| Titel: | Mittheilungen aus dem chemisch-technischen Laboratorium des Polytechnicums in Carlsruhe; von K. Birnbaum. | 
| Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. CXIX., S. 488 | 
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                        CXIX.
                        Mittheilungen aus dem chemisch-technischen
                           Laboratorium des Polytechnicums in Carlsruhe; von K. Birnbaum.
                        Birnbaum, über Wirkung eines fetthaltigen Dampfes.
                        
                     
                        
                           1) Beitrag zur Kenntniss der Wirkung eines fetthaltigen
                              Dampfes auf das Speisewasser von Dampfkesseln.
                           Im Laufe des letzten Jahres wurde mir die Aufgabe gestellt, die Mitwirkung des
                              Speisewassers bei der Zerstörung eines Dampfkessels zu erklären. Es stellte sich bei
                              der Untersuchung heraus, daß ein Fettgehalt des Speisewassers die Bildung eines von
                              Wasser nicht benetzbaren Kesselsteines veranlaßt hatte, daß unter der
                              Kesselsteinschicht die Wandung des Kessels stärker erhitzt wurde als an anderen
                              Stellen, und daß dadurch ein Reißen der Kesselwandung bewirkt wurde. Wiederholt sind
                              derartige Beobachtungen gemacht und beschrieben,Vergl. u.a. in Dingler's polyt. Journal: Renner, 1857 Bd. CXLVI S. 221; – Bolley, 1861 Bd. CLXII S. 164; – R. Weber, 1866 Bd. CLXXX S. 254; – C. Lermer, 1868 Bd. CLXXXVII. 441 u. Bd. CLXXXVIII
                                    S. 341. und ich würde den speciellen Fall kaum öffentlich besprechen, wenn es nicht
                              gerade bei ihm möglich gewesen wäre, die Erscheinungen genauer zu verfolgen, als es
                              sonst (z.B. bei Kesselexplosionen) der Fall zu sein pflegt. Der Kessel wurde nur
                              undicht, wurde betriebsunfähig; aber sowohl zur mechanischen wie chemischen
                              Begründung dieser Störung lag das vollständige Material vor.
                           Am 6. Juni 1872 wurde der betreffende Kessel in Betrieb gesetzt, schon nach vier
                              Tagen begann er zu rinnen. Das Rinnen nahm so zu, daß am 24. Juni ein Ausbessern des
                              Kessels nöthig wurde. Wenige Tage nachher jedoch trat wieder ein Undichtwerden ein,
                              so daß der Betrieb des Kessels am 9. August dauernd unterbrochen werden mußte. Eine
                              Commission von Sachverständigen, deren Obmann Hr. A. Kayser aus Neunkirchen war, stellte den Thatbestand fest. Der Kessel
                              – aus 11 bis 14 Millim. starkem Blech hergestellt, von einer Länge von 492
                              Centim. und einer Weite von 110 Centim. – zeigte am Boden der ersten und
                              zweiten Tafel Ausbauchungen. Auf der Feuertafel hatte die Beule eine Höhe von 8
                              Millim., auf der zweiten Tafel eine solche von 6 Millimeter. Zugleich waren die
                              Niete auf der ersten Tafel in der Längenrichtung des Kessels ausgerissen, die
                              Nietlöcher auf der zweiten Tafel waren durch einen Riß, der 5 Millim. weit klafte,
                              mit einander verbunden; die erste Tafel war um 10 Millim. verkürzt. Das Aussehen der
                              Feuertafel zeigte, daß sie einer hohen Temperatur ausgesetzt war; durch eine
                              Feuerbrücke war die
                              Stichflamme gerade an die Stelle geleitet, an welcher die Ausbauchungen beobachtet
                              wurden. Ohne näher auf die theoretischen Betrachtungen einzugehen, durch welche Hr.
                              Kayser den mechanischen Vorgang bei dieser
                              Deformation der Kesselwand erklärte, will ich nur erwähnen, daß höchst
                              wahrscheinlich durch Ablagerung von Kesselstein auf dem Boden des Kessels die
                              Wandung an dieser Stelle vor der Benetzung mit Wasser geschützt, durch die
                              Stichflamme stark erhitzt und dann durch den Dampfdruck ausgebaucht wurde. Kehrte
                              unter diesen Verhältnissen der Kessel beim Erkalten in seine Ruhelage zurück, so
                              suchte das Blech die vorher entstandenen Beulen zu ebnen und dabei wurde eine Kraft
                              entwickelt, welche hinreichte, die Nietlöcher auszureißen.
                           Es kam also darauf an, nachzuweisen, daß die Natur des im Kessel abgelagerten
                              Kesselsteines eine Ueberhitzung des von der Stichflamme getroffenen Theiles der
                              Kesselwandung möglich machte. Im Kessel fand sich nun außer einer in Papierdicke auf
                              der ganzen wasserbefeuchteten Fläche abgelagerten Decke gewöhnlichen Kesselsteines,
                              eine 2 bis 3 Millim. dicke Schicht eines pulverigen Körpers auf der vorderen, gegen
                              die Feuerung etwas geneigten Hälfte des Kesselbodens vor. Dieses Pulver zeigte sich
                              von Wasser sehr schwer benetzbar. Eine Probe dieser pulverförmigen Ablagerung wurde
                              mir zur Untersuchung zugestellt; zugleich übergab man mir, um die Entstehung dieser
                              Substanz erklären zu können, Wasser aus dem Brunnen, welcher das Speisewasser
                              lieferte, sowie auch aus dem Vorwärmer, in welchem das Speisewasser durch direct
                              einströmenden, von der Maschine kommenden Retourdampf angewärmt wurde.
                           Zunächst richtete ich meine Aufmerksamkeit auf den Kesselstein. Derselbe bestand aus einem hell graurothen trockenen Pulver,
                              gemischt mit kleinen Mengen einer weißen Substanz. Diese letztere erwies sich als
                              Calciumcarbonat. Da eine mechanische Trennung der Bestandtheile nicht möglich war,
                              zerrieb ich eine größere Menge des Pulvers so fein, daß man keine Verschiedenheit
                              der einzelnen Partikelchen mehr zu erkennen vermochte. Das so hergestellte ganz
                              homogene Gemisch diente mir zur Untersuchung.
                           Einen Theil des Pulvers suchte ich mit Wasser auszuziehen; dabei aber zeigte sich,
                              daß dasselbe von Wasser kaum benetzt wurde. Auf Wasser geworfen, bildete die
                              Substanz eine Decke, welche der Berührung mit Wasser so widerstand, daß man einen
                              Finger in dasselbe eintauchen konnte, ohne daß dieser feucht wurde. Erst durch
                              längeres Kochen mit Wasser gelang es, einen Theil des Pulvers von der Oberfläche
                              untersinken zu lassen. Das dann filtrirte Wasser hinterließ beim Verdampfen einen
                              höchst unbedeutenden, durch Glühen kaum veränderten Rückstand.
                           
                           Die Widerstandskraft des Kesselsteines gegen die Benetzung mit Wasser konnte nur
                              bedingt sein durch einen Gehalt an freiem Fett oder an in Wasser unlöslicher Seife.
                              Um das zu entscheiden, behandelte ich eine Portion des Pulvers mit reinem Aether.
                              Derselbe nahm indessen fast nichts aus der Substanz auf; er hinterließ beim
                              Verdampfen einen sehr geringen Rückstand, der sich nicht als Fett erwies. Eine
                              andere Portion des Kesselsteines kochte ich mit einer geringen Menge verdünnter
                              Schwefelsäure und schüttelte das schwach saure Gemisch nachher mit Aether. Etwa
                              vorhandene Kalkseife mußte nun zersetzt, die Fettsäure aus ihr frei gemacht sein und
                              diese in dem Aether sich lösen. In der That hinterließ auch die ätherische Lösung,
                              welcher durch wiederholtes Schütteln mit Wasser etwa aufgenommene Schwefelsäure
                              entzogen war, beim Verdampfen Oeltropfen, die beim Erkalten halb fest wurden. Mit
                              diesem Fettsäuregemisch war ich im Stande auf Papier Fettflecke zu erzeugen.
                           Es war somit nachgewiesen, daß in dem Kesselsteine eine in Wasser nicht lösliche
                              Seife enthalten sei. Um wenigstens näherungsweise eine Schätzung des Gehaltes von
                              dem Kesselstein an solcher Seife vornehmen zu können, behandelte ich 20 Grm. des
                              Pulvers in der oben angedeuteten Weise mit verdünnter Schwefelsäure und Aether und
                              verdampfte die ätherische Lösung in einem vorher gewogenen Gefäße. Nach dem
                              vollständigen Trocknen der Fettsäure bei 100° betrug die Menge derselben 1,2
                              Grm., so daß das Pulver wenigstens 6 Proc. Fettsäure in Form einer unlöslichen Seife
                              enthielt. Die gefundene Menge von Fettsäure mußte natürlich eine gewisse Quantität
                              Kalk oder Magnesia neutralisirt haben; um dieselbe zu bestimmen, führte ich eine
                              quantitative Analyse des Kesselsteines durch. Dabei wurde gefunden:
                           
                              
                                 In Salzsäure Unlösliches
                                 (Thon, Sand) 
                                 16,83
                                 Proc.
                                 
                              
                                 
                                 Eisenoxyd
                                 10,68
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 Kalk 
                                 29,28
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 Magnesia
                                 9,01
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 Kohlensäure
                                 21,78
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 Organisches
                                 9,47
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 Wasser 
                                 2,77
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 99,82 
                                 Proc.
                                 
                              
                           Außerdem waren noch quantitativ nicht zu bestimmende Mengen von Schwefelsäure
                              vorhanden.
                           Denkt man sich sämmtliche Kohlensäure an Kalk gebunden, so sind dazu nöthig 27,72
                              Proc. Kalk, so daß noch 1,56 Proc. Kalk und 9,01 Proc. Magnesia zur Neutralisation
                              der Fettsäure (in der organischen Substanz der obigen Analyse inbegriffen)
                              disponibel bleiben. Unter der Voraussetzung, daß die Fettsäure vorherrschend
                              Oelsäure sei, würden die 1,56 Proc. Kalk mehr als ausreichen, die Säure zu neutralisiren; ein Theil der
                              alkalischen Erden muß also frei, vielleicht in Form eines basischen Carbonates in
                              dem Kesselsteine enthalten gewesen sein. Immerhin folgt aus dieser Untersuchung, daß
                              das Pulver mindestens 7 bis 8 Proc. einer unlöslichen Seife enthielt.
                           Weiter aber mußte bestimmt werden, woher das Fett dieser Seife in den Kessel kam.
                              Dazu war sowohl das mir zugeschickte Brunnenwasser, als auch das Wasser aus dem
                              Vorwärmer einer quantitativen Untersuchung zu unterziehen; es war zu ermitteln, in
                              welcher Weise das Brunnenwasser durch den Dampf im Vorwärmer beeinflußt wurde.
                           Zunächst gebe ich zu vergleichender Uebersicht die Resultate der betreffenden
                              Wasseranalysen. Ich will bemerken, daß ich dabei nur auf die Kesselstein bildenden
                              Bestandtheile Rücksicht nahm, daß ich es nicht für nöthig hielt, auch die Menge der
                              in Wasser leicht löslichen Bestandtheile zu bestimmen, welche in keiner Weise durch
                              einen Fettgehalt des Dampfes beeinflußt werden konnten. Die folgenden
                              Gewichtsangaben sind alle ausgedrückt in Gramm und bezogen auf 1 Liter.
                           
                              
                                 
                                 Brunnenwasser.
                                 Vorwärmerwasser.
                                 
                              
                                 Gesammtrückstand (bei 120° getrocknet)
                                 0,128
                                 0,124
                                 
                              
                                 Glühverlust 
                                 0,024
                                 0,026
                                 
                              
                                 Glührückstand 
                                 0,104
                                 0,098
                                 
                              
                                 Durch Kochen abscheidbar (Carbonate)
                                 0,068
                                 0,075
                                 
                              
                                 In Wasser direct löslich
                                 0,036
                                 0,023
                                 
                              
                                 Analyse der Carbonate aus dem
                                 Brunnenwasser
                                 Vorwärmerwasser
                                 
                              
                                 In Salzsäure nicht löslich und durch
                                    Ammoniak     fällbar
                                    (SiO₂Fe₂O₃)
                                 0,005
                                 0,012
                                 
                              
                                 Calciumcarbonat 
                                 0,063
                                 0,062
                                 
                              
                                 Magnesiumcarbonat 
                                 Spur
                                 Spur
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 
                                 0,068
                                 0,074
                                 
                              
                                 Von den direct löslichen Salzen
                                    wurde noch bestimmt:
                                 
                              
                                 Calciumsulfat 
                                 0,0085
                                 0,0074
                                 
                              
                           Qualitativ wurde außerdem nachgewiesen ein Gehalt an löslichen Salzen von Magnesium,
                              Kalium, Natrium und Chlor.
                           Die beiden Wässer reagirten nicht auf Lackmuspapier, sie waren beide neutral. Das
                              Brunnenwasser war klar, das aus dem Vorwärmer entnommene aber war stark getrübt
                              durch einen braunen, in demselben suspendirten Körper, welcher wesentlich aus
                              Eisenoxydhydrat bestand, daneben aber auch Kalk und organische Substanzen enthielt.
                              Wurde das Wasser des Vorwärmers von dieser Trübung durch Filtration befreit,
                           
                              
                                 so hinterließ 1 Liter davon einen Rückstand von. 
                                 0,106 Grm.
                                 
                              
                                 derselbe verlor beim Glühen 
                                 0,016   „
                                 
                              
                                 und es blieb daher für die Summe der Salze. 
                                 0,090   „
                                 
                              
                           
                           Die Trübung betrug demnach im Liter dem Gewichte nach 0,018
                              Grm., und darin waren 0,008 Grm. feuerbeständige und 0,010 Grm. durch Glühen
                              auszutreibende Substanzen enthalten.
                           Aus diesen analytischen Resultaten lassen sich folgende Schlüsse ziehen:
                           Das Brunnenwasser ist als weich zu bezeichnen. Nahezu 2/3 der im Wasser enthaltenen
                              Bestandtheile sind gelöst durch Kohlensäure; die permanente Härte des Wassers ist
                              sehr gering. Verhältnißmäßig groß ist der Gehalt des Wassers an organischen
                              Substanzen (Glühverlust). Ein directer Versuch, bei welchem der Rückstand von 4
                              Liter des Wassers mit Schwefelsäure und Aether behandelt wurde, zeigte, daß in dem
                              Brunnenwasser kein Fett und keine Seife enthalten ist; die vorhandenen organischen
                              Körper können also auf die in Frage stehende Kesselsteinbildung nicht hinwirken. Das
                              Brunnenwasser war zur Speisung eines Dampfkessels entschieden geeignet.
                           Durch das Einströmen des Dampfes in das Wasser im Vorwärmer wird dasselbe zunächst
                              verdünnt; destillirtes Wasser wird zugeführt, so daß also das Wasser aus dem
                              Vorwärmer noch weniger Kesselstein liefern sollte als das Brunnenwasser. Aber außer
                              dem aus dem Dampfe verdichteten reinen Wasser werden in dem Vorwärmer dem
                              Brunnenwasser noch andere Körper zugeführt, welche auf Vermehrung der
                              Kesselsteinabscheidung hinwirken. Dieselben sind zum Theil anorganischer, zum Theil
                              organischer Natur. Von anorganischen Substanzen ist namentlich zu nennen
                              Eisenoxydhydrat. Es kann nicht auffallen, daß durch die Wirkung der im Brunnenwasser
                              enthaltenen Luft und Kohlensäure die eiserne Wandung des Vorwärmers mit Rost
                              bekleidet, daß dieser nachher losgelöst und so dem Wasser zugeführt wird. Der
                              Eisenrost ist indessen im Wasser nur suspendirt; das filtrirte Vorwärmerwasser ist
                              frei von Eisen. Die Menge der dem Wasser durch den Dampf zugeführten organischen
                              Substanzen ist nicht unbedeutend. Obgleich der Gesammtrückstand des Brunnenwassers
                              größer ist als der des aus dem Vorwärmer entnommenen Wassers, enthält der Rückstand
                              des letzteren doch mehr durch Glühen auszutreibender Körper. Auch diese im Vorwärmer
                              aufgenommenen organischen Substanzen sind in Wasser nicht löslich; das filtrirte
                              Vorwärmerwasser enthält eine kleinere Menge von organischen Körpern als selbst das
                              Brunnenwasser. Das Wasser aus dem Vorwärmer wurde direct auf Fett und Seife geprüft.
                              6 Liter des Wassers wurden eingedampft, der Rückstand gab an Aether erst nach der
                              Behandlung mit verdünnter Schwefelsäure Fettsäure ab. Die Menge der bei diesem
                              Versuche isolirten Fettsäure betrug 0,017 Grm. Es gelang ebenfalls in der beim
                              Filtriren einer größeren Menge des Vorwärmerwassers gesammelten mechanischen Verunreinigung
                              einen Gehalt an unlöslicher Seife nachzuweisen, während das filtrirte Wasser des
                              Vorwärmers durchaus frei von Seife sich erwies. Das Brunnenwasser hatte also durch
                              die Berührung mit dem Dampfe im Vorwärmer Fett aufgenommen; dieses Fett bildete eine
                              in Wasser unlösliche Seife, welche mit dem Eisenoxydhydrat in Wasser suspendirt
                              wurde. Flüchtige Fettsäuren, z.B. Buttersäure, die in ähnlichen Fällen im
                              Speisewasser zuweilen gefunden worden, habe ich nicht nachweisen können.
                           Als Resultat für die Praxis ergibt sich aus dieser Untersuchung, daß man in dem
                              Vorwärmer das Wasser nicht in directe Berührung mit dem Retourdampf bringen darf.
                              Viel rationeller ist es, den Dampf durch Röhren treten zu lassen, welche von dem
                              Wasser im Vorwärmer umspült werden. Leitet man den Dampf von der Maschine direct in
                              das Wasser im Vorwärmer, so sollte man wenigstens durch nachherige Filtration des
                              Speisewassers die Gefahr, welche dem Kessel durch einen Fettgehalt des Retourdampfes
                              droht, vermindern.