| Titel: | Ueber einige neue Apparate zu Tiefseemessungen; von Dr. Paul Schreiber, Lehrer der Physik an den k. technischen Lehranstalten in Chemnitz. | 
| Autor: | Paul Schreiber | 
| Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LXXIV., S. 309 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXIV.
                        Ueber einige neue Apparate zu Tiefseemessungen;
                           von Dr. Paul
                              Schreiber, Lehrer der Physik an den k. technischen Lehranstalten in
                           Chemnitz.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              IV.
                        Schreiber, über einige neue Apparate zu
                           Tiefseemessungen.
                        
                     
                        
                           1. Dr. Neumeyer's photographischer
                                 Tiefseeapparat. In Carl's Repertorium für
                              Experimentalphysik, Bd. IX S. 412 befindet sich die Beschreibung eines
                              photographischen Apparates zu Tiefseemessungen – dafür construirt, die
                              Temperatur und die Richtung der Strömung in der Meerestiefe zu bestimmen. Der
                              Apparat besteht aus einer großen wasserdicht verschließbaren Büchse aus Kupfer und
                              enthält ein empfindliches Thermometer sowie eine Magnetnadel. Ueber der
                              Thermometerröhre hin zieht sich eine mit Stickstoff gefüllte Geißler'sche Röhre, deren Licht eine starke photographische Wirksamkeit
                              besitzt, und unter der Thermometerröhre befindet sich Talbot'sches Lichtpauspapier. Wird durch die Geißler'sche Röhre ein Inductionsstrom gesendet, so wird dieselbe das Talbot'sche Papier bräunen und nur diejenige Stelle weiß
                              lassen, welche von dem Quecksilberfaden bedeckt ist, dadurch also die Temperatur
                              markiren.
                           Zur Bestimmung der Meeresströmung hat die Büchse einen fahnenförmigen Ansatz und
                              stellt sich so in die Stromrichtung ein. Die Magnetnadel behält aber immer ihre Direction
                              bei und wird durch ihre Abweichung von der Ebene der Stromfahne die Richtung der
                              Strömung angeben. Es bedarf daher nur der Fixirung der Stellung der Magnetnadel. Zu
                              diesem Zwecke ist eine Geißler'sche Röhre rings um die
                              Windrose der Nadel gelegt.
                           Die Magnetnadel trägt unmittelbar unter dieser Röhre eine Linse, welche das
                              elektrische Licht concentrirt und so einen leuchtenden Punkt auf das unter der Nadel
                              befindliche empfindliche Papier wirft. Dadurch wird eine Bräunung dieses Papieres
                              bewirkt, also auch die Strömungsrichtung markirt.
                           Soll mit diesem Apparat eine Messung vorgenommen werden, so muß man erst die
                              Stromfahne in die Richtung des Meridians bringen, um dem Apparat eine bestimmte
                              Anfangsstellung zu geben. Dann läßt man ihn nieder, bis der tiefste Stand erreicht
                              ist, und setzt hierauf, nachdem man sicher ist, daß das Thermometer die Temperatur
                              der Umgebung angenommen hat, den Inductionsapparat in Bewegung. Das Papier soll
                              schon nach 3 Minuten merkbar gebräunt sein. In unserer Quelle ist nun angegeben, daß
                              der Tiefseeapparat gleich die „elektrische Batterie“ enthalte;
                              wahrscheinlich enthält er nur den Inductionsapparat, während der primäre Strom durch
                              eine Batterie am Bord des Schiffes erzeugt und durch eine Leitung in der Sondirleine
                              niedergeleitet wird.
                           Gegen, diesen Apparat lassen sich nun mehrere Bedenken ergeben:
                           Nach einer Notiz über denselben in den „Technischen Blättern“
                              1874 S. 64 hat Professor Dr. Gintl hervorgehoben, daß durch die Geißler'schen Röhren eine Erwärmung des ganzen Apparates hervorgebracht werden
                              könne und daß durch die Stromleitungen Ablenkungen der Magnetnadel eintreten
                              könnten. Diese Einwürfe scheinen mir aber nicht sehr in das Gewicht zu fallen; es
                              wird zwar eine enge Röhre so warm, daß man sie kaum halten kann, aber das von guten
                              Wärmeleitern und dem kalten Meerwasser umgebene Gefäß des Thermometers wird sich
                              jederzeit gegen die Strahlungen der Röhre schützen lassen. Um die Ablenkung der
                              Nadel zu verhindern, braucht man nur die Röhre doppelt nebeneinander zu legen, in
                              der einen Leitung den Strom hin, in der daneben liegenden zurückzuleiten und
                              compensirt dadurch die Fernwirkungen desselben.
                           So glücklich als ich das Instrument für die Bestimmung der Temperatur eingerichtet
                              halte, so wenig zweckmäßig scheint mir der Stromrichtungsmesser zu sein. Erstens
                              wird es nicht möglich sein den Apparat so zu halten, daß die Nadel immer freispielen
                              kann, und zweitens wird man wohl stets eine Strömungsrichtung erhalten; es wird aber
                              sehr oft der Fall sein,
                              daß diese gar nicht da ist. Wenn nämlich auch das Instrument erst in eine bestimmte
                              Lage gebracht worden, so wird beim Niedergang durch Drehungen der Sondirschnur,
                              durch Strömungen an der Oberfläche oder in geringen Tiefen, durch Fische etc. eine
                              Aenderung dieser Stellung hervorgebracht werden können, und es wird diese durch
                              Zufälligkeiten bedingte Stellung als Strömungsrichtung gefunden und registrirt
                              werden, auch wenn keine Strömung unten vorhanden ist.
                           2) J. L. W. Dietrichson's Tiefseethermometer (Fig. 23).Vergl. Poggendorff's Annalen, Bd. CXLVIII 3.
                                    298.
                              Dietrichson ritzt die Röhre eines gewöhnlichen
                              Thermometers kurz an der Kugel an, bringt dann das Thermometer mit der Kugel nach
                              oben in einen Apparat, der so eingerichtet ist, daß die Kugel gegen den Druck des
                              Wassers geschützt ist, aber – wenn man an der Leine ein ringförmiges Loth
                              niedergehen läßt – die Röhre abgeknickt wird und an der geritzten Stelle
                              abbricht. Die Länge des Quecksilberfadens, welcher in der Röhre bleibt und der
                              nachträglich gemessen wird, läßt auf die Temperatur des Meeres in der Tiefe
                              schließen. Dietrichson hat mit diesem Apparat mehrfach
                              Temperaturen gemessen und empfiehlt ihn als sehr praktisch. Die Einrichtung des
                              Apparates ist aus Fig. 23 deutlich zu ersehen; aa ist der
                              Winkelhebel, welcher beim Aufschlagen des Ringlothes ein Biegen des Bleirohres b bezieh. Abknicken des Thermometerröhrchens c veranlaßt.
                           3) W. Siemens' Capillargalvanometer. (Fig. 24). Bei dem
                              bekannten Siemens'schen TiefseethermometerBeschrieben in diesem Journal, 1869 Bd. CXCIII S. 516. wird die Temperatur des Meeres bestimmt durch die Aenderung des Widerstandes
                              eines versenkten Drahtes, welche eine Function der Temperatur dieses Drahtes ist.
                              Der ganze Apparat ist nach dem Princip der Wheatstone'schen Brücke eingerichtet und das Meßverfahren läuft darauf hinaus,
                              einen Widerstand, der sich am Bord des Schiffes befindet, soweit zu verändern, bis
                              die Intensität des Stromes, der durch einen Zweig des ganzen Stromsystemes geht,
                              vollständig verschwindet, also ein in diesen Zweig eingeschaltetes Galvanometer
                              vollständig in Ruhe bleibt.
                           Die Angaben, welche dieses Instrument nun liefert, werden um so genauer sein, je
                              empfindlicher dieses Galvanometer ist. Da aber das Arbeiten mit feinen Galvanometern
                              am Bord eines Schiffes eine sehr mißliche Sache ist und einen geübten Experimentator
                              erfordert, so wird wohl diesem Umstande es zuzuschreiben sein, daß das Siemens'sche Instrument so wenig Eingang gefunden
                              hat.
                           
                           Dagegen verbindet das kürzlich in Poggendorff's Annalen,
                              1874, Bd. CLI S. 639 beschriebene Galvanometer von Siemens, welches ein verbessertes Lippmann'sches CapillargalvanometerPoggendorff's Annalen, Bd. CXLIX S. 546. repräsentirt, außerordentliche Empfindlichkeit mit leichter Handhabung. Das
                              Princip dieses Instrumentes ist folgendes: Bekanntlich bewegen sich Tropfen von
                              Flüssigkeiten in conischen engen Röhren durch die Verschiedenheit der
                              Oberflächenspannung der beiden verschieden gekrümmten Endflächen und zwar nach dem
                              engen Ende der Röhre zu, wenn die Flüssigkeit das Material der Röhre benetzt, nach
                              dem weiten Ende der Röhre, wenn die Flüssigkeit nicht benetzend ist. (Man sehe Wüllner's Lehrbuch der Experimentalphysik Bd. I S. 230,
                              zweite unveränderte Ausgabe). Dieselbe Bewegung tritt auch in cylindrischen
                              capillaren Röhren ein, wenn durch irgend eine Ursache die Adhäsionsverhältnisse an
                              beiden Enden des Tropfens andere werden, so die beiden Endflächen des Tropfens
                              verschiedene Krümmung erhalten und dadurch eine Verschiedenheit der
                              Oberflächenspannung bewirkt wird. Darauf gründet sich nun das Siemens'sche Instrument, welches ich in Figur 24 angedeutet
                              habe.
                           Zwei weite Glasröhren sind verbunden durch eine horizontale capillare Röhre AA', welche nach Siemens' Angaben 0,5 Millimeter lichten Durchmesser bekommt. Die weiten
                              Röhren sind zusammengebogen, um das Instrument gegen den Einfluß von
                              Schiffsschwankungen möglichst unempfindlich zu machen. Das ganze Röhrensystem
                              enthält Quecksilber bis auf das Stück BB' in der
                              Capillaren, wo sich ein Tropfen verdünnter Schwefelsäure befindet. Die Zuleitung und
                              Ableitung des Stromes wird durch die Drähte C und D bewirkt. Wenn der Strom dann in der Richtung BB' durch die Schwefelsäure geht, wird eine
                              Wasserzersetzung stattfinden; es wird sich bei B
                              Sauerstoff, bei B' Wasserstoff ausscheiden. Dadurch wird
                              das Quecksilber bei B sich oxydiren, es wird eine
                              Verringerung der convexen Gestalt des Quecksilbers durch die vermehrte Adhäsion
                              hervorgebracht werden, während bei B' die reducirende
                              Wirkung des Wasserstoffes eine stark convexe Quecksilberkuppe erzeugt. Demnach wird
                              auch bei B die Oberfläche der Schwefelsäure sich mehr
                              eben, bei B' dagegen sehr concav gestalten; der
                              Oberflächendruck ist folglich bei B größer als bei B', und es muß eine Bewegung von B nach B' also eine
                                 Verschiebung des Schwefelsäuretropfens in der Richtung des Stromes
                              eintreten.
                           Zu bemerken ist, daß das Instrument nur bei großen elektromotorischen Kräften und
                              großen Widerständen gebraucht werden kann. Der Faden geht nur sehr langsam zurück, kann aber sofort an
                              seinen Ort wieder gebracht werden, wenn man denselben Strom in entgegengesetzter
                              Richtung durchsendet oder einen Condensator einschaltet. –
                           Handelt es sich nur um Bestimmung der Temperatur der Meerestiefen, so wird jedenfalls
                              das Siemens'sche Instrument am meisten den Vorzug
                              verdienen, da man im Stande ist, bei einer einzigen Einsenkung der Sonde soviel
                              Temperaturbestimmungen zu machen, als man nur wünscht. Bei Benützung des
                              Capillargalvanometers wird das Instrument sehr vereinfacht und kann auch weniger
                              Geübten in die Hand gegeben werden. Ferner wird es sich empfehlen, den Apparat zur
                              Ausgleichung der Widerstände in den beiden Stromzweigen, der jetzt in einer
                              Widerstandsrolle gleich der in das Meer gesenkten besteht, durch eine
                              Widerstandssäule zu ersetzen. Bei allen diesen Messungen sind nun aber die
                              Bestimmungen der Tiefen äußerst unsicher und es wird so durchaus nöthig sein mit dem
                              Thermometer zugleich ein Instrument zur Bestimmung der Tiefe einzusenken. Die
                              Sondenleine selbst ist wegen der Strömungen unbrauchbar. Die Bestimmung des Druckes
                              durch Zusammendrückbarkeit des Wassers, hat den Uebelstand, daß die Function der
                              Zusammendrückbarkeit noch nicht ermittelt ist, daß die Temperatur auf diese
                              Instrumente einen kolossalen Einfluß ausüben muß, und ferner kann man nur die
                              Maximaltiefe mittels derselben bestimmen. Die Bathometer, welche das Maximum der
                              Tiefe durch Compression von Luft angeben, leiden an noch größeren Uebelständen.
                           Ich glaube, daß man entweder Bourdon'sche Röhren oder nach
                              Art der Dosenbarometer gewellte Stahlplatten dem Drucke des Wassers aussetzen und
                              deren Formänderungen bestimmen muß.Vielleicht können gleich Manometer, wie sie bei hydraulischen Pressen benützt
                                    werden, Anwendung finden. Soviel ich weiß, gehen dieselben bis circa 1000 Atmosphären. Die Durchbiegung, welche solche Platten erleiden, lassen sich sehr einfach
                              auf einen Zeiger übertragen und so den Druck durch photographische Fixirung des
                              Zeigers oder durch irgend welche andere Einrichtung zugleich mit der Temperatur
                              bestimmen. Wollte man dann mehrere Bestimmungen während eines Niederlassens des
                              Apparates in verschiedenen Tiefen machen, worauf entschieden bei Construction dieser
                              Apparate Rücksicht genommen werden muß, so braucht man nur das Talbot'sche Papier verschiebbar machen. Zur Erreichung dieser
                              Verschiebbarkeit mache ich auf die Einrichtung der Registriraneroide und
                              Registrirthermometer (Compensationsthermometer) von Hipp
                              Beschrieben in diesem Journal, 1863 Bd. CLXVIII S. 241. aufmerksam. So ließe sich vielleicht das Neumayer'sche Instrument,
                              bei dem ein galvanischer Strom schon nothwendig ist, bedeutend verbessern. Um aber
                              diesen Apparat auch zur Bestimmung der Strömungen gebrauchen zu können, muß die
                              Magnetnadel entschieden eine cardanische Aufhängung erhalten. Ich glaube am besten
                              wird man die ganze Kupferbüchse, welche sämmtliche Meßinstrumente enthält, in eine
                              cardanische Aufhängevorrichtung bringen und in ein größeres festes Gefäß hängen, das
                              mit der Stromfahne versehen und auch den Inductionsapparat enthält. Dieses Gefäß muß
                              natürlich mit einer Oeffnung versehen sein und sollte, um den Druckapparat, welcher
                              mit dem Meere in Communication stehen muß, gegen die Wirkung des Meerwassers zu
                              schützen mit einer Flüssigkeit leichter als Wasser, vielleicht Petroleum, gefüllt
                              sein. Zum Nachweis, daß wirklich eine Strömung vorhanden ist, würde man an diesem
                              großen äußeren Gefäße gewöhnliche Schaufelräder senkrecht zur Stromfahne anbringen
                              können und deren Umdrehungszahl bestimmen. Dazu könnte ein Zählwerk dienen, oder
                              – vielleicht besser – galvanische Apparate, indem man an der Achse, im
                              Inneren des Umhüllungsgefäßes, eine Feder schleifen läßt, welche bei jeder Umdrehung
                              der Achse einmal den Strom schließt und dies an irgend einem Apparate markirt.
                           Das Umhüllen des Cylinders mit den Meßinstrumenten durch ein großes offenes Gefäß,
                              welches mit Petroleum ausgefüllt, wird noch den Vortheil gewähren, daß der Auftrieb
                              auf jeder Größe vermehrt und dadurch dem ganzen Instrumente im Wasser ein geringes
                              Gewicht gegeben werden kann.
                           Freilich wird dadurch das Thermometer sehr träg gemacht und es wird nöthig sein, den
                              Apparat an der Stelle, deren Temperatur bestimmt werden soll, längere Zeit zu
                              halten, so daß es sich frägt, ob man nicht das Thermometer im inneren Cylinder,
                              durch ein Siemens-Thermometer, das an dem äußeren
                              Cylinder angebracht werden kann, zweckmäßiger ersetzen sollte.
                           Die Thätigkeit des Apparates würde dann eine einfache sein. Man läßt den Apparat ein
                              Stück nieder, wartet bis die zur Einstellung sämmtlicher Instrumente nöthige Zeit
                              verflossen ist, setzt dann durch Schließen der Batterie den Inductor in Bewegung und
                              photographirt so den Stand der Instrumente. Sowie dies geschehen, rückt der Streifen
                              durch eine der Hipp'schen ähnliche Einrichtung fort und
                              der Apparat ist zu Messungen in einer größeren Tiefe fertig. An diesem Apparat
                              könnten noch Wasserschöpfgefäße, Grundprobenfänger, Signalapparate, um das Erreichen
                              des Grundes zu signalisiren etc., angebracht werden; auch würden sich Vorrichtungen zum Auslösen
                              der Gewichte beim Auftreffen auf dem Grunde leicht herstellen lassen ähnlich wie bei
                              dem in Amerika viel angewendeten Brooke'schen
                              Apparat.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
