| Titel: | Die Colorie der Wolle und Baumwolle, ihre Droguen und Maschinen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Dr. A. Kielmeyer. | 
| Autor: | A. Kielmeyer | 
| Fundstelle: | Band 211, Jahrgang 1874, Nr. LVIII., S. 302 | 
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                        LVIII.
                        Die Colorie der Wolle und Baumwolle, ihre Droguen
                           und Maschinen auf der Wiener Weltausstellung 1873; von Dr. A. Kielmeyer.
                        Kielmeyer, über die Colorie der Wolle u. Baumwolle, ihre Droguen u.
                           Maschinen auf der Wiener Weltausstellung.
                        
                     
                        
                           I.
                           Wenigen Zweigen der Industrie ist es bis heute so gelungen, wie den Woll- und
                              Baumwoll-Druckereien, vor den Nichteingeweihten sich einen fast
                              geheimnißvollen Schleier zu bewahren. Ob in ihrem eigenen Interesse? soll hier nicht
                              näher untersucht werden. Thatsache aber ist es, daß, während in den Vorlesungen über
                              Chemie die Mehrzahl der chemischen Fabricationen, sogar der neuesten, in ihren
                              Principien eingehend behandelt, in den öffentlichen Laboratorien eifrig studirt
                              werden, selten ein Chemiker seine Studien verläßt, mit einem annähernden Begriff von
                              den mannichfaltigen Fragen aus der Physik und Chemie, welche in den Druckereien vor
                              den Praktiker treten. Gleichwohl verdient diese Fabrication, welche in manchen
                              Stücken noch im Stadium der Empirie sich befindet, nicht nur das volle Interesse des
                              theoretischen Chemikers, sondern dieselbe hat auch eine prononçirte
                              volkswirthschaftliche Bedeutung. Denn es gibt wohl keinen Industriezweig, welcher
                              mit den Wissenschaften, Künsten und Gewerben so eng und so vielseitig verwoben ist,
                              und welcher auf den allgemeinen Wohlstand so wohlthätig wirkt, wie die Woll-
                              hauptsächlich aber die Baumwoll-Druckerei: Physik, Chemie, Mechanik, Malerei,
                              Kunststecherei auf Holz und Metall, sie alle liefern derselben ihr reiches
                              Contingent an Wissen und Erfahrungen und wirken zusammen auf den Gang einer
                              wohlorganisirten Druckfabrik ein; die Bedürfnisse derselben sind so umfangreich, so
                              mannichfaltig, und durch die jedes Jahr sich erneuernden Moden und den nie rastenden
                              Fortschritt so wechselnd, daß fast kein Handwerk, keine andere Fabrication existirt,
                              welche nicht durch sie direct oder indirect in Thätigkeit versetzt wird.
                              Insbesondere steht sie in solch' innigem Zusammenhang mit der Spinnerei und Weberei,
                              daß man deren Gedeihen als von dem Wohl und Wehe der Druckindustrie abhängig
                              betrachten kann.
                           Hiernach sind die Besorgnisse zu würdigen, welche an verschiedenen Orten für die
                              Zukunft der gedachten Industrie in Deutschland und der vielen an sie gebundenen
                              Existenzen auftauchten, nachdem das Elsaß wieder ein Bestandtheil des deutschen
                              Reiches geworden. Wenn diese Besorgnisse mitunter allzu pessimistisch sich
                              ausdrückten, so waren sie doch und sind sie zum Theil noch heute nicht ohne jegliche Berechtigung. Die
                              Druckindustrie des alten Zollvereingebietes hat in Wirklichkeit keine günstige
                              Situation. In ihrer jetzigen durch Maschinen dem Großbetrieb angepaßten Form
                              verhältnißmäßig jung (denn die Zeit ihrer allmählichen Kraftentwickelung datirt erst
                              von der Gründung des Zollvereines), hatte sie, kaum erstarkt, manche schwere
                              Prüfungen, darunter als die schwerste den nordamerikanischen Krieg mit seiner lang
                              nachwirkenden Krisis zu bestehen; bald nach diesem stellte sich das schlimmste der
                              Uebel ein, die Ueberproduction sammt allen ihren widerlichen Consequenzen. Dabei ist
                              sie bis heute noch durch den Bezug des Rohmateriales von England abhängig und
                              während der Export des Fabricates durch amerikanische und russische Zölle und durch
                              die englische Großindustrie bedrängt und bei dem Mangel an überseeischen Connexionen
                              fast nur auf Oesterreich und auf Italien, den allgemeinen Tummelplatz der
                              Concurrenz, beschränkt ist, entspricht der Consum an bedruckten Stoffen auf dem
                              heimischen Markt keineswegs der Ausdehnung, welche er in anderen Ländern, wie
                              Oesterreich und Frankreich, gewonnen hat. Auf denselben zuvor schon überführten
                              Markt tritt nun mit einemmal ein neuer gleichberechtigter Concurrent, ein Gegner,
                              dessen Stärke von der Zeit des ersten Kaiserreiches datirt, welcher von demselben
                              kräftigst unterstützt die damalige unglückliche Lage seines Nachbarlandes zu seiner
                              Vollentwickelung auszunutzen wußte, um sich einen bleibenden Vorsprung vor dem
                              letzteren zu sichern. Einen annähernden Begriff von der Bedeutung der Elsäßer
                              Baumwollindustrie gibt eine Schätzung von competenter Seite, nach welcher Mülhausen
                              und Umgebung unmittelbar nach dem letzten deutschen Kriege im Besitz von 2 1/2 Mill.
                              Baumwollspindeln, 60,000 mechanischen und Handwebstühlen und 120
                              Rouleaudruckmaschinen war. Letztere Zahl trifft zusammen mit der Gesammtzahl
                              derselben Maschinen des Zollvereingebietes. Bei Annahme von 300 Arbeitstagen, unter
                              Berücksichtigung der verschiedenen Störungen im Betrieb, insbesondere des
                              zweimaligen Saisonwechsels im Jahr, einfärbige und mehrfärbige Waare in einander
                              gerechnet, kann man die Leistungsfähigkeit dieser 120 Druckmaschinen leicht auf
                              1,620,000 Stücke à 50 Meter per Jahr berechnen. Wie nun? wenn diese erdrückende
                              Summe Waare die Bestimmung erhielte, den deutschen ihr offen stehenden Markt zu
                              überfluthen, wenn die Elsäßer Fabriken von Paris, ihrem bisherigen factischen
                              Centralpunkt, wenn sie von den französischen und von ihren überseeischen Plätzen
                              durch die neuen politischen Verhältnisse abgeschnitten werden sollten, wenn
                              gleichzeitig die Fabriken der Normandie auf dem französischen Markt die Elsäßer
                              Erbschaft anzutreten gesonnen wären? Glücklicher Weise gilt hier für alle Betheiligten die
                              Erfahrung daß für eine Fabrication von solcher Complication und für einen Artikel,
                              welcher dem localen Geschmack und der Mode unterworfen ist, ein Markt nicht über
                              Nacht, auch nicht in ein paar Jahren erobert wird, sondern daß es hierzu
                              langjähriger Studien, vielseitiger Erkundigungen und mitunter nicht unbedeutender
                              Opfer bedarf. Zwar wie ein guter Theil nationaler Verschiedenheiten und
                              Eigenthümlichkeiten mit dem modernen Verkehrsleben verschwunden ist, so hat auch der
                              Geschmack in den letzten Decennien eine Nivellirung durch die verschiedenen Länder
                              erfahren im Zusammenhang und in gleichem Schritt mit der Erscheinung, daß die
                              National- und Localtrachten täglich mehr vor der großstädtischen Mode sich
                              zurückzuziehen drohen. Es liegt wohl auch bis zu einem gewissen Grad in der Macht
                              großer Fabriken, wenn sie statt Nachahmungen zu reproduciren, nach eigenen Ideen und
                              Regeln arbeiten, auf die Geschmacksrichtung ihres Publicums einen bestimmten Einfluß
                              auszuüben, wie sie selbst wieder umgekehrt dem Einfluß der Mode unterworfen sind.
                              Gleichwohl haften den einzelnen Ländern und Gegenden immer noch gewisse Unterschiede
                              des Geschmacks sowohl hinsichtlich der Musterzeichnungen als des Colorits an, welche
                              darum, daß sie weniger prägnant als in früheren Zeiten auftreten, nicht leichter zu
                              erfassen sind. Die eine Bevölkerung zeigt eine ausgesprochene Vorliebe für satte,
                              heitere Farbentöne, die Zeichnungen sind aus der Natur gegriffen, eine Blume, ein
                              Sträußchen schreckt nicht ab; eine andere trennt sich nicht von ihren düsteren,
                              hausbackenen Mustern, welche sämmtlich der Geometrie entlehnt erscheinen, je
                              nichtssagender desto besser, aber die detachirten Zickzacks, die Striche, die
                              Wellenlinien sollen von der hergebrachten Vertheilung von Hell und Dunkel nicht
                              abweichen, zugleich ist man hier und dort caprizirt auf ganz bestimmte Nüancen in
                              Violett, Braun, Roth, Grün und wie die Farben mit ihren Varietäten alle heißen
                              mögen; die eine Gegend wünscht dieselben Muster in zarter, weicher, die andere in
                              kräftiger das Auge packender Ausführung; oder man ist an eine besondere Ausrüstung
                              der Waare gewöhnt; schon die Ansprüche an das Gewebe sind verschieden, kurz die
                              Gepflogenheiten und Differenzen, welchen allen Rechnung getragen werden muß, ob sie
                              wichtig oder unwichtig erscheinen, sind so zahlreich, daß sie nur stückweise und mit
                              Aufwand von viel Zeit und Mühe erkundschaftet werden können. Vornehmlich aber ist
                              das eine Land an höhere Preise gewöhnt, so daß ein mäßiger Zollaufschlag nicht in's
                              Gewicht fällt, das andere hält zäh an seinen billigeren Preisen, und dieser Punkt
                              dürfte einer neuen Concurrenz immer die meisten Schwierigkeiten bieten. Eine Fabrik
                              endlich, welche von Specialitäten zu couranter Waare oder umgekehrt übergehen will,
                              noch mehr eine Fabrik,
                              welche bisher ihre Stärke in Nouveautés gesucht, nun aber in Massen und für
                              die Massen produciren will, muß eine ganz neue Organisation, eine ganz besondere
                              Oekonomie in allen Details einführen, ein wesentlich anderes System nach ganz
                              verschiedenen Principien aufnehmen, wenn sie mit Erfolg concurriren will. Ein
                              derartiger Systemwechsel, wenn er ohne die nöthige Vorsicht und Umsicht zu schnell
                              in Scene gesetzt wird, kann aber zur unheilvollen Revolution sich gestalten. Wenn
                              also die Schwierigkeiten und Gefahren und sogar eventuellen Opfer, den neuen Markt
                              zu erobern, für die Elsäßer Fabriken keine geringen seyn werden, so wäre doch der
                              bisherigen Zollvereinsfabrication zu gönnen, daß ihr der heiße Kampf, Mann an Mann,
                              mit einer Concurrenz erspart bliebe, welche ihr, wenn durch die Verhältnisse vor die
                              Existenzfrage gestellt, als eine mit allen Mitteln, mit Selbstvertrauen, Geschick,
                              Energie und Capital wohl ausgerüstete, von einer wohlgeschulten Fabrikbevölkerung
                              unterstützte, auf einen Platz concentrirte, festgeschlossene Macht gegenüber stehen
                              würde.
                           
                        
                           II.
                           Ihre Zusammengehörigkeit und die Solidarität ihrer Interessen haben die Elsäßer
                              Baumwollfabrikanten auch auf der Wiener Ausstellung bekundet, indem sie mit einer
                              Collectivausstellung in der Rotunde gleichsam auf internationalem Gebiet aufgetreten
                              sind. In derselben glänzt speciell die Druckindustrie durch ihre fast gänzliche
                              Abwesenheit; nur eine der berühmten Firmen, Schlumberger
                              fils et Comp., hat es übernommen, mit ihrer brillanten
                              Waare besonders in Meublestoffen, das alte Prestige der Elsäßer Fabricate zu
                              documentiren; das Haus Thierry-Mieg hat seine
                              prächtigen Haute-Nouveautés in Meubles auf
                              Rips und glattem Stoff, zum Theil mit Golddruck geschmückt, durch die nicht weniger
                              berühmte Wiener Firma Haase unter österreichischer Flagge
                              vorgeführt. Ueberhaupt ist kein excessiver Zudrang der Druckfabriken in den
                              verschiedenen Ländern zu den großen Rendez-vous
                              der Künste, Wissenschaften und Gewerbe zu verzeichnen, so daß eine
                              kritisch-vergleichende Revue derselben nicht bloß durch ihre höchst
                              ungünstige räumliche Vertheilung im Ausstellungsgebäude erschwert, beziehungsweise
                              unmöglich gemacht wird. Spaniens Abwesenheit ist zur Genüge entschuldigt, aber
                              England scheint nur durch die Riesenhaftigkeit seiner ausgestellten Teppiche
                              imponiren zu wollen; eine einzige Firma in Futtercattunen entspricht wohl nicht der
                              grandiosen Ausdehnung der englischen und schottischen Fabrication. Die junge, rasch
                              aufgeschossene amerikanische Industrie reservirt sich vollständig für das Jahr 1876,
                              Belgien und die Niederlande sind nur einmal vertreten, Schweden und Dänemark gar nicht, und
                              doch ist es einer der unbestrittensten praktischen Erfolge einer allgemeinen
                              Weltausstellung, daß sie jung aufstrebende oder abseits gelegene Industrien dem
                              großen Markt persönlich vorstellt, um eine fortgesetzte geschäftliche Verbindung mit
                              demselben anknüpfen zu können. Frankreich hat sein Hauptcontingent in bedruckten
                              seidenen Foulards gestellt, die Rouener Fabrication ist gänzlich fern geblieben.
                              Auch die Schweiz mit ihrer zahlreichen, theilweise originellen Fabrication hat nur 4
                              Vertreter gesandt. Kubli in Netstall mit seinen
                              Küpenartikeln repräsentirt die gesammte Glarner Industrie; von dem hauptsächlichsten
                              Glarnerartikel, von den Dasma's, bekannter unter dem
                              Namen Türkenkappen, hat nur die Firma Hössly in Rorschach
                              Proben geliefert. Es verdient bemerkt zu werden, daß dieselben vielfarbigen
                              Kopftücher auch im Orient hergestellt werden, aber wie die Türken ein höchst
                              conservatives, jeden Fortschritt nach Kräften verachtendes Volk sind, so ziehen sie
                              heute noch vor, dieselben von freier Hand mit dem Pinsel zu malen, statt mit Mödeln
                              geschweige mit Maschinen zu drucken. Dieselbe Fabrik, mit den in der Schweiz so
                              beliebten Plancheplatten arbeitend, hat außerdem sehr schön gearbeitete Kopf-
                              und Taschentücher ausgestellt. Die Frauenfelder Firma Egg,
                                 Ziegler, Greuter und Comp. glänzt durch eine
                              prachtvolle chinesische Altardecke, im Türkischrothgenre ausgeführt. Auch
                              Deutschland ist lückenhaft vertreten, indem mehrere renommirte Firmen fehlen, und
                              namentlich Sachsen mit einer einzigen Ausnahme, weder in Wolle noch in Baumwolle
                              ausgestellt hat. Numerisch stark und sehr mannichfaltig ist die russische Industrie
                              auf dem Platz erschienen, und wie sich von selbst versteht am vollzähligsten die
                              österreichische, welche ohnedem als Festgeberin das meiste Interesse der Fachleute
                              absorbirt.
                           Zwei der Hauptrepräsentanten Oesterreichs befinden sich in der Rotunde. Kosmanos hat
                              dort in einem höchst eleganten Kiosk ein vollständiges Bild seiner vollendeten, fast
                              alle Genres des Baumwolldruckes umfassenden Fabrication gegeben; sogar Proben der
                              Gravüre, in Kupferwalzen und zugehörigen cylindrischen und platten Stahlmoletten
                              bestehend, sind beigelegt. In nächster Nähe befindet sich der Pavillon der
                              Holleschowitzer Actiendruckerei, welche den Ruf der früheren Dormitzer'schen Firma als Erbe in die neuen Verhältnisse mit hinüber
                              genommen und auch heute wieder vollkommen bewährt hat, namentlich in ihren
                              Baumwollfoulards und in ihren Kattunen für den specifisch österreichischen
                              Landgeschmack. Ihre Austriaartikel in Violett, in Cachou, ihre schweren
                              Oesterreicher Rosa finden sich nirgends in so schöner Ausführung. Dieser Fabrik ist
                              es zuerst gelungen das feurige Rosa der Engländer zu erreichen, welches durch
                              Auffärben des in Krapp oder Garancine fertig gefärbten Rosa mit African Red oder besser mit Safranin hergestellt ist;
                              bemerkenswerth sind auch ihre Violettgründel durch ihren sehr weichen, etwas
                              röthlichen Ton; durch Auffärben mit demselben Red ist in denselben das Fleurviolett
                              der soliden alten Zeit sehr glücklich imitirt. Weniger vortheilhaft erscheint die
                              Anordnung, die Stücke in Form von Rosetten auszuhängen, sie läßt den Effect der
                              Farben und Muster nicht zu seiner vollen Geltung kommen, ein Punkt, welcher bei
                              einer Kunstindustrie gewiß nicht zu unterschätzen ist. Die vortheilhafteste
                              Anordnung hat jedenfalls die Neunkirchner Actiengesellschaft in der österreichischen
                              Gallerie getroffen. Hier zeigt sich die Waare in voller Entfaltung und die
                              sorgfältige Abwechselung zwischen hellen und dunklen Stoffen, zwischen schweren
                              Meubles und leichten Jaconnas macht einen wirklich imposanten Eindruck, und wie das
                              Arrangement, so zeigt auch die ausgestellte Waare denselben eleganten Geschmack und
                              dieselbe detaillirte Sorgfalt in Behandlung und Disposition der einzelnen Muster.
                              Nebenzu, vielleicht zu bescheiden, in unvortheilhafter Beleuchtung und mit
                              unvollständiger Auswahl befindet sich die Prag-Smichower Actienfabrik, ihr
                              gegenüber die Liesinger Actiendruckerei, deren Schaufenster überdieß mit schönen
                              Wollfabricaten decorirt ist. Auch Guntramsdorf hat in Baumwolle, sowie in
                              sämmtlichen Genres des Wolldruckes ausgestellt, theils mit dem Rouleau, theils durch
                              Handdruck oder mit Handdruckmaschinen erzeugt, deren dort mehr als Hundert im Gang
                              sind.
                           Der Wolldruck spielt überhaupt eine große Rolle in der österreichischen Abtheilung;
                              eine ganze Reihe Wiener und anderer österreichischer Häuser, an ihrer Spitze das
                              berühmte Haus Liebieg zeichnet sich mit wenig Ausnahmen
                              durch Ausführung und Mannichfaltigkeit ihrer bedruckten Wollwaaren aus, sogar die in
                              letzter Zeit so wenig geschätzten bedruckten Halbwollstoffe fehlen nicht. Was man
                              hier zu sehen bekommt, zeigt mit einem Blick, welch' mächtige Concurrenz hier dem
                              deutschen, vorzugsweise dem sächsischen Wolldruck erwachsen ist, und man findet es
                              begreiflich, wie sie in den letzten Jahren unter dem schützenden Mantel des hohen
                              österreichischen Agio's das deutsche Fabricat auf dem deutschen Markt selbst schwer
                              bedrängt hat. Von Bossi's feurigen, in orientalischem
                              Geschmack gehaltenen Cachemir-Shawls bis herunter zu den ordinären
                              Kopftüchern billigster Qualität sind alle Wollartikel reichlich vertreten: Cachenez
                              in allen Varietäten, meist mit großer Sorgfalt ausgeführt, sehr geschmackvolle
                              Tischteppiche, großgeblumte Kleiderstoffe mit dunklem Grund, neben schreienden
                              Mustern für türkischen Gebrauch. Mit besonderer Vorliebe scheint man dort die
                              Imitation der gewobenen Woll-Shawls durch Maschinendruck zu cultiviren. Sie hat vor letzteren
                              immerhin die deutlichere freiere Entwickelung der Zeichnung wie der Farben voraus
                              und lassen die vorgeführten Exemplare an Schärfe des Druckes und an Feuer der Farben
                              nichts zu wünschen übrig. Während vor 2 Jahren der gelbe und vor 6 Jahren noch der
                              düstere grüne Cachemireffect in Mode war, ist heute der Grundton desselben meist in
                              hohem Orange gehalten; die Vordruckpartien dürften im Allgemeinen weniger kräftig
                              hervortreten, wodurch der Totaleffect weicher und harmonischer sich gestalten würde.
                              Als besonders wichtig ist zu erwähnen der Tibetartikel, sowohl in langer Aunagewaare
                              für Kleider als auch in Form von Tüchern vorgeführt, mit rother, violetter, grüner
                              oder carmoisinfarbiger Zeichnung auf schwarzem oder richtiger unter schwarzem
                              Grunde, denn die rohen ungebleichten Wollstücke werden in einer der entsprechenden
                              Farben üni gefärbt, hernach erst mit Rouleauwalzen oder mit den Handdruckmödeln, auf
                              welchen die hellen Schattirungen, Tupfen, Carreaux, Blumen, Ramages etc. ausgespart
                              sind, das Schwarz auf den gefärbten Stoff aufgetragen, gedämpft und gewaschen.
                              Dieses Schwarz, in Wirklichkeit auf weißen Stoff gedruckt nur ein Grau vorstellend,
                              hat für den Coloristen ein besonderes Interesse, insofern es ihm Gelegenheit gibt,
                              die Lehre von den Complementärfarben in schlagender Weise in Anwendung zu bringen.
                              Ein in seinen Bestandtheilen ganz fertiges Schwarz, wie es für ungefärbte Wolle mit
                              Blauholzextract, Indigocarmin, Orfeille und salpetersaurem Eisen zumeist hergestellt
                              wird, würde z.B. auf gefärbten Scharlachgrund aufgetragen ein bräunliches, fahles,
                              weil durch das Roth und Gelb des Scharlachbodens übersättigtes Schwarz liefern, ohne
                              daß man es in der Hand hätte, demselben durch Zusatz von Indigolösung einen blauen
                              Stich zu ertheilen; durch die bekannte Einwirkung von sauren
                              Salpetersäureverbindungen auf Indigofarben würde damit nur eine Vermehrung des
                              gelben Pigments erzielt. Zudem ist gefärbte Wolle, namentlich, wenn sie wie bei der
                              Scharlachfärberei mit Zinnverbindungen behandelt worden ist, für die Aufnahme von
                              Eisenschwarz wenig mehr empfänglich, sie stoßt dasselbe beim Waschen und noch auf
                              dem Lager ab in Form eines schwarzen Pulvers und erhält ein todtes Ansehen und einen
                              harten, rauhen Griff. Aber leicht ist sie im Stande noch einen substantiven
                              Farbstoff aufzunehmen und sie gibt mit einem Grau, dessen Hauptbestandtheil eine
                              Indigolösung, je nach der untenliegenden Farbe mit Orseille oder Marronteig in
                              beliebiger Quantität nüancirt ist, ein vollkommen reines, glattes Schwarz, ohne an
                              ihrem natürlichen Glanz und ihrem weichen Griff etwas einzubüßen.
                           
                        
                           
                           III.
                           Derselbe Artikel in Baumwolle, doch nur mit rothem Fond, wird von mehreren deutschen
                              und österreichischen Fabriken für Ungarn in großen Massen hergestellt, in langer
                              Aunagewaare unter dem Namen Satanella, in Tücheln als sogenannte Andrassytüchel
                              bekannt. Hier schlägt die Fabrication den umgekehrten Weg ein; zuerst wird das
                              Schwarzmuster mittelst eines schwachen Anilinschwarz oder sicherer, wenn auch
                              umständlicher und theurer, als chemisch Alan in bekannter Weise auf dem
                              Baumwollgewebe fixirt, dann die sorgfältig gewaschenen Stücke mit rothem Mordant
                              geklotzt, nochmals ausgesotten und mit Garancine unter reichlichem Zusatz von
                              Quercitrin ausgefärbt.
                           Mit unübertroffener Meisterschaft werden die Andrassytüchel von der deutschen Firma
                              Rolffs fabricirt, wie auch das übrige Fabricat dieses
                              Hauses zu den schönsten Producten der deutschen Druckindustrie zählt. Originale
                              Muster, exacte Gravüre, reiner Druck, Lebhaftigkeit der Farben, sorgsame Ausrüstung,
                              Alles trifft zusammen, um die Waare in vollkommener Réüssite erscheinen zu
                              lassen. Besonders erwähnt zu werden verdient das feurige, reine Chromorange der
                              Mouchoirs und die Collection der Dunkelböden mit und ohne Illuminationsfarben,
                              darunter namentlich die Braunbodentücher mit dreifärbigen Bouquets in Schwarz, Roth
                              und Garancineorange. Das kräftige Schwarz, das lebhafte Orange sticht vom
                              benachbarten Roth vortrefflich ab und heben sich die Objecte in einer dem Auge
                              wohlthuenden Weise aus dem warmen, wolligen Braundecker heraus. Die Combination
                              dieser vier Farben gehört zu den schwierigsten und zugleich kostspieligsten Aufgaben
                              einer Druckerei, theuer besonders durch den starken Verbrauch an Kreuzbeeren im
                              Färbebad, wie in der Druckfarbe. Das Recept der letzteren scheint ein Gemeingut der
                              meisten Fabriken zu seyn, es enthält Kreuzbeerenabsud und Zinnsalz verdickt mit
                              Stärke, bald mit, bald ohne allen Zusatz von essigsaurem Kalk. Der
                              Kreuzbeerenfarbstoff findet in der Warmhänge keinenfalls die nöthige Temperatur, um
                              sich mit dem Zinnmordant vollständig zu einem Lack zu verbinden; wie die Erfahrung
                              zeigt, löst sich der größere Theil des Kreuzbeergehaltes vor der Färberei im
                              Aussiedebad von dem Stoff ab und wird so zu einer der köstlicheren Libationen,
                              welche die Druckereien ihren Flußgöttern darbringen. Die Kreuzbeeren in der
                              Druckfarbe sind somit entbehrlich, unentbehrlich ist eine möglichst vollständige
                              Neutralisation des Zinnsalzes durch essigsaures Natron, und erhält man alsdann auch
                              noch ein schönes Orange, wenn in der Färberei die theuren Kreuzbeeren durch das
                              billigere Quercitrin ersetzt werden.
                           
                           Als ebenbürtige Rivalin in Baumwollfoulards zeigt sich auf deutscher Seite die Fabrik
                              von Elbers. Den Mittelpunkt ihrer Exposition, welche noch
                              durch ein Assortiment von Blaudruckmustern bereichert ist, bildet eine große, breite
                              Baumwolldecke mit rothem Fond und schwarzem Medaillon in der Mitte und zwar
                              hergestellt durch Maschinendruck. Jedoch ist in Anbetracht der Grüße der Dimensionen
                              der Druck nicht in einer, sondern in zwei Operationen ausgeführt, zuerst die eine,
                              dann die andere Seite, ein wahres Kunststück der Kattundruckerei, das aber so
                              vollkommen geglückt ist, daß man kaum eine schwache Rapportzeichnung auf der Grenze
                              der beiden Hälften wahrnimmt. Unter den sehr schönen Orangetüchern von Elbers figurirt auch die neuerdings beliebte Combination
                              von Anilinschwarz und Chromorange mit einem Modegrau als Bodenfarbe. Dasselbe ist
                              ein gewöhnliches, kräftiges Mitfärbecachou mit einer starken Dosis von holzsaurem
                              Eisen, macht die ganze Behandlung der schweren Chromorange mit durch, und hält sie
                              aus; was in der Soda- oder Ammoniakpassage an Intensität der Farbe verloren
                              geht, wird vor der Kalkvirage in dem kräftigen Chrombad wieder gewonnen. Man hat es
                              natürlich ganz in der Hand, durch Verminderung der Eisenlösung im Druckrecept die
                              Nüance beliebig dem eigentlichen rothstichigen Cachouton zu nähern. Dadurch
                              unterscheidet sich die Entwickelung der Cachoufarbe auf dem Stoff von der sonst
                              analogen Anilinschwarzbildung. Eine angesäuerte Cachoulösung mit chlorsaurem Kali
                              erwärmt gibt erst mit dem Zusatz von Kupfersalz einen Niederschlag, gerade wie die
                              Lösung eines Anilinsalzes; dieselbe Bedingung ist auch an die Bildung der beiden
                              ächten Farben auf der Baumwolle geknüpft, ein vermehrter Gehalt der Druckfarbe an
                              Eisen- oder Kupfersalz influirt. jedoch nicht auf die Nüance des
                              Anilinschwarz, aber sehr wesentlich auf die der Cachoufarbe. Je mehr Kupferchlorid
                              ein Cachou enthält, desto olivenfarbiger ist es in seinen dunklen und desto gelber
                              in seinen hellen Tönen; statt Kupferchlorid direct anzuwenden, wird meist eine
                              Mischung von Salmiak mit salpetersaurem Kupfer oder noch besser mit essigsaurem
                              Kupfer verschrieben. Letztere Zusammensetzung, die Grünspanfarbe, läßt sich in ihren
                              Coupüren, mit oder ohne gleichzeitigen Zusatz von Eisenmordant, auch als Dampffarbe
                              benutzen, mit der sich eine Fülle von ächten, vollkommen glatten Modenüancen
                              herstellen läßt, sicherer und weniger umständlich als nach dem bisher üblichen
                              Verfahren, die Baumwolle mit Eisensalz zu mordanciren und nach dem Verhängen und
                              Aussieden in Sumach, Gallusabsud, Catechu oder in allen dreien zu färben. Dieses
                              vereinfachte Verfahren verdient gerade jetzt eine besondere Beachtung, da sowohl
                              umgefärbte Stoffe, als auch einfärbige Bodenmuster, sowohl auf glatter, als auf gemusterter
                              Brillantin-Waare in allen erdenklichen Modefarben einer großen Beliebtheit
                              sich erfreuen.
                           Wie die beiden vorhergehenden, so concentrirt auch die Fabrik von Cramer in Düsseldorf ihre ganze Thätigkeit mit ebenso
                              viel Geschick als Erfolg auf die Herstellung von bedruckten Baumwollfoulards und
                              sind alle dazu gehörigen Genres derselben in verschiedenen Größen und in schöner
                              reicher Auswahl vertreten. Man begegnet hier unter Anderem auch den sogenannten
                              Medeatücheln, einem gefälligen, der Seidefabrication entnommenen Genre. Eine lebhaft
                              rothe oder eine braune Kante, meist auf zartem Chamois- oder
                              Pfirsich-Grund, die innere Fläche wohl auch mit Bomben in Roth oder Orange
                              gefüllt, bietet dasselbe einen recht freundlichen Anblick, besonders auch durch
                              seinen feinen, schwachglänzenden Appret. Wie der matte Appret der Dunkelbodentücher
                              den Eindruck eines Wollfabricates, und der feste halbglänzende Appret der
                              Parisiennes den eines Leinwandgewebes hervorbringen soll, so dient auch hier der
                              Appret dazu, die Imitation der Seidenfoulards zu vervollständigen.
                           Sehr vielseitig und reichhaltig, in couranter Waare aller Sorten, für den
                              inländischen Markt, wie für den Export und gleichzeitig in den verschiedenen Genres
                              der Baumwolltücher hat die altberühmte Dannenberger'sche,
                              jetzt Berliner Actiendruckfabrik, ausgestellt. Dieselbe ist eben durch die
                              Großartigkeit ihres Betriebes, welcher nach englischem Vorbild eingerichtet ist, wie
                              sie insbesondere das Princip der continuirlichen Arbeit von der rohen bis zur
                              fertigen Waare auf dem Continent am consequentesten durchgeführt hat, auf die
                              Fabrication fast aller gangbaren Artikel angewiesen. Unter ihren Tüchern excelliren
                              die mehrfarbigen, von Rouleau gedruckten, mit Cachemirbordüren versehenen, in
                              Dampffarben ausgeführten Dunkelböden durch große Reinheit des Druckes und der
                              Farben, namentlich durch ihren weichen, satten Braundecker, ferner die
                              Beizschwarztüchel durch scharfes, reines Weiß und ihr tiefes, grünstichiges
                              Blauholzschwarz, durch welches diese Fabrik sich von jeher im gesammten
                              Trauerartikel hervorgethan hat. Die Meublestoffe glänzen durch Eleganz der Muster
                              und feurige, günstig disponirte Farben, besonders ein Stück derselben fesselt das
                              Auge durch einen brillanten Corallinrothboden. – Auch Nathan Wolff in Berlin hat auf seinen Meublestoffen, Borduren
                              und Draperieen in gleicher Weise ein Corallinroth verwendet, welches das Dannenberger'sche erreicht, wenn nicht an Feuer
                              übertrifft. Dieses Roth ist für das Auge ein förmlicher Genuß, aber mit der
                              Bewunderung stellt sich der zweifelsohne fromme Wunsch ein, es möchte der
                              Farbenchemie gelingen, für dasselbe einen Ersatz zu finden, der mit der Lebhaftigkeit der
                              Farbe einen entsprechenden Grad der Solidität verbände.
                           Die Aechtheit ist eben nicht die stärkste Seite des Corallinroths, und so erklärt es sich warum dasselbe trotz wesentlicher
                              Verbesserungen seiner Herstellungsweise in den Baumwolldruckereien nur beschränkte
                              Anwendung finden kann, nur für Meublestoffe, Ballkleider, überhaupt für solche
                              Waare, die von jeher in falschen Farben ausgeführt wurde und hauptsächlich deren
                              Verwendung in der Praxis auch eine ganz unächte Ausführung rechtfertigt. Eine reelle
                              Fabrik sollte sich nie beikommen lassen, rothe Hemden mit Corallin auf den Markt zu
                              werfen, obgleich man es sogar auf der Ausstellung in der österreichischen Abtheilung
                              sehen kann, neben einem Stück mit einem wunderlieblichen Safraninrosastreifen.
                              Vermutlich nur in decorativer Absicht ausgestellt, verräth sich das Roth durch das
                              auffallende Feuer und den leichten Austritt in's Weiß, der beim Corallinroth leicht
                              entsteht, wenn es ohne Contourirung gedruckt wird. Aehnlich hat man auch schon
                              erlebt, daß schwarzrothe Hemden, ein sehr beliebter Artikel, wenn er ächt ausgeführt
                              ist, mit Dampfschwarz und Cochenilleroth in den Handel gekommen sind, oder daß
                              gedeckte Aechtviolettmuster mit Anilinviolett täuschend ähnlich imitirt wurden,
                              indem man das letztere durch Beimischung von Dampfschwarz künstlich um sein Leben
                              gebracht hat. Bekannt sind auch die mehr oder weniger sinnreichen Parodieen und
                              Travestieen des alt ehrwürdigen Türtischroths. Ein lehrreiches Beispiel liefern in
                              dieser Beziehung die Rosabandel, welche bis vor kurzer Zeit in Ungarn und Böhmen so
                              gangbar waren. Dieselben wurden ursprünglich in Krapp oder Fleurs, dann in
                              Garancine, dann in Garancine mit etwas Holz, endlich in Garancine mit viel Holz
                              gefärbt; zuletzt wurden sie gar nicht mehr gefärbt, sondern in einer Mischung von
                              Fuchsin und chromsaurem Blei mit Lactarin verdickt oder einfach mit Corallin unter
                              Zusatz von Rocoulösung auf zuvor gestärkte Waare aufgedruckt, und damit war der
                              Artikel von Stufe zu Stufe fertig. – Derartige Wohlfeilmeiereien, wie sie
                              noch in einer Anzahl anderer, wenn auch weniger flagranter Beispiele sich
                              wiederholen, wie sie namentlich in der Seidenindustrie mit ihren verschiedentlichen
                              Beschwerungskünsten sich so unheilvoll gezeigt haben, sind nicht zu verwechseln mit
                              einer rationellen Oekonomie, sondern sie sind einer schleichenden Krankheit zu
                              vergleichen, welche den gesammten Organismus einer Fabrik von unten bis oben langsam
                              zerstört, welche den Markt allmählich corrumpirt, mit Mißtrauen erfüllt, und den
                              Credit nicht bloß einzelner Fabriken, nicht bloß einzelner Fabriksdistricte
                              schädigt, sondern zugleich der ganzen Branche, selbst in ihren soliden
                              Vertretern.
                           
                        
                           
                           IV.
                           Indeß hat schon auf Seite des Publicums eine gesunde Reaction Platz gegriffen zu
                              Gunsten der solideren Fabrication, nachdem der unächte Geschmack seit Einführung der
                              Anilinfarben einen dominirenden Einfluß auf den Baumwolldruck ausgeübt hatte. Eine
                              Anzahl der bisher gesuchteren Dampfartikel ist vom Schauplatz abgetreten wegen
                              Mangels an Absatz, allzu lebhafte Farben werden vermieden, man zieht ein ächteres,
                              wenn auch matteres Grün auf wollenen Kleidern dem reinen Anilingrün vor, man
                              bevorzugt die sogenannten Mißfarben und Modenüancen mit dem instinktmäßigen
                              Bewußtseyn, dieselben seyen solid fabricirt, man verschmäht das liebliche
                              Ultramarinblau und greift zum alten ehrsamen Indigoblau zurück, und welche Fabrik
                              für dessen Herstellung nicht mehr eingerichtet ist, sucht die Albuminfarbe des
                              Ultramarins durch Zusatz von Chromgrün und präparirtem Kienruß dem Fayenceblauton zu
                              nähern. Es drängt sich hier eine in Fachkreisen öfters auftauchende Gewissensfrage
                              auf, ob die Albuminfixation, speciell die der Körperfarben des Ultramarinblaues und
                              des Chromgrüns als eine ächte zu betrachten sey, oder nicht. Im Sinn des Küpenblaues
                              und des Türkischroths muß die Frage verneint werden, aber in Anbetracht der soliden
                              Constitution der beiden mineralischen Substanzen, ebenso im Vergleich mit anderen
                              unbeanstandeten Farben, und wenn man sich nicht auf einen mit der Zeit und mit der
                              Mode unverträglichen Standpunkt stellen will, muß sie bejaht werden, um so mehr als
                              beide Farben, wenn sorgfältig zusammengesetzt und kräftig gedämpft, ein Waschen in
                              kaltem oder heißem Wasser, sowie ein leichtes Seifen, freilich unter Ausschluß von
                              übermäßig reibenden Waschmaschinen, wohl zu ertragen im Stande sind. Jedenfalls
                              ersetzen beide mehr als genügend das Dampfgrün und Dampfblau des alten
                              Millefleursartikels, welcher nun mit Einführung des Krappextractes und jetzt des
                              künstlichen Alizarins, im Zusammenhang mit der Verwendung der Albuminfarben, wieder
                              neu aufgelebt ist: eines der interessanten Beispiele, um zu verfolgen, wie die
                              wissenschaftliche und praktische Chemie und die Mode des Publicums sich
                              wechselseitig ergänzen, beleben und in die Hand arbeiten. Vor einem Jahrzehnt hat
                              das Anilinschwarz die gesammte Druckerei mit der Combination von Schwarz und
                              Bleiorange bereichert, dieselbe wird heute noch in ausgiebigster Weise ausgebeutet;
                              das künstliche Alizarin hinwiederum hat auf's Neue die Grenzen der Disposition
                              erweitert, indem es einen einst gangbaren Artikel, welcher längere Zeit nicht nur
                              der launischen Mode, sondern hauptsächlich den Schwierigkeiten und Umständlichkeiten
                              der Fabrication zum Opfer gefallen war, mit neuem Schmuck und neuen; Glanz der
                              Colorie zurückgibt. Nach dem alten Verfahren wurden zuerst Schwarz, Roth, Rosa, Violett von der
                              Maschine gedruckt, dann verhängt, ausgesotten, gewaschen, gefärbt, wieder gewaschen,
                              3- bis 4mal geseift und gewaschen, eventuell gesäuert, avivirt, gewaschen,
                              gechlort, gewaschen, jede weitere Manipulation eine weitere Quelle für allerlei
                              Fehler, endlich getrocknet und für den Handdruck calandrirt. Dampfgrün, Dampfgelb,
                              Dampfblau, die Farben welche dem Millefleursartikel und seinen verwandten Genres
                              ihren eigentlichen Charakter verleihen, wurden hernach von Hand eingepaßt, so gut es
                              gehen wollte, abgesehen davon, daß man Farben von verschiedenstem Grade der
                              Aechtheit zusammenzwingen mußte; zuletzt wurde noch gedämpft und wieder gewaschen,
                              endlich die Appretur gegeben. – Denselben muntern, duftigen Artikel führt die
                              Ausstellung von Neuem vor, in Gesellschaft mit den nahe verwandten mehrfarbigen
                              Weißbodenmustern im chinesischen Styl oder im Rococcogeschmack, neben einer reichen
                              Auswahl von rothen Hemden mit Blau und Grün hergestellt nach dem neuen Verfahren mit
                              Alizarindruck, aber in einer Vollkommenheit, mit einer Präcision, mit einer Reinheit
                              der Ausführung, welche früher nicht geahnt wurde. Insbesondere häufig begegnet man
                              dem Alizarinroth in der russischen Abtheilung, und zwar in ausgiebigster Weise
                              angewandt, weil der russische Nationalgeschmack eine ausgesprochene Vorliebe für
                              bunte, durch massige Partieen von Grün und Roth fast zu grell illuminirte
                              Farbenstellungen hat. Und nun vergleiche man das neue Procédé mit dem
                              obigen: sämmtliche Farben werden zusammen vom Rouleau aufgedruckt, die Stücke
                              hernach verhängt, gedämpft, gewaschen, 1- bis 2mal geseift, gewaschen, leicht
                              gechlort, und appretirt – so wird man überrascht von der Einfachheit des
                              Verfahrens und man fühlt, daß mit Einführung des künstlichen
                                 Alizarins eine neue Zeit für das ganze Gebiet des Baumwolldruckes
                              beginnt.
                           Seine Verwendung beschränkt sich ja nicht auf diese eine Specialität, sie verbreitet
                              sich vielmehr durch die gesammte Fabrication. Die einfärbigen und zweifärbigen
                              Hemden und Brillantines in Roth oder Violett mit Schwarz, welche immer mehr an
                              Bedeutung gewinnen, die kostspieligen zeitraubenden Ausführungen in Schwarz, Roth,
                              Orange werden bei den neuerdings stark reducirten Preisen des künstlichen Alizarins
                              heilte schon billiger mit demselben hergestellt, als durch die Krappfärberei möglich
                              ist, wobei die wesentliche Verringerung der taux frais
                              nicht in Rechnung gezogen ist. Einige Fabriken haben sogar den Anfang gemacht, die
                              halbgedeckten Violettmuster des Zollvereines, mit und ohne Schwarz, mit
                              Alizarindruck auszuführen; wieder andere lassen das Alizarinroth durch das heiße
                              Chrombad passiren als Begleiter von Chromcachou und Chrombraun, welche seit den
                              geschraubten Garancinepreisen der Jahre 1868/69 in bleibende Aufnahme gekommen sind. Im letzten
                              Fall macht das Alizarinroth dem Garancinroth indirecte Concurrenz, während
                              allerdings eine directe Concurrenz mit dem Garancine bis jetzt durch ökonomische
                              Rücksichten ausgeschlossen ist, hauptsächlich aber aus dem Grunde, weil bei der
                              Färberei der sogen. Krapp- – richtiger Garancine- –
                              Waare neben Garancine immer eine mehr oder weniger starke Dosis von Quercitron und
                              Rothholz oder (der Name ändert nicht viel an der Mischung) von Garancinesurrogat,
                              Garancinesubstitut verschrieben wird. Hier hat also die Verwendung des reineren
                              Farbstoffes keinen Werth, dagegen ist das künstliche Ulizarin im Begriff den Krapp
                              und die Krappblumen aus der Rosafärberei wie aus der Türkischrothfärberei zu
                              verdrängen. Zwei Etablissements, das von Schindler im
                              Vorarlberg'schen und das Frauenfelder, haben in dankenswerter Weise türkischroth
                              gefärbte Stücke, das eine je in Krapp, das andere in künstlichem Alizarin gefärbt,
                              zum Vergleichen neben einander gelegt – das Auge entscheidet rasch zu Gunsten
                              des letzteren, und wieder überrascht die große Einfachheit der neuen Färbeprocedur,
                              welche alle anderen Rücksichten vergessen läßt. Die in üblicher Weise mordancirte
                              Waare wird in einem Rollenständer breit durch eine heiße alkalische Alizarinlösung
                              geführt, und färbt sich in Zeit von einigen Minuten, wie früher von einigen Stunden,
                              vollkommen satt und gleichmäßig aus. Offenbar, ob man das Alizarin in die Druckfarbe
                              oder in das Färbebad gibt, liegt der Schwerpunkt der Calculation weniger im Preise
                              desselben, als in den damit verbundenen Ersparnissen an Zeit, Brennmaterial,
                              Arbeitspersonal, an Färbereimaschinen und an Fabrikslocalitäten. Damit fällt dem
                              Alizarin von selbst die weitere Bedeutung zu, daß es der solideren Richtung der
                              Fabrication den Weg bahnt, indem es auch kleinen, in Raum und Maschinen beschränkten
                              Fabriken eine ebenbürtige Concurrenz mit den größeren Etablissements ermöglicht,
                              ohne daß sie zu kostspieligen Anschaffungen oder zu den oben gezeichneten
                              Verirrungen der Fabrication genöthigt sind.
                           
                        
                           V.
                           Nicht leicht haben sich Theorie und Praxis so rasch zusammengefunden, als es dem künstlichen Alizarin gelungen ist, sich in den
                              Druckereien Eingang zu verschaffen. Robiquet's Garancine,
                              das erste praktische Resultat der seit 1826 aufgenommenen, unendlich mühseligen
                              Studien über die Krappfarbstoffe hat erst im Jahre 1839, volle 11 Jahre nach seiner
                              Patentirung, allgemeine Anwendung gefunden. Mit dem Jahre 1851 wurden die
                              Krappblumen im Großen dargestellt, und von nun ab begannen die Versuche, sowohl aus
                              ihnen als aus der Garancine die reinen Krappfarbstoffe zu extrahiren, zunächst für die
                              Zwecke der Färberei. Die ersten Druckversuche mit Krappextract des Jahres 1857
                              fielen ungünstig aus und als 1860 Kopp mit seinen
                              Krapppräparaten auftrat, war das Terrain der Druckereien noch sehr wenig für diese
                              wichtige Erfindung vorbereitet. Erst im Jahr 1867 wurden die Druckversuche wieder
                              aufgenommen, dießmal mit dem Extrait Pernod, und mit
                              Erfolg, aber mit vielen Schwierigkeiten durchgeführt.
                           Man mußte sich vor allen Dingen von der Methode, vor dem Aufdrucken des Krappextracts
                              die Baumwolle mit Thonerdemordant zu grundiren, gänzlich lossagen, es mußte die
                              unvortheilhafte Gummiverdickung verlassen, das richtige Verhältniß zwischen Extract
                              und essigsaurer Thonerde, hauptsächlich aber die richtige Zusammensetzung der
                              letzteren gefunden werden. Durch den herkömmlichen Sprachgebrauch verleitet schien
                              man fast vergessen zu haben, daß auch eine starke essigsaure Thonerde, welche durch
                              doppelte Zersetzung unter Anwendung der größten zulässigen Menge von Bleizucker,
                              oder welche nach Persoz's Angabe durch Auflösen von heute
                              sogenanntem Thonerdehydrat in Essigsäure dargestellt worden, immer der Hauptsache
                              nach mehr basisch-schwefelsaure, als wirkliche essigsaure Thonerde darstellt.
                              Beispielsweise zeigt ein solcher Mordant, zu dessen Bereitung 200 Pfd. Wasser, 89
                              Pfd. schwefelsaure Thonerde, 100 Pfd. Bleizucker verwendet wurden, einen Gehalt von
                              3,3 Proc. wasserfreier Thonerde und von 3,88 Proc. wasserfreier Schwefelsäure, d.h.
                              es enthält diese essigsaure Thonerde auf 1 Molecül Thonerde 1 Molecül Schwefelsäure;
                              in Wirklichkeit überschreitet letztere sogar dieß Verhältniß um einen Bruchtheil. In
                              der Färberei wird diesem Schwefelsäuregehalt der Mordants durch die verschiedentlich
                              angesetzten Aussiedebäder die nöthige Rechnung getragen, aber wenn einem
                              gleichzeitig Farbstoff und Mordant enthaltenden Aufdruckroth nicht Salze mit
                              flüchtigen Säuren zugefügt werden, wie essigsaures oder salpetersaures Natron,
                              essigsaurer oder unterschwefligsaurer Kalk, welche während des Dämpfens einen Theil
                              der Schwefelsäure des basischen Thonerdesalzes zu neutralisiren haben, so erhält man
                              auch bei größter Concentration des Farbstoffes um so schlechtere Resultate, je mehr
                              Mordant zur Verwendung gekommen ist. Das Roth bekommt das abgerissene Ansehen eines
                              in der Färberei zu stark gesäuerten Krapprothes. Indem beim Dämpfen ein Theil der
                              Thonerde des Mordants mit dem Krappfarbstoff sich verbindet, gestaltet sich auf der
                              Baumwolle das Verhältniß zwischen der Schwefelsäure und der nicht an den Farbstoff
                              gebundenen Thonerde in der Weise, daß neutrale schwefelsauere Thonerde sich bildet
                              – oder aber die basisch-schwefelsaure Thonerde als solche zersetzt
                              sich, wie die Gewinnung
                              des Alauns aus dem Alaunstein zeigt, unter der Einwirkung des Dämpfens und beim
                              nachfolgenden Waschen in dreifachschwefelsaure Thonerde und unlösliches
                              Thonerdehydrat. Das so oder so regenerirte neutrale Schwefelsäuresalz wirkt nun, in
                              kleiner Menge auftretend, wie eine schwache, das Roth belebende Rosage, im
                              Ueberschuß löst es beim Waschen einen Theil des Farblackes mit sich ab, und dieser
                              Eventualität muß eben durch den Zusatz der angeführten, in der Dampfhitze
                              neutralisirend wirkenden Salze vorgebeugt werden, wenn man nicht einen Schritt
                              rückwärts zu den alten umständlichen Aussiedebädern machen will.
                           Nachdem man weiters für das Extractroth in der Farbküche und im Rouleaugebäude als
                              unerläßliche Bedingung die subtilste Behandlung und die minutiöseste Reinlichkeit
                              eingeführt hatte, welche sich auf alle Gefäße, auf die Walzen, die Farbtröge, die
                              Drucktücher und die Rakeln erstreckte, blieb noch das Studium der Dämpferei. Die
                              meist aus Holz construirten Dämpfereieinrichtungen der Fabriken waren ziemlich
                              primitiver Art, der mangelhafte Verschluß erlaubte nur bei schwachem und nur bei
                              einem nominellen Druck zu dämpfen; aber wohl im Zusammenhang mit ihrer Solidität
                              verlangt die Verbindung der Thonerde mit dem Krappfarbstoff ein anhaltendes Dämpfen
                              unter einem Druck von mindestens 3/4 bis 1 Atmosphäre, was nur durch Einführung von
                              festverschlossenen Dampfkästen eiserner oder steinerner Construction zu erreichen
                              war.
                           Bei solch' energischer Behandlung sollte man glauben, würde das sonst übliche
                              Verhängen der bedruckten Waare vor dem Dämpfen in Wegfall kommen; diese Mühe hat
                              sich jedoch als unumgänglich nothwendig erwiesen. Indem die Essigsäure des Mordants
                              langsam auf der feuchten Wärmhänge abdunstet, findet die zurückbleibende
                              Thonerdeverbindung Gelegenheit, sich mehr in hydratischem Zustand, mehr als
                              zusammenhängende Masse, statt in körniger Form auf oder in der Baumwolle abzulagern,
                              und sich für die Bildung des Farblackes vorzubereiten, gleichwie nach einer alten
                              Erfahrung Rothböden nur dann sich satt ausfärben, wenn sie gehörig verhängt waren,
                              oder wie helle Rosafarben nur langsam auf den Platten getrocknet werden dürfen, wenn
                              nicht der Mordant stellenweise vom Gewebe abfallen und beim nachherigen Ausfärben
                              matte oder gar weiße Partieen hinterlassen soll.
                           Alle diese Erfahrungen waren gemacht und das Krappextract hatte sich in der
                              Fabrication eingebürgert, als der Krieg des Jahres 1870 dessen Bezugsquelle
                              verstopfte, kurze Zeit nachdem Gräbe-Liebermann
                              angefangen, ihr künstliches Alizarin fabrikmäßig darzustellen; die deutsche Fabrication war für ihre
                              neuen Farbencombinationen gezwungen mit einem Sprung vom Krappextract zum
                              künstlichen Alizarin überzugehen und dieß ging um so leichter, als man in den
                              Farbrecepten einfach an Stelle des ersteren die 10procentige Alizarinpaste zu setzen
                              hatte. Die weitere Behandlung ist dieselbe geblieben, nur daß man in Anbetracht der
                              größeren Reinheit des Farbemateriales ein noch schwächeres Seifenbad, als beim
                              Krappextract zu geben hat. So ist das Krappextract, die unreine Mischung von
                              Alizarin mit Purpurin, dem künstlichen reinen Alizarin als Vorläufer vorausgegangen
                              und hat dessen schnelle Einführung in die Druckereien und späterhin in die
                              Färbereien in einer Weise vorbereitet, daß der Consum desselben heute schon geradezu
                              riesige Dimensionen durch alle Länder angenommen hat.
                           
                              
                                 (Der Schluß folgt im nächsten Heft.)