| Titel: | Das Schmelzen eines grossen Zaines Platin-Iridium-Legirung zur Anfertigung der Stäbe, mit welchen die neuen Metermasse für die französischen Archive hergestellt werden sollen; Bericht von General Morin. | 
| Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. LXXIX., S. 337 | 
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                        LXXIX.
                        Das Schmelzen eines grossen Zaines
                           Platin-Iridium-Legirung zur Anfertigung der Stäbe, mit welchen die neuen
                           Metermasse für die französischen Archive hergestellt werden sollen; Bericht von General
                           Morin.
                        Nach den Comptes rendus, t. LXXVIII p. 1502; Juni
                              1874.
                        Das Schmelzen eines großen Zaines Platin-Iridiumlegirung zur
                           Anfertigung von Normalmetermaßen.
                        
                     
                        
                           Die internationale Meter-Commission, welche im Jahr 1872 in Paris versammelt
                              war, hat bekanntlich ihrer französischen SectionSie besteht aus den HHrn. Mathieu, Präsident;
                                    General Morin, Vicepräsident; Le Verrier; Fizeau, Faye, Peligot,
                                    Sainte-Claire-Deville, E. Becquerel, General Jarras,
                                       Tresca, Secretär. Operationen bezüglich der Anfertigung der neuen Normalmetermaße anvertraut,
                              welche für alle späteren Vergleichungen diejenigen unserer Archive ersetzen
                              müssen.
                           Unter den wichtigsten dieser Operationen ist eine, welche außerhalb der Hauptfrage
                              des metrischen Systemes ein allgemeines Interesse darbietet – nämlich die
                              Darstellung im Großen einer Legirung von 90 Proc. Platin und 10 Proc. Iridium, mit
                              einer Toleranz von 2 Proc. Iridium darüber oder darunter. Sie schien uns in
                              metallurgischer Hinsicht interessant genug, um uns zu veranlassen die erhaltenen
                              Resultate schon jetzt zur Kenntniß der Industriellen zu bringen, welche denselben
                              nützliche Fingerzeige werden entnehmen können.Deville und Debray,
                                    über das Schmelzen des Platins, in Dingler's
                                    polytechn. Journal, 1859 Bd. CLIV S. 130, mit beigegebener Zeichnung des
                                    Löthrohres. Es handelte sich dabei um nichts Geringeres, als in einem einzigen Schmelzen
                              dieser Legirung der zwei strengflüssigsten Metalle einen Zain im Gewicht von 250
                              Kilogramm zu erhalten. Auf dieser Vorschrift bestand das permanente Comité
                              der Meter-Commission, weil es mit Recht eine große Wichtigkeit auf die
                              vollkommene Homogenität (in allen Theilen gleichförmige Zusammensetzung) der für
                              alle neuen Normalmaße bestimmten Legirung legte.
                           Bei dieser schwierigen Aufgabe konnten wir auf den Beistand der HHrn. H. Deville und Debray, der
                              Erfinder des Verfahrens das Platin in einem Ofen (Tiegel) aus Kalk zu
                              schmelzen,Man begreift, daß wenn man mit einigen Löthrohren, welche Flammenstrahlen
                                    liefern, die man nach Belieben oxydirend, neutral oder reducirend machen
                                    kann, in weniger als anderthalb Stunden einen Zain von 250 Kilogrm. der
                                    Legirung von zwei so strengflüssigen Metallen wie das Platin und Iridium
                                    schmelzen konnte, die Metallurgie für ihre Studien oder selbst für ihre
                                    industriellen Anwendungen großen Nutzen aus der Anwendung ähnlicher
                                    Verfahrungsarten ziehen könnte. zählen, sowie auf die Unterstützung des Hrn. Matthey, des geschickten
                              Fabrikanten von Platinapparaten in London. Für die Ausführung der Operation bot das
                              Conservatoire des Arts et Métiers die
                              wünschenswerthen Erleichterungen dar. Dasselbe besitzt einen Gasometer von 22
                              Kubikmeter, welcher mit der städtischen Gasleitung in Verbindung gesetzt werden
                              kann; für die Aufstellung aller erforderlichen Apparate sind Räumlichkeiten
                              verfügbar; dazu kommt noch ein Personal, welches in der Ausführung schwieriger
                              Arbeiten geübt ist.
                           Bevor man die große Operation unternehmen konnte, mußte man sich die zwei zu
                              legirenden Metalle im Zustande geeigneter Reinheit verschaffen. Die erforderlichen
                              225 Kilogrm. Platin lieferte Hr. Matthey aus seiner
                              Fabrik in London unter liberalen Bedingungen, und Deville
                              constatirte dessen Reinheit. Die erforderlichen 25 Kilogrm. Iridium waren aber nicht
                              so leicht zu erhalten, sowohl wegen der Seltenheit der Fabrikationsrückstände, aus
                              denen man dasselbe extrahirt, als wegen der Schwierigkeit, es von den anderen
                              Metallen zu trennen, mit denen es in diesen Rückständen vorkommt. Durch die
                              Liberalität sowohl der Bergwerksdirection zu St. Petersburg als der russischen
                              Regierung wurde jedoch die Beschaffung des Bedarfes an Iridium sicher gestellt. Zur
                              Darstellung des reinen Iridiums gelang es unserem Collegen Deville eben so sichere als sinnreiche Methoden zu ermitteln, welche er
                              später veröffentlichen wird.
                           Nach dem Vorgange von Deville und Debray bei ihren im Kleinen angestellten Versuchen über das Schmelzen des
                              Platins im Ofen aus Kalk gelang es uns mittels Löthrohren mit doppeltem Brenner,
                              durch die Vermischung des reinen Sauerstoffes mit Leuchtgas, die zum Schmelzen des
                              Platins und seiner Legirung nochwendig erachtete enorme Temperatur von ungefähr
                              2000° C. zu erhalten.
                           Die Versuche der erwähnten Chemiker führten uns auch auf das zu befolgende Verfahren,
                              um in Zainformen, welche blos in grobkörnigem Kalkstein ausgehöhlt waren, die
                              gewünschte Legirung zu verflüssigen.
                           Hr. Tresca, welcher sich entschloß für die große
                              Schmelzoperation die Organisation der Arbeit zu übernehmen und selbst den
                              Schmelzmeister zu machen, führte vorerst nach Deville's
                              Verfahren einige Schmelzungen von 5 bis 10 Kilogrm. reinen Platins aus, dann die
                              Schmelzung eines Zaines von 50 Kilogrm. desselben Metalles.
                           Hernach zu einer ersten Bildung der Legirung übergehend, stellte er von derselben
                              eine Reihe (einige zwanzig) kleiner Zaine von 10 bis 15 Kilogrm. dar, indem er
                              anfangs mit einem einzigen Löthrohr operirte und hierauf in das zuvor gebildete Bad
                              einen Theil des Platins in dünnen, zu einer Rinne gebogenen Blechen einführte, in
                              welchen man das vorgeschriebene Verhältniß von zu kleinen Körnern pulverisirtem
                              Iridium vertheilt hatte.
                           Nachdem so alle diese Legirungszaine mit Erfolg gebildet worden waren und die
                              erlangte Erfahrung Vertrauen in die Resultate gewährte, entschloß man sich zur
                              zweiten Schmelzung der erhaltenen Legirung – nämlich zu Zainen von 85 bis 90
                              Kilogrm. zu schreiten, für deren Ausführung man die vorhergehenden zu Stäben von 25
                              bis 30 Millimeter Dicke hatte schmieden lassen, nachdem sie vorher sämmtlich
                              abgegratet worden waren, um die Dopplungen unter dem Hammer zu vermeiden.
                           Bei der Ausführung der ersten dieser Zaine war der geschickte Platinfabrikant Matthey in London mit seiner Erfahrung behilflich, und
                              indem man drei Löthrohre anwendete, gelang es leicht, in ungefähr 1 Stunde 30
                              Minuten einen ersten Zain von 83 Kilogrm. zu schmelzen, welchen man als vollkommen
                              betrachten konnte. Einige Tage danach wurden zwei andere ähnliche große Zaine mit
                              demselben Erfolg geschmolzen. Die drei Zaine, welche zusammen ungefähr die 250
                              Kilogrm. verlangter Legirung bilden, wurden zuerst wie die vorhergehenden sorgfältig
                              abgegratet und dann mit der hydraulischen Presse gebrochen, um die Homogenität ihres
                              Korns beurtheilen zu können, welche als eine vollkommene befunden wurde.
                           Die Analyse dieser Zaine, welche von Deville gemacht
                              wurde, gab für alle drei identische Resultate, wonach die Legirung in 100 Theilen
                              folgende Zusammensetzung hat:
                           
                              
                                 Eisen
                                 Kupfer
                                 Rhodium
                                 Iridium
                                 Platin
                                 
                              
                                 0,006
                                 0,130
                                 0,060
                                 10,370
                                 39,440.
                                 
                              
                           Diese Resultate zeigen, daß man schon nach einer zweiten Schmelzung dahin gelangt
                              war, alle wünschbare Homogenität für die Legirung zu erhalten.
                           Die Zaine wurden nach ihrem Abgraten hernach zu Stäben von ungefähr 30 bis 35
                              Millimeter Dicke geschmiedet, wovon nur ein Theil – nämlich 137 Kilogrm.
                              – alsdann zu dünnen Blechen von 5 Millimeter Stärke ausgewalzt wurde. Der
                              Rest wurde, nachdem er abgegratet worden, mittels Borax und eines Waschens mit Säure
                              von den nach dem Schmieden zurückgebliebenen schwachen Spuren Eisenoxydul gereinigt
                              und dann in 52
                              Stücke zerschnitten, welche zusammen 110 Kilogrm. wogen und bestimmt waren, die
                              erste Charge des Tiegels und das Bad zu bilden, in welchem das Ganze geschmolzen
                              werden mußte. Da sich aus Deville's Analyse die Gegenwart
                              eines sehr schwachen Ueberschusses von Iridium ergab, so ergänzte man das verlangte
                              Gewicht für die Charge mittels 5 Kilogrm. nicht mit Iridium legirten Platins.
                           Das Chargiren des Tiegels aus grobkörnigem Kalkstein begann um 2 Uhr. Sein Inhalt
                              wurde vollständig ausgefüllt mit ungefähr 110 Kilogrm. legirten Platins, welches von
                              den drei großen Zainen und den Abgratungen herrührte, die in Stücke zerschnitten
                              waren, welche man im Tiegel regelmäßig in der Art vertheilte, daß die Homogenität
                              der Legirung so gut als möglich gesichert wurde.
                           Zum Heizen des Tiegels verwendete man sieben Löthrohre, deren jedes in einer
                              besonderen Fassung angebracht war. Der Druck des Sauerstoffgases wurde auf 180 Mm.
                              Quecksilbersäure regulirt. Das Anzünden der sieben Löthrohre fand um 2 Uhr 25 Min.
                              statt; das Bad der ersten Charge war um 3 Uhr 8 Min. gebildet, also in 43 Minuten.
                              Man begann alsdann die gewalzten Bleche einzuführen, was mit dem letzten Streifen um
                              3 Uhr 43 Min. geschah.
                           Zum vollständigen Schmelzen der 250 Kilogrm. mit Iridium legirten Platins waren nur
                              ungefähr 65 bis 70 Minuten erforderlich. Von Sauerstoffgas unter dem Druck von 1
                              Atmosphäre wurden nur 31 Kubikmeter und von Leuchtgas 24 Kubikmeter consumirt, was
                              nach dem Nettogewicht des erhaltenen Zaines für das Schmelzen von 100 Kilogrm.
                              Legirung 12,27 Kubikmeter Sauerstoff und 9,53 Kubikmeter Leuchtgas ergibt.
                           Nachdem eine kurze Zeit wieder erhitzt worden war, hob man den Deckel des Tiegels
                              auf, um den Zeugen der Operation die Besichtigung des Bades zu gestatten, welches
                              nun vollkommen eben erschien, ungeachtet einiger später erkannten
                              Unregelmäßigkeiten. Nachdem der Tiegel wieder geschlossen worden war, ließ man dem
                              Metall Zeit ein wenig abzukühlen, dann nahm man den Zain weg, um ihn vollständig von
                              dem anhaftenden Kalk zu befreien, indem man ihn zuerst mit Wasser und hernach mit
                              Salzsäure wusch.
                           Nach Beendigung dieser Operationen zeigte die Untersuchung dieses sehr großen Zaines,
                              wie bei den vorhergehenden, auf der ganzen inneren Seitenfläche die Gegenwart von
                              Metallstrahlen, welche nur bis auf einige Millimeter Tiefe in die Fugen der
                              Steinspalten eingedrungen und in denselben sofort erstarrt waren in Folge der
                              geringen Wärmeleitungsfähigkeit dieses Steines, welche der Art ist, das man auf die obere
                              Seite des Tiegeldeckels während des Schmelzens die Hand halten konnte.
                           Die obere Oberfläche des Zaines, im Allgemeinen eben, zeigte ein warziges Ansehen in
                              Folge sehr schwacher Vorsprünge gebildet durch kleine polygonale Kappen, deren jede
                              in der Mitte eine kleine Höhlung von ungefähr 1/4 Millimeter Tiefe hatte.
                           Um bei der späteren Arbeit des Ausschmiedens und besonders bei derjenigen des
                              Streckens unter dem Hammer die Doppelungen zu vermeiden, welche alle diese kleinen
                              Rauhigkeiten hervorbringen könnten, war es unumgänglich nothwendig, sie mit dem
                              Grabstichel zu beseitigen, was übrigens nicht weniger nothwendig war, um den wahren
                              Zustand dieses Zaines zu erkennen und um sich zu versichern, daß er allen
                              Erfordernissen der späteren Operationen entsprach.
                           In dem Zustande, worin er sich nach dieser vorbereitenden Arbeit befand, wurde der
                              Zain von den Mitgliedern der französischen Section sowie von deren ausländischen
                              CollegenDieselben sind die HHrn. Bosscha, Chisholm, Mikler,
                                       Stas, Otto Struve und Matthey. sorgfälig untersucht, welche sämmtlich erklärten, daß er nach ihrer Meinung
                              sich vollkommen für seine Bestimmung, die Verwendung zur Anfertigung der
                              Normalmetermaße, eigne.
                           Die oben erwähnte Bearbeitung mit dem Grabstichel zeigte überall eine gleiche Härte
                              des Metalles an; an keinem Punkte constatirte man die Gegenwart härterer Theilchen,
                              welche auf einen Ueberschuß von Iridium hingewiesen hätte.
                           Deville's Analysen von Proben, welche an verschiedenen
                              Punkten genommen worden waren, ergaben für den Gehalt an Irididium:
                           
                              
                                 Erste Probe
                                 10,28 Proc.
                                 
                              
                                 zweite Probe
                                 10,30    „
                                 
                              
                                 
                                 
                                    –––––––––
                                    
                                 
                              
                                 Mittel
                                 10,29 Proc.
                                 
                              
                           Es ist daher gestattet aus den sämmtlichen mitgetheilten Beobachtungen zu schließen,
                              daß der Zain den Bedingungen genügt, welche von der internationalen Commission
                              gestellt wurden und daß es sich empfiehlt, denselben ausschmieden zu lassen, um ihn
                              für die nachfolgenden Operationen des Streckens vorzubereiten.
                           Die Dimensionen des Zaines in seinem gegenwärtigen Zustande sind: Länge 1,140, Breite
                              0,178 und Dicke 0,080 Meter.
                           Durch die Arbeit, welcher er unterzogen werden wird, muß derselbe um ungefähr das 67fache seiner
                              gegenwärtigen Länge gestreckt werden. Dadurch werden die sehr schwachen, auf seiner
                              Oberfläche kaum erkennbaren Stiche (welche die Zaine von Edelmetallen immer
                              darbieten) vollständig verschwinden.Nach dem Vortrage dieses Berichtes in der französischen Akademie, legte
                                    Sainte-Claire Deville 8,2 Kilogrm. reines
                                    Osmium vor, welches aus den Rückständen der Platinfabrikation gleichzeitig
                                    mit den an die Meter-Commission abgegebenen 37 Kilogrm. reinem
                                    Iridium ausgezogen wurde. Er bemerkte, daß die Osmiumsäure ein starkes Gift ist. Beim
                                    Schmelzen des Platins findet unaufhörlich eine Entwicklung von Osmiumdämpfen
                                    statt, welche der Gesundheit schädlich sind und daher die Ausdauer der die
                                    Operation leitenden Personen auf eine starke Probe stellen. Die giftigen
                                    Wirkungen der Osmiumsäure sind sehr verschiedenartig; so werden manchen
                                    Personen durch sie die Augen angegriffen; andere bekommen einen
                                    Hautausschlag, für welchen Schwefelbäder ein wirksames Heilmittel sind;
                                    gewöhnlich stellen sich sehr ermüdende astmathische Erscheinungen ein
                                    – mit dem Schwerathmen und den Beklemmungen, welche sie
                                    begleiten.