| Titel: | Verunreinigung eines Brunnens durch die Abfälle einer Gasanstalt; von Dr. Ferd. Fischer. | 
| Autor: | Ferd. Fischer | 
| Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. XXVII., S. 139 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXVII.
                        Verunreinigung eines Brunnens durch die Abfälle
                           einer Gasanstalt; von Dr. Ferd.
                              Fischer.
                        Fischer, über Verunreinigung eines Brunnens durch Abfälle einer
                           Gasanstalt.
                        
                     
                        
                           Seit Ende Juni d. J. zeigte sich das Wasser des Brunnens Hannover, Glockseestraße 24,
                              in auffallender Weise verändert; die Consumenten desselben klagten über schlechten
                              Geschmack, namentlich aber über Verdauungsbeschwerden. Da ein hiesiger Chemiker
                              erklärte, daß diese Verunreinigung des Wassers von der benachbarten
                              Holztheerdestillation, Glockseestraße 25, herrühre, weil es wie Wasser, welches mit
                              Theeröl oder Kreosot geschüttelt, durch Eisenoxydsalze intensiv roth werde, so wurde
                              Verfasser in Folge einer Beschwerde mit der Untersuchung dieses Brunnens
                              beauftragt.
                           Das am 20. September d. J. geschöpfte Wasser ist weißlich trübe, riecht eigenthümlich
                              nach Leuchtgas und hat einen sehr unangenehmen Geschmack. Ein Liter enthält in
                              Milligrammen-Aequivalenten:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Sollte höchstensenthalten:Vergl. polytechn. Journal Bd. CCX
                                             S. 287.
                                 
                              
                                 Organische Stoffe
                                 26,24
                                 Mgr.-Aeq.
                                 (=
                                 4198,4
                                 Milligrm.)
                                 
                                 0,25
                                 Mgr.-Aeq.
                                 
                              
                                 Chlor
                                 12,40
                                 „
                                 (=
                                 440,2
                                 „
                                 Cl)
                                 1
                                 „
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                 24,79
                                 „
                                 (=
                                 991,6
                                 „
                                 SO³)
                                 2
                                 „
                                 
                              
                                 Salpetersäure
                                 0,04
                                 „
                                 (=
                                 2,3
                                 „
                                 N²O⁵)
                                 0,5
                                 „
                                 
                              
                                 salpetrige Säure
                                 0
                                 „
                                 
                                 –
                                 
                                 
                                 0
                                 
                                 
                              
                                 Ammoniak
                                 4,80
                                 „
                                 (=
                                 81,6
                                 „
                                 NH³)
                                 0
                                 „
                                 
                              
                                 Calcium
                                 32,36
                                 „
                                 (=
                                 906,1
                                 „
                                 CaO)
                                 4
                                 „
                                 
                              
                                 Magnesium
                                 6,81
                                 „
                                 (=
                                 136,2
                                 „
                                 MgO)
                                 2
                                 „
                                 
                              
                                 Gesammthärte
                                 109,7°
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 veränderliche Härte
                                 14,8°
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 giftige Metalle fehlen.
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           Die mikroskopische Untersuchung ist insofern besonders bemerkenswerth, als trotz des
                              beispiellosen Gehaltes an organischen Stoffen und Ammoniak auch nicht die Spur von
                              BakterienVergl. polytechn. Journal Bd. CCX S.
                                       121. und anderen Organismen aufzufinden war.
                           Auffallend ist die dunkel blutrothe Farbe, welche das Wasser beim Zusatz von
                              Eisenchlorid annimmt. Dieselbe wird nicht durch Salzsäure oder Erwärmen mit Alkohol
                              verändert, verschwindet aber auf Zusatz von Quecksilberchlorid, das Wasser enthält
                              demnach Rhodanverbindungen
                              und zwar, wie
                              chronometrische Vergleiche ergeben, etwa 300 Milligramme sulfocyansaures Ammonium im
                              Liter.
                           Zur Nachweisung etwaiger Theerbestandtheile wurde 1 Liter dieses Wassers angesäuert
                              und destillirt. Die zuerst übergehenden 50 Kub. Cent. hatten einen eigenthümlichen,
                              an Leuchtgas und Blausäure erinnernden Geruch und Geschmack. Eisenchlorid und
                              Bromwasser geben keine Reaction. Die folgenden 200 Kub. Cent. verhielten sich
                              ähnlich, gaben aber mit Eisenchlorid eine sehr geringe rothe Färbung. Das folgende
                              Destillat von 400 K. C. roch nur noch sehr schwach und gab deutliche Rhodanreaction.
                              Die letzten 200 K. C. lieferten eine Schwefelcyanreaction die etwa 0,1 so stark war
                              als die des Wassers selbst. BromwasserVergl. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 4. 770. gab in keinem Destillat eine Trübung.
                           Ein Liter reines Brunnenwasser, welches mit 5 Milligrm. Kreosot versetzt war, auf
                              dieselbe Weise behandelt, gab im ersten Destillat mit Bromwasser deutliche
                              Trübung.
                           Die gleiche Menge des verunreinigten Wassers wurde angesäuert und mit Aether
                              geschüttelt, der Aether getrennt der freiwilligen Verdunstung überlassen. Es blieben
                              Spuren einer Substanz zurück, deren eigenthümlich aromatischer Geruch jedoch keine
                              Aehnlichkeit mit Kreosot hatte. In 50 K. C. Wasser, welches damit geschüttelt, gab
                              Bromwasser keine Fällung. Ebenso verhielt sich der Aetherauszug des
                              Destillationsrückstandes.
                           Das vorliegende Wasser kann demnach nicht einmal Spuren Kreosot enthalten.
                           Reines KreosotBuchenholzkreosot besteht aus:Phenolreihe:Guajacolreihe:Phenol = C⁶H⁵OH,Siedp.184°.KresolKreosol = C⁶H⁴OHCH³„203°.Guajacol= C⁶H⁴OHCOH³Siedep.= 200°.PhlorolPlorol= C⁶H³OHCH³CH³„220°.Kreosol= C⁶H³OHCH³OCH³„= 219°.Im Steinkohlentheer ist bis jetzt noch kein Guajacol und Kreosol aufgefunden,
                                    die dagegen den Hauptbestandtheil des Buchenholzkreosots bilden. (Annalen
                                    der Chemie und Pharmacie. 152. 59.) (Siedepunkt 200–220°) gibt mit Eisenchlorid in wässeriger
                              Lösung keine Reaction,Zeitschritt für Chemie. N. F. 3. 398. käufliches Kreosot eine hellbraune Färbung, in alkoholischer Lösung aber
                              wird es mit Eisenoxydlösungen schön blaugrün.
                           Steinkohlenkreosot (Phenol) wird mit Eisenchlorid in wässeriger Lösung violett, in
                              alkoholischer schmutzig grün bis braun.
                           
                           Roher Holzessig wird mit Eisenchlorid braun, auf Zusatz von Salzsäure graubraun;
                              ebenso verhält sich Wasser, welches mit dem schweren Holztheeröle oder auch rohem
                              Holztheer geschüttelt ist.
                           Diese Eisenchloridreactionen sind aber viel weniger empfindlich als die Fällungen mit
                              Bromwasser.
                           Da somit das betreffende Wasser keine nachweisbaren Mengen von den Stoffen enthält,
                              welche für eine Holztheerdestillation charakteristisch sind, die großen Quantitäten
                              von Rhodanammonium jedenfalls nicht aus Holztheer stammen können, so kann die
                              betreffende Fabrik, die überdem zu der Zeit noch gar nicht im Betriebe war,
                              unmöglich diese Verunreinigungen veranlaßt haben.
                           Der auffallend große Gehalt an Ammoniak, namentlich aber die Rhodanverbindungen,
                              deuten dagegen auf eine Verunreinigung des fraglichen Brunnens durch AbfälleVergl. Mittheilungen des Gewerbevereins für Hannover 1873, S. 260. der fast 300 Meter entfernten Gasanstalt, Glockseestraße 33. In der That
                              gibt ein Gemisch von 15 Th. Gaswasser mit 85 Th. destillirtem Wasser die gleiche
                              Rhodanreaction als das Brunnenwasser, so daß wohl anzunehmen ist, daß dieses etwa 15
                              Proc. Gaswasser aufgenommen hat, daß aber die Theerbestandtheile (Phenol) desselben
                              von dem Boden zurückgehalten sind. Hierdurch wird auch die Abwesenheit der
                              Fäulnißorganismen erklärt.
                           Der überaus starke Gehalt an Kalk und Schwefelsäure wird auf Gaskalk zurückzuführen
                              seyn, welcher in den Boden gedrungen und durch Oxydation in Gyps übergeführt ist,
                              das Chlor auf die mit der Gasanstalt verbundene Salmiakfabrik.
                           Als bemerkenswerth muß noch erwähnt werden, daß auch das Wasser des Brunnens,
                              Glockseestraße 28, welcher zwischen der südlich gelegenen Gasanstalt und dem
                              untersuchten Brunnen liegt, dieselben Verunreinigungen enthält, wie dieser, während
                              ein nur wenige Schritte östlich gelegener Brunnen diese Reactionen nicht zeigt.
                           Voraussichtlich hat hier ein poröser Boden das Fortwandern der Gasabfälle nach den
                              beiden Brunnen begünstigt, während dichte Erdschichten die Verbreitung derselben
                              nach anderen Richtungen hindern.
                           Nach den Untersuchungen von Pelikan und Setschenow
                              Virchow Archiv 14. 356. sind Rhodanverbindungen giftig; das Wasser ist somit ungenießbar und zu
                              jeder häuslichen Verwendung durchaus ungeeignet.