| Titel: | Ueber die Heizkraft und die Classification der Steinkohle; von L. Gruner. | 
| Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. XXI., S. 70 | 
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                        XXI.
                        Ueber die Heizkraft und die Classification der
                           Steinkohle; von L.
                              Gruner.
                        Aus den Annales des Mines, 1873 t. IV p.
                              169.
                        Gruner, über die Heizkraft und die Classification der
                           Steinkohle.
                        
                     
                        
                           Der wirkliche Werth einer Steinkohle wird bedingt von ihrer Heizkraft oder ihren Wärmeeffecten und einer
                              gewissen Anzahl von Nebeneigenschaften, unter denen besonders hervorzuheben sind:
                              die Cohäsion (Cohärenz) oder Zerreibbarkeit (friabilité)In Deutschland bezeichnet man diese Eigenschaft als Transportfähigkeit, d. i. das Vermögen: Erschütterungen, Stößen
                                    etc. mehr oder weniger Widerstand leisten zu können, ohne zu Grus
                                    zerkleinert zu werden. Zur Messung derselben bringt man 100 Stücke von dem
                                    gleichmäßigen Gewichte von ungefähr 500 Grm. per
                                    Stück in ein um seine horizontale Achse bewegliches Faß und läßt dasselbe
                                    sich drehen. Nach fünfzig Umgängen von einer bestimmten Geschwindigkeit läßt
                                    man den Inhalt durch ein Sieb gehen und bestimmt die Menge der
                                    zurückbleibenden gröbern Stücke. – Auch in der französischen Marine
                                    wurde die Steinkohle mittels dieses Verfahrens auf ihre Zerreibbarkeit
                                    probirt., hie Menge und die chemische Beschaffenheit der Asche und vor
                              allem die Eigenschaft, welche ich als Agglomerationsvermögen (Backvermögen) bezeichnen werde, d.h. die
                              Eigenschaft, vermöge welcher das Brennmaterial in Folge der Einwirkung höherer
                              Temperaturen theilweise erweicht und selbst eine wirkliche Schmelzung erleiden
                              kann.
                           Jede wohlbegründete und rationelle Classification der Steinkohlen sollte auf die Gesammtheit dieser Eigenschaften basirt sein. Leider
                              kannte man bis in die neueste Zeit die wirkliche Heizkraft der Steinkohlen nur sehr
                              unvollkommen. Man glaubte, diesem Mangel durch die Elementaranalyse abhelfen zu
                              können. Dulong stellte nachstehende Formel auf:
                           P = 8080 C + 34462 (H – O/8),
                           in welcher bezeichnet: P die
                              gesuchte Heizkraft; C den Gehalt der Kohle an
                              Kohlenstoff; (H – O/8) den Gehalt derselben an freiem Wasserstoff,
                              d.h. ihren Gesammtgehalt an Wasserstoff vermindert um
                              jenen Betrag, welchen man als durch den in der Kohle enthaltenen Sauerstoff zu
                              Wasser verbrannt annimmt. Zweifelsohne schrieb Dulong
                              dieser Formel nur eine Art von technischem Werthe zu. Er wußte sehr wohl, daß man in
                              Bezug auf Heizkraft oder Wärmeeffect eine ternäre chemische Verbindung nicht einem einfachen
                              Gemische von Kohlenstoff und Wasserstoff gleichstellen kann und daß in der
                              Steinkohle der Wasserstoff nicht einfach mit dem Sauerstoff verbunden ist. Man
                              glaubte indessen – wenigstens zu jener Zeit, daß Kohlenstoff und Wasserstoff,
                              als einfache Körper betrachtet, stets denselben absoluten Wärmeeffect haben. Man
                              kannte damals den Einfluß der Molecularconstitution auf die Wärmeeffecte der Körper
                              noch nicht; man wußte nicht, daß die Verbrennungswärme eines einfachen oder
                              zusammengesetzten Körpers im Allgemeinen um so beträchtlicher ist, je weniger weit
                              die Condensation der Molecüle vorgeschritten ist.
                           Nun ist es jetzt durch die Untersuchungen von Favre und
                              Silbermann, von Regnault,
                                 Berthelot u.a. festgestellt, daß die Verbrennungswärme, gleich der
                              specifischen Wärme der Körper, mit der Dichtigkeit derselben variirt.
                           
                              
                                      So weiß man z.B., daß:
                                 W. E.
                                 
                              
                                 wenn der aus Holzkohle extrahirte Kohlenstoff entwickelt
                                 8080
                                 
                              
                                 der dichtere Kohlenstoff aus den Gasretorten nur gibt
                                 8047
                                 
                              
                                 der natürliche Graphit
                                 7797
                                 
                              
                                 und der Diamant sogar nur
                                 7770
                                 
                              
                                 ferner daß der absolute Wärmeeffect des krystallisirten Schwefels beträgt
                                 2262
                                 
                              
                                 der des dichteren, in flüssigem Zustande in Wasser gegossenen amorphen    
                                    Schwefels dagegen nur
                                 2217
                                 
                              
                           Es ergibt sich daraus, daß man, um die Dulong'sche Formel
                              auf die Steinkohlen anwenden zu können, dem absoluten Wärmeeffect des gasförmigen Wasserstoffes denjenigen des festen Wasserstoffes substituiren und an Stelle des
                              Werthes 8080, welcher die Verbrennungswärme eines Kohlenstoffes repräsentirt, dessen
                              wirkliche Dichtigkeit nach Violette größer ist als zwei, eine höhere Zahl setzen müßte, welche der geringeren Condensirung des Kohlenstoffes in der
                              Steinkohle entspricht. Ich werde weiter unten angeben, welche annähernden Zahlen man
                              für Wasserstoff und Kohlenstoff anzunehmen haben würde, wenn man die Dulong'sche Formel anwenden wollte. Für den Augenblick
                              möchte ich nur darauf aufmerksam machen, daß das von Berthier empfohlene Verfahren ebenso wenig, wie Dulong's Formel, zur Ermittelung der wirklichen Heizkraft der
                              Brennmaterialien führt. Denn dieses Verfahren setzt voraus, daß die erzeugte Wärme
                              der Menge des verbrauchten Sauerstoffes proportional ist, – eine Hypothese,
                              welche den mehr oder weniger weit vorgeschrittenen Condensationszustand der
                              verbrennbaren Elemente gleichfalls unberücksichtigt läßt.
                           Bevor wir weiter gehen, wollen wir ein Beispiel von einer zusammengesetzten brennbaren Substanz anführen, deren absoluter Wärmeeffect gleichfalls mit dem
                              Grade der Molecularcondensation variirt; ich meine die zahlreichen isomeren, durch die Formel CnH₂ repräsentirten Kohlenwasserstoffe, deren Verbrennungswärmen i.
                              J. 1852 von Favre und Silbermann bestimmt wurden.Annales de Chimie et de Physique, 3 série, t. XXXIV.
                              
                           
                              
                                 Das ölbildende Gas
                                    C₂H₄ (C₄H₄)
                                 gab
                                 11858
                                 Wärme-Einheiten
                                 
                              
                                 Das Amylen
                                    C₅H₁₀ (C₁₀H₁₀)
                                 „
                                 11491
                                 „
                                 
                              
                                 Das Paramylen
                                    C₁₀H₂₀ (C₂₀ H₂₀)
                                 „
                                 11303
                                 „
                                 
                              
                                 Der Kohlenwasserstoff
                                    C₁₁H₂₂ (C₂₂ H₂₂)
                                 „
                                 11262
                                 „
                                 
                              
                                 Das Ceten
                                    C₁₆H₃₂ (C₃₂ H₃₂)
                                 „
                                 11118
                                 „
                                 
                              
                                 Das Metamylen C₂₀H₄₀ (C₄₀ H₄₀)
                                 „
                                 10928
                                 „
                                 
                              
                           Aus den letzten fünf, auf flüssige Hydrocarbüre bezüglichen Zahlen zogen Favre und Silbermann den
                              Schluß, daß die Verbrennungswärme bei jedem neuen Hinzutreten eines Molecüls
                              CH₂ per Gewichtseinheit der Verbindung um 37,48
                              Wärmeeinheiten geringer wurde.
                           Dieselbe Abnahme des absoluten Wärmeeffects zeigt sich bei den ternären Verbindungen.
                              Jede durch die Kondensation der Molecüle entwickelte Wärme ist für den
                              Verbrennungsvorgang durchaus verloren. Nun sind die Steinkohlen ternäre Verbindungen
                              von verschiedenen Graden oder Stufen der Condensation der
                              Molecüle, und aus diesem Grunde kann die Elementaranalyse, da sie uns über die Art und Weise der
                                 Verbindung ihrer Bestandtheile nicht belehrt, uns auch nicht über ihre
                              Heizkraft belehren, kann somit auch nicht zur Bestimmung ihres industriellen oder
                              technischen Werthes dienen.
                           Professor Stein in Dresden geht sogar noch weiter, indem
                              er in seinem Werke über die Steinkohlen des Königreichs Sachsen (S. 11) behauptet,
                              „daß die Elementaranalyse über den
                                    wirklichen Werth einer Steinkohle nichts lehrt.“ Diese
                              Behauptung erscheint mir indessen zu absolut; sie steht im Widerspruch mit den so
                              gewissenhaften Untersuchungen Regnault's, welcher aus
                              seinen Analysen schließt, „daß die Elementarzusammensetzung der Kohlen aus
                                 der carbonischen oder eigentlichen Steinkohlenformation für die Steinkohlen von einer und derselben Qualität nur
                                 innerhalb sehr enger Grenzen schwankt.“
                              Annales des Mines, 3. séie, t. XII p. 205.
                              
                           Diese Divergenz in den Schlußfolgerungen der beiden gelehrten Chemiker finden in der
                              besondern Beschaffenheit der sächsischen Steinkohlen ihre Erklärung. Die Kohlen des
                              Plauen'schen Beckens enthalten im Durchschnitt 22,3
                              Proc., die aus dem Becken von Flöha sogar 44,87 Proc. Asche; unter solchen
                              Verhältnissen ist bekanntlich die Ausführung einer genauen Elementaranalyse unmöglich. Die Steinkohlen des Zwickauer Beckens enthalten stets eine beträchtliche
                              Menge Rußkohle, deren Beschaffenheit, wie bekannt, eine
                              ganz abnorme ist, indem diese Varietät oft über 10 Procent Wasser enthält, während
                              der Gehalt der eigentlichen brennbaren Substanz an Wasserstoff selten über 3 bis 3,5
                              Proc. beträgt, wodurch die durchschnittliche Zusammensetzung, sowie die
                              Eigenschaften der gewöhnlichen Kohlen dieses Beckens nothwendiger Weise modificirt
                              werden müssen. Demnach darf man die von Stein gezogenen
                              Schlüsse nicht verallgemeinern, man wird sich namentlich davor hüten müssen, sie auf
                              die reineren Kohlen der übrigen Bassins auszudehnen. Andererseits wird man auch die
                              entgegengesetzten Schlußfolgerungen Regnault's nicht ohne
                              Einschränkungen zulassen. Es ist heutzutage feststehende Thatsache, daß die Elementarzusammensetzung der Steinkohlen mit ihren
                              wichtigsten Eigenschaften, nämlich mit ihrem Agglomerationsvermögen und ihrer
                              Heizkraft, nicht immer in Einklang steht. Diese Discrepanz wird in ganz schlagender
                              Weise durch die directe Bestimmung der Heizkraft gewisser Steinkohlen, welche wir
                              Scheurer-Kestner und Ch. Meunier von Mülhausen i. E. verdankenAnnales de Chimie et the Physique, 4. série, t. XXI und XXVI., an's Licht gestellt. Ich muß hierzu noch bemerken, daß jene
                              wissenschaftlichen Untersuchungen übrigens mit den allgemeinen Ergebnissen der vor
                              mehreren Jahren vom technischen Gesichtspunkte aus sowohl von Dr. Brix in Berlin, als von den Verwaltungen
                              der englischen und der französischen Kriegsmarine ausgeführten technischen Proben im
                              Einklang stehen.
                           Verfolgt man das Ganze dieser verschiedenen Arbeiten mit einiger Aufmerksamkeit, so
                              gelangt man zu dem Schlusse, den ich schon vor längerer Zeit aus den Resultaten
                              meiner Untersuchungen der Steinkohlen des Loire-Beckens ziehen zu können
                              glaubte: „daß der wirkliche Werth einer Steinkohle
                                    besser mit Hilfe der Immediatanalyse, als mit Hilfe der Elementaranalyse
                                    bestimmt wird.“
                              Annales des Mines, 3. série, t. II p. 511. Denn die Immediatanalyse, welche darin besteht, die zu prüfende Steinkohle
                              in einer Retorte der Destillation zu unterwerfen und den Rückstand einzuäschern,
                              gestattet eine directe Bestimmung des Agglomerationsvermögens, sowie der chemischen
                              Beschaffenheit und der Menge der Asche. Ueberdies läßt sich, namentlich mit Hilfe
                              der Untersuchungen von Scheurer-Kestner und Meunier, leicht der Beweis dafür liefern, daß die Heizkraft mit der Menge des bei der
                              Destillation zurückgebliebenen festen Kohlenstoffes
                              zunimmt und abnimmt. Dieser Satz ist wenigstens für eigentliche Steinkohlen giltig,
                              jedoch nicht in allen Fällen für Anthracite und Lignite (Braunkohlen).
                           Die nachstehende Tabelle gibt ein Resumé der Untersuchungen von Scheurer-Kestner und Meunier. In der ersten Columne ist der wirkliche Wärmeeffect angegeben; in
                              den folgenden Columnen findet man die elementare Zusammensetzung der Steinkohlen,
                              dann die sowohl nach dem Gesammtgehalte an Kohlenstoff und Wasserstoff als die nach
                              dem Dulong'schen Gesetze berechneten absoluten
                              Wärmeeffecte; die letzte Columne endlich gibt die Menge des bei der Destillation
                              zurückgebliebenen festen Kohlenstoffes (der Coaks) an: alles ohne Berücksichtigung
                              der Asche und unter der Voraussetzung, daß die Kohlenproben bei 110° C.
                              ausgetrocknet sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 213, S. 74
                              Abstammung der untersuchen
                                 Brennstoffe; Wirklicher Wärmeeffect (Heizkraft); Elementare Zusammensetzung der
                                 Brennstoffe; C; H; O + N; Wärmeeffect, nach dem Gesammtgehalte an C + H
                                 berechnet; Wärmeeffect, nach dem Dulong'schen Gesetze
                                 berechnet; Menge des festen Kohlenstoffes (ob. der wirklichen Kohle) in u.
                                 aschfrei angenom. Brennstoffs; Anthracitische Steinkohle aus dem Creuzot; Magere
                                 Steinkohle aus dem St. Paul-Schachte im Creuzot; Fette Steinkohle mit
                                 kurzer Flamme vom Chaptal-Schachte im Creuzot; Fette Steinkohle von
                                 Ronchamp, den Steinkohlen mit kurzer Flamme sich nähernd (Durchschn. aus vier
                                 Proben); Fette Steinkohle von Anzin (Nordbecken); Fette Steinkohle v. Denain
                                 (Nordbecken); Fette Steinkohle mit langer Flamme von Duttweiler (Saarbrücken);
                                 Fette Steinkohle mit langer Flamme von Sulzbach (Saarbrücken); Fette Steinkohle
                                 mit sehr langer Flamme von der Grube von der Heydt (Saarbrücken)
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 213, S. 75
                              Abstammung der untersuchten
                                 Brennstoffe; Wirklicher Wärmeeffect (Heizkraft); Elementare Zusammensetzung der
                                 Brennstoffe; C; H; O + N; Wärmeeffect, nach dem Gesammtgehalte an C + H
                                 berechnet; Wärmeeffect, nach dem Dulong'schen Gesetze
                                 berechnet; Menge des festen Kohlenstoffes (od. der wirklichen Kohle) in u.
                                 aschfrei angenom. Brennstoffs; Trockene Steinkohle mit langer Flamme v. Montceau
                                 (Saône- und Loire-Depart.), halb gesinterte Coaks;
                                 Halbtrockene Steinkohle mit langer Flamme aus den oberen Flötzen von
                                 Friedrichsthal (Saarbrücken). Die Coaks sind wenig gesintert; Trockene
                                 Steinkohle mitlanger Flamme von Louisenthal (Saarbrücken). Nicht gesinterte
                                 Coaks; Sehr fette oder bituminöse Braunkohle (lignite-bitume) aus Böhmen;
                                 Fette Braunkohle (lignite) von Manosque; Trockene Braunkohle von Manosque;
                                 Trockene Braunkohle von Rocher bleu; Fossiles Holz, in Braunkohle übergehend
                                 (bituminöses Holz) aus Böhmen; Bituminöses Holz, andere Probe; Cellulose
                                 (C₆H₁₀O₅)
                              
                           Wenn wir nun die in dieser Tabelle enthaltenen Zahlen unter einander vergleichen, so
                              können wir uns leicht überzeugen, daß mehrere Steinkohlen von fast identischer
                              Zusammensetzung sehr verschiedene Wärmeeffecte besitzen, daß aber die
                              Verbrennungswärme mit der Menge der bei der Destillation zurückbleibenden Coaks
                              zunehmen und abnehmen, und sonach hauptsächlich von den flüchtigen Bestandtheilen
                              abzuhängen scheinen. So z.B. enthalten die Steinkohlen vom Chaptal-Schachte
                              im Creuzot und die von Ronchamp beinahe ganz gleiche Mengen von Kohlenstoff und
                              Wasserstoff:
                           
                              
                                 Creuzot
                                 C 88,48
                                 H 4,41
                                 O 7,11
                                 
                              
                                 Ronchamp
                                 C 88,32
                                 H 4,78
                                 O 6,89
                                 
                              
                           und dennoch ist der Wärmeeffect der ersteren = 9622, jener der
                              letztern Steinkohle =
                              9077 W. E. Allein die Steinkohle vom Creuzot gibt ungeachtet dieser
                              übereinstimmenden Zusammensetzung nur 19,6 Proc. flüchtiger Substanzen, die von
                              Ronchamp hingegen 27 Proc. Demnach ist die erstere eine fette
                                 Kohle mit kurzer Flamme, die zweite eine gewöhnliche
                                 fette Steinkohle. Die Art und Weise, in welcher die Bestandtheile mit
                              einander verbunden sind, ist in beiden Fällen eine ganz andere. Bei der Destillation
                              der Ronchamp-Kohle nehmen Wasserstoff und Sauerstoff mehr Kohlenstoff mit
                              sich; folglich ist in diesem Brennmaterials die Verbindung dieser Gase mit dem
                              Kohlenstoffe eine innigere als in der Steinkohle vom Creuzot, folglich wurde auch in
                              dem Augenblicke, in welchem diese innigere Verbindung sich constituirte, eine
                              größere Wärmemenge entwickelt und ging verloren. Je beträchtlicher der Gehalt einer
                              Steinkohle an flüchtigen Substanzen, desto weniger beträchtlich ist ihr
                              Wärmeeffect.
                           Vergleichen wir ferner die beiden Kohlen aus dem Becken des französischen Nordens
                              (die Steinkohle von Denain und die von Anzin) mit den beiden Kohlen von Duttweiler
                              und von Sulzbach im Becken von Saarbrücken. Die Elementarzusammensetzung derselben
                              ist wenig verschieden:
                           
                              
                                 Steinkohlen aus dem nördlichen
                                    Frankreich.
                                 Steinkohlen von Saarbrücken.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 C
                                 83,94
                                 und
                                 84,47
                                 
                                 
                                 gegen
                                 33,82
                                 und
                                 83,35
                                 
                              
                                 
                                 
                                 H
                                 4,43
                                 „
                                 4,21
                                 
                                 
                                 „
                                 4,60
                                 „
                                 5,17
                                 
                              
                                 
                                 
                                 O
                                 11,63
                                 „
                                 11,32
                                 
                                 
                                 „
                                 11,58
                                 „
                                 11,68
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                                 ––––––
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                                 100,00
                                 
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                                 während die Immediatanalyse gibt:
                                 
                              
                                 an flüchtigen Substanzen
                                 29,5
                                 und
                                 22,8
                                 
                                 
                                 gegen
                                 36,5
                                 und
                                 35,6
                                 
                              
                                 an Coaks
                                 70,5
                                 „
                                 77,2
                                 
                                 
                                 „
                                 63,5
                                 „
                                 64,4
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 100,0
                                 
                                 100,0
                                 
                                 
                                 
                                 100,0
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           d.h. die Steinkohlen des französischen Nordbeckens sind gewöhnliche fette Kohlen, die von Anzin sogar beinahe fette Kohlen mit kurzer Flamme, während die beiden
                              Saarbrücker Kohlen fette Steinkohlen mit langer Flamme
                              sind.
                           Nachstehend sind die Wärmeeffecte für die Steinkohlen von
                           
                              
                                 Denain
                                 Anzin
                                 Duttweiler
                                 Sulzbach
                                 
                              
                                 9050 W. E.
                                 9257 W. E.
                                 8724 W. E.
                                 8603 W. E.
                                 
                              
                           Wir haben demnach auch hier für sehr ähnliche Elementarzusammensetzungen Differenzen
                              in den Wärmeeffecten, welche um 300 bis zu 600 Wärmeeinheiten schwanken, –
                              Differenzen, die mit den Mengen der bei der Destillation zurückbleibenden Coaks in derselben
                              Richtung steigen und fallen.
                           Verfolgen wir unsere nähere Betrachtung der oben gegebenen Tabelle noch weiter, so
                              finden wir, daß auch bei den übrigen Steinkohlen der Wärmeeffect mit dem Gehalte an
                              festem Kohlenstoff nach gleicher Richtung hin variirt.
                           Die am wenigsten Coaks gebenden Steinkohlen entwickeln auch am
                                 wenigsten Wärme.
                           So gibt die Steinkohle von
                           
                              
                                 v. d. Heydt-Grube
                                 60,4
                                 Coaks
                                 und
                                 erzeugt
                                 8462
                                 W. E.
                                 
                              
                                 Friedrichsthal
                                 58,5
                                 
                                    „
                                    
                                 
                                    „
                                    
                                 
                                    „
                                    
                                 8457
                                 „
                                 
                              
                                 Montceau
                                 60,0
                                 
                                    „
                                    
                                 
                                    „
                                    
                                 
                                    „
                                    
                                 8325
                                 „
                                 
                              
                                 Louisenthal
                                 59,0
                                 
                                    „
                                    
                                 
                                    „
                                    
                                 
                                    „
                                    
                                 8215
                                 „
                                 
                              
                           Indessen finden wir auch hier einige Anomalien. So z.B. entwickeln die Kohlen von
                              Louisenthal und Montceau (Departement der Saône und Loire) weniger Wärme als
                              die von Friedrichsthal, obgleich sie mehr Coaks geben; die Steinkohle von
                              Louisenthal gibt 247 W. E. weniger, als die von der v. d. Heydt-Grube,
                              obgleich die Coaksmengen bei beiden fast gleich sind. Dies rührt aller
                              Wahrscheinlichkeit nach daher, daß die drei Elemente in den flüchtigen Substanzen
                              selbst nicht immer in derselben Art und Weise mit einander verbunden sind.
                           Dessenungeachtet ist es nicht weniger wahr, daß der Wärmeeffect im Allgemeinen
                              gleichzeitig mit der Menge der Coaks abnimmt, und daß sonach die Elementaranalyse zu
                              einer näherungsweisen Bestimmung des Wärmeeffectes zu führen vermag.
                           Uebrigens müssen wir noch bemerken, daß die Menge der Coaks rascher abnimmt, als der
                              Wärmeeffect. Vergleichen wir die äußersten Glieder, so finden wir
                           
                              
                                 für
                                 das
                                 Verhältniß
                                 der
                                 Wärmeeffectes
                                 = 9622 : 8215 = 1,17
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Coaksmengen
                                 =  80,4 :  59,0 = 1,36.
                                 
                              
                           Mit diesem Vorbehalte bleibt es nicht weniger wahr, daß die Immediatanalyse ein
                              wahreres, richtigeres Bild von den wesentlichsten Eigenschaften der Steinkohlen
                              (Heizkraft, Agglomerationsvermögen und Aschengehalt) gibt als die Elementaranalyse,
                              und, da die erstere weit weniger Zeit und weniger experimentelle Geübtheit erfordert
                              als die letztere, so ist sie, vom technischen Gesichtspunkte aus, stets vorzuziehen.
                              Im weiteren Verlaufe dieser Untersuchungen über die verschiedenen Classen der
                              Steinkohlen werde ich Gelegenheit haben, durch noch andere Beispiele den Contrast
                              hervorzuheben, in welchem die Elementaranalyse und die Immediatanalyse sehr oft mit
                              einander stehen.
                           
                           Für jetzt will ich auf noch eine andere aus der Tabelle sich ergebende Thatsache
                              aufmerksam machen.
                           Der wirkliche Wärmeeffect, die Heizkraft aller Brennmaterialien – mit Ausschluß der bömischen
                              bituminösen Braunkohle (lignite-bitumineux), die
                              sich in Folge ihres großen Wasserstoffgehaltes dem Petroleum nähert,Das Petroleum und die Petroleumgesteine bilden eine von jener der Steinkohlen
                                    gänzlich verschiedene Reihe. Sie werden durch einen sehr hohen
                                    Wasserstoffgehalt gekennzeichnet, in Folge dessen sie, trotz der geringen
                                    Menge von festem Kohlenstoff, den sie bei der Destillation hinterlassen,
                                    einen bedeutenden Wärmeeffect haben. Zu der Reihe des Petroleums rechne ich
                                    die festen Bitume (Erdepech), die bituminösen Braunkohlen, die schottische
                                    Bogheadkohle, den Gagat, manche Varietäten von Cannelkohle u.a.m. – ist nicht allein bedeutender als der nach der Dulong'schen Formel berechnete Wärmeffect,
                              sondern auch, was die Anthracite und die eigentlichen Steinkohlen betrifft, höher
                              als die Summen der Wärmeeinheiten, welche vom Kohlenstoff und dem gesammten
                              Wasserstoff – beide Elemente im freien Zustande angenommen und vom Sauerstoff
                              abgesehen – erzeugt werden.
                           So gab die Steinkohle vom Chaptal-Schachte 9622 W. E. wenn C + H 8670 W. E.
                              entsprechen.
                           
                              
                                 Die
                                 Steinkohle
                                 von
                                 Ronchamp
                                 gibt
                                 9077
                                 anstatt
                                 8790
                                 W. E.
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Denain
                                 „
                                 9050
                                 „
                                 8310
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Louisenthal
                                 „
                                 8215
                                 „
                                 7824
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 u.s.w.
                                 
                              
                           Scheurer-Kestner, von dieser scheinbaren Anomalie
                              überrascht, folgert daraus, daß die Verbindung des Kohlenstoffes und des
                              Wasserstoffes in den Steinkohlen nach Art der Explosivverbindungen unter Absorption von Wärme
                              stattgefunden haben muß. Aber diese Anomalie ist in Wirklichkeit eben nur eine scheinbare. Die Steinkohle besitzt keinen einzigen von
                              den Charakteren der Explosivsubstanzen, und wenn der wirkliche Wärmeeffect höher
                              ist, als die berechnete Zahl angibt, so rührt dies, wie ich bereits bemerkt habe,
                              einzig und allein davon her, daß man für den Kohlenstoff die Zahl von 8080
                              Wärmeeinheiten angenommen hat, während man eine der Größe 11214 näher kommende Zahl
                              nehmen muß, welche den theoretischen Wärmeeffect des vergasten Kohlenstoffes repräsentirt.Zu der Zahl von 11214 Wärmeeinheiten gelangt man in nachstehender Weise.
                                    Bekanntlich entwickelt der Kohlenstoff, wenn er sich zu Kohlenoxyd
                                    umwandelt, 2473 W. E., und dieses letztere Gas erzeugt seinerseits 8080
                                    – 2473 = 5607 W. E., wenn es sich mit einem neuen Aequivalent
                                    Sauerstoff verbindet, so daß also, mit andern Worten, gleiche
                                    Sauerstoffmengen scheinbar sehr ungleiche Wärmemengen entwickeln. Ich sage,
                                    scheinbar, weil im ersten Falle der starre
                                    Kohlenstoff in den gasförmigen Zustand übergeht,
                                    während es bei der Verbrennung des Kohlenoxyds zu Kohlensäure der bereits vergaste Kohlenstoff ist, welcher brennt.
                                    Wenn man nun mit Rankine
                                     annimmt, daß
                                    das Welter'sche Gesetz seine Giltigkeit behält,
                                    solange die chemischen Reactionen von Veränderungen des Aggregatzustandes
                                    weder begleitet werden, noch daß solche ihnen folgen, so sieht man, daß das
                                    Plus von 5607 über 2473, also 3134 W. E., der in Folge der Vergasung des
                                    Kohlenstoffes absorbirten Wärmemenge genau entsprechen muß; folglich würde
                                    der gasförmige Kohlenstoff 8080 + 3134 = 11214 W.
                                    E. entwickeln, wenn er sich unmittelbar zu
                                    Kohlensäure umwandelte. Jedenfalls ist es, selbst wenn man diese Zahl 11214 W. E. nur als das Resultat einer rein
                              theoretischen Betrachtung ansieht, klar, daß der nur wenig
                                 condensirte Kohlenstoff der Steinkohlen mehr Wärme erzeugen muß als der reine aus Holzkohle extrahirte Kohlenstoff. Andererseits
                              müßte man für den in starren Aggregatzustand versetzten
                              Wasserstoff eine niedrigere Zahl als 34462 W. E. wählen, insofern die letztere Zahl
                              dem gasförmigen, Wasser (dieses gleichfalls in
                              gasförmigem Zustande angenommen) gebenden Wasserstoff entspricht.
                           Man kann sich leicht davon überzeugen, daß man zu Werthen gelangen würde, die sich
                              weniger weit von der Wahrheit entfernen, wenn man z.B. 9000 W. E. für jene
                              Verbrennungswärme des Kohlenstoffes der Steinkohlen und 30000 W. E. für die des in
                              starrem Zustande befindlichen Wasserstoffes annähme. Man würde dann, wenn man vom
                              Sauerstoff absieht, nachstehende Werthe finden:
                           
                              
                                 Für
                                 die
                                 Steinkohle von Anzin
                                 8865
                                 anstatt
                                 9257
                                 W. E.
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                      
                                    „          
                                    „   Denain
                                 8883
                                 „
                                 9050
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 fette Kohle mit kurzer Flamme vom
                                      Chaptal-Schachte (Creuzot)
                                 9286
                                 „
                                 9622
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 Steinkohle von Ronchamp
                                 9385
                                 „
                                 9077
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 trockene Steinkohle von Montceau
                                 8641
                                 „
                                 8325
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 trockene Steinkohle von Louisenthal
                                 8322
                                 „
                                 8215
                                 „
                                 
                              
                           Die Uebereinstimmung ist indessen wenig befriedigend; im Besondern sieht man, daß die
                              Rechnung zu niedrige Werthe gibt für die an festem Kohlenstoff reichen und umgekehrt
                              zu hohe Werthe für die nur wenig Coaks zurücklassenden Steinkohlen.
                           Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so ergibt es sich, daß die Art und Weise, in
                              welcher die Elemente einer Steinkohle mit einander verbunden sind, zu verschieden,
                              zu schwankend ist, als daß sich aus den Resultaten der einfachen Elementaranalyse
                              der Wärmeeffect derselben ableiten ließe.
                           Demnach muß man den Wärmeeffect für jede Art von Steinkohle durch den directen
                              Versuch bestimmen, oder sich mit den Durchschnittswerthen begnügen, zu denen man
                              durch die Combination der in der oben gegebenen Tabelle zusammengestellten Resultate
                              der experimentellen Untersuchungen von Scheurer-Kestner und Meunier mit den
                              zahlreichen in Berlin von
                              Dr. Brix und in
                              Frankreich sowohl als in England seitens der Staatsmarine ausgeführten technischen
                              Proben gelangt. Ich werde im Nachstehenden die Zahlenwerthe, die man auf diesem Wege
                              erhält, angeben, indem ich die übrigen Eigenschaften der verschiedenen
                              Steinkohlensorten erörtere, und beginne nunmehr mit dem eigentlichen Studium dieser
                              mineralischen Brennstoffe.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)