| Titel: | Ueber die Concentration der Schwefelsäure nach Faure und Kessler; von Friedr. Bode in Freiberg (Sachsen). | 
| Autor: | Friedrich Bode | 
| Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. X., S. 27 | 
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                        X.
                        Ueber die Concentration der Schwefelsäure nach
                           Faure und Kessler; von
                           Friedr. Bode in Freiberg
                           (Sachsen).
                        Mit einer Abbildung auf Tab. I.
                        Bode, über die Concentration der Schwefelsäure nach Faure's und
                           Keßler's Verfahren.
                        
                     
                        
                           In den letzten Jahren sind mehrfach neue Vorschläge und Versuche zur Concentration
                              der Schwefelsäure sowohl auf 60°, als auch auf 66° Baumé
                              gemacht worden. Handelte es sich dabei nur um die Erzeugung von 60grädiger
                              Schwefelsäure, so war das Bestreben maaßgebend, die hohe Temperatur zu vermeiden,
                              welcher man nach dem alten bisher immer noch allgemein angewandten Verfahren der
                              Verdampfung bei Ober- oder Unterfeuer die Bleipfannen aussetzen muß. So
                              erwärmt man nach einem Vorschlage oder Verfahren von Stoddard, über welches früher in diesem Journal (1871, Bd. CC S. 45 und
                              538) berichtet wurde, die Säure nur mäßig, treibt aber alsdann, um genügende
                              Verdunstung des Wassers zu bewirken, warme Luft durch die Säure. Auf diese Weise
                              soll man sogar in Bleigefäßen 66grädige Schwefelsäure erzielen. Vielleicht ist aus
                              demselben Streben, das Blei nicht zu hohen Temperaturen auszusetzen, auch das schon
                              länger bekannte Verfahren von Curtius in Duisburg
                              hervorgegangen, welches sich in der Praxis schon lange bewährt hat und immer mehr
                              einbürgert, und nach welchem man gespannte Wasserdämpfe, die in Bleischlangen
                              circuliren, zur Concentration auf 60° Baumé anwendet.
                           War dagegen die Darstellung von 66grädiger Schwefelsäure beabsichtigt, so trat bei
                              den neuen Vorschlägen und Versuchen unverkennbar das Bestreben hervor, in erster
                              Linie die theuren Platinapparate zu vermeiden, sodann aber auch, diejenigen
                              Materialien, welche an Stelle des Platins angewandt oder vorgeschlagen wurden, einer
                              geringeren Temperatur auszusetzen, als welcher man die Platinkessel aussetzen darf.
                              In dieser Beziehung ist aus der neuesten Zeit ein Verfahren zu nennen, welches von
                              Hemptinne herrührt und ebenfalls in diesem Journal
                              (1872, Bd. CCV S. 419) beschrieben wurde.
                           Es ist mir nicht bekannt geworden, ob und welche von diesen Vorschlägen sich Bahn
                              gebrochen und eine allgemeinere Anwendung in der Praxis gefunden haben. In
                              Deutschland und Oesterreich wenigstens concentrirt man meines Wissens noch allgemein
                              die Schwefelsäure auf 60° (abgesehen vom Glover-Thurm) in Bleipfannen mit Ober- oder Unterfeuer; in
                              Bleikästen mittelst Wasserdampf (nach Curtius); sowie auf
                              66° Baumé in Glasballons oder Glasretorten und in Platingefäßen,
                              vorzugsweise von Johnson Matthey u. Comp. in London bezogen.
                           Neuerdings ist mir eine kurze Broschüre in die Hände gekommen, welche den Titel
                              führt: Notice sur les Appareils à cuvette pour la
                                 Concentration à 66° de l'acide
                                 sulfurique. Par M. M.
                              Faure
                              et Kessler, fabricants d'acide sulfurique à
                                 Clermont-Ferrand (Puy-de-Dôme); chez les
                                 auteurs. Die Jahreszahl der Herausgabe fehlt, man ersieht aber aus dem
                              Schlusse, daß die Schrift aus Januar 1873 herrührt. In derselben wird wiederum eine
                              neue Methode der Schwefelsäureconcentration auf 66° Baumé beschrieben,
                              nach welcher Methode die HHrn. Faure u. Keßler bereits arbeiten. Von allen den Vorschlägen und
                              Versuchen, welche in letzter Zeit in Bezug auf Vereinfachung und billigere
                              Herstellung der 66grädigen Schwefelsäure gemacht worden sind, scheint mir derjenige
                              der HHrn. Faure u. Keßler
                              weitaus der beste zu seyn und ich gestatte mir daher, das Verfahren und den Apparat
                              im Anschlusse an die genannte Broschüre zu beschreiben.
                           Zunächst sey bemerkt, daß die ersten Zeilen sofort den Zweck des Schriftchens
                              angeben, welcher darin besteht, das zu beschreibende Verfahren zu verbreiten. Am
                              Schlusse erfährt man, daß die HHrn. Faure u. Keßler zur Anlieferung der neuen Apparate sich bereit
                              erklären. Man erfährt dann aus der Einleitung ferner, daß Hr. Keßler bereits 1860 ein Patent auf ein Verfahren zur Darstellung der
                              66grädigen Schwefelsäure erhalten hat, nach welchem die Concentration in Bleigefäßen
                              mit Hülfe eines luftleeren oder luftverdünnten Raumes erfolgte. Die Hauptursachen,
                              aus welchen dieses Verfahren verworfen werden mußte, bestanden einerseits in der
                              Uebersättigung der concentrirten Schwefelsäure an Bleisulfat bei 150 bis 200° C.,
                              welches letztere bei Abkühlung der Säure ausfiel und besondere Operationen für die
                              Reinigung derselben nöthig machte; andererseits in der zu hohen Brennstoffausgabe,
                              insofern man nämlich gezwungen war, das Bleigefäß, in welchem die Luftleere erzeugt
                              wurde, durch ein umgebendes Gefäß von Gußeisen hindurch zu erwärmen.
                           Bei dem neuen Apparate wird die Schwefelsäure in mehr oder weniger flachen offenen
                              Schalen (cuvettes) eingedampft. Wer die höhere Ausgabe
                              für Platin scheut, kann Porzellanschalen anwenden, mit welchen die HHrn. Faure u. Keßler ebenfalls
                              gearbeitet haben. Man muß aber alsdann mehrere Porzellanschalen nehmen, welche
                              terrassenartig gestellt werden, und die Feuerung so einrichten, daß nur die vom
                              Roste entfernteren Schalen direct von den Feuergasen berührt werden. Es ist nicht
                              angegeben, in welcher Weise man in diesem Falle die ersten Schalen vor zu starker
                              Feuerwirkung schützt; wahrscheinlich geschieht dieß aber durch ein Sand- oder
                              Luftbad. – Bei Anwendung von Platin genügt eine einzige Schale.
                           Der Betrieb kann continuirlich und intermittirend, wie bei den Platinkesseln,
                              gehandhabt werden.
                           Die aus den Schalen entweichenden Dämpfe-Wasserdampf und Schwefelsäure
                              – werden in einer Art Kühlkammer, die verschieden eingerichtet seyn kann und
                              mit Wasser gekühlt wird, aufgefangen und – soweit es Säuredämpfe sind
                              – niedergeschlagen. Auch kann man die Dämpfe, etwas abgekühlt, direct in eine
                              Schwefelsäurekammer entsenden, wo sie einen Theil des nöthigen Wasserdampfes
                              ersetzen werden. Säure- und Wasserdampf in der Kühlkammer niedergeschlagen,
                              werden abgeführt und erscheinen am Apparat der HHrn. Faure u. Keßler als schwache Destillatsäure von
                              26° Baumé.
                           Nach diesen Andeutungen wird man die beigegebene Zeichnung Figur 10 leicht
                              verstehen. a ist die direct vom Feuer berührte
                              Platinschale, so daß, im Vergleich mit einem Platinkessel, eigentlich nur noch der
                              Kesselboden übrig ist; während der Kesselbauch, der Hals, der Helm und der Arm durch
                              die Kühlkammer ersetzt sind. Das Dach derselben ist oberhalb mit der Bleirinne g versehen und wird mit Wasser aus dem Hahn c gekühlt. Es bezeichnet ferner b ein Luftthermometer, welches in den Inhalt der Schale taucht und den
                              Arbeiter über die Regulirung des Säurezuflusses und der Feuerung unterrichtet. Zur
                              Controlle des Luftthermometers dient ein gewöhnliches Aräometer, in welches
                              continuirlich Tropfen aus der Kammer fallen. Der Auslauf der Destillatsäure findet bei e statt und werden die Grade der letzteren ebenfalls
                              durch ein Aräometer angezeigt. Der Einlauf der zu verstärkenden Säure (von
                              58° Baumé) findet durch ein Bleirohr von der Concentration aus statt.
                              Der Ablauf der starken Säure erfolgt durch ein Platinrohr (richtiger wohl durch
                              einen Platinheber), welches mit Wasserkühlung versehen ist. Die weitere Abkühlung
                              erfolgt in einer Anzahl von Krügen und kann die Säure schließlich direct in die
                              Ballons bei d abgezogen werden.
                           Die Vortheile dieses Apparates, wenn er sich, was zu wünschen ist, bewährt, liegen
                              auf der Hand und bestehen in Folgendem:
                           1) Das gesammte Platingewicht ist so bedeutend vermindert, daß die HHrn. Faure u. Keßler einen Apparat
                              zu einer täglichen Leistung von 50 Ctr. 66grädiger Schwefelsäure für 15000 Frcs.
                              einschließlich einer Honorarforderung zu liefern versprechen, während auf der
                              anderen Seite bei den gegenwärtigen Platinpreisen ein Platinkessel von dieser
                              Leistung allerdings gegen 45000 Frcs. kosten würde. Dieß wäre somit eine Ersparniß
                              an Anlagecapital von 300 Proc. Dieselbe wird begreiflich sowohl durch die bedeutende
                              Verminderung der gesammten Oberfläche des Platins, als auch dadurch, daß die
                              Säureschicht niemals hoch anwachsen, die Verdampfung somit stets eine ziemlich
                              lebhafte seyn kann, ohne daß man ein Ueberkochen der Säure zu befürchten hat. Ferner
                              bedarf auch die Schale wegen Verminderung des Eigengewichtes und der Belastung
                              keiner Unterstützung, sondern hängt total im Feuer.
                           2) Außerdem erfolgt wegen der geringen Höhe der Säureschicht die Verdampfung
                              vollkommen ruhig und ohne Stöße, selbst wenn man über 66° Baumé hinaus
                              verstärken sollte. Es hält sich somit wahrscheinlich die Schale im Ganzen besser und
                              länger, als ein Kessel.
                           3) Da die Schale einen viel geringeren Werth hat, als ein Kessel, so kann man auch
                              durch Beschädigung der ersteren nicht soviel Nachtheil haben, wie durch Beschädigung
                              des letzteren. Die HHrn. Faure u. Keßler geben hier 90 Proc. Ersparniß an.
                           4) Ersparniß an Brennmaterial. Dieselbe beträgt bei dem Apparate der HHrn. Faure u. Keßler 30 Proc.; doch
                              wird angegeben, daß sich dieselbe bei besser disponirten Anlagen noch höher
                              beziffern werde. Ja, es wird in Aussicht gestellt, die Brennstoffausgabe für die
                              Concentration auf 66° Baumé insofern ganz in Wegfall zu bringen, als
                              man die hierbei resultirenden sauren und Wasserdämpfe in Schwefelsäurekammern leiten
                              und somit das unter der Platinschale verwendete Brennmaterial der Fabrication der
                              Kammersäure so anrechnen will, als wäre es unter einem Dampfkessel verbrannt. Wenn
                              ich aber hierin die HHrn. Faure u. Keßler recht verstehe, so kann ich ein Bedenken nicht unterdrücken. Erzeugt man sich z.B. in
                              24 Stunden 100 Ctr. Schwefelsäure von 66° aus Kammersäure, von 50°
                              Baumé, so werden hierzu rund 156 Ctr. Säure von 50° Baumé
                              nöthig seyn und man disponirt somit über 56 Ctr. Wasserdampf, welche wegzuschaffen
                              sind. Ist nun die tägliche Leistung der Bleikammern ebenfalls gerade 156 Ctr.
                              50grädiger Säure, so entspricht dieß 78 Ctr. Schwefelsäureanhydrid und es ist somit
                              der Bedarf an Wasserdampf für die Bleikammern in diesem Falle täglich ebenfalls 78
                              Ctr. Nach Obigem waren aber nur 56 Ctr. Wasserdampf im Ganzen disponibel, wobei
                              sogar noch angenommen worden ist, daß man die bei der Verstärkung auf 60°
                              Baumé resultirenden Wasserdämpfe nicht entweichen läßt, sondern ebenfalls mit
                              aufsammelt und den Schwefelsäurekammern zuführt. – Ein anderes, minder schwer
                              wiegendes Bedenken bestände darin, daß ich es nicht für vortheilhaft halten möchte
                              einem Bleikammersystem den ganzen Bedarf an Wasserdampf auf einmal am Anfange des
                              Systemes zu übergeben, während ich andererseits nicht glaube, daß die bei der
                              Eindampfung frei gewordenen Dämpfe hinreichende Wärme oder Spannung haben, als daß
                              sie sich auf weitere Entfernungen hin ohne sehr wesentliche Condensation führen
                              ließen.
                           5) Eine Verminderung der Handarbeit um 30 bis 60 Proc., je nach der Größe des
                              Apparates. Es genügt für einen Apparat von täglich 4000–5000 Kilogrm.
                              Leistung 1 Mann für 12 Stunden, während für einen Platinkessel von gleicher Leistung
                              3 Mann für dieselbe Zeit angesetzt sind, was allerdings etwas reichlich gerechnet
                              ist.
                           6) Die vollständige Beseitigung von Krügen oder Kruken zum Umfüllen der concentrirten
                              Säure in die Ballons, mithin die Unmöglichkeit, Krüge zu zerbrechen und Säure zu
                              verschütten. Hierzu ist zu bemerken, daß man auch bei Platinkesseln sich so
                              einrichten kann, daß die gekühlte Säure sofort in die Ballons fließt. Nimmt man
                              einen gewöhnlichen gegabelten Heber, wie sie in der Regel zu den Platinkesseln
                              geliefert werden, so gelingt allerdings nach meinen Erfahrungen die Kühlung der
                              heißen Säure soweit, daß sie sofort in Glasballons abgezogen werden kann, nur bei
                              Anwendung von sehr viel Kühlwasser. Wenn man aber die mangelhaft gekühlte Säure noch
                              einige Thongefäße passiren läßt, so erfolgt die Kühlung vollkommen. Und dasselbe ist
                              der Fall bei den sogen. Schlangenhebern, welche Johnson,
                                 Matthey u. Comp. in London unter dem Namen coil syphon von Platin anfertigen.
                           7) Beseitigung jeder Gefahr, die durch Zerbrechen eines gefüllten Kruges in den
                              Händen des Arbeiters entstehen kann. – Diese Beseitigung kann bei den alten
                              Apparaten ebenfalls erfolgen, wie die eben gemachten Bemerkungen zeigen.
                           
                           8) Größere Regelmäßigkeit der Arbeit und der Producte, da keine nennenswerthe
                              physische Anstrengung den Arbeiter von der Ueberwachung des Apparates abhält.
                              – Dieß ist indessen bei den Platinkesseln ebenfalls nicht die Regel.
                           9) Geringere Abnutzung des Platinmetalles, da die Berührungsfläche zwischen Platin
                              und Säure eine geringere ist. Die HHrn. Faure u. Keßler schätzen die Abnutzung auf 1/20 von derjenigen bei
                              Platinkesseln.
                           10) Endlich leichte Ausführbarkeit von Reparaturen.
                           Eine vergleichende Zusammenstellung der Herstellungskosten von monatlich 75000
                              Kilogrm. 66grädiger Schwefelsäure in einem Platinkessel (I.) und in einer Schale
                              nach Faure u. Keßler (II.)
                              concentrirt, zeigt Folgendes:
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 
                              
                                 Anlagecapital
                                 45000 
                                 Fr.
                                 15000
                                 Fr.
                                 
                              
                                 1) Brennstoff. – 20 resp. 12 Proc. Steinkohlen à 20
                                    Fr.    für 1000 Kilogrm.
                                 300
                                 Fr.
                                 180
                                 Fr.
                                 
                              
                                 2) Handarbeit. – ad I. 2
                                    Heizer à 3 Fr.; 2 Gehülfen    à 2,50
                                    Fr., also 11 Fr. täglich. – ad II. 2
                                    Heizer    à 3 Fr. Mithin monatliche Lohnausgabe
                                 330
                                 Fr.
                                 180
                                 Fr.
                                 
                              
                                 3) Zinsen. – 6 Proc. pro
                                       anno.
                                 225
                                 Fr.
                                 75
                                 Fr.
                                 
                              
                                 4) Abnutzung. – ad I. 2
                                    Fr. für 1000 Kilogrm.    66grädiger Säure.
                                    – ad II. 800 Fr. jährlich
                                 150
                                 
                                 67
                                 Fr.
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 in Summa
                                 1005
                                 Fr.
                                 502
                                 Fr.
                                 
                              
                                 d. i. per 100
                                    Kilogrm. concentrirte Schwefelsäure
                                 1,34
                                 Fr.
                                 0,67
                                 Fr.
                                 
                              
                           Zu bemerken wäre hierzu noch, daß nach 15 Jahren der abgenutzte Platinkessel noch
                              einen Werth von 18000 Frcs., die Schale dagegen einen solchen von 3000 Frcs.
                              repräsentirte.
                           Wenn ich auch nicht glaube, daß sich alle die Hoffnungen welche die HHrn. Faure u. Keßler an ihren neuen
                              Apparat knüpfen, realisiren lassen werden, so dürften aber gleichwohl noch so
                              gewichtige Vortheile übrig bleiben, daß man diesen Schalenapparaten zur
                              Concentration auf 66° Baumé nur die beste Aufnahme wünschen kann.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
