| Titel: | Ueber die Verunreinigung der Flüsse durch Industrie- und städtische Abfallstoffe und die Mittel dagegen; von Ferdinand Fischer. | 
| Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. XL., S. 200 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XL.
                        Ueber die Verunreinigung der Flüsse durch
                           Industrie- und städtische Abfallstoffe und die Mittel dagegen; von Ferdinand Fischer.Vergl. Mittheilungen des Gewerbevereins für Hannover, 1873 S. 257.
                           
                        Fischer, über die Verunreinigung der Flüsse durch Industrie-
                           und städtische Abfallstoffe und die Mittel dagegen.
                        
                     
                        
                           Flußwasser enthält bekanntlich namentlich kohlensaure und schwefelsaure Verbindungen
                              von Calcium und Magnesium, weniger Kalium, Natrium, Kieselsäure, Chlor u.s.w.; es
                              ist klar oder doch nur durch Sand und Thon getrübt. Ein solches, nicht durch
                              Abfallstoffe verunreinigtes Wasser ist ohne Geruch und Geschmack, reagirt neutral
                              oder schwach alkalisch, enthält im Liter in Form von organischen Stoffen nicht mehr
                              als 5 Milligrm. Kohlenstoff und 1 Milligrm. Stickstoff und geht nicht in Fäulniß
                              über, auch wenn es eine Zeit lang der Sommertemperatur ausgesetzt wird.Vergl. Frankland, polytechn. Journal Bd. CLXXXVII S. 225.
                              
                           Das Wasser gelangt so in befriedigendem Zustande zur ersten Fabrik oder Stadt
                              (Analyse 27 und 28, S. 226), verläßt dieselbe aber verunreinigt mit Massen von
                              Unrath und Abfällen der verschiedensten Art. In welch' erschreckenden Zustand ein
                              wasserarmer Fluß durch eine dichte Bevölkerung oder zahlreiche Fabriken versetzt
                              werden kann, zeigen namentlich die drei BerichteVierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheit 3. 278 und 4. 409.First report of the Comissioners appointed in
                                    1868 to inquire into the best means of preventing the
                                       pollution of rivers Vol. I. Report and plans London 1870. –
                                    Vol. II. Evidence. – Second report. The
                                       ABC process of treating Sewage. London 1870.Reinigung und Entwässerung Berlins. Anhang I. und II. (Berlin, Hirschwald) 5,7 Mk. der 1868 auf Befehl der Königin von England ernannten Commission (Sir W. Denison, E. Frankland, John,
                              Chalmers Morton), welche beauftragt wurde, die Ursachen,
                              denen die Verunreinigung der Flüsse zuzuschreiben ist, und die Mittel und Wege zu
                              erforschen, wie diese Verunreinigungen zu vermeiden sind. Der Zustand der Flüsse in
                              Yorkshire wird folgender Weise geschildert: Mißbräuchlicher Weise wirft man in die
                              Wasserläufe Millionen von Centnern an Asche und Kohlenresten und an Schlacken aus den
                              Feuerungen der Dampfkessel, Eisenwerke und Hausöfen; große Massen von zerbrochenem
                              Thongeschirr, abgenutzten Metallgegenständen, von Schutt aus den Ziegeleien und aus
                              alten Gebäuden, von Eisen, von Steinen und Thon aus Steinbrüchen schüttet man
                              hinein; der Schmutz der Wege, Straßenkehricht, erschöpfte Farbhölzer und ähnliche
                              Stoffe werden den Flüssen überantwortet; Hunderte von Thiercadavern, Hunde, Katzen,
                              Schweine u.s.w. schwimmen an ihrer Oberfläche umher oder verfaulen an ihren Ufern;
                              sie müssen täglich Millionen von Kubikmetern Wasser abführen, welches mit den
                              Abfällen aus Bergwerken, chemischen Fabriken, Gerbereien, Färbereien, Garn-
                              und Wollen-Wäschereien und Walkereien, mit Schlachthausabgängen und mit den
                              Auswurfstoffen der Städte und Häuser beladen, und dadurch verdorben und vergiftet
                              ist. – Der Bradford Beck nimmt aus der Stadt Bradford die Auswurfstoffe auf
                              von 140,000 Personen, die Abwässer von 168 Wollenfabriken, 94 Tuchfabriken, 10
                              Kattunfabriken, 35 Färbereien, 7 Gelatinefabriken, 10 chemischen Fabriken, 3
                              Gerbereien und 3 Fettextractionsfabriken (vergl. Analyse 29 und 30).
                           Dem Bericht ist ein Facsimile beigefügt, welches mit blasser Tinte geschrieben zu
                              sein scheint und folgenden Inhalt hat:
                           Wakefield, 11. August 68.
                           Wir überreichen, ohne die Erlaubniß hierzu nachzusuchen, dem
                              localen Gesundheitsamte von Wakefield dieses Memorandum, geschrieben mit dem
                              Flußwasser des Calder, welches heute an der Einmündung des städtischen
                              Entwässerungscanales entnommen worden ist. Könnte der dort herrschende Geruch dieses
                              Schriftstück begleiten, so würde es an Interesse bedeutend gewinnen.
                           Die Flüsse werden nun verunreinigt:
                           
                              A. durch Industrieabfälle,
                              B. durch städtisches Canalwasser.
                              
                           Derartige Industrieabfälle liefern namentlich
                           
                        
                           1. Metallfabriken.
                           Das Canalwasser von Messinggießereien ist nach Frankland
                              neutral und enthält Calcium, Magnesium, sowie Spuren von Eisen- und
                              Zinkverbindungen, ist daher unschädlich.
                           Das Abwasser von Neusilberfabriken enthält sehr viel Calcium, Magnesium und
                              Natriumverbindungen, außerdem aber auch 0,75 Proc. freie Säure.
                           Canalwasser der Galvanisirwerke ist durch Calcium, Magnesium und Zinksalze
                              verunreinigt und enthält 0,7 Proc. Eisen als Sulfat und Chlorür, sowie fast 2 Proc.
                              freie Säure.
                           
                           Derartige saure Wässer greifen das Mauerwerk an, dürfen daher nicht in die
                              öffentlichen Canäle oder Flüsse geleitet werden, bevor sie nicht durch Behandlung
                              mit Kalkmilch entsäuert und von den für den Pflanzenwuchs schädlichen Metallen
                              befreit sind.
                           Hohofenschlacken können verwerthet werden zu Schlackenkohks,Polytechn. Journal Bd. CLXXV S.
                                       404. Bauzwecken,Polytechn. Journal Bd. CLXXXVIII S. 192, Bd. CCVIII S. 57 und 77, Bd. CCX S.
                                    270. Thonerdepräparaten,Polytechn. Journal Bd. CXCIII S. 518;
                                    Bd. CXCIV S. 251; Bd. CCVI S. 457. zur Eisengewinnung;Polytechn. Journal Bd. CLXXXVI S.
                                       333; Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 5. 651. Schlacken zum Concretbau (polytechn. Journal Bd. CCVI S. 156). Besonders zahlreich sind
                              die Vorschläge zur Verwerthung der Weihblechabfälle.Polytechn. Journal Bd. CCIII S. 74;
                                    Bd. CCV S. 440; Bd. CCVI S. 198 und 462; Berichte der deutschen
                                    chemischen Gesellschaft. 4 891; 5. 593; 6. 1138, 1323 und 1475.
                              
                           
                        
                           2. Chemische Fabriken.
                           Da mit der Sodafabrication die Herstellung von
                              Schwefelsäure und Chlorkalk verbunden ist, so sind nicht nur die Rückstände der
                              Sodadarstellung, verdünnte arsenhaltige Salzsäure, sondern auch die sauren
                              Manganlaugen, gerösteten Kiese, Chlorcalcium u.s.w. zu beseitigen. Nach der
                              Untersuchung der englichen Commission sind in den 400 Millionen Kilogrm.
                              Schwefelkies, die jährlich in England zur Darstellung von Schwefelsäure gebraucht
                              werden, etwa 1,6 Millionen Kilogrm. Arsenik enthalten. Dieser giftige Körper geht
                              fast völlig in die Schwefelsäure überVergl. polytechn. Journal Bd. CCI S.
                                       415; Bd. CCVII S. 141. und von dieser in die Salzsäure, in das Glaubersalz, selbst in die Soda, so
                              daß von 12 Proben gewöhnlicher Soda 11 stark arsenikhaltig waren; von 9 Proben
                              krystallisirter Soda waren 2, von 7 Seifenproben 3 arsenhaltig. Schon hierdurch
                              werden also den englischen Flüssen jährlich etwa 1,500,000 Kilogrm. Arsenik
                              zugeführt; dieser giftige Stoff ist denn auch selbst in den Filtern und dem Wasser
                              der Wasserleitungsgesellschaft von Stockport nachgewiesen (vergl. Analyse 1. und
                              3).
                           Nach Angabe eines Beamten, der die Sodafabriken in gesundheitlicher Beziehung
                              überwacht, gehen mit diesen sauren Manganflüssigkeiten, welche im Liter etwa 150
                              Grm. lösliche Stoffe und 150 Milligrm. Arsenik enthalten, sowie mit der verdünnten
                              Salzsäure, welche die Fabriken den Flüssen übergeben, in England 47,5 Proc. der
                              gesammten producirten Salzsäure verloren. Bäche, Schifffahrtscanäle werden dadurch
                              oft stark sauer
                              (vergl. Analyse 2, 4, 5 und 6), so daß die Schleusen u.s.w. in den Canälen ganz aus
                              Holz construirt werden müssen.
                           Kommen mit diesen sauren Wässern die Calciumoxysulfuret haltenden Sodarückstände
                              zusammen, so werden bedeutende Mengen Schwefelwasserstoff entwickelt, der die in der
                              Nähe Wohnenden im höchsten Grade belästigt; zugleich wird Schwefel abgeschieden, der
                              sich allmählich zu Boden setzt. Eine Schlammprobe aus dem
                              Sankey-Schifffahrtscanal enthielt dem entsprechend nicht weniger als 22,75
                              Proc. freien Schwefel.
                           Die gerösteten Kiese werden neuerdings auf Kupfer verarbeitet und dadurch
                              beseitigt,Polytechn. Journal Bd. CXCIX S.
                                       292. aus den Chlormanganflüssigkeiten FarbenBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 4. 856; polytechn. Journal
                                    Bd. CCIII S. 77. und in der Glasindustrie verwendbare Producte (polytechn. Journal Bd. CCVIII S. 396) dargestellt, namentlich
                              aber Mangansuperoxyd regenerirt.Polyt. Centralblatt 1871. 50, 576 u. 965; polytechn. Journal Bd. CXXXIX S. 238; Bd. CXL. S. 104; Bd. CXCIX S. 272 und Bd. CC S. 407; deutsche
                                    Industriezeitung 1871. 388; 1872. 426; Berichte der deutschen chemischen
                                    Gesellschaft. 3. 40, 5. 228 und 589. Aus den Sodarückständen stellen jetzt viele Sodafabriken Schwefel dar. Es
                              wird namentlich das Verfahren von Mond,Polytechn. Journal Bd. CLXXXIV S.
                                       457; Bd. CLXXXV S. 382; Bd. CXCI S. 373: Bd. CCIII S.
                                    473. welches zugleich die verdünnte Salzsäure verwendet und das von Hoffmann
                              Polytechn. Journal Bd. CXCI S. 304
                                    und 464. und Buquet, bei welchen die Manganrückstände mit
                              verbraucht werden, empfohlen. Weldon
                              Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 5. 340; polytechn. Journal
                                    Bd. CCV S. 74. führt den Schwefel in den Abfällen mittelst Kohlensäure oder Wasserdampf in
                              Schwefelwasserstoff über und behandelt diesen mit schwefliger Säure in Wasser; Pracke (franz. Patent 4. März 1872) zersetzt den
                              Schwefelwasserstoff mit Eisenhydrat. (Berichte der deutschen chemischen
                              Gesellschaft. 6. 1420.) Mactear
                              Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 5. 397. behandelt die gelben Mutterlaugen mit Kalk, dann mit schwefliger Säure,
                              zersetzt die erhaltene Flüssigkeit mit Salzsäure und sammelt den abgeschiedenen
                              Schwefel. Rowan mischt die abfließenden Mutterlaugen mit
                              Salzsäure, leitet den entwickelten Schwefelwasserstoff in Lösungen von Kupfererzen
                              und reducirt aus den gefällten Sulfiden die Metalle durch Rösten.Vergl. ferner polytechn. Journal Bd. CLXXX
                                       S. 48; Bd. CXCII S. 60,
                                    133, 234 und 308; Bd. CXCIII S. 42; Bd. CCV S. 229.
                              
                           SchottPolytechn. Journal Bd. CCII S.
                                       75. macht darauf aufmerksam, daß die Sodarückstände nach dem Verwittern sehr gut
                              zur Fabrication der Scott'schen Cemente verwendet werden können, Schaffner
                              Chemisches Centralblatt für 1871. 182; polytechn. Journal Bd. CXCIX S. 243. empfiehlt die entschwefelten Rückstände zur Ausführung von Eisenbahndämmen,
                              Stohmann zum Düngen (polytechn. Journal Bd. CXLIV S. 79) und Varrentrapp zu Bauzwecken (daselbst Bd. CLVIII S. 420).
                           Die Fabriken von Oxalsäure aus Sägespänen geben in der
                              Regel keine den Fluß verunreinigenden Abwässer.
                           Die Abwässer der Farbenfabriken
                              Vergl. polytechn. Journal Bd. CLXXXVIII S. 341; Bd. CLVII S. 158; Bd. CC S.
                                    315. sind meist stark gefärbt, enthalten viel organische Stoffe gelöst und
                              suspendirt, die der Anilinfarben auch Arsen, doch werden diese Abfälle meist auf
                              arsensaures Natrium für die Kattundruckerei verarbeitet (Analyse 7).
                           Theerdestillationen geben oft phenolhaltiges Abwasser,
                              welches dem Pflanzenwuchs schädlich ist; die Abfälle der Paraffinöldestillationen
                              tödten die Fische (polytechn. Journal Bd. CLXXXII
                                 S. 315).
                           Die Abwässer der Leuchtgasfabriken enthalten Ammoniak,
                              Rhodanverbindungen und verschiedene Theerbestandtheile, welche nicht nur den Fluß
                              verunreinigen, sondern auch oft auf große Entfernungen den Untergrund und die
                              Brunnen vergiften (polytechn. Journal Bd. CCXI S.
                                 139, zweites Januarheft 1874). Die Reinigungsmasse wird zur Gewinnung von
                              SchwefelPolytechn. Journal Bd. CXCVI S. 172;
                                    Bd. CCX S. 191. verwendet, der Gaskalk zur Desinfection,Polytechn. Journal Bd. CCX S.
                                       133. zu Berliner Blau,Polytechn. Journal Bd. CXXXV S.
                                       393. zu Kalk und Gyps;Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 5. 488. zu Straßenaufschüttungen darf derselbe nicht genommen werden (polytechn.
                              Journal Bd. CXXV S. 159).
                           
                        
                           3. Färberei, Druckerei,
                                 Bleicherei.
                           Da die FarbhölzerPolytechn. Journal Bd. CLVIII S. 160;
                                    Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 5. 542 und 742. und die zur Verwendung kommenden Chemikalien, nachdem sie ihre Dienste in
                              dem Fabricationsproceß geleistet haben, fast vollständig fortgespült werden, so
                              liefern derartige Gewerbe und Fabriken sehr viel Abwasser, welche namentlich reich
                              an organischen Stoffen sind (Analysen 8 bis 13). Besonders bemerkenswerth ist der
                              Gehalt an Arsen, welches theils von dem arsensauren Natrium der bei den
                              Krapfarbstoffen angewendeten Kuhkothbäder, theils von der verwendeten Säure
                              stammt.
                           Die Abwässer der Bleichereien enthalten vorwiegend Chlorcalcium, schwefelsaures Calcium und
                              Spuren von Chlorkalk, können daher in der Regel ohne Schaden in die Flüsse
                              eingeleitet werden.
                           
                        
                           4. Wolle-, Baumwoll- und
                                 Seidenfabriken.
                           Die Wollenfabriken geben Massen von Schmutzwasser beim Waschen, Walken, Färben und
                              Drucken. Die Schafwäsche (Analyse 14 und 15) liefert zwar stark verunreinigtes
                              Abwasser, doch kommt dieses weniger in Betracht, weil dieselbe nur wenige Tage im
                              Jahre dauert, auch immermehr durch die Fabrikwäsche (Analyse 16) ersetzt wird,
                              welche ihre Abwässer vortheilhaft zur Herstellung von Pottasche verwendet.Hannoversches Wochenblatt für Handel und Gewerbe, 1873 S. 145, 155 und 173;
                                    vergleiche auch polytechn. Journal Bd.
                                       CLIII S. 215; Bd. CCVI S.
                                       333; Bd. CCVIII S.
                                       465. Der Arsengehalt ist auf die verunreinigte Seife und Soda zurückzuführen.
                           Bei der Fabrication von Tuch sind nach dem Bericht der englischen Commission nicht
                              weniger als 40 Fabricationsstadien zu unterscheiden. Die Herstellung von 500 Stück
                              Tuch erfordert etwa 1600 Kilogrm. Soda, 60 Kubikmeter Harn, 3000 Kilogrm. Seife,
                              3000 Kilogrm. Oel, 1000 Kilogrm. Leim, 2 Kubikmet. Schweineblut und Schweinekoth,
                              2000 Kilogrm. Walkerde, 20000 Kilogrm. Farbwaaren, 2000 Kilogrm. Alaun oder
                              Weinstein und liefert außerdem noch 8000 Kilogrm. Wollfett und Schmutz. Von diesen
                              Stoffen bleibt nur ein sehr geringer Theil auf dem fertigen Tuch zurück, fast die
                              ganze Masse wird fortgeschwemmt. Aehnlich sind die Abwässer der Teppichfabriken,
                              während die der Flanellfabriken noch stärker verunreinigt sind (Analyse
                              17–19.)
                           Die Analysen 20–22 zeigen, daß die Abwässer der Wollenfabriken weit mehr
                              verunreinigt sind als die der Baumwollfabriken, daß Seidenfabriken nur wenig
                              Schmutztheile liefern.
                           
                        
                           5. Schlachtereien, Gerbereien,
                                 Fettextractionen, Leim- und Seifensieder.
                           Die Abwässer der Gerbereien (Analyse 24 und 25) enthalten sehr große Quantitäten
                              Stickstoff, ihr Einlauf in die Flüsse ist daher sehr bedenklich. Da die Gerbereien
                              für die Nachbarschaft durch ihre Ausdünstungen jedenfalls unangenehm, durch die
                              Inficirung des Bodens mit faulenden thierischen Stoffen aber gesundheitsgefährlich
                              sind, so sollten dieselben, wie auch die Schlachtereien und Leimsiedereien vor die
                              Städte verwiesen werden (vergl. Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheit. 5.
                              160 und 323.) Hier würden auch die Abfälle, namentlich die für die Landwirthschaft
                              werthvollen Abwässer besser verwendet werden können (vergl. polytechn. Journal Bd. CL S. 320; Bd. CCIII S. 163).
                           ChevallierPolytechn. Journal Bd. LXV S.
                                       146. schlägt vor, das Blut der Schlachtereien mit Erde zu mischen oder
                              einzutrocknen.
                           Sucquet bringt es durch einen Zusatz von Ferrisulfat zum
                              Gerinnen und trocknet an der Sonne, Bobierre
                              Polytechn. Journal Bd. CIII. S. 62;
                                    Bd. CVI S. 159. mit den sauren Manganrückständen der Chlorbereitung. Fry
                              Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 4. 622. versetzt 1 Kubikmeter frisches Blut mit 40 Kilogrm. Schwefelsäure und
                              trocknet das Gerinsel. Vortheilhafter als die Anwendung des Blutes zu DüngerPolytechn. Journal Bd. CXIX S. 390;
                                    Bd. CCX S. 79. ist unter Umständen die Verarbeitung desselben auf Albumin.Polytechn. Journal Bd. CXXXIII S.
                                       315; Bd. CXI. S. 298; Bd. CLXXIX S. 166; Bd. CLXXXI S. 476; Bd. CXCIII S. 245; Bd. CCVI S. 56.
                              
                           Knochen, Horn u.s.w. werden nach dem Patente von Rice und
                              Drigs zur Abscheidung der Gelatine mit dreibasischer
                              Phosphorsäure behandelt. Aus der von der Gelatine decantirten Lösung wird die
                              Phosphorsäure auf gewöhnliche Weise gewonnen. Knab
                              behandelt thierische Abfälle bei 80–100° mit Salzsäure, sammelt das
                              sich abscheidende Fett und verarbeitet die salzsaure Lösung zu Dünger (Berichte der
                              deutschen chemischen Gesellschaft. 4. 937; 5. 302).
                           Bei der zunehmenden Verbreitung des Ammoniakprocesses
                              Polytechn. Journal Bd. CCIX. 282. dürfte die Verarbeitung dieser stickstoffhaltigen Abfälle auf
                              Ammoniumverbindungen besonders vortheilhaft werden.Polytechn. Journal Bd. CLXXXIV S.
                                       503; Bd. CCVI S. 469; Bd.
                                    CCVIII 350 und 386; Bd. CCIX S. 156.
                              
                           Die Abwässer der Seifensiedereien enthalten vorwiegend Kochsalz, Glycerin, etwas Fett
                              und Seife, würden also wenig bedenklich seyn, wenn sie nicht oft 3 Milligrm. Arsenik
                              im Liter enthielten.
                           
                        
                           6. Papierfabriken.
                           Die Abwässer derselben enthalten an bedenklichen Stoffen außer dem Schmutz von den
                              Lumpen, die Waschwässer des Espartograses (Analyse 26), die wegen ihres starken
                              Stickstoffgehaltes sehr bald in Fäulniß übergehen. Die damit verunreinigten Flüsse
                              bedecken sich, namentlich unterhalb eines Wehres, oft mehrere Kilometer weit mit
                              einem festen, sehr consistenten Schaum. Die concentrirten Espartowässer werden
                              passend eingedampft und zur Wiedergewinnung der Soda calcinirt (vergl. Berichte der deutschen chemischen
                              Gesellschaft. 5. 543 und 652, 6. 762 und 1422).
                           
                        
                           7. Stärke-, Zucker-
                              und Spiritusfabriken.
                           Nach den Untersuchungen von Knapp
                              Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheit Bd. 2. 1. führten die Abwässer von drei Zuckerfabriken dem Stadtgraben von
                              Braunschweig innerhalb 24 Stunden etwa 1600 Kilogrm. organische Stoffe mit 30
                              Kilogrm. Stickstoff, 360 Kilogrm. unorganische Substanzen und 180 Kilogrm.
                              Knochenkohle zu. Die Abwässer der Zuckerfabriken besitzen einen unangenehmen,
                              fauligen Geruch, und bilden leicht starken Schaum. Sie fördern die Fäulniß des
                              Wassers durch ihre erhöhte Temperatur (30–40°) und durch die große
                              Menge stickstoffhaltiger organischer Stoffe. Die niederen Organismen, welche sich
                              bei der fauligen Gährung der Knochenkohle massenhaft entwickeln, vermehren sich, dem
                              Bachwasser zugeführt, ganz ungeheuer, so daß die Bäche oft meilenweit damit
                              ausgekleidet sind. Selbst am Tageslicht entwickeln diese Organismen große Mengen
                              Schwefelwasserstoff aus den schwefelhaltigen organischen Stoffen, so daß sich in den
                              Wasserläufen eine dicke schwarze Schicht Schwefeleisen und darüber ein weißer
                              Schwefelüberzug lagert. Fische sterben in solchem Wasser.Polytechn. Notizblatt 22. 175. Bekanntlich hat das Directorium des Vereines für die
                              Rübenzucker-Industrie des deutschen Reiches einen Preis von 1000 Thalern für
                              die Lösung der Aufgabe ausgesetzt: „Welches Verfahren ist anzuwenden, um
                                 zu verhüten, daß das aus den Rübenzuckerfabriken abfließende Wasser unmittelbar
                                 oder in Folge späterer Zersetzung schädlich oder belästigend wirken
                                 kann“ (polytechn. Journal Bd. CCIX
                                 S. 239). Die Abwässer der StärkefabrikenPolytechn. Journal. Bd. LXVIII S.
                                       406; Bd. CLXXXII S. 325. verhalten sich ähnlich.
                           In dem Abwasser einer Spiritusfabrik verbreitete sich massenhaft eine Alge: Leptomitus lacteus, welche gelblichweiße Fäden bildete.
                              Das Wasser entwickelte Schwefelwasserstoff und einen stark fauligen Geruch. Durch
                              Behandlung desselben mit Kalk wurde die Alge vernichtet (polytechn. Journal Bd. CXLVI S. 427).
                           
                              B. Städtisches Canalwasser.
                              Wenn auch die Verunreinigung der Flüsse durch Industrieabfälle häufig vorwiegt
                                 und den städtischen Schmutz verdeckt, so rührt doch ein großer Theil der
                                 Gesammtsumme der unreinen Stoffe aus dem Canalwasser her. Dasselbe besteht aus
                                 den Abwässern der Küchen, Waschhäuser, Gewerbe, dem durch Straßenschmutz stark
                                 verunreinigten Regenwasser, enthält aber auch bei jedem der bekannten
                                 Abfuhrsysteme den größten Theil der flüssigen und bei Waterclosets auch die
                                 festen Excremente.
                              Der große Gehalt der verunreinigten Flüsse an stickstoffhaltigen organischen
                                 Stoffen läßt schon voraussehen, daß dieselben im Sommer in faulige Gährung
                                 übergehen. So war denn auch im Juli die Oberfläche des etwa 40 Meter breiten
                                 Irwellflusses unterhalb Manchester (Analyse 27 und 28) mit einem dichten,
                                 kothigen Schaum belegt, es stiegen fortwährend große Blasen auf, die träge
                                 platzten und die Luft weithin mit dem Gestank der gasförmigen Fäulnißproducte
                                 erfüllten. Die Temperatur des Wassers war 24°, die der Luft dagegen nur
                                 12°. Dem entsprechend ist die Gesammtmenge der organischen
                                 Verunreinigungen im Sommer geringer als im Winter, obgleich die Sinne dann
                                 weniger von diesen Stoffen belästigt werden.
                              Es ist mehrfach behauptet worden, daß die organischen Stoffe völlig verschwinden,
                                 wenn Canalwasser, mit der 20fachen Menge Flußwasser gemischt, 15 bis 20
                                 Kilometer weit geflossen wäre. Die englische Commission aber hat nach der
                                 Untersuchung der Flüsse selbst, sowie durch Experimente im Laboratorium gezeigt,
                                 daß die Oxydation der organischen Substanz namentlich bei Temperaturen unter
                                 17°, äußerst langsam vor sich geht, so daß kein Fluß Englands lang genug
                                 ist, auf diese Weise die organischen Stoffe unschädlich zu machen. Im Winter
                                 werden die Flüsse nur durch Absetzen der suspendirten Stoffe theilweise
                                 gereinigt. Der abgesetzte Schlamm enthält oft 30 Proc. stickstoffhaltige
                                 organische Substanz, die im Sommer wieder in faulige Gährung übergeht, stinkende
                                 Gase entwickelt, die große Massen schwarzen Schmutzes mit sich zur Oberfläche
                                 reißen und dadurch den Fluß für Auge und Nase über alle Maaßen unerträglich
                                 machen.
                              Wenn die englische Commission auch nicht bestimmt nachweisen konnte, in wie weit
                                 diese Flußverunreinigung die Gesundheit der in der Nähe Wohnenden schädigt, so
                                 ist doch unbestritten, daß ein solcher Zustand nicht nur die menschlichen Sinne
                                 im höchsten Grade belästigt, sondern auch für die Gewerbtreibenden sehr
                                 unangenehm ist, da ein solches Wasser weder zum Waschen und Spülen noch auch zum
                                 Speisen der Dampfkessel brauchbar ist. So haben denn auch 30 Fabriken aus den
                                 Thälern des Mersey und Ribble den Werth, welchen reines Flußwasser für sie haben
                                 würde, auf jährlich 211000 Mark beziffert.
                              
                              Die deutschen Flüsse sind zwar durchweg wasserreicher als die englischen, die
                                 Anzahl der Fabriken geringer; wenn somit die Gefahr der Flußverunreinigung auch
                                 weniger groß ist, so muß doch den Forderungen der englischen Commission im
                                 Allgemeinen zugestimmt werden, daß keine Flüssigkeit in die Flußläufe zu lassen
                                 ist, welche
                              
                                 a. im Liter mehr als 30 Milligrm.
                                    suspendirte unorganische oder 10 Milligrm. suspendirte organische Stoffe
                                    enthält;
                                 b. im Liter mehr als 20 Milligrm.
                                    organischen Kohlenstoff oder 3 Milligrm. organischen Stickstoff in Lösung
                                    enthält;
                                 c. bei Tageslicht eine bestimmte
                                    Farbe zeigt, wenn sie in einer Schicht von 30 Millimeter Tiefe in ein
                                    Porzellangefäß gebracht wird;
                                 d. im Liter mehr als 20 Milligrm.
                                    eines Metalles mit Ausschluß von Kalium, Natrium, Calcium und Magnesium in
                                    Lösung enthält;
                                 e. im Liter, gleichviel ob gelöst
                                    oder suspendirt, mehr als 0,5 Milligrm. metallisches Arsen, als solches,
                                    oder in irgend einer Verbindung enthält;
                                 f. nach ihrer Ansäuerung mit
                                    Schwefelsäure im Liter mehr als 10 Milligrm. freies Chlor enthält;
                                 g. im Liter mehr als 10 Milligrm.
                                    Schwefel in Form von Schwefelwasserstoff oder als lösliches Sulfid
                                    enthält;
                                 h. im Liter mehr Säure enthält, als
                                    2 Grm. Chlorwasserstoffsäure entsprechend;
                                 i. im Liter mehr Alkali enthält, als
                                    1 Grm. Aetznatron entsprechend.
                                 
                              Da jedoch die Abwässer durch Kalkstein, Kreide u. dgl. leicht entsäuert werden
                                 können, so empfiehlt es sich, alle sauren Flüssigkeiten von den öffentlichen
                                 Wasserläufen auszuschließen.
                              Nach dem neueren englischen Gesetze ist dem entsprechend Jeder welcher
                                 Auswurfstoffe in ein fließendes Gewässer schafft oder ablaufen läßt oder unreine
                                 und schädliche Flüssigkeiten aus Fabriken u. dgl. in fließende Gewässer
                                 ableitet, zur Entschädigung verpflichtet und  muß 100 bis 200 Mark
                                 Strafe zahlen, außerdem für jeden Tag, wo die Verunreinigung fortdauert 20 bis
                                 40 Mark. Das Gesetz findet keine Anwendung, wenn der durch die Verunreinigung
                                 angerichtete Schaden unerheblich (?) ist, oder auch, wenn der Urheber die
                                 anerkannt besten Methoden zur Reinigung anwendet. (Deutsche Bauzeitung 4.
                                 224.)
                              
                           
                        
                           Mittel zur Abhülfe.
                           Als Mittel zur Abhülfe dieser Zustände kommen in Betracht:
                           
                              1. Einrichtungen, welche die
                                    Verunreinigung von vornherein vermeiden sollen.
                              Um die Verunreinigung der Flüsse durch feste Abfallstoffe, namentlich
                                 Kohlenreste, Asche, ausgenutzte Farbhölzer, Straßenkehricht u. dgl. zu hindern,
                                 genügt ein Gesetz und die ausführende Behörde. – Bei den augenblicklichen
                                 Kohlenpreisen dürfte es sich empfehlen, nicht allein den Kohlenstaub, (vergl.
                                 polytechn. Journal Bd. CXCV S. 41; Bd. CC S. 358; Bd. CCIV S. 364; Bd. CCX S.
                                 234) sondern auch die Schlackenreste der Haushaltungen und Fabriken, die bei den
                                 durchweg noch mangelhaften Feuerungsanlagen und der geringen Sorgfalt, welche
                                 auf dieselben verwendet wird, häufig zur Hälfte aus Kohkes bestehen, für
                                 Heizungszwecke zu verwerthen (vergl. polytechn. Journal Bd. CLXXXVI S. 75 und S. 441; Bd. CLXXXVII S. 209; Bd. CCIX S.
                                    236).
                              Von den Vertheidigern der Düngergruben und Abfuhr wird noch immer behauptet daß
                                 dadurch die Flüsse vor Verunreinigung mit Auswurfstoffen geschützt würden. Dem
                                 ist nicht so. In den menschlichen Excrementen verhält sich der Stickstoff der
                                 Fäces zu dem des Harns fast wie 1 : 8. Wenn auch die Verunreinigung durch diese
                                 beiden Stoffe nicht ganz als ihrem Gehalt an Stickstoff proportional angesehen
                                 werden kann, weil in dem Urin ein Theil desselben als Harnstoff enthalten ist,
                                 so ist doch zu berücksichtigen, daß auch die Umsetzung dieses Körpers in
                                 Ammoniumcarbonat von der Entwickelung unzähliger Bakterien begleitet ist, die
                                 andere organische Stoffe sehr schnell in Fäulniß versetzen (vergl. polytechn.
                                 Journal Bd. CCX. S. 121). Die Analysen
                                 31 und 32 zeigen denn auch, daß das Canalwasser aus Städten mit Mistgruben und
                                 Abfuhr fast ebenso viel fäulnißfähige organische Stoffe enthält, als dasjenige,
                                 welches die Abflüsse der Waterclosets mit aufgenommen hat. Nach den
                                 Untersuchungen von Feichtinger
                                 Pettenkofer, das Canal- oder
                                       Sielsystem in München (München 1869.) und Pettenkofer enthält das Abwasser der
                                 Canäle in München, in die keine Excremente eingelassen werden dürfen, sogar noch
                                 mehr gelöste organische Stoffe als das Canalwasser von Rugby mit Waterclosets.
                                 Das Zurückhalten der festen menschlichen Abfälle von den Canälen hat demnach
                                 keine irgendwie beträchtliche Verminderung der fäulnißfähigen Stoffe des
                                 Canalwassers zur Folge, man muß somit die Hoffnung
                                    aufgeben, durch gesonderte Behandlung der Excremente die Verunreinigung des
                                    Wassers zu verringern.
                              Auch die zuweilen gestellte Forderung, Fabriken und Gewerbe, welche unreines
                                 Wasser liefern, aus den Städten zu vertreiben oder doch ihre Abwässer nur dann
                                 in die öffentlichen Canäle aufzunehmen, wenn sie gehörig desinficirt sind,Lehfeld, der gegenwärtige Stand der
                                       Abfuhr- und Canalisationsfrage, S. 57. ist praktisch nicht durchführbar, verspricht auch keinen
                                 durchschlagenden Erfolg, da die Spülwässer der Küchen, Wäschereien,
                                 Restaurationen, das Regenwasser oft schädlichere Stoffe den Canälen zuführen als Fabriken. Da die
                                 Industrieabwässer durch dieselben Operationen gereinigt werden können, als die
                                 gewöhnlichen Canalwasser, so ist ihr Einlauf in die öffentlichen Canäle zu
                                 gestatten, wenn sie keine freie Säure oder wesentliche
                                    Mengen giftiger Metalle enthalten.
                              
                           
                              2. Methoden zur Reinigung der
                                    Canalwässer und flüssigen Fabrikabfälle.
                              Die Canalwässer, welche also sämmtliche Excremente und
                                    flüssigen Abfälle einer Stadt aufgenommen haben, sowie auch die
                                 Abwässer einzelner Fabriken können nun gereinigt werden:
                              a) durch Behandlung mit chemischen Stoffen,
                              b) durch Filtration,
                              c) durch Berieselung.
                              Die werthvollsten Bestandtheile des Canalwassers sind in erster Linie die
                                 verschiedenen Verbindungen des Stickstoffes (zugleich auch die
                                 gesundheitschädlichsten), und in zweiter die Phosphorsäure. Der Geldwerth für
                                 die Menge dieser Substanzen, welche in 100 Kubikmeter Canalwasser von
                                 durchschnittlicher Zusammensetzung gelöst sind, beträgt etwa 15 Mark, während
                                 die darin suspendirten Stoffe nur 2 Mark werth sind. Die Gewinnung der
                                 suspendirten Stoffe durch einfache Filtration ist daher nicht lohnend, das
                                 Canalwasser wird dadurch nur ungenügend gereinigt. Es ist demnach die
                                 Hauptaufgabe der chemischen Behandlung, auch die löslichen Bestandtheile
                                 niederzuschlagen und in einen transportfähigen Dünger zu verwandeln. Die
                                 wichtigsten dieser Methoden sind folgende:
                              Behandlung mit Kalk. Das Canalwasser wird mit einer
                                 bestimmten Menge Kalkmilch vermischt und in große Klärbassins geleitet. Es setzt
                                 sich ein stark fäulnißfähiger Schlamm ab, welcher durch ein Paternosterwerk in
                                 Gruben befördert wird, dort theils durch Verdunstung theils durch Einsickerung
                                 in den Boden langsam trocknet. Das Verfahren ist in großem Maaßstabe bei
                                 Tottenham zur Gewinnung von Dünger (Tottenham
                                    Sewage-Guano), Blackburn und Leicester (Leicester bricks) angewendet.Polytechn. Journal Bd. CXLIII S.
                                          150; Bd. CLVI S. 54;
                                       Bd. CXCVI S. 373. Wie die Analysen 33–36, S. 277, zeigen, vermindert Kalk zwar den
                                 Gehalt an löslichen Stoffen, der organische Stickstoff wird aber nicht zur
                                 Hälfte entfernt. Der in Leicester erhaltene Niederschlag enthielt nur 18,86
                                 Proc. Kohlenstoff, 0,85 Proc. Gesammtstickstoff, 0,15 Proc. Phosphorsäure. Der
                                 Düngerwerth von 100 Kilogrm. entspricht demnach etwa 1,5 Mark, in Wirklichkeit
                                 wird aber kaum 0,1 Mark bezahlt. Das Verfahren ist also durchaus mangelhaft.
                              
                              Scott (englisches Patent 26. Aug. 1871) versetzt die
                                 Abwässer mit Kalk, glüht den Niederschlag, und fällt mit denselben neue
                                 Kloakenmassen, um den erhaltenen Dünger reicher an Phosphorsäure zu machen.
                                 (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 5. 395.) Fulda (englisches Patent 13. Februar 1872; daselbst 998) wendet ein
                                 Gemisch von 112 Theilen Kalk und 1 Theil Glaubersalz an. Smith (englisches Patent 7. Nov. 1871; daselbst 592) fällt mit Kalk,
                                 Lehm u.s.w., kühlt nach dem Absetzen des Niederschlages die erhaltenen Wässer
                                 mit flüssiger Kohlensäure (!) damit die durch chemische Mittel nicht fällbaren
                                 Stoffe in eine niedrigere Schicht sinken (?), worauf die oberflächliche Schicht
                                 abfließt. Cole, Coldfield und Abbot (englisches Patent 4. Novbr. 1871; daselbst 593) erwärmen
                                 dagegen durch heiße Luft.
                              Kalk- und
                                    Eisenlösung. Zu Nordhampton wird das Canalwasser von 40000 Personen mit
                                 Kalkmilch, dann mit Eisenchlorürchlorid versetzt und nach dem Absetzen durch
                                 eine Schicht Eisenerz filtrirt. Das Wasser fließt zwar klar ab, enthält aber,
                                 wie Analyse 41 zeigt, noch so viel organische Stoffe, daß es in kurzer Zeit
                                 wieder in Fäulniß übergeht. Das fernere Einführen dieses Abwassers in den
                                 Nenfluß ist daher verboten (polytechn. Journal Bd. CXCVII S. 373.) – Hofmann
                                 empfiehlt Eisenchlorid (daselbst 156. 50). – Houzeau
                                 Polytechn. Centralblatt 1870 S. 224. versetzt Wasser, welches namentlich die Fette und Seifen der Wäschereien
                                 aufgenommen hat, mit Kalkmilch und Eisenvitriol. Der Schlamm soll als
                                 Düngemittel oder mit Steinkohlenpulver zusammen als Brennmaterial Verwendung
                                 finden. – Burrow behandelt die Canalwässer mit
                                 Eisenvitriol und Gyps (englisches Patent 7. Oct. 1871; Berichte der deutschen
                                 chemischen Gesellschaft 5. 488.) Diese Reinigungen werden ebenso wenig genügen
                                 als die Behandlung mit Kalk.
                              Proceß Holden. Das Canalwasser von Bradford wird
                                 theilweise, unter der Leitung von Holden, mit
                                 Eisenvitriol, Kalk, Kohlenstaub versetzt und durch eine Reihe von Klärbassins
                                 fließen gelassen. Analysen 42 und 43 zeigen, daß die Menge der gelösten
                                 stickstoffhaltigen Bestandtheile sogar noch vermehrt ist, da ein Theil der
                                 suspendirten Stoffe in Lösung geht. Der lufttrockene Niederschlag enthält nur
                                 0,5 Proc. Stickstoff und 0,3 Proc. Phosphorsäure, ist daher fast werthlos.
                              Süvern's Desinfectionsmittel:Polytechn. Journal Bd. CXCVII S.
                                          83; Bd. CLXXXVII S.
                                          438. 100 Theile Kalk werden mit 300 Theilen Wasser gelöscht, mit 8 Th. Theer,
                                 30 Th. Chlormagnesium und soviel Wasser gemischt, daß das Ganze 1000 Theile
                                 beträgt.
                              
                              Mit diesem Gemisch sind in Berlin im Laufe von 18 Tagen fast 10000 Kubikmet.
                                 Canalwasser desinficirt. Nach dem Bericht der CommissionReinigung und Entwässerung Berlins. Heft III und IV. (Berlin, Hirschwald.) ging die Mischung mit dem Canalwasser leicht vor sich, die Niederschläge
                                 setzten sich rasch ab, das abfließende Wasser war fast frei von Organismen. Nach
                                 längerem Stehen entwickelten sich aber zahlreiche neue Organismen; die Fäulniß
                                 wird also nur verzögert, nicht verhindert. 1 Liter des abfließenden Wassers
                                 enthält noch 2,8–6,6 Milligrm. organischen Stickstoff. Der trockene
                                 Niederschlag enthält nach Liebreich 21,1–36,2
                                 Proc. organische Stoffe, 0,7–1 Proc. Stickstoff und 1,2–1,5 Proc.
                                 Phosphorsäure. Nach den Versuchen von Grouven
                                 Hamm, Agronomische Ztg. 23. Nr. 34. wird zwar die gesammte Phosphorsäure aber nur 38,7–41,7 Proc.
                                 Stickstoff gefällt. Der Düngerwerth von 100 Kilogrm. Niederschlag ist nach Werner = 0,9 Mark, nach Röder in den meisten Fällen = 0. – Der aus dem Abwasser der
                                 Zuckerfabriken niedergeschlagene Schlamm enthält nach Stohmann nur 0,09–0,16 Proc. Stickstoff. – Für größere
                                 Verhältnisse ist das Verfahren also durchaus unbrauchbar.
                              Hille (englisches Patent 2. Dec. 1870) wendet ein
                                 Gemisch von 200 Kalk, 250 Wasser und 15 Gastheer an,Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 4. 811; 5. 1065. offenbar mit keinen besseren Erfolgen.
                              Manning versetzt das städtische Canalwasser mit
                                 thierischer Kohle, Alaun, Soda und Gyps. (Polytechn. Journal Bd. CXXXIV S. 158.)
                              Der A-B-C-Proceß (Alum Blood and Charcoal). Die
                                 Patentträger Sillar und Wigner
                                 Vergl. die Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 4 813; 5.
                                       485. versetzen das Canalwasser mit einer aus folgenden Bestandtheilen
                                 zusammengesetzten Mischung: Alaun, Blut, Thon, Magnesia, mangansaures Kalium,
                                 gebrannter Thon, Thierkohle, Dolomit in wechselnden Verhältnissen; später werden
                                 auch Elektricität und Magnetismus (!) zu Hülfe genommen. Analysen 35,
                                 37–39 zeigen, daß zwar die suspendirten Stoffe entfernt werden, der
                                 Gesammtgehalt an löslichen Substanzen aber vermehrt, der Stickstoff nur wenig
                                 vermindert ist. Der in Leicester gewonnene Dünger enthält 25 Proc. Kohlenstoff,
                                 0,5 Proc. Phosphorsäure und 1,9 Proc. Gesammtstickstoff. 100 Kilogrm. sind etwa
                                 3,3 Mark werth; die Fabricationskosten werden also nicht gedeckt. Da außerdem
                                 die zum Sammeln und Trocknen des Düngers erforderlichen Operationen von
                                 widerlichem Geruch begleitet sind, so ist auch dieses Verfahren durchaus
                                 ungenügend.
                              
                              Aluminiumsulfat. Zu Stroud in Gloucestershire werden
                                 100 Kubikmet. Canalwasser mit etwa 40 Kilogrm. Thon, der einige Tage mit 7
                                 Kilogrm. Schwefelsäure behandelt ist (also rohes schwefelsaures Aluminium)
                                 versetzt und nach dem Klären durch Cokes filtrirt. Das abfließende Wasser ist,
                                 wie Analysen 44 und 45 zeigen, sehr unvollkommen gereinigt, geht deßhalb auch
                                 schon nach wenig Tagen in Fäulniß über.
                              Auch in Asnières bei Paris ist durch Dumas eine
                                 größere Versuchsanstalt zur Reinigung des Cloakenwassers mit eisenhaltigem
                                 Aluminiumsulfat eingerichtet. Nach Grouven
                                 Hamm, Agronomische Ztg. 23, Nr. 34. wird zwar sämmtliche Phosphorsäure aber nur 30–33 Proc.
                                 Stickstoff gefällt. – Durand Claye
                                 Deutsche Industriezeitung 1869, 486. will Schleusenwasser ebenfalls mit schwefelsaurer Thonerde fällen.
                              Auch die Berliner CommissionReinigung und Entwässerung Berlins, Heft III, IV und VI; polytechn.
                                       Centralblatt 1869. 416. hat mit dem Lenk'schen
                                 DesinfectionsmittelPolytechn. Journal Bd. CXCI S.
                                          87. – ebenfalls rohes Aluminiumsulfat – durchaus ungenügende
                                 Resultate erhalten. Die in dem Canalwasser enthaltenen Organismen werden nicht
                                 getödtet, ja nach längerem Stehen ist das Wasser belebter als vor der
                                 Behandlung. 1 Liter Abflußwasser enthielt noch 78,4 Milligrm. Stickstoff in Form
                                 von Ammoniak und 6,7 Milligrm. organischen Stickstoff. Der Ertrag eines mit dem
                                 Schlamm gedüngten Ackers in Proskau blieb noch hinter dem von ungedüngtem
                                 zurück. Das Verfahren ist also ebenfalls unbrauchbar.
                              Phosphate. Forbes und PriceBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft 4. 839; Civilingen. 1872,
                                       314; Deutsche Industriezeitung 1870, 462. versetzen Schleusenwasser mit der sauren Lösung eines, namentlich auf
                                 der Insel Alto Vela in großer Menge vorkommenden, Aluminiumphosphates und dann
                                 mit Kalkmilch. Auf 1500 Kubikmet. Wasser ist etwa eine Tonne Phosphat zu nehmen.
                                 – Tessie du Motay
                                 Deutsche Industriezeitung 1870. 225; Monit.
                                          scientif. 1870. 491. will das Ammoniak der Pariser Schleusenwässer durch Zusatz löslicher
                                 Phosphate und Magnesiumverbindungen als phosphorsaures Ammon-Magnesium
                                 fällen. Bei Gegenwart von Harnstoff wird zuckersaures Baryum oder Calcium
                                 zugesetzt; es soll sich cyansaures und cyanharnstoffsaures Baryum und Calcium
                                 bilden und rasch in Ammoniumsalze umsetzen. Das Kalium wird durch
                                 Kieselfluorammonium, die organischen Stoffe durch das gebildete Chloraluminium
                                 niedergeschlagen.
                              
                              Blanchard, Bang und Provost (englisches Patent vom 6.
                                 Febr. 1872) fällen mit Magnesiumphosphat; ähnlich Scott (englisches Patent vom 20. März 1872; Berichte der deutschen
                                 chemischen Gesellschaft 5. 943; 6. 272). – Sloper (englisches Patent vom 14. Juni 1870 und 6. Febr. 1871) läßt
                                 die Cloakenflüssigkeit erst gähren, damit die stickstoffhaltigen Substanzen in
                                 kohlensaures Ammonium übergeführt werden und fällt dann mit löslichen
                                 Magnesiumsalzen und phosphorsauren Alkalien. Später haben Sloper und Washer diese durchaus
                                 verwerfliche faulige Gährung durch Zusatz von Alkali zu vermeiden gesucht.Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 4. 133 und 856. – Prange und Witthread (englisches Patent vom 6. Febr. 1872) wenden saures
                                 Calciumphosphat und Magnesiumsalze an; ähnlich Campbell (englisches Patent vom 30. März 1872; Berichte der deutschen
                                 chemischen Gesellschaft 5. 942; 6. 458).
                              Lupton versetzt mit Kohle, wenig phosphorsaurem
                                 Calcium und filtrirt (englisches Patent vom 15. Aug. 1871; Berichte der
                                 deutschen chemischen Gesellschaft 5. 540).
                              Nach Brobrownicki (englisches Patent vom 2. Mai 1872)
                                 werden diese Wässer angesäuert und dann mit einer Lösung von Fluorsilicium,
                                 Chlorsilicium oder einem alkalischen Silicate vermengt. Der entstehende
                                 Niederschlag, Silicoid genannt, wird dann weiter auf Ammoniak verarbeitet.
                                 (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 6. 977.)
                              Wanklyn will aus den Cloakenwässern das Ammoniak
                                 durch Destillation gewinnen (englisches Patent 19. Dec. 1871; Berichte der
                                 deutschen chemischen Gesellschaft 5. 736).
                              Auch diese patentirten Fällungsmethoden sind offenbar nicht im Stande die
                                 stickstoffhaltigen Substanzen zu beseitigen und somit die Abwässer hinreichend
                                 zu reinigen.
                              Filtration. Bei der Filtration wird die Flüssigkeit
                                 entweder von unten nach oben durch das Filtermaterial hindurch gepreßt: aufsteigende Filtration, oder aber sie fließt von
                                 oben nach unten: absteigende Filtration.
                              Kirkmann (englisches Patent vom 6. Oct. 1870)
                                 behandelt die Flüssigkeit mit Kohlensäure um die übeln Gerüche zu entfernen,
                                 filtrirt durch ein Bett von Ziegelstücken an das alles (?) Ammoniak und die alze
                                 abgegeben werden und läßt das Filtrat in Behälter fließen in denen Zink und
                                 Kupferplatten aufgestellt sind. Die Angabe, daß der durch diese Platten
                                 hervorgerufene Strom die letzten Spuren der organischen Stoffe zerstört, so daß das
                                 abfließende Wasser zu jeder häuslichen Verwendung geeignet sey, darf wohl
                                 bezweifelt werden. – Plasse (englisches Patent
                                 vom 26. Oct. 1871) wendet in ähnlicher Weise elektrische Ströme an; der
                                 erhaltene Dünger wird unter dem Namen Taffo-Guano in den Handel gebracht. (Berichte der deutschen
                                 chemischen Gesellschaft 4. 533; 5. 543.)
                              Banks und Walker (englisches Patent vom 22. Sept.
                                 1871) behandeln die abfiltrirte Flüssigkeit mit Luft und lassen sie dann in die
                                 Flüsse. (Daselbst 5. 442.)
                              Millbrun und Browning trocknen den abfiltrirten
                                 Schlamm in Retorten unter fortwährendem Umrühren (englisches Patent vom 11. Oct.
                                 1871; Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft 5. 489).
                              Backett und CamBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft. 5. 339. dampfen die abfiltrirte Flüssigkeit in geschlossenen Räumen ein, Murray
                                 Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 6. 1426. läßt dagegen nur absetzen und verwendet den Bodensatz; ähnlich Blackburn, und Margueritte
                                 läßt die Abwässer durch Centrifugalapparate gehen. (Berichte der deutschen
                                 chemischen Gesellschaft 6. 78 und 1271.)
                              Auch diese Vorschläge sind ungenügend und für die Unternehmer voraussichtlich
                                 sehr wenig vortheilhaft.
                              Die zahlreichen Versuche der englischen Commission haben ergeben, daß die aufsteigende Filtration durch Sand nicht im Stande
                                 ist das Canalwasser von den organischen Stoffen soweit zu befreien, daß es ohne
                                 Bedenken in die Flußläufe eingelassen werden dürfte.
                              Aufsteigende Filtration von Londoner Canalwasser durch eine
                                 4,57 Meter hohe Sandschicht, pro 1 Kubikmeter und 24
                                 Stunden 21,5 L.
                              
                                 
                                    1 Liter enthielt inMilligrm.
                                    OrganischenKohlenstoff
                                    OrganischenStickstoff
                                    Ammoniak
                                    Stickstoff inForm vonNitraten
                                       undNitriten
                                    
                                 
                                    Vor der Filtration
                                    43,8
                                    24,8
                                    55,6
                                    0
                                    
                                 
                                    Nach derselben 11. Oct.
                                    37,4
                                    11,5
                                    31,7
                                    17,9
                                    
                                 
                                      
                                       „          „        
                                       19.   „
                                    31,6
                                      8,6
                                    40,8
                                      2,4
                                    
                                 
                                      
                                       „          „        
                                       25.   „
                                    29,1
                                      9,6
                                    37,5
                                      2,7
                                    
                                 
                                      
                                       „          „          
                                       1. Nov.
                                    43,6
                                    20,2
                                    52,8
                                    0
                                    
                                 
                                      
                                       „          „          
                                       8.    „
                                    36,0
                                    21,8
                                    60,4
                                    0
                                    
                                 
                              Um eine wirksame Reinigung des Canalwassers durch Filtration zu erreichen, ist es
                                 nothwendig, daß der Sauerstoff der Luft in das Innere der Filter gelangen kann,
                                 was bei der aufsteigenden Filtration ganz ausgeschlossen ist. Es kann dieses aber dadurch
                                 erreicht werden, daß man das Canalwasser auf zwei Filter vertheilt und sie in
                                 einem Turnus von 6 oder 12 Stunden benutzt; in der Zwischenzeit kann dann die
                                 Luft ungehindert zutreten. Diese absteigende
                                    intermittirende Filtration durch Sand reinigt das Canalwasser in
                                 befriedigender Weise, wenn innerhalb 24 Stunden nicht mehr als 33 Liter für 1
                                 Kubikmet. Filtermaterial angewendet wird. Die organischen Stoffe werden unter
                                 diesen Bedingungen in Wasser, Kohlensäure und Salpetersäure übergeführt:
                              Absteigende intermittirende Filtration von Londoner
                                 Canalwasser durch eine 4,57 Met. hohe Sandschicht, pro 1 Kubikmeter und 24 Stunden 33,3 L.
                              
                                 
                                    1 Liter enthielt inMilligrm.
                                    OrganischenKohlenstoff
                                    OrganischenStickstoff
                                    Ammoniak
                                    Stickstoff inForm von Nitraten
                                       undNitriten
                                    
                                 
                                    Vor der Filtration
                                    43,9
                                    24,8
                                    55,6
                                    0
                                    
                                 
                                    Nach derselben, 22. Febr.
                                      8,3
                                      1,1
                                      0,2
                                    36,2
                                    
                                 
                                      
                                       „        
                                       „           
                                       1. März
                                      7,1
                                      0,8
                                      0,1
                                    47,3
                                    
                                 
                                      
                                       „        
                                       „           
                                       8.    „
                                      6,6
                                      1,4
                                      0,1
                                    34,3
                                    
                                 
                              Einige Bodenarten verhalten sich wie Sand, andere haben dagegen ein bedeutendes
                                 Absorptionsvermögen für organische Stoffe, ohne daß sie eine wesentliche
                                 Oxydation derselben zulassen. Torf reinigt weniger gut als Sand.
                              Zur Reinigung des Canalwassers einer mit Waterclosets versehenen Stadt von 10000
                                 Einwohnern würden etwa 2 Hektaren Land genügen. Der Boden muß in 2 Met. Tiefe
                                 gut drainirt, die Oberfläche geebnet und in 4 gleiche Abschnitte getheilt
                                 werden, von denen einer nach dem anderen das Canalwasser 6 Stunden aufnimmt.
                                 – Der allgemeinen Anwendung dieses Verfahrens stehen aber die Bedenken
                                 gegenüber, daß der gesammte Düngerwerth verloren geht und daß eine solche
                                 Fläche, da sie keine Vegetation zu tragen im Stande ist, vielleicht Miasmen
                                 erzeugen kann.
                              Alle diese Einwände fallen bei der Reinigung des Canalwassers durch die Berieselung fort. Zur Reinigung und Ausnutzung des
                                 Canalwassers von 1000 Personen sind etwa 4 Hektaren erforderlich. Im Allgemeinen
                                 nimmt man in England eine tägliche Stauhöhe von 3 Millimet. an, oder jährlich
                                 etwas über 1 Met., in Deutschland wird wegen der geringeren Regenhöhe mehr
                                 Canalwasser anzuwenden seyn.
                              Das älteste BerieselungssystemVergl. Fegebeutel, Canalbewässerung (Danzig,
                                       Kafemann.) 3 Mark. durch tief liegende eiserne Röhren und Vertheilung des Canalwassers durch Schläuche oder
                                 Spritzen ist wieder verlassen, dagegen haben sich die folgenden Methoden
                                 bewährt.
                              Der Hangbau oder das Auffang-System (catchworks-system) ist für sehr bergiges und
                                 hügeliges Land geeignet, dessen Gefälle zwischen 1 : 20 und 1 : 4 wechselt,
                                 während 1 : 12 als das beste Verhältniß bezeichnet wird. Man zieht in
                                 horizontalen Linien und Abständen von etwa 15 Met. Gräben um die Höhen. Das
                                 Wasser fließt aus den höchsten Vertheilungsgräben A
                                 Fig. 1 über die Ränder derselben auf das Land in
                                 die nächsten Rinnen B, von hier in die folgenden C, bis es aus den letzten D und E meist völlig gereinigt
                                 abfließt.
                              
                                 
                                 Fig. 1., Bd. 211, S. 218
                                 
                              Das Furchensystem (pane and
                                    gutter-system), eine Nachbildung der Bewässerungen in
                                 Oberitalien, eignet sich namentlich für Rieselfelder mit geringem Gefälle. Man
                                 legt in der Richtung nach dem Abzugsgraben hin die Hauptgräben A
                                 Fig. 2 in der Richtung des größten Gefälles, mehr
                                 oder weniger senkrecht zu den Hauptgräben, kleinere Rinnen. Das Canalwasser
                                 fließt von dem Hauptgraben A in die
                                 Vertheilungsrinnen, wird durch Staubretchen gezwungen, sich rechts und links
                                 über das vollkommen geebnete Land zu ergießen und durch den Sammelgraben B abgeführt.
                              
                                 
                                 Fig. 2., Bd. 211, S. 218
                                 
                              Das Beetsystem (bed-system, ridge and furrow). Das Land wird in eine Reihe von
                                 Rücken und Furchen bearbeitet, indem man die Erde der seitlichen Abhänge gegen
                                 den Scheitel des Rückens bringt, was fast völlig mit dem Pfluge ausgeführt
                                 werden kann. Aus der Hauptrinne A, Fig. 3 fließt das Canalwasser zum Sammelgraben B. Das Gefälle wechselt von 1 : 20
                                 (Lodge-Farm) bis 1 : 120.
                              
                                 
                                 Fig. 3, Bd. 211, S. 218
                                 
                              Auf der Rieselfarm bei Aldershott wendet man bei Hackfrüchten, namentlich Rüben, auch die
                                 Furchenbewässerung (Fig.
                                    4) an. Es ist hierbei Grundsatz, daß das Wasser die Pflanzen nicht
                                 berühren darf.
                              
                                 
                                 Fig. 4., Bd. 211, S. 219
                                 
                              Die Reinigung des Canalwassers ist weniger gut, als die
                                 durch die anderen Systeme.
                              Von den bisherigen Erfolgen der Berieselung mögen erwähnt werden:
                              Das Gesundheitsamt in Rugby, einer Stadt von mehr als
                                 8000 Einwohnern, hat 26 Hektaren eines etwas sandigen Bodens auf thonigem
                                 Untergrund zu jährlich 225 Mark für die Hektare gepachtet. Es werden täglich 900
                                 Kubikmeter Canalwasser also pro Jahr und Hektare
                                 etwa 12000 Kubikmeter angewendet. Eine Fläche hiervon ist zu jährlich 500 Mark
                                 pro Hektare wieder verpachtet. Die Analysen 46
                                 und 47 zeigen, daß das Wasser hinreichend gereinigt wird.
                              Warwick, eine Stadt von 11000 Einwohnern in 2400
                                 Häusern, von denen sich 2000 den Canälen angeschlossen haben, leitet täglich
                                 etwa 2700 Kubikmeter Canalwasser auf 40,5 Hektaren eines tiefgründigen,
                                 graugelben Thonbodens, also pro Jahr und Hektar
                                 25000 Kubikmeter. Der Boden ist so dicht, daß das Wasser nicht eindringt,
                                 sondern nur langsam über die Grasflächen hinfließt. Die Analysen 48 und 49
                                 zeigen, daß trotz dieses ungünstigen Umstandes die großen Wassermassen
                                 hinreichend gereinigt werden.
                              In Norwood wird das Canalwasser von 4000 Personen auf
                                 etwa 12 Hektaren eines tiefliegenden Thonbodens geleitet. Die Rieselwiesen geben
                                 jährlich 5–6 Schnitt italienisches Raygras; Lehfeld theilt mit, daß auch bis zu 13,5 Kilogrm. schwere Runkelrüben
                                 gezogen werden. Die erzielte Einnahme betrug 1869 für die Hektare 1250 Mark,
                                 während vor der Berieselung dieselbe Fläche zu 45 Mark verpachtet war. Der Werth
                                 des Canalwassers pro Kopf und Jahr ergibt sich
                                 darnach zu 3,8 Mark. Analysen 50 und 51 zeigen, daß das Abwasser ohne Gefahr in
                                 die Flüsse geleitet werden kann.
                              In Penrith wird das Canalwasser von 8000 Personen auf
                                 32 Hektaren eines drainirten sandigen Lehmbodens geleitet. Eine sehr große Zahl
                                 Hornvieh und Schafe weidet das üppig wachsende Gras ab. Vergleiche Analyse 52,
                                 53.
                              
                              Auf der Aldershot-Farm wird das Wasser von 7000
                                 Erwachsenen, täglich etwa 700 Kubikmeter, auf 33 Hektaren eines sterilen
                                 Sandbodens (95 Proc. Quarz, 3 Proc. Eisenoxyd, 2 Proc. Organisch) geleitet. Die
                                 eine Hälfte ist mit italienischem Raygras, die andere mit Runkelrüben, Kohl,
                                 Sellerie und anderen Gemüsen bestellt. Das in den Boden gedrungene Wasser wird
                                 durch tiefliegende Drainröhren abgeleitet (Analyse 54, 55). Einzelne Theile des
                                 Rieselfeldes sind an benachbarte Landwirthe zu 1000 Mark pro Hektare verpachtet. Das Gras liefert jährlich 4–5 Schnitt
                                 von je 200–250 Kilogrm. pro Ar. Die Abwässer
                                 entsprechen somit einem Werth von etwa 3,5 Mark pro
                                 Kopf und Jahr.
                              Bei Croydon auf den Beddington-Wiefen haben 100
                                 Hektaren eines Kiesbodens seit 8 Jahren das Canalwasser von 30–40000
                                 Personen, d.h. täglich etwa 20000 Kubikmeter aufgenommen. Es werden jährlich 5
                                 Schnitte von je 20–25000 Kilogrm. Raygras pro
                                 Hektare erhalten. Auch Weizen, Runkelrüben sind mit gutem Erfolge angebaut und
                                 Brunnenkresse hat sich als ganz besonders wirksam zur Reinigung und Ausnutzung
                                 des Canalwassers erwiesen. Analysen 56 und 57 zeigen, daß dasselbe von dem
                                 porösen Boden selbst im Winter hinreichend gereinigt wird. Der durchschnittliche
                                 Jahresertrag ist nach Latham
                                 pro Hektare 1500–2000 Mark.
                              Die Berieselungsversuche bei BerlinReinigung und Entwässerung Berlins, Heft IV, VII, VIII, IX, und X.
                                       (Berlin, Hirschwald). haben ergeben, daß auch in Norddeutschland der unfruchtbarste Sandboden
                                 mit Canalwasser überraschend gute Erträge an Gras und Gemüse liefert. So betrug
                                 die Einnahme pro Hektare für Gras 776 Mark,
                                 Kopfsalat 483 Mark, Sellerie 2700 Mark, Gurken 2790 Mark, Endivien-Salat
                                 2975 Mark. Die Gemüse sind wegen ihres raschen Wachsthums ungemein zart und
                                 wohlschmeckend.
                              Auch die Rieselerträge von Danzig, welche in Frankfurt
                                 auf der Versammlung des deutschen Vereines für öffentliche Gesundheitspflege am
                                 16. September d. J. ausgestellt waren, übertrafen jede Erwartung.
                              Mit dem Grase der Rieselwiesen sind von der Thierarzneischule zu Berlin mit Kühen
                                 Fütterungsversuche angestellt. Darnach ist das Grünfutter der Rieselfelder nicht
                                 bloß verwerthbar und ohne nachtheilige Folgen, es ist auch ein gutes und nahrhaftes Futter für Milchkühe. Die von
                                 Cobbold
                                 Polytechn. Journal Bd. CCIX S.
                                          156. und Anderen aufgestellte Behauptung, daß durch die Berieselung
                                 Eingeweidewürmer auf Menschen und Thiere übertragen werden, hat sich nirgends
                                 bestätigt. (Polytechn. Journ. Bd. CCIII S.
                                    160).
                              
                              Die Gegner der Berieselung behaupten noch immer, daß die Rieselwiesen
                                 MiasmenDeutsche Bauzeitung. 4. 281. erzeugen und so den in der Nähe Wohnenden gefährlich werden können. Die
                                 englische Commission hat in Edinburgh, Croydon, Norwood und Barking Erhebungen
                                 gemacht über den Einfluß der Berieselung mit Canalwasser auf die Gesundheit, hat
                                 aber nirgends eine Schädlichkeit bemerken können. 1866 herrschte in einigen
                                 Theilen des nördlichen Londons die Cholera. Das Canalwasser dieser Stadttheile
                                 wurde beständig auf die Rieselfelder der Lodge-Farm bei Barking geleitet,
                                 es kam aber kein Cholerafall auf der Farm oder in ihrer Nähe vor. Als Beweis,
                                 wie wenig das abfließende Rieselwasser seinen Ursprung verräth, wird angegeben,
                                 daß dasselbe sehr häufig getrunken wird. In der That ist es auch weit reiner,
                                 als die Mehrzahl der städtischen Brunnenwässer. In Norwood führt durch die
                                 Rieselfelder ein öffentlicher Fußweg, welchen häufig Hunderte von Personen zur
                                 Erholung und zum Vergnügen, besonders an Sonntagen, benutzen. Dieselben sind
                                 nicht selten überascht gewesen, wenn sie hörten, daß sie ihre Spaziergänge durch
                                 die Canalwasserberieselungsfarm gemacht hätten. Auch an dem Ausfluß der von den
                                 Ingenieuren Gordon und Lindley in vorzüglicher Weise ausgeführten Canäle Frankfurts konnte
                                 bei der Versammlung des deutschen Vereines für öffentliche Gesundheitspflege vom
                                 16. September d. J. kein unangenehmer Geruch wahrgenommen werden, der auch nur
                                 entfernt an den Gestank der gewöhnlichen städtischen Straßengossen erinnert
                                 hätte.
                              Zusammenstellung der Versuche über die
                                    Reinigung von Canalwasser.
                              
                                 
                                    Es wurden entfernt Procent
                                    Von den löslichen
                                       Stoffenorganischen
                                    Von
                                       densuspendirtenorganischenStoffen
                                    
                                 
                                    
                                    
                                       Kohlenstoff
                                       
                                    
                                       Stickstoff
                                       
                                    
                                    
                                 
                                    Chemische
                                          Processe:
                                    
                                    
                                    
                                    
                                 
                                    Durch Kalk, im Durchschnitt
                                    27,7
                                    43,7
                                         80,6
                                    
                                 
                                        „    
                                       Kalk- u. Eisenchlorid, Durchsch.
                                    50,1
                                    37,1
                                         99,8
                                    
                                 
                                        „    
                                       ABC-Proceß                  „
                                    32,1
                                    54,3
                                         92,0
                                    
                                 
                                        „    
                                       Aluminiumsulfat              „
                                      3,8
                                    48,0
                                         79,0
                                    
                                 
                                        „    
                                       Proceß
                                       Holden,             
                                       „
                                    28,3
                                    0
                                    100
                                    
                                 
                                        „    
                                       Filtration: aufsteigende
                                    26,3
                                    43,7
                                    100
                                    
                                 
                                        „            
                                       „            absteigende                 
                                       intermittirende, Durchsch.
                                    72,8
                                    87,6
                                    100
                                    
                                 
                                        „    
                                       Berieselung:
                                    
                                    
                                    
                                    
                                 
                                    Rugby, zäher
                                       Boden,                 „
                                    72,3
                                    92,9
                                         96,0
                                    
                                 
                                    Warwick, dichter
                                       Thonboden      „
                                    71,7
                                    89,6
                                    100
                                    
                                 
                                    Norwood,
                                       Thonboden                 „
                                    65,0
                                    75,1
                                    100
                                    
                                 
                                    Penrith, leichter
                                       Lehmboden      
                                       „
                                    75,0
                                    77,2
                                    100
                                    
                                 
                                    Aldershott, leichter
                                       Sandboden   „
                                    80,9
                                    85,1
                                         93,7
                                    
                                 
                                    Croydon,
                                       Kiesboden                  „
                                    67,4
                                    91,8
                                    100
                                    
                                 
                              
                              Eine Vergleichung dieser Resultate zeigt, daß die suspendirten organischen Stoffe
                                 durch sämmtliche der besprochenen Reinigungsverfahren entfernt, daß aber die
                                 gelösten organischen Stoffe durch die bis jetzt bekannten chemischen Processe noch nicht zur Hälfte gefällt werden. Auch die aufsteigende Filtration ist durchaus ungenügend, die
                                 absteigende intermittirende Filtration und die
                                 Berieselung (vergl. polytechn. Journal Bd. CCX. S. 141) dagegen reinigen das
                                 Canalwasser in sehr befriedigender Weise. Hierbei kommt noch ganz besonders in
                                 Betracht, daß durch die Berieselung, obgleich offenbar
                                    noch verbesserungsfähig, schon jetzt über 90 Proc, der düngenden
                                 Bestandtheile sämmtlicher städtischen Abfallstoffe für die Landwirthschaft
                                 gewonnen werden, während auch die besten Abfuhrsysteme nur 10 bis 20 Proc.
                                 derselben dem Acker zuführen.
                              Demnach ist die Fortschaffung der fäulnißfähigen städtischen
                                 Abfallstoffe, mit Einschluß sämmtlicher menschlicher Excremente und der
                                 Industrieabwässer, durch die öffentlichen Canäle und Reinigung dieses
                                 Canalwassers durch die Berieselung, für die städtische Bevölkerung – bei
                                 gehöriger Rücksicht auf die Forderungen der öffentlichen Gesundheitspflege
                                 – das billigste, bequemste und zugleich für die landwirthschaftliche
                                 Ausnutzung entschieden das beste Verfahren.
                              Es wird so viel über die Erschöpfung der Felder, über die Verschwendung der
                                 Millionen von Kilogrammen Düngstoffe durch die Canalisation der Städte geredet.
                                 Wäre es nicht eher gerechtfertigt über den Zustand der Landwirthschaft
                                 Betrachtungen anzustellen, daß sie es noch immer nicht versteht diese
                                 werthvollen Stoffe auszunutzen, obgleich die Versuche in England, Berlin und
                                 Danzig hinreichend gezeigt haben, daß selbst die sterilsten Sandflächen durch
                                 Canalwässer in kurzer Zeit in fruchtbares Gartenland verwandelt werden
                                 können.
                              Wie schon hervorgehoben, ist auch der Untergrund Hannovers stark inficirt, die
                                 Abtrittsgruben befinden sich durchweg in einem schauderhaften Zustande,Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure. 16. 789; Mittheilungen des
                                       Gewerbevereines für Hannover, 1873, 231. Straßengossen, Canäle und Schwindgruben überliefern dem Boden jährlich
                                 mehr als 50 Millionen Kilogramm in Zersetzung begriffener menschlicher und
                                 thierischer Abfälle, vergiften BrunnenDas Trinkwasser, seine Beschaffenheit,
                                       Untersuchung und Reinigung, unter Berücksichtigung der Brunnenwässer
                                       Hannovers; von Ferd. Fischer (Hannover, Hahn). 1873. und Luft und geben den geeigneten Boden für Schwindsucht, für Typhus und
                                 andere zymotische Krankheiten. Gar mancher würde sich schaudernd abwenden, wenn er bedächte,
                                 daß sein tägliches Trinkwasser selbst 10 Proc. mehr oder weniger zersetzten Harn
                                 aufgenommen hat, ja daß es vielleicht nichts weiter ist, als filtrirtes
                                 Canalwasser, daß die Luft in seiner Wohnung mit Fäulnißproducten der
                                 bedenklichsten Art geschwängert ist.
                              Die Anlage einer Wasserleitung ist für Hannover, wie es jetzt wohl allgemein
                                 anerkannt wird, ein dringendes Bedürfniß; ebenso nothwendig ist aber auch, daß
                                 der Boden – wie es in Danzig und Frankfurt mit so überraschendem Erfolge
                                 ausgeführt ist – gleichzeitig durch tiefliegende Canäle entwässert und
                                 vor weiterer Verunreinigung geschützt wird. Selbstverständlich sind die
                                 Schwind- und Abtrittsgruben zu verbieten, den Einwohnern ist nur die Wahl
                                 zwischen Kübel und Watercloset zu lassen; die Entscheidung wird dann nicht
                                 schwer fallen. – Die Meckeln-Haide würde ohne Frage ein
                                 vorzügliches Berieselungsfeld geben.
                              Es wird gewiß entgegnet, daß die Kosten für eine derartige gleichzeitige Anlage
                                 unerschwinglich seyen. Dem ist nicht so.
                              In Cardiff ist durch Einführung der Wasserversorgung und Canalisation die
                                 Sterblichkeit von 33,2 auf 22,6, in Newport von 31,8 auf 21,6 pro mille heruntergegangen. – Pettenkofer berechnet, daß, wenn für München durch
                                 Canalisation und Wasserversorgung auch nur eine Verminderung der Sterblichkeit
                                 von 3 pro mille erreicht würde, in dieser Stadt
                                 jährlich 510 Menschen weniger sterben. Nach langjährigen Erfahrungen in den
                                 Krankenhäusern muß man auf jeden Todesfall wenigstens 34 Krankheitsfälle von je
                                 20tägiger Dauer rechnen. Es darf angenommen werden, daß sich mit den Todesfällen
                                 auch in gleichem Maaße die Krankheitsfälle verringern, daß also dem Minus von
                                 510 Todesfällen im Jahre ein Minus von 17340 Krankheitsfällen oder 346800
                                 Verpflegungstagen entspricht. Wird ein Verpflegungstag mit allen seinen
                                 Verlusten im Durchschnitt nur zu einem Gulden gerechnet, so würde die Stadt
                                 jährlich 346,800 Gulden, oder mit 5 Proc. capitalisirt, 6,936,000 Gulden
                                 ersparen. Also etwa 13 Millionen Mark dürfte die Canalisirung und
                                 Wasserversorgung von München mit 170000 Einwohnern kosten und das darauf
                                 verwendete Capital würde sich noch immer gut verzinsen.Pettenkofer, Werth der Gesundheit für eine
                                       Stadt (Braunschweig, Vieweg). 1,2 Mark.
                                 
                              Bei dieser Berechnung sind noch nicht berücksichtigt die Beerdigungskosten, die
                                 Wittwen- und Waisenversorgung, der Verlust an Arbeitskraft, das namenlose Elend, welches so mancher Familie erspart werden
                                    könnte!
                              
                              
                              Analysen.
                              In 1 Liter sind enthalten
                                    Milligramme:
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 211, S. 224–225
                                  Gelöst; Suspendirt; Nummer;
                                    Industrieabwässer; Organischer Kohlenstoff; Organischer Stickstoff;
                                    Ammoniak; Stickstoff als Nitrate und Nitrite; Gesammt-Stickstoff;
                                    Chlor; Arsen; Gesammtgehalt; Gesammtgehalt; Darin organische Stoffe;
                                    Bemerkungen; Canalwasser der chemischen Fabrik zu Widnes, wie es sich in die
                                    Mersey ergießt; Canalwasser der Seifen- u. Sodafabrik zu Runcorn; Im
                                    Liter 5882 Milligrm. freie Salzsäure; Honeypot-Bach durch Abwasser
                                    aus Sodafabriken verunreinigt; Sankey-Bach vor seinem Eintritt in St.
                                    Helens; Nach einem plötzlichen und starken Regen; Derselbe nach seinem
                                    Austritt aus St. Helens; 685 Milligrm. freie Salzsäure im Liter;
                                    Schifffahrtscanal an der Hulme-Schleuse bei Warrington; 306 Milligrm.
                                    freie Salzsäure und 205 Milligrm. Eisen und Mangan im Liter;
                                    Purpurflüssigkeit der Anilinfabrik zu Warrington; Abwasser aus Farbeküpen
                                    von Wollefärben; Abwasser aus einer Druckerei, wie es in den Etherow fließt;
                                    Abwasser aus Färberei und Bleicherei; Abwasser von Färberei, Druckerei,
                                    Bleicherei; Durchschn. aus fünf Fabriken; Der Bach, wie er zu einer
                                    Druckerei gelangt; Der Bach, wie er dieselbe nach dem Durchseihen u.
                                    Absetzen verläßt; Wasser, wie es zur Schafwäsche fließt; Dasselbe nach der
                                    Schafwäsche; Abwasser einer Wollwäscherei; Abwasser einer Flanellwäsche;
                                    Abwasser einer Wolldeckenfabrik; Abwasser d. Teppichfabrik zu Rochdale;
                                    Abwasser aus 15 Wollenfabriken, Durchschn.; Abwasser aus 5 Baumwollfabriken,
                                    Durchschn; Abwasser einer Seidenfabrik; Fettextractionsfabrik, Durchschn.
                                    aus 5 Abwässern; Erschöpfte Gerbeflüssigkeit; Erschöpfte Kalkflüssigkeit
                                    einer Gerberei; Esparto-Flüssigkeit einer Papierfabrik
                                 
                              
                              
                              Analysen.
                              In 1 Liter sind enthalten
                                    Milligramme:
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 211, S. 226–227
                                 Nummer; Canalwässer und deren
                                    Reinigung; Gelöst; Suspendirt; Organischer Kohlenstoff; Organischer
                                    Stickstoff; Ammoniak; Stickstoff als Nitrate und Nitrite;
                                    Gesammt-Stickstoff; Chlor; Arsen; Gesammtgehalt; Gesammtgehalt; Darin
                                    organische Stoffe; Bemerkungen; Canalwasser; Irwell nahe an seinem Ursprung;
                                    Irwell unterhalb Manchester; Bradford-Beck oberhalb Bradford; 5. Oct.
                                    1869. Temperatur 13,8°; Derselbe unterhalb Bradford; Temperatur
                                    30,5°; Canalwasser, Durchschnitt aus 15 Städten mit Mistgruben;
                                    Durchschnitt von 37 Analysen; Canalwasser, Durchschnitt aus 16 Städten mit
                                    Waterclosets; Durchschnitt von 50 Analysen; Chemische Reinigung; Canalwasser
                                    von Blackburn; Dasselbe nach der Behandlung mit Kalk; Canalwasser von
                                    Leicester; Dasselbe nach der Behandlung mit Kalk; Deßgleichen mit der
                                    Sillar'schen Mischung; Canalwasser von Leamington (Durchschnitt); Dasselbe
                                    nach der Behandlung mit der ABC-Mischung (Durchschn.); Canalwasser
                                    von Northampton; Dasselbe nach der Behandlung mit Kalk und Eisenchlorid;
                                    Canalwasser von Bradford; Dasselbe nach dem Proceß Holden; Canalwasser von
                                    Stroud; Dasselbe nach der Behandlung mit Aluminiumsulfat; Berieselung;
                                    Canalwasser von Rugby; 13 Juli; Dasselbe nach der Berieselung; Etwas
                                    sandiger Boden mit thonigem Untergrund; Canalwasser von Warwick; 14 Juli;
                                    Dasselbe nach der Berieselung; Dichter Thonboden; Canalwasser von Norwood;
                                    12 März; Dasselbe nach der Berieselung; Thonboden; Canalwasser von Penrith;
                                    24 September; Dasselbe nach der Berieselung; Sandiger Lehmboden; Canalwasser
                                    des Aldershot-Lagers; 16 Juli; Dasselbe nach der Berieselung;
                                    Sandboden; Canalwasser von Croydon; 30 December; Dasselbe nach der
                                    Berieselung; Kiesboden