| Titel: | Der Kupferrubin und die verwandten Gattungen von Glas; von Paul Ebell. | 
| Fundstelle: | Band 213, Jahrgang 1874, Nr. CXXII., S. 497 | 
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                        CXXII.
                        Der Kupferrubin und die verwandten Gattungen von
                           Glas; von Paul
                              Ebell.
                        Aus dem chemisch-technischen Laboratorium
                           des Collegium Carolinum zu
                           Braunschweig.
                        (Schluß von Seite 411 des vorhergehenden Heftes.)
                        Ebell, über den Kupferrubin und die verwandten Gattungen von
                           Glas.
                        
                     
                        
                           III. Nachträgliche Bemerkungen über den
                                 Goldrubin.
                           Die früheren Mittheilungen über diesen Gegenstand aus dem hiesigen LaboratoriumDieses Journal, 1871 Bd. CCI S. 117 ff. bedürfen einiger Berichtigungen und Ergänzungen, die sich bei Gelegenheit
                              der vorliegenden Untersuchung ergeben haben.
                           Es ist dort S. 129 einer mehrfach beobachteten Erscheinung beim Schmelzen des Glases
                              mit Gold gedacht, wonach dieses durch die ganze Masse des Glases schwarzgrau bis
                              schwarz, undurchsichtig getrübt erhalten wurde und nicht roth anlief. Es lag nahe,
                              diese Erscheinung als eine Ausscheidung von Gold im Zustande der höchsten
                              Zertheilung, so wie beim Fällen von Goldlösungen mit Quecksilberoxydulsalzen, als
                              schwarzen Niederschlag zu deuten. Auch entsprachen die in dieser Richtung
                              angestellten Versuche dieser Erklärung. Gleichnamige Erfahrungen mit dem Kupferglas
                              gaben indessen die entschiedensten Beweise, daß dieses Schwarzwerden weder dem
                              Gold- noch Kupfer-, sondern lediglich dem Bleigehalt des Glases
                              angehört, wovon später näheres.
                           Der Goldrubin der Glashütten wechselt in- der Farbe von Violett bis in's
                              Scharlachrothe; diese letztere Farbe ist die geschätztere. Bei den Schmelzungen im
                              Laboratorium erhielt man immer nur mehr oder weniger violettes Glas. Unter gewesen
                              Umständen nimmt das Goldglas noch eine dritte Farbe – nämlich ein schönes
                              lichtes Himmelblau an. Die Sammlung des hiesigen technischen Laboratoriums verdankt
                              der Güte des Hrn. Director Pohl eine schöne Probe dieses
                              himmelblauen Glases. Unter welchen Bedingungen sie entstanden, ob zufällig oder absichtlich erzeugt,
                              ist mir nicht bekannt.
                           Es scheint nach diesen Thatsachen, daß das Gold im Glase zweierlei Färbungen
                              hervorzubringen vermag, Roth und Blau, die entweder gleichzeitig als Mischfarbe im
                              violetten, oder einzeln im rothen und blauen Goldglas auftreten.
                           Durchgegangenes Goldglas erscheint dem bloßen Auge braunroth bis leberbraun im
                              zurückgeworfenen, im durchgehenden Lichte dagegen von schönem gedämpftem Blau. Bei
                              durchfallendem Lichte unter dem Mikroskop, auch bei 800facher Vergrößerung, ist in
                              dünnen Splittern weder die blaue Farbe zu erkennen, noch eine bestimmte
                              Ausscheidung; man sieht das Glas lediglich mit einer rauchartigen leichten
                              braunschwarzen Trübung, die sich nicht in Punkte auflöst. Dickere Stücke, starke
                              Fäden z.B., sehen dagegen blau aus, wie vor dem bloßen Auge, mit kaum
                              wahrzunehmender Trübung. Sehr verschieden ist das Bild im auffallenden Lichte unter
                              dem Mikroskop; die rauchähnliche Trübung tritt als ein Lichtnebel auf, bei
                              Lampenlicht rein gelb, bei Tageslicht etwas in's Röthliche gehend, aber ebensowenig
                              in Punkte auflösbar; das Glas selbst, d.h. die Grundmasse, zeigt keinerlei Farbe.
                              Die Ausscheidungen aus dem durchgegangenen Goldrubin sind daher zwar dichtgesäet
                              aber von außerordentlicher Feinheit, bedeutend feiner als die des leberigen
                              Kupferglases, etwa der schleierartigen Trübung des käuflichen Kupferrubin
                              entsprechend. Daß die himmelblaue Farbe des durchgegangenen Goldglases nur eine
                              Interferenzerscheinung ist, wie sie beim Durchgang des Lichtes zwischen den
                              zahllosen unendlich kleinen Theilchen des ausgeschiedenen Metalles nicht wohl
                              ausbleiben kann, – dafür liefert das Niederschlagen des Goldes auf seinen
                              Lösungen den Beweis. Denn die Flüssigkeit mit dem feinzertheilten gefällten Golde
                              erscheint im zurückgeworfenen Lichte ebenso braun und im durchgehenden Lichte ebenso
                              blau, wie das durchgegangene Goldglas.
                           Im durchgegangenen Goldglas von nicht zu rascher Erkaltung im Tiegel begegnet man
                              öfter rothbraunen opaken Adern, die sich stark von dem tief schwarzbraunen, mehr
                              durchsichtigen Glase abheben. Bei auffallendem Lichte unter dem Mikroskop erscheinen
                              sie als dichte, geschlossene, dem v. Pettenkofer'schen
                              Hämatinon sehr nahe kommende, mikroskopisch nicht auflösbare Trübung, während das
                              gewöhnliche leberige Goldglas in einem hellgelben leuchtenden Nebel sich darstellt.
                              Selbst bei einer Vergrößerung, bei welcher die Körner des Kupferhämatinon schon
                              auf's deutlichste sich scheiden, ist die Trübung des rothen Goldglases noch nicht
                              als getrennte Punkte unterscheidbar.
                           
                           Bei absichtlich in die Länge gezogenem Erkalten des Goldglases im Feuer findet man
                              umfangreiche Stellen von der Farbe des Kupferaventurin nur weniger roth, etwa wie
                              blasses gelbes Wachs, die schon für das bloße Auge lose, nicht geschlossen getrübt
                              erscheinen. Solche Theile lösen sich schon bei schwächster Vergrößerung in sehr
                              deutliche, getrennte, blitzende hochgelbe Flitter auf (bei auffallendem Licht). Es
                              ist dies der Zustand des Goldglases, welcher dem Aventurin entspricht.
                           Beim Goldglas wiederholen sich sonach alle bei dem Kupferglas vorkommende
                              Erscheinungen: Löslichkeit des Goldes im Glase und zwar in farblosem und in
                              färbendem Zustande, Uebergang des ersteren Zustandes in letzteren durch
                              nachträgliches gelindes Erhitzen (Anlaufen), endlich dem Hämatinon und dem Aventurin
                              entsprechende Ausscheidungen bei langsamem Erkalten. Reichliche Lösung von
                              metallischem Golde findet nur bei sehr hohen Temperaturen statt; alsdann geht aber
                              das Gold nur als nichtfärbendes Molecül in das Glas ein. Daß das Gold aber auch als
                              färbendes Molecül unmittelbar vom Glase bei niederen Glühgraden aufgenommen wird,
                              beweisen die Purpurflecken, welche bei der Abnützung der Muffelvergoldung auf
                              Porzellan in der Glasur zurückzubleiben pflegen. – Was die Ausscheidungen
                              betrifft, so können diese selbstverständlich im Goldglase nie so charakteristisch
                              und ausgebildet auftreten wie im Kupferglase, weil das Gold überhaupt nur in so
                              geringen Mengen (Zehntausendtel) vom Glase gelöst wird, die im nicht durchgegangenen
                              eigentlichen Rubinglas, bei der erstaunlichen Färbekraft des Goldes, zwar eine
                              große, nach der Ausscheidung aber eine verhältnismäßig schwache Wirkung
                              hervorbringen.
                           Nach der Deutung von H. Rose
                              Berliner Akademie-Berichte, October 1847; ferner in Poggendorff's Annalen, 72 S. 556. sollte im Goldrubinglas vor dem Anlaufen kieselsaures Goldoxydul enthalten
                              sein. Dieses, so vermuthet er weiter, nur bei hohen Hitzgraden beständig, zersetze
                              sich bei niederen Temperaturen und bewirke das Anlaufen durch Freiwerden von
                              Goldoxydul. Diese Auslegung, ohnehin nicht experimentell gestützt und mit der
                              mikroskopischen Beobachtung nicht im Einklang, läßt den Unterschied vom roth
                              angelaufenen und durchgegangenen Goldrubin unerklärt. – Nach C. A. Seely soll schon Faraday
                              darauf hingewiesen haben, daß die Färbung des Goldrubinglases von metallischem Gold
                              herrühre. Es ist mir nicht gelungen, die betreffende Stelle aufzufinden, welche Seely
                              Artizan Bd. 29 S. 269 vom 1 Dec 1871. –
                                    Daselbst heißt es: „Faraday made the first
                                          approach to it (nämlich einer solution
                                          of metals without a definite chemical action) by showing, that the colour of ruby glass is due
                                          to metallic good“
                                     selbst nicht näher bezeichnet.
                           
                        
                           
                           IV. Schwarzanlaufende bleihaltige
                                 Gläser.
                           Das Schwarzwerden von Stäben und Röhren aus bleihaltigem Glase vor der Gebläselampe
                              ist männiglich bekannt; übersehen wird dabei gewöhnlich, daß es ohne Unterschied der
                              Reaction der Flamme entsteht, nicht blos in der reducirenden, sondern auch in mit
                              Luft noch so übersetzten blauen Stichflammen. Das Schwarzwerden beschränkt sich auf
                              die Oberfläche oder auf sehr seichte Tiefen und verschwindet augenblicklich, wenn
                              man einen Salpeterkrystall auf dem glühenden Glase schmelzen läßt.
                           Im Jahre 1862 machte L. Elsner in der Berliner
                              Porzellanmanufactur die Beobachtung, daß auch beim Schmelzen von Flüssen für die
                              Porzellanmalerei Schwärzung eintritt. Die dazu übliche Mischung aus Mennige und
                              Quarzsand wurde in mehreren bedeckten Tiegeln im Verglühfeuer des Porzellanofens
                              eingesetzt. Nach der Brandausnahme fand sich in mehreren Tiegeln der Fluß im
                              gewöhnlichen Zustande eines wachsgelben durchsichtigen Glases; in anderen
                              pechschwarz wie Obsidian; in noch anderen roth von karneolartigem Ansehen; in noch
                              anderen endlich zeigten sich alle drei Zustände zugleich, an der Oberfläche
                              wachsgelbes durchsichtiges Glas, darunter karneolartiges und zu unterst
                              obsidianschwarzes. Der Procentische Bestand der Gläser, die sich auf 65 Proc.
                              Bleioxyd und 35 Proc. Kieselerde berechnet, war in allen drei Gläsern derselbe.
                           Bei den Schmelzungen von Goldrubin mit sehr bleihaltigem Glase erhielt M. Müller ebenfalls einen schwarzen, dem von Elsner beschriebenen sehr ähnlichen Fluß, wie bei dem
                              Abschnitt über die goldhaltigen Gläser erinnert worden.
                           Dieselbe Erscheinung wiederholt sich beim Schmelzen von Kupferrubin bei sehr
                              schwachem Zusatz von Kupferoxyd mehrmals (f. o.). Der Satz zum Glase war: 48 Sand,
                              60 Mennige, 12 Potasche und 8 Kalisalpeter. Dieser Satz, mit 0,04 Proc. Kupferoxyd
                              und 1 Proc. Zinn geschmolzen, gab zweimal (im Essenofen und im tragbaren Windofen)
                              schwarzes trübes Glas beim Abkühlen im Tiegel. In Wasser gegossen, erstarrten die
                              dünnsten Stücke farblos und liefen nachträglich erhitzt stark schwarz an. Auch beim
                              Ueberfangen wurde das Glas erst sehr hell und lief dann wieder dunkel an. –
                              Derselbe Satz, mit 0,25 Proc. Kupferoxyd und 0,75 Proc. Hammerschlag bei
                              Gelbrothglut geschmolzen, gab zwar ein durchsichtiges weingelbes Glas, aber es hatte
                              dies im hohen Grade die Eigenschaft, im Wasserstoffstrom geglüht, oberflächlich tief
                              schwarz anzulaufen.
                           Die doppelte Erfahrung mit dem Gold- und mit dem Kupferrubin, zusammengehalten
                              mit den weiteren in diesem Abschnitt aufgeführten Beobachtungen, führte auf die Vermuthung, daß
                              das Schwarzwerden weder mit dem Gold-, noch mit dem Kupfergehalt zu thun
                              habe, sondern eine mit dem Bleigehalt zusammenhängende Erscheinung sei. In der That
                              gab das Bleiglas obigen Satzes mit 1 Proc. Zinn, ohne Kupfer oder Gold, ein
                              vollkommen gleiches schwarzes, durch Abschrecken in Wasser farblos und durch
                              Nacherhitzen wieder schwarz anlaufendes Glas. Man kann auf diese Art das schwarze
                              Glas jederzeit willkürlich darstellen. Dagegen ist niemals schwarzes, sondern nur
                              gewöhnliches durchsichtiges, an der Oberfläche etwas gelb gefärbtes Glas erhalten
                              worden, wenn man ein bleifreies Glas, z.B. Spiegelglas mit Zinn, zusammenschmolz;
                              das Zinn fand sich dann als Regulus am Boden des Tiegels.
                           Bei dem schwarzen, in der beschriebenen Weise geschmolzenen Bleiglase findet man
                              mitunter eine dünne, nur am Tiegelrand etwas verdickte Schichte von wachsgelbem
                              klaren Glase. Das im glühenden Fluß in Wasser geschrenzte farblose Glas verwandelt
                              sich schon unter der sichtbaren Glühhitze rasch in tief schwarzes Glas – eine
                              Erscheinung, die ganz in der Art des Anlaufens vor sich geht. Das schwarze etwas
                              in's Graue gehende Glas ist in Schichten von 1/2 bis 1/3 Millim. noch völlig
                              undurchsichtig. – Nur sehr dünne Splitter erscheinen unter dem Mikroskop
                              einigermaßen durchsichtig, rauchbraun getrübt, die Trübung bei stärkster
                              Vergrößerung eben beginnende Granulation zeigend. Im auffallenden Lichte gibt das
                              Mikroskop ein gänzlich verschiedenes Bild; der rauchbraune Schleier erscheint als
                              leuchtender weißlicher Nebel, aber nicht erkennbar in Punkte gelöst.
                           Als man obiges mit Zinn geschmolzenes Bleiglas im geschlossenen Feuer langsam
                              erkalten ließ, fand sich sein Ansehen für das bloße Auge nicht geändert; es stellte
                              denselben glänzenden schwarzen Fluß dar, gewährte aber unter dem Mikroskop ein
                              wesentlich anderes Ansehen. Im durchgehenden Lichte löste sich die schwarze Masse
                              schon bei 80facher Vergrößerung deutlich und scharf in eine nahezu durchsichtige,
                              schwach grau braune Grundmasse mit zahlreichen getrennt liegenden schwarzen Tupfen
                              von zweierlei Größe auf. Die kleineren sind in weit überwiegender Mehrzahl
                              vorhanden, die größeren in der Minderzahl. Beide treten nicht als bloße Punkte,
                              sondern die kleinen wie die großen als Flächen – und zwar als Flächen auf, in
                              denen keine Dimension wesentlich überwiegt. Uebergänge in der Größe zwischen den
                              großen und kleinen Tupfen kommen schlechterdings nicht vor, die Tupfen jeder Gattung
                              sind von auffallend gleicher Größe. Bei 300facher Vergrößerung ist die Gestalt der
                              größeren Tupfen bestimmt und deutlich als kreisrund zu erkennen, während die
                              kleineren bei keiner Vergrößerung definirte Gestalten zeigen; doch scheinen sie eher
                              stumpfeckige als kreisrunde zu sein. Die kleinen wie die großen Tupfen sind sehr
                              gleichmäßig im Glase vertheilt und unter einander gemischt. Wahrscheinlich sind die
                              runden größeren Tupfen das anfangs ausgeschiedene, noch zu Tropfen geschmolzene
                              Blei; die kleineren Körner nicht mehr oder unvollkommen geschmolzene Krystalle von
                              metallischem Blei späterer Ausscheidung im Verlauf des Erkaltens. – Im
                              auffallenden Lichte treten die großen wie die kleinen Punkte mit hellen glänzenden
                              Reflexen hervor, die selbst bei Lampenlicht kaum gelb, mit weißer in's Graue
                              gehender Farbe leuchten. Der Reflex nimmt nur einen kleinen Theil der sonst dunklen
                              Fläche der Körner ein, die in einem lichten weißlichen Schleier eingebettet liegen.
                              In der unmittelbaren Umgebung der groben Körner fehlt dieser Nebel, so daß sie mit
                              einer dunklen Aureole umgeben scheinen.
                           Den beigebrachten Thatsachen zufolge beruht die schwarze Farbe des Bleiglases auf
                              Ausscheidungen, vom zarten nicht lösbaren Nebel an bis zu deutlichen Körnern. Die
                              Ausscheidungen sind völlig undurchsichtig, metallglänzend von hell weißgrauer Farbe
                              – analog den Ausscheidungen der mit Kupfer, Silber und Gold geschmolzenen
                              Gläser. Diese Ausscheidungen bilden sich nur bei Gläsern von sehr hohem Bleigehalt,
                              nicht in denen mit weniger Blei, und zwar bei den Schmelzversuchen im Tiegel unter
                              Einwirkung eines Reductionsmittels. In Elsner's
                              Porzellanmalerfluß ist ausschließlich Bleioxyd, in dem in meinen Versuchen
                              verwendeten Bleiglas außerdem noch Kali vorhanden. Wenn man nicht annehmen will, daß
                              Kieselerde oder Kali reducirt wird, so kann die Wirkung des Reductionsmittels sich
                              nur auf das so leicht reducirbare Bleioxyd erstrecken und die metallglänzenden
                              Ausscheidungen können schwerlich etwas anderes als metallisches Blei sein. Wie die
                              Ausscheidungen bei Röhren und Stäben vor der Glasbläserlampe in der Oxydationsflamme
                              zu Stande kommen, ob durch Dissociation des Bleioxydes oder wie sonst, muß dahin
                              gestellt bleiben.
                           Ist das schwarze Glas ein Glas mit fein zertheilt ausgeschiedenem Blei, was ist denn
                              das karneolartige rothe von Elsner beobachtete? Bei
                              meinen eigenen Schmelzungen ist nie ein solches vorgekommen. Als man indessen einen
                              durch Abschrecken in Wasser farblos gemachten Faden des zufällig erhaltenen
                              schwarzen Bleiglases in der Flamme möglichst langsam an einem Ende anlaufen ließ, so
                              färbte sich der Faden auf eine kurze Strecke zwischen dem schwarz gewordenen Ende
                              und dem farblos gebliebenen, schön rubinroth. Dieses Glas war aber kein bloßes
                              Bleiglas, sondern mit Zusatz von 0,04 Proc. Kupferoxyd geschmolzen, und die
                              Rubinfarbe rührt ohne Zweifel von dem Kupfer her. Beim Erhitzen läuft das Glas zweimal an, erst
                              durch Kupfer roch, gleich darauf durch Blei schwarz und zwar so tief, daß das Roth
                              sofort überdeckt und leicht übersehen wird. Daß das vorübergehende Roth nichts mit
                              dem Blei zu thun hat, sondern lediglich Kupferrubin ist, dafür liefern völlig
                              kupferfreie Gläser den Beweis. In eigens zu dem Zweck angestellten Versuchen schmolz
                              man einen Satz wie oben aus 48 Gewichtstheilen Sand, 12 Potasche und 8 Salpeter,
                              ersetzte aber die stets kupferhaltige Mennige durch eine gleichwertige Menge
                              kupferfreies, besonders dargestelltes kohlensaures Blei und fügte als
                              Reductionsmittel zu dem klargeschmolzenen Glase kupferfreies Zinn hinzu. Das Glas
                              lief leicht und tief schwarz an, aber die rothe Färbung blieb vollständig aus.
                              Sonach ist das Auftreten des karneolrothen Glases bei Elsner nur einem Kupfergehalt der Mennige zuzuschreiben; bei der starken
                              färbenden Kraft des Kupfers ist ein Bruchtheil von einem Procent dazu mehr als
                              ausreichend. In Folge der langsamen Abkühlung, wie sie das Verglühfeuer des
                              Porzellanofens mit sich bringt, schied sich das Kupfer als karneolartige Trübung
                              aus, in einigen Tiegeln zugleich mit der schwarzen Trübung durch das Blei. In dem
                              überaus leichtflüssigen Material konnte während der langen Dauer des
                              Porzellanbrandes eine Decanthation Platz greifen, der schwerere Bleiniederschlag
                              setzte sich zu unterst, der leichtere Kupferniederschlag darüber ab (das spec.
                              Gewicht des Kupfers verhält sich zu dem des Bleies nahe wie 3 : 4), während die
                              oberste Glasschichte gänzlich frei von Ausscheidung, also durchsichtig und klar
                              wurde. Die sonstigen von Elsner beobachteten
                              Verschiedenheiten bei dem Glase der einzelnen Tiegel mögen von der Stellung der
                              Tiegel im Feuer, ungleicher Wirkung der Verbrennungsgase, namentlich auch von
                              ungleicher Abkühlung herrühren.
                           Elsner nahm auf Grund des verschiedenen specifischen
                              Gewichtes und der Gleichheit des procentischen Bestandes die drei Arten Bleifluß als
                              ebensoviel allotropische Modificationen an. Allein die chemische Analyse
                              unterscheidet nicht zwischen gebundenem und fein ausgeschiedenem Blei; auch ist es
                              nicht möglich einen Tiegel voll bleihaltigen Glases oder Bleisilicat zu schmelzen
                              von einer überall gleichförmigen Dichte. Nur das Mikroskop kann über dergleichen
                              Erscheinungen Aufschluß geben.
                           Die Thatsache, daß nicht alle bleiischen Gläser, sondern nur die von sehr hohem
                              Bleigehalt durch Reductionsmittel Ausscheidungen von Blei geben und schwarz werden,
                              weist sehr darauf hin, daß in diesen letzteren das Bleioxyd in zwei verschiedenen
                              Zuständen vorhanden: an Kieselerde gebunden und frei im Glase gelöst. Eine Analogie
                              dazu besteht aller Wahrscheinlichkeit nach u.a. in mit Chromoxyd geschmolzenem Glas,
                              wo ein Ueberschuß des Oxydes im Erkalten auskrystallisirend den sogenannten Chromaventurin
                              bildet. Es wäre, jene Annahme als richtig vorausgesetzt, nur das freie, im Glase nur
                              im feurigen Fluß aufgelöste Bleioxyd, durch dessen Reduction das Schwarzwerden
                              hervorgebracht wird.
                           Wenn auch die bleiischen Gläser in Bezug auf die metallische Ausscheidungen mit den
                              Gold-, Silber- und Kupfergläsern parallel gehen, so weichen sie doch
                              in einem Punkte wesentlich ab: es fehlt die Färbung des Glases durch aufgelöstes
                              metallisches Blei. Daß sich das Blei als solches, wie die eben genannten Metalle, im
                              feurigflüssigen Glase löst, beweist die Durchsichtigkeit des im Wasser
                              abgeschreckten, sonst schwarz werdenden Glases einerseits, andererseits aber auch
                              das Durchsichtig- und Klarwerden des schwarz gewordenen Glases durch
                              nochmaliges Schmelzen und Abschrecken in Wasser – auch im Innern, wo keine
                              Oxydation hingelangen kann. Das metallische Blei scheint sich daher nur farblos im
                              Glase zu lösen und keiner Anlauffarbe fähig zu sein.
                           
                        
                           V. Allgemeine
                                 Schlußfolgerungen.
                           Die in der vorstehenden Untersuchung mitgetheilten Thatsachen haben zu Wahrheiten
                              geführt, die nach mehreren Seiten hin Bedeutung haben für die Erkenntniß des Glases,
                              für die Erkenntniß der Metalle und für die Erkenntniß der Farbstoffe. Diese
                              Wahrheiten in kürzester Zusammenfassung sind folgende:
                           1) Manche Metalle vermögen sich als solche im feurig flüssigen Glase zu lösen,
                              nämlich edle Metalle wie Gold und Silber und leicht reducirbare unedle wie Kupfer
                              und Blei.
                           2) Die Metalle Gold, Silber, Kupfer vermögen in zwei verschiedenen Molecularzuständen
                              in das Glas einzugehen: in einem das Glas nicht färbenden und einem das Glas
                              auffallend färbenden Zustande.
                           3) Der nichtfärbende Molecularzustand des Metalles entspricht den höchsten
                              Temperaturlagen und dem status nascendi; der färbende
                              Molecularzustand entspricht den niederen Temperaturlagen und dem Zustande des derben
                              Metalles.
                           4) Das „Anlaufen“ ist der Uebergang des einen in den anderen
                              Molecularzustand durch Einwirkung von Wärme (Licht).
                           5) Die Färbung der Gläser, welche den Gegenstand dieser Untersuchung ausmachen,
                              geschieht technisch auf zwei verschiedenen Wegen. Entweder durch Einführung des
                              Metalles im nichtfärbenden Zustande in das Glas, durch Schmelzen bei hoher
                              Temperatur und Anlaufenlassen; oder durch Einführung des Metalles unmittelbar im
                              färbenden Zustande, durch Lasur bei niederer Temperatur.
                           
                           6) Durch Schmelzung erzeugte Lösungen der betreffenden Metalle erstarren bei rascher
                              Abkühlung als solche unverändert.
                           7) Bei langsamer Abkühlung scheidet sich aus der glasigen Lösung das Metall, je nach
                              den herrschenden Bedingungen, in verschiedenen Formen aber stets in metallischem
                              Zustande ab, als feinzertheilter Niederschlag, als mikroskopische oder für das
                              unbewaffnete Auge erkennbare Krystalle. Hämatinon und Aventurin sind solche auf
                              krystallinischen Ausscheidungen von Kupfer aus dem Glase berührende technische
                              Producte.
                           8) Die Metalle Gold, Silber, Kupfer zeigen im Zusammenhang ihres optischen
                              Verhaltens, im derben und im gelösten Zustande, die größte Analogie mit Farbstoffen
                              mineralischer und organischer Abstammung Berlinerblau, Indig, Anilinfarben, Murexyd
                              u.s.f.).
                           Diese letztere Erscheinung und Analogie ist merkwürdig genug und bietet gewiß einen
                              dankbaren Stoff zu weiterer Forschung. Viele Farbstoffe zeigen als feste Körper
                              einen entschiedenen Metallglanz, so Indig und Berlinerblau beim Reiben mit einem
                              glatten Körper den rothen Metallglanz des Kupfers, Anilinfarben in ausgezeichnetster
                              Weise, namentlich krystallisirt, Glanz und Farbe von Messing, Tombak, Bronze. Auch
                              das bekannte Bronziren von gefärbten Fellen mit Blauholzauszug gehört hierher.
                              Dieselben Körper erscheinen fein zertheilt oder gelöst in einer reichen
                              eigenthümlichen und lebhaften Farbe. Die beiden Farben, mit denen diese Körper im
                              auffallenden und im durchgehenden Lichte auftreten, sind bekanntlich stets nahezu
                              complementäre. Ein gleiches Verhältniß besteht bei dem Gold, Silber und Kupfer
                              zwischen dem metallischen Zustande und der Lösung in Glas. Diese Metalle sind wahre
                              Farbstoffe auf feurigem Wege – um so mehr, als sie die gewöhnlichen
                              Farbstoffe der festen Form an Dichte und somit an der Fähigkeit, das Licht zu
                              reflectiren, bei weitem übertreffen. Mit der großen Dichte dieser Metalle hängt auch
                              die außerordentliche färbende Kraft namentlich des Goldes zusammen.
                           Diese merkwürdige Analogie der Metalle mit den Farbstoffen hat nicht verfehlt, die
                              Aufmerksamkeit der Physiker von Fach auf sich zu ziehen. Schon vor einigen Jahren
                              macht C. A. Seely
                              Auf dem meeting of the american association for the
                                       advancement of science. Artizan, Bd. 29 S. 269 vom 1 December
                                    1871. – davon ausgehend, daß (durch Verdichtung des Gases hergestelltes)
                              flüssiges Ammoniak die Alkalimetalle als solche mit rother bez. blauer Farbe löst
                              – folgende Betrachtung: „The solution of
                                    metal without definit chemical action is almost a new idea in
                                    chemistry. – – – In their
                                    relation
                                 
                                 to light, I suggest, that metals are closely analogous to
                                    those dye stuffs, which show a bronze surface by reflected
                                    light“
                              
                           Der überlieferte Begriff von Glas, die herkömmlichen wissenschaftlichen Anschauungen
                              von der Natur dieses Erzeugnisses sind augenscheinlichangenscheinlich zu einseitig und zu eng, sie bedürfen der Erweiterung und der Ergänzung
                              nach mehr als einer Seite, wenn sie die ganze Reihe der Erscheinungen erklären
                              sollen, die bis jetzt als ebensoviele Räthsel dastehen. Es wird nach fortgesetzter
                              Forschung, namentlich über die Emaile, die Glas- und Porzellanmalerfarben,
                              Chromaventurin, v. Pettenkofer's Astralite u.a.m.
                              bedürfen, ehe man von einer einigermaßen abgeschlossenen Erkenntniß reden kann.
                              Schon jetzt kann man indessen, ohne sich einer Uebereilung schuldig zu machen den
                              Satz gelten zu lassen: die verschiedenen Gattungen von Glas sind nicht blos
                              erstarrte amorphe Verbindungen, sondern in einer großen Anzahl von Fällen erstarrte
                              Lösungen einfacher und zusammengesetzter Körper in einer feurig flüssigen
                              Verbindung.