, ohne Zucker, ohne Salz
                              									und Pfeffer leben kann, „aber fragt ihn nur nicht wie?“ Ich
                              									wüßte zum Ersatz der Fleischbrühe vorläufig kein Mittel zu empfehlen, das besser,
                              									oder nur eben so gut und wohlfeiler wäre. Nach meiner Ansicht bliebe nichts übrig,
                              									als zu versuchen, es aus wohlfeilerem Material zu bereiten als bisher, oder es aus
                              									seinen Bestandtheilen künstlich zusammenzusetzen, etwa wie man künstliche
                              									Mineralwässer macht. Bis jetzt geht das aber noch nicht an, und es muß vorläufig
                              									noch aus Fleisch gemacht werden, ebenso wie Bier aus Gerstenmalz und Wein aus
                              									Trauben.
                           Die organischen Bestandtheile des Fleischextractes kennt man viel zu wenig, als daß
                              									man nur anfangen könnte, sie aus billigeren Stoffen herzustellen und im gehörigen
                              									Verhältniß zusammenzumischen. Mit den Salzen könnte man es eher versuchen, aber auch
                              									dieser Theil der Aufgabe würde in der Praxis die größten Schwierigkeiten machen und
                              									keinen Anklang finden. Das Salz im Fleischextracte ist keine einfache chemische
                              									Verbindung, wie das Kochsalz der Salinen, sondern ein Gemenge von mehreren
                              									verschiedenen Salzen, aber in sehr bestimmten Verhältnissen, und gerade diese
                              									Mischungsverhältnisse sind für den Organismus etwas ganz Wesentliches; jede
                              									Abweichung davon wäre eine Verfälschung oder Verunreinigung. Das ist gewiß ein
                              									wesentlicher Grund, warum überhaupt sich zu Nahrungsmitteln nur Naturproducte
                              									eignen, warum man sie nicht aus ihren einzelnen Bestandtheilen künstlich
                              									zusammensetzen kann und darf. So ein Muskelsalz ist zwar noch ein ziemlich einfaches
                              									Ding; aber ich zweifle, ob sich ein Chemiker anheischig machen könnte, dafür zu
                              									sorgen, daß alle Fabriken, welche sich damit abgeben würden, den Artikel stets so
                              									rein und in so unverändert gleichmäßiger Mischung dem Publicum liefern, wie der
                              									lebendige Muskel des Thieres, also die Natur selbst es bewirkt. In
                              									Fray-Bentos wird das Fleischextract eigentlich nicht in der dortigen Fabrik
                              									gemacht, sondern die in den Grasebenen oder Pampas weidenden Rinder bereiten es
                              									durch ihren Lebensproceß, wie die Bienen den Honig; in der Fabrik werden nur die das
                              									Fleischextract enthaltenden Thiere geschlachtet, das Extract aus ihren Muskeln
                              									ausgezogen, von anderen Bestandtheilen geschieden, abgedampft und in Blechbüchsen
                              									gefüllt. Baron v. Liebig und ich haben nie zu
                              									untersuchen, ob kein Bestandtheil vergessen, keiner verwechselt, keiner
                              									verhältnißmäßig zu viel und zu wenig dazu genommen worden sey, dafür hat schon der
                              									Organismus der geschlachteten Thiere gesorgt; unsere beständige Controlle beschränkt
                              									sich wesentlich darauf, ob es von den Substanzen, die es nicht enthalten soll (Fett,
                              									Eiweiß, Leim), frei ist und ob es nicht zu viel Wasser enthält. Hätten wir es mit
                              									einem künstlichen Gemenge zu thun, bei dem es an jedem einzelnen Bestandtheile
                              									fehlen kann, in dem jeder einzeln bestimmt werden müßte, wir dürften auf dieser Welt
                              									nichts anderes mehr thun, als Tag und Nacht analysiren, und würden doch nicht fertig
                              									werden.
                           Eine weitere Frage hört man noch öfter: ob es denn nicht besser wäre, auf den
                              									europäischen Markt anstatt Fleischextract von Fray-Bentos das Fleisch selbst
                              									zu bringen? Kein Vernünftiger zweifelt, daß Fleisch in der Nahrung ein noch viel
                              									wichtigerer Bestandtheil ist, als Fleischextract, und daß es von unberechenbarem
                              									Nutzen wäre, wenn man in Europa gutes, recht wohlfeiles Fleisch einführen könnte.
                              									Ich zweifle auch nicht im Mindesten, daß es noch dazu kommen wird, sobald einmal die
                              									richtigen und billigen Methoden zur Conservirung des Fleisches während des
                              									Transportes gefunden seyn werden. Da aber möchte ich weiter fragen, ob dann wohl die
                              									Fleischextractfabriken aufhören werden, zu arbeiten? und diese Frage beantworte ich
                              									ganz bestimmt mit Nein. So wenig das Fleischextract das Fleisch, eben so wenig
                              									ersetzt das Fleisch das Fleischextract. Ich habe für diese meine Ueberzeugung ganz
                              									unzweideutige Analogien. Fleischextract verhält sich zum Rohstoffe Fleisch ähnlich,
                              									wie etwa Milchzucker, Käse und Butter zu ihrem Rohstoffe, der Milch. Obschon Milch
                              									ein besseres und vollständigeres Nahrungsmittel ist, als Käse und Butter, so werden
                              									letztere doch auch noch dargestellt und würden dargestellt werden, selbst wenn es'
                              									gelänge Mittel zu finden, frische Milch in die größten Entfernungen zu versenden.
                              									Butter und Käse werden nicht bloß deßhalb dargestellt, weil man die Milch nicht
                              									anders und als solche am Orte der Erzeugung verwerthen kann, Butter und Käse werden
                              									auch ihrer selbst willen aus Milch bereitet.
                           Und so wird es auch beim Fleischextract der Fall seyn, nachdem man es einmal kennen
                              									gelernt hat. Wenn wir die Essenz der Fleischbrühe auch nicht im Geringsten als
                              									Nahrungsmittel gelten lassen, sondern nur als unschädliches Genußmittel auffassen,
                              									so wird sein Bestehen von nun an doch gesichert seyn. Wie hoch der Mensch die
                              									Genußmittel schätzt, zeigt die Bierconsumtion in unserer Zeit, die beständig
                              									zunimmt, obschon alle Preise der Lebensmittel auf eine ungewöhnliche Höhe steigen.
                              									Man braucht zu einem Maaß (1 Liter) guten Bieres wenigstens ein halbes Maaß (1/2
                              									Liter) gute Gerste. Da hätte man doch Grund zu sagen, es wäre für die Ernährung der
                              									Massen viel vortheilhafter, die Gerste in Mehl zu verwandeln und als Brod zu essen,
                              									als mit vielen Kosten ein Getränk daraus zu brauen, welches keine Nahrung mehr ist,
                              									kein Eiweiß und nur ein paar Procent andere Nahrungsstoffe noch enthält, sondern
                              									wesentlich nur ein Genußmittel ist. Oder man könnte auch denken, es wäre klüger, die
                              									großen Flächen Landes, welche mit Gerste und Hopfen für die Bierfabrication bebaut
                              									werden, nur mit Weizen oder Roggen zu bestellen, und dadurch den Menschen wieder
                              									wohlfeileres Brod zu schaffen. Aber es ist merkwürdig, wie viel Europa trotzdem von
                              									seinem theuren Getreide als Bier sogar noch nach anderen Welttheilen exportirt; da
                              									dürfte man predigen, so viel man wollte, die Verschwendung an solchen Genußmitteln
                              									hört nie auf. Es wird in diesen Dingen wirklich viel und oft ganz nutzlos
                              									verschwendet, aber sie ganz entbehren kann man auch nicht. Die Mehrzahl der Menschen
                              									findet immer zu ihrem Vortheil das rechte Maaß durch Beobachtung und
                              									Selbstbeherrschung.
                           Die Auswahl und Mischung der Nahrung ist wesentlich eine angeborene, instinctive
                              									Thätigkeit beim Menschen wie bei den Thieren, welche theils von der gegebenen
                              									Organisation der Verdauungsapparate, theils von der Art und dem Maaß der Thätigkeit
                              									des Gesammtorganismus unbewußt geleitet wird. Die instinctive Thätigkeit hat auch
                              									den richtigen Weg zu seiner Ernährung finden lassen, sie hat uns ohne alle
                              									Wissenschaft zu einem wahren Reichthum und Mannichfaltigkeit von Nahrungs-
                              									und Genußmitteln geführt, wogegen sich alle Zuschüsse von anderen Seiten her
                              									vorläufig noch recht armselig, ich möchte sagen fastenmäßig und hungerleidig
                              									ausnehmen. Wir haben daher diesem Instincte, der sich durchschnittlich am
                              									deutlichsten in den Empfindungen des Geschmackes und im Gefühl der Sättigung und des
                              									Wohlbehageus ausspricht, vorläufig noch eine entscheidende Stimme einzuräumen.
                              									Dieser Ansicht darf auch derjenige seyn, welcher die Ernährung vom rein
                              									wissenschaftlichen Standpunke aus betrachtet und von der großen Mission der
                              									Physiologie und der Hygiene in dieser Richtung ganz und gar durchdrungen ist.
                           Auf diesem Standpunkte stehend, fühle ich mich im Einklange mit allen Erfahrungen
                              									über die gute Wirkung und den Nutzen des Fleischextractes. Ich erblicke im
                              									Fleischextracte weder eine Nahrung, noch ein Nahrungsmittel, welches Zufuhr an
                              									Eiweiß, Fett oder Kohlehydraten ersparen könnte, ich halte sogar alle gegentheiligen
                              									Behauptungen für falsch und unbegründet, ja ich sehe das Fleischextract nicht einmal
                              									für ein neues Genußmittel an, womit die Wissenschaft die
                              									Speisevorräthe für Zusammensetzung einer gedeihlichen menschlichen Kost bereichert
                              									hätte, welches erst auf wissenschaftlichem Boden entstanden und in die Praxis
                              									übergehen und erprobt werden sollte; nein! Fleischbrühe ist ein uraltes, längst und
                              									viel gebrauchtes Mittel und seine guten Wirkungen sind aus tausendjähriger Erfahrung
                              									bekannt und erprobt. Was sich mit dem Entstehen der ersten großen
                              									Fleischextractfabrik in Fray-Bentos gegen früher geändert hat, ist bloß, daß
                              									eine von Baron v. Liebig empfohlene, eben so
                              									vortreffliche als einfache Methode in Amerika in die Praxis übergegangen ist, um die
                              									wahre und wirkliche Essenz der Fleischbrühe herzustellen, und zwar zu Preisen, wie
                              									es aus Fleisch vom europäischen Markte unmöglich wäre. Als Essenz für Fleischbrühe
                              									sind auch schon früher die viel theureren Bouillontafeln im Handel gewesen, aber
                              									diese sind bekanntlich nicht Fleischextract, sondern wesentlich nur Leim, mit
                              									einigen riechenden, schmeckenden und färbenden Substanzen, von denen die wenigsten
                              									vom Fleische stammen. Es
                              									wird nicht erst jetzt Fleichbrühe genossen und probirt, sondern es wird jetzt nur
                              									mehr und bessere genossen als sonst, und daß das möglich geworden ist, hat man
                              									nächst Baron v. Liebig am meisten Hrn. Giebert und Ihnen zu danken, und alle drei dürfen mit
                              									Genugthuung und einigem Stolz darauf blicken, zur Verallgemeinerung eines so
                              									naturgemäßen und längst erprobten Genußmittels so wesentlich beigetragen zu
                              									haben.
                           Von diesem meinem Standpunkte aus wird Ihnen auch leicht erklärlich seyn, warum mir
                              									die ganze Polemik gegen das amerikanische Fleischextract vom Anfang an absurd
                              									vorkam. Der Eine sagt: Das Fleischextract ist kein Nahrungsmittel, denn es enthält
                              									weder Albuminate, noch Fett, noch Kohlehydrate. Daß es diese Nahrungsstoffe
                              									enthalte, ist auch von Niemand behauptet worden. Im Gegentheil, Baron v. Liebig's erster Grundsatz bei Ausarbeitung der Methode
                              									zur Darstellung des Extractes war, es nicht nur frei von Eiweiß und Fett, sondern
                              									auch frei von Leim zu gewinnen, um ihm die Haltbarkeit zu sichern.
                           Obschon alle Fleischextract-Fabriken nach der Methode des Baron v. Liebig zu arbeiten vorgeben und dieses als Empfehlung
                              									benutzen, so sind die Producte nicht überall gleich, und können es nicht seyn
                              									vermöge ihrer nothwendig verschiedenen Einrichtungen. Nur in großen Etablissementen
                              									läßt sich die Herstellung einer immer gleichmäßigen Qualität des Productes erwarten.
                              									Daher kommt es, daß es Extracte gibt welche z.B. eine Spur Eiweiß enthalten, aber in
                              									so geringer Menge, daß es als Eiweißnahrung ohne alle Bedeutung ist (etwa 1 Proc.)
                              									und nur hinreicht, um die Auflösung des Extractes in warmem Wasser trüb erscheinen
                              									zu lassen. Baron v. Liebig und ich würden ein solches
                              									Extract, wenn es von Fray-Bentos käme, als mangelhaft filtrirt, einfach nicht
                              									in den Handel übergehen lassen, dadurch daß wir unsere Unterschrift
                              									verweigerten.
                           Andere waren nicht damit zufrieden, zu sagen, daß das Fleischextract keine Nahrung
                              									sey, sie glaubten die Welt auch darauf aufmerksam machen zu müssen, daß es sogar
                              									schädlich, ja daß es selbst ein Gift sey. Diese
                              									Absurdität machte vielfach Eindruck. Ich konnte nie begreifen, daß den Leuten, die
                              									sich das sagen ließen, dabei nicht sofort einfiel, daß dieses Gift in jedem Bissen
                              									Fleisch, in jedem Teller Fleischsuppe von jeher enthalten war, und daß sie trotzdem
                              									so alt geworden sind; sie vergaßen ganz, daß sie dieses Gift am eigenen Leibe an
                              									ihrem Fleische beständig mit sich herumgetragen, selbst wenn sie Vegetarianer sind
                              									und weder Fleisch noch Fleischsuppe essen. Diese Giftartikel gegen das
                              									Fleischextract entstanden dadurch, daß man daran ging, die durch Erfahrung feststehende gute
                              									Wirkung der Fleischbrühe wissenschaftlich und experimentell zu begründen. So hat
                              									z.B. Kemmerich, gestützt auf die von den Physiologen
                              									schon früher beobachtete Wirkung der Kalisalze, darauf aufmerksam gemacht, daß auch
                              									das im Fleischextracte enthaltene Kali wichtige allgemeine Wirkungen veranlasse, daß
                              									es die Nerven und Muskeln erregbarer mache und eine Beschleunigung des Herzschlages
                              									hervorrufe: ja, Kemmerich zeigte sogar, daß man Thiere
                              									durch sehr große Gaben Fleischextract, wie sie verhältnißmäßig ein Mensch freiwillig
                              									nie nehmen würde, tödten könne. Dieser Schaden des Fleischextractes ist aber nicht
                              									anders aufzufassen, als der eines jeden Uebermaaßes, wie man sich auch mit Fleisch,
                              									Brod oder Bier schaden kann. Es haben sich Menschen schon zu Tode gegessen und
                              									getrunken, es ist sogar möglich, daß auch schon Jemand an Fleischextract gestorben
                              									ist, obwohl darüber noch nichts bekannt wurde; aber aus solchen Unglücksfällen wird
                              									doch Niemand die Lehre ziehen, sich von nun an des Essens und des Trinkens oder des
                              									Fleischextractes zu enthalten.
                           Daß man Fleischextract täglich und ziemlich viel und lange hintereinander nicht nur
                              									ungestraft, sondern sogar mit großem Behagen und Nutzen verzehren kann, hat Rohlfs, weithin durch seine Reisen in Marokko bekannt,
                              									erfahren. Er äußert sich darüber in einem Briefe an Baron v. Liebig: „Was das Fleischextract betrifft, so ist es namentlich
                                 										für uns Afrika-Reisende eine der größten Wohlthaten gewesen. Auf meiner
                                 										Reise durch die große Wüste von Tripolis nach dem Tschad-See war es meine
                                 										tägliche Nahrung. Ohne sonstiges Fleisch nahm ich es des Morgens auf Bisquit
                                 										geschmiert, und das schmeckte nicht nur vortrefflich, sondern ersetzte mir auch
                                 										vollkommen die Fleischkost. Abends stellte ich Bouillon her und mischte eine
                                 										gute Portion unter Reis, Linsen oder Kuskusu oder was wir sonst an Vegetabilien
                                 										hatten. Ich habe mich übrigens so an das Fleischextract gewöhnt, daß ich es noch
                                 										jetzt immer im Hause haben muß.“
                              								
                           Wie im Süden, nahe dem Aequator, hat auch im höchsten Norden, nahe dem Pole, das
                              									Fleischextract einem sehr angesehenen und bekannten Reisenden, Herrn Edward Whymper, große Dienste geleistet. Er äußert sich
                              									in einem Briefe von England aus darüber mit folgenden Worten: „Ich genieße
                                 										das Extract seit seiner ersten Einführung in dieses Land, und es gibt keinen
                                 										einzigen Nahrungsartikel, welchen ich auf Reisen weniger als gerade diesen
                                 										entbehren möchte. Ich reiste in Nordgrönland während der ganzen Saison von 1872;
                                 										während dieser Zeit war meine Nahrung sehr limitirt in Quantität und fast ganz
                                 										auf einige wenige europäische Lebensmittel beschränkt, worunter zunächst das Liebig'sche Fleischextract. Nichtsdestoweniger gewann ich
                                 										fortwährend an Spannung und Kraft. Dieses schreibe ich in nicht geringem Maaße
                                 										dem häufigen Gebrauche des Extractes zu, denn meine sonstige Fleischkost bestand
                                 										nur aus in Blechdosen verwahrtem Rindfleisch.“ Herr Whymper war daher bei seiner Heimkehr nach England sehr
                              									überrascht, zu hören, daß das Fleischextract etwas Unnützes seyn soll. Da diese
                              									Behauptung mit seiner eigenen Erfahrung in so directem Widerspruch steht, so glaubt
                              									er sie nicht, und beauftragt den Herrn, an welchen sein Brief gerichtet war, Baron
                              									v. Liebig, seine aufrichtige Dankbarkeit und tiefste
                              									Hochachtung gerade für das Fleischextract auszusprechen, dessen unermeßliche
                              									Wichtigkeit er fühle.
                           Daraus darf man zwar nicht schließen, daß sich die Reisenden mit Fleischextract
                              									allein hätten ernähren können, aber es ist ihnen als wesentlicher Bestandtheil in
                              									ihrer Nahrung doch jedenfalls sehr nützlich und zuträglich gewesen.
                           Bei den Experimenten über die tödtliche Wirkung großer Mengen von Fleischextract an
                              									Thieren, welche wesentlich dem Kaligehalt des Extractes zugeschrieben werden muß,
                              									hat man von Anfang an einen Umstand ganz außer Acht gelassen, der aber nothwendig in
                              									Betracht gezogen werden mußte, wenn man die Wirkung auch nur entfernt mit dem Genuß
                              									von Fleischbrühe in Beziehung bringen wollte, nämlich den Umstand, daß die Wirkung
                              									der Kalisalze auffallend gemildert wird, sobald ihnen eine äquivalente Menge
                              									Natronsalze beigemischt wird. Sollte vielleicht auch darin einer der Gründe liegen,
                              									weßhalb unser Instinct, unser Geschmack stets einen nicht unbeträchtlichen Zusatz
                              									von Kochsalz (Chlornatrium) so gebieterisch verlangt, bis uns eine Fleischbrühe
                              									mundet? Es bleibt in diesen Dingen überhaupt noch unendlich viel zu erforschen.
                           Ich halte es noch lange nicht für an der Zeit, den Gebrauch des Fleischextractes als
                              									eines Genußmittels ausschließlich davon abhängig zu machen, was wir von seinen
                              									Bestandtheilen und deren Eigenschaften wissenschaftlich schon feststellen können,
                              									oder wie weit wir etwa im Stande sind, es künstlich zusammenzusetzen. Wenn wir von
                              									diesem doctrinären Standpunkte aus auch andere Genuß- und Nahrungsmittel
                              									betrachten wollten, so wären wir wohl längst Hungers gestorben. Wenn die Einführung
                              									des Thee's oder Kaffee's davon wäre abhängig gewesen, daß man zuvor gewußt hätte, in
                              									beiden sey das Alkaloid Theïn enthalten, da wären
                              									wir erst sehr spät in ihren Besitz gekommen, und auch jetzt vermögen wir die
                              									Bedeutung des Thee- und Kaffeegenusses nur höchst unvollständig zu erklären
                              									und zu motiviren; wir fühlen nur, er thut uns gut.
                           Jedes neue Genußmittel hat zahlreiche Vorurtheile zu überwinden, namentlich hatte bisher jedes
                              									eine Periode durchzumachen, in der behauptet wird, daß es eine schädliche, ja selbst
                              									giftige Wirkung habe; wir haben das sowohl bei Kaffee als Thee und anderen
                              									hinreichend erlebt.
                           Auf diese Periode folgt dann wieder eine andere, in welcher, weil die Erfahrung das
                              									Schädliche und das Giftige nicht nachweisen konnte, behauptet wird, das Mittel habe
                              									gar keine Wirkung. In dieses vorgerückte Stadium scheint mir das Fleischextract
                              									jetzt bereits einzutreten, und darüber können Sie sich nur freuen; denn während
                              									dieses Stadiums bürgern sich solche hart bestrittenen Errungenschaften vollends ein,
                              									wenn auch in aller Stille.
                           Ich hatte Anfangs wirklich geglaubt, dem Fleischextracte würde es erspart seyn, alle
                              									diese Stadien eines Neulings durchlaufen zu müssen, weil der eigentliche Gegenstand,
                              									die Fleischsuppe, um die allein es sich handelt, kein neuer, sondern ein uralter,
                              									längst erprobter Artikel war, und nur zum ersten Mal in seinem langen Leben
                              									Gegenstand einer besonderen Fabrication und eines größeren Handels wurde. Aber es
                              									scheint, auch der Handel hat seine unabänderlichen Naturgesetze, die nie umgangen
                              									werden können, denn auch das Fleischextract hat sich mühsam durcharbeiten müssen, um
                              									sich seinen Platz auf dem Markte des Lebens zu erringen.
                           Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet muß man sogar sagen, daß es verhältnißmäßig
                              									noch rasch vorwärts gegangen ist. Welch gewaltiger Unterschied zwischen 1850 und
                              									1872! zwischen den ersten Anfängen zu einer Fabrication von Fleischextract in der
                              									königl. Leib- und Hofapotheke in München, wo man damals in der ersten Zeit
                              									kaum 1 Centner Fleisch, d. i. kaum den zehnten Theil eines Ochsen, in einem ganzen
                              									Jahre verarbeitete, und zwischen Fray-Bentos, wo im letzten Jahre das Fleisch
                              									von 150,000 Stück Rindern zu Extract gemacht wurde.
                           Der Name Liebig hat zu dieser raschen Entwickelung wohl
                              									vorwaltend beigetragen, nicht minder auch die prompte Einrichtung und die energische
                              									Führung des Etablissements durch Herrn Giebert, sowie die
                              									ausgezeichnete kaufmännische Behandlung durch Sie und die von Ihnen gegründete
                              									Gesellschaft; aber im Fleischextract selbst lag doch immer der natürliche
                              									Schwerpunkt des Ganzen. Zwanzig Jahre lang hätte es sich sonst wohl nicht über
                              									Wasser gehalten, geschweige denn es zu einem so hohen, ununterbrochen steigenden
                              									Absatz gebracht. Es wird eine Zeit kommen, wo man es gar nicht mehr anders wissen
                              									wird, als daß in jeder ordentlichen Küche ein Topf mit Fleischextract seyn muß,
                              									gerade so wie jetzt Pfeffer und Salz.