| Titel: | Ueber Conservirung von Nahrungsmitteln; von S. P. Sharples. | 
| Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. XXVIII., S. 142 | 
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                        XXVIII.
                        Ueber Conservirung von Nahrungsmitteln; von
                           S. P.
                              Sharples.
                        Aus dem Journal of App. Chem., August 1873 durch das American Journal of Pharm., Nov. 1873,
                              t. XLV p. 494.
                        Sharples, über Conservirung von Nahrungsmitteln.
                        
                     
                        
                           Eines der schönsten Merkmale des Fortschrittes der Civilisation ist die erhöhte
                              Aufmerksamkeit auf Beschaffung besserer Nahrungsmittel für das Volk, und zwar zu
                              solchen Preisen und in solchen Mengen, daß der Verbrauch frischer Früchte und
                              sonstiger Pflanzentheile außer ihrer Productionszeit nicht mehr länger auf die
                              Tafeln der Reichen beschränkt bleibt. Eine der frühesten Bestrebungen des Menschen,
                              nachdem er den ursprünglichen Zustand der Wildheit überwunden hatte, war, sich mit
                              Speise für den folgenden Tag zu versehen; solange er aber nur von dem täglichen
                              Ertrage der Jagd zum Zweck seiner Subsistenz abhängig blieb, schritt sein Bemühen
                              nur wenig vorwärts, und überdieß führten die Völker, welche aus der Hand in den Mund
                              lebten, nur eine prekäre Existenz – heute schmausend und morgen darbend.
                           Eines der ältesten Mittel zur Conservirung von Nahrungsmitteln besteht einfach im
                              Trocknen, entweder an freier Luft oder in dem Rauche eines Feuers. Das letztere
                              Verfahren bietet uns ein merkwürdiges Beispiel dar, daß die Wissenschaft oft von
                              Solchen überholt wird, welchen deren Principien ganz unbekannt geblieben sind. Wie
                              wir nämlich erst jetzt wissen, ist das Kreosot des Rauches die präservative
                              Substanz. Die ihm so ähnliche Carbolsäure kennt man gegenwärtig als eines der besten
                              Conservirungsmittel, obgleich das Kreosot ihr darin nicht nachsteht. Die Einwürfe
                              gegen das Trocknen des Fleisches sind, daß dasselbe dadurch mehr oder weniger
                              unschmackhaft wird und, ungeachtet gewisser vorheriger Behandlung, während der
                              Operation leicht der Fäulniß anheimfällt.
                           Die allgemeinste Behandlungsmethode ist bekanntlich entweder das Eintauchen in einer
                              concentrirten Kochsalzlösung oder das Einreiben mit Kochsalz und Salpeter, auch wohl
                              mit Zucker oder Melasse, auf welch' letztere Weise die bekannten Schinken des Westen
                              behandelt werden. Gegen den Gebrauch des Salzes und anderer chemischen Verbindungen
                              ist einzuwenden, daß dadurch der ursprüngliche Geschmack des Fleisches leidet, und
                              der längere Zeit fortgesetzte Genuß eines so präparirten zu Krankheiten disponirt.
                              Die (schützende) Einwirkung des Salzes ist noch nicht völlig aufgeklärt; Einige
                              nehmen an, der Erfolg beruhe beim Salze und Zucker auf der wasserentziehenden Eigenschaft
                              derselben; Andere behaupten, das Salz verhindere durch Coagulirung des Eiweiß das
                              Faulen; wieder Andere und nicht die wenigst Intelligenten sagen, Salz, Carbolsäure,
                              Kreosot und dergleichen verhindern, indem sie auf Infusorien giftig wirken, den
                              Beginn des Verderbens.
                           Bald nach der Entdeckung des Sauerstoffes machte man die Beobachtung, daß, wenn
                              derselbe im freien Zustande von thierischen und vegetabilischen Materien vollständig
                              abgeschlossen wird, diese unbegrenzte Zeit hindurch unverändert bleiben. Diese
                              Thatsache ist, gleichwie viele andere, schon in früheren Jahrhunderten blindlings,
                              wenn auch unvollkommen ausgenutzt worden; menschliche und thierische Leichen
                              wickelte man nämlich in mit Pech und Harzen durchtränkte Gewänder, legte sie dann in
                              bleierne Särge und verschloß sie hermetisch. Aber praktische Anwendung scheint davon
                              nicht vor 1807 gemacht worden zu seyn, in welchem Jahre in England ein Patent
                              genommen wurde auf das Uebergießen von Fleisch mit einer heißen Lösung von Leim oder
                              Fleischextract, um von ersterem die Luft völlig abzuhalten. Später bediente man sich
                              mit mehr oder weniger Erfolg noch verschiedener anderer schützender Substanzen.
                           Dasjenige Patent, von welchem man annehmen kann, daß es den ersten Anstoß zu der
                              modernen Industrie des Einschließens von Fleisch und Vegetabilien in luftdichte
                              Gefäße gegeben hat, wurde in England im August 1810 dem Peter
                                 Durand ertheilt. Die hauptsächlichsten Punkte dieses Patentes sind:
                           Erstens: Schützen animalischer Nahrung, vegetabilischer Nahrung und anderer nicht
                              haltbarer Materien auf lange Zeit vor dem Verderben und Werthloswerden durch
                              Ausschließen derselben von aller Berührung mit der äußeren Luft. Die betreffenden
                              Artikel werden in Flaschen oder andere Gefäße von Glas, Thon, Zinn, sonstigen
                              Metallen etc. gethan, und diese mittelst Kork, Kitt u. dgl. verschlossen. Man kann
                              auch Gefäße anwenden mit eingeschliffenen Stöpseln, Schraubendeckeln mit oder ohne
                              einem Ring von Leder oder sonstigem weichem Material zwischen den Verschlußrändern,
                              oder mit Verbänden von Zeug, Leder, Pergament, Blase und Aehnlichem.
                           Zweitens: Vollständiges Untertauchen der so vorgerichteten und gut verschlossenen
                              Gefäße in kaltes Wasser, allmähliches Erhitzen desselben zum Kochen und Unterhalten
                              des Siedens eine Zeit lang.
                           Vegetabilische Substanzen kommen in die Gefäße im rohen Zustande, thierische im
                              theilweise oder halb gekochten, doch können auch diese roh angewandt werden.
                           
                           Drittens: Statt eines Wasserbades kann man sich zum Erhitzen der Gefäße auch eines
                              Ofens oder eines Dampfbades bedienen; ferner können die Gefäße anfangs offen bleiben
                              und brauchen erst nach erfolgter Erhitzung geschlossen zu werden.
                           Dieses Verfahren zur Conservirung von Früchten wird, mit einigen Modificationen, noch
                              heut zu Tage befolgt. Zahlreiche Patente sind seitdem darauf genommen worden; eines
                              z.B. schreibt statt des reinen Wassers ein Chlorcalciumbad vor, um eine höhere
                              Temperatur zu erzielen. Ein anderes will, daß die Gefäße nach dem Verschlusse wieder
                              mit einer ganz feinen Oeffnung versehen, und erst nach dem Hinaustreiben des letzten
                              Restes der Luft, endgültig geschlossen werden sollen. Auch in der Form der Gefäße
                              wurden allerlei Abänderungen empfohlen; aber, wie gesagt, in der Hauptsache blieb
                              Alles unverändert:
                           Großes Interesse erregte jüngst eine Entscheidung des Richters Clifford am Vereinigten-Staaten-Hofe in Angelegenheiten des
                              von Isaac Winslow auf die Conservirung frischen Getreides
                              genommenen Patentes. Darin heißt es: Das Getreide oder irgend ein anderes Vegetabil
                              wird möglichst frisch eingesammelt, alles Fremdartige oder Unreife daraus entfernt,
                              dann auf Kühlapparate gebracht, welche mit eiskaltem Wasser umgeben sind, und so
                              lange dort gelassen, bis es weiter in Arbeit genommen werden kann, was wie folgt
                              geschieht. Man füllt damit so rasch als möglich Blechkisten, verschließt dieselben
                              hermetisch durch Auflöthen des Deckels, stellt sie in's Wasserbad, erhitzt 1/2 bis 4
                              Stunden lang, je nach der Natur der Substanz – verhältnißmäßig trockene, wie
                              Erbsen, Bohnen oder Getreide bedürfen längerer Erhitzung als sonstige, wie
                              Liebesäpfel (tomatoes), denn diese gehören zu den am
                              leichtesten zu conservirenden. In einigen Fällen läßt man in dem Deckel des Gefäßes
                              eine kleine Oeffnung und schließt dieselbe erst, nachdem der Wasserdampf daraus
                              entwichen ist; dabei tritt aber noch die Modification ein, daß die kleine Oeffnung
                              entweder schon gemacht ist, wenn das Gefäß in das Wasserbad gelangt, also vor dem
                              Erhitzen, oder daß dieselbe erst gemacht wird, wenn das Erhitzen eine Zeitlang
                              gedauert hat, oder daß dieselbe solange offen bleibt, als das Erhitzen dauert. Der
                              Vorzug der Anbringung der kleinen Oeffnung erst nach dem Einsetzen in's Wasserbad
                              und des Offenhaltens derselben bis zu dem Zeitpunkte, wo der Dampf daraus entweicht,
                              ist ein mehrfacher. Vor Allem wird die Luft dadurch entfernt, ehe sie Zeit hat, auf
                              die Substanz einzuwirken. Schließt man aber völlig und öffnet erst nach dem
                              Heißwerden, so läuft man Gefahr, daß die eingeschlossene Luft die Kiste sprengt,
                              ferner daß diese Luft auf das Aroma der Substanz nachtheilig wirkt und deren
                              Geschmack beeinträchtigt. Der größte Vortheil des Lüftens ist aber, daß eine gelüftete und dann heiß
                              verschlossene Kiste beim Erkalten sich zusammenzieht und deren Deckel einsinkt; so
                              lange nun in der Kiste Alles in Ordnung ist, bleibt der Deckel concav, tritt aber in
                              ihrem Inneren zufällig eine Art Gährung ein, so wölbt sich der Deckel wieder nach
                              außen und wird, was man im Handel mit dem Namen „geschwollene
                                 Deckel“ bezeichnet.
                           Fleisch ist wegen seiner größeren Neigung zum Verderben schwieriger zu conserviren,
                              und deßhalb greift man bei ihm meistens zu gewissen chemischen Agentien, namentlich
                              zu den schwefelsauren Salzen der reinen und erdigen Alkalien. Man setzt dieselben in
                              sehr kleinen Mengen dem Inhalte der Blechkiste kurz vor dem Verschließen zu, und
                              bewirkt dadurch einestheils die Absorption des darin noch vorhandenen wenigen
                              Sauerstoffes, und anderntheils die Tödtung etwaiger Infusorien.
                           Manche Personen behaupten, derartig conservirte Speisen seyen ungesund, und es hat
                              viele Schwierigkeiten gemacht, das aus Australien und Südamerika eingeführte Fleisch
                              bei der arbeitenden Classe in England einzuführen, denn man wandte dagegen ein, man
                              könne die Waare vor dem Kaufe nicht einsehen und prüfen. Dieses Vorurtheil ist
                              indessen glücklicherweise bald verschwunden. Ferner hat sich nach einer vom
                              Gesundheitsrathe des Staates Massachusetts angeordneten Untersuchung ergeben, daß
                              von einer angeblichen Verunreinigung solchen Fleisches mit Blei, Zinn oder Kupfer
                              aus den Metallkisten keine Rede seyn kann.
                           Auf wie lange Zeit die so verschlossenen Nahrungsmittel sich halten, weiß man noch
                              nicht, aber es dürfte kaum einem Zweifel unterliegen, daß dieß bis zu dem Momente
                              der Fall seyn wird, wo die Kiste eine äußere Verletzung erleidet. Dr. Letheby zeigte bei einem
                              öffentlichen Vortrage Kisten mit Hammelfleisch vor, welche 44 Jahre früher
                              verschlossen waren und mehrere Jahre hindurch Sommer und Winter in einem arktischen
                              Klima gestanden hatten. Der Inhalt derselben ließ nichts zu wünschen übrig.
                           Das Geschäft der Zurichtung solcher verlötheter Kisten erhielt seine erste Anregung
                              durch das Bedürfniß, Polar- und andere Reisende mit genießbaren Speisen auf
                              die Dauer zu versehen, und hat allmählich eine bedeutende Ausdehnung gewonnen. Wer
                              dasselbe betreiben will, muß über ein großes Capital verfügen können, und der daraus
                              hervorgehende Gewinn ist, entgegen der allgemeinen Annahme, kein sehr
                              erheblicher.
                           Im letzt verflossenen Jahre wurden circa 12 Millionen
                              Kisten mit Pfirsichen, 18 Millionen mit Tomatoes und 6–8 Millionen mit
                              Getreide angefüllt. Die Hauptplätze für Pfirsiche sind in Maryland und Delaware, und
                              mehr als die Hälfte aller Pfirsichkisten geht allein von Baltimore aus. Längs der Küste von
                              Chesapeake werden auch viele Austern in hermetisch verschlossenen Kisten versendet.
                              Tomatoes kommen besonders von New-Jersey, zum Theil auch von Baltimore und
                              New-York. Das beste Getreide liefert der Staat Maine.