| Titel: | Reithmann's Gasmotor; von Professor Linde in München. | 
| Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. XVIII., S. 91 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XVIII.
                        Reithmann's Gasmotor; von Professor Linde in München.
                        Aus dem bayerischen Industrie- und Gewerbeblatt,
                              August 1874 S. 228.
                        Mit einer Abbildung.
                        Linde, über Reithmann's Gasmotor.
                        
                     
                        
                           Die Construction des von Reithmann patentirten Gasmotors
                              ist im Wesentlichen folgende: In einem Cylinder bewegen sich zwei Kolben, deren
                              alternirende Bewegung auf die Kurbel übertragen wird und dieser eine continuirliche
                              Drehbewegung mittheilt. Die Kolben sind nur während des Rückganges durch eine Art
                              Sperrwerk mit der Kurbel gekuppelt und übertragen beim Vorwärtsgange keine Bewegung
                              an diese, ähnlich wie bei der Otto-Langen'schen Maschine; in Folge der abwechselnden
                              Kolbenbewegung findet jedoch eine continuirliche Einwirkung auf die Kurbel jederzeit
                              statt, während bei der einfach wirkenden Otto-Langen'schen Maschine die Bewegungsausgleichung durch das
                              Schwungrad besorgt wird.
                              Die Kolben werden abwechselnd durch die Explosion eines entzündeten Gemisches von
                              Leuchtgas und atmosphärischer Luft nach vorwärts geschleudert, die zwischen beiden
                              Kolben befindliche atmosphärische Luft wird dabei zusammengepreßt und treibt die
                              Kolben nach Beendigung des Hubes wieder zurück, während durch die Condensation der
                              bei der Explosion entstandenen Dämpfe und durch Abkühlung der permanenten
                              Verbrennungsgase auf der Vorderseite die Spannung weiterhin sinkt und niedrig
                              gehalten wird. Diese Condensation und Abkühlung wird durch das den Cylinder
                              umgebende Kühlwasser unterstützt.
                           Zum Zwecke der Beurtheilung der theoretischen Leistungsfähigkeit vergleichen wir den
                              Vorgang dieser Maschine mit Hilfe des nachstehenden Diagrammes mit dem der Maschine
                              von Otto-Langen.
                           Bei der einfach wirkenden Maschine von Otto-Langen ist der Cylinder an einem Ende offen,
                              daher der Druck über dem Kolben stets constant gleich dem Atmosphärendruck. Das
                              Gesetz der Druckabnahme der expandirenden Gase hinter dem Kolben sei dargestellt
                              durch die Druckcurve boc, deren Ordinaten p den jeweiligen Druck unter dem Kolben für die
                              betreffende Kolbenposition s angeben, während die Gerade
                              mn in ihrem Abstande am den constanten Gegendruck vor dem Kolben vorstellt. Die Fläche abcd repräsentirt demnach die von den Gasen pro Kolbenhub geleistete Arbeit, die Fläche amnd die des dabei zu überwindenden Widerstandes; da
                              beide Arbeiten einander gleich sein müssen, so muß auch die Fläche abcd dem Inhalte nach gleich sein dem Rechtecke amnd.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 214, S. 92
                              
                           Bis zum Schnittpunkte o der Curve mit der Geraden ist die
                              Arbeit der bewegenden Kraft größer als die des Widerstandes und diese Mehrleistung
                              an Arbeit (dargestellt durch die Fläche mbo) wird dazu
                              verwendet, um dem Kolben
                              eine bestimmte lebendige Kraft mitzutheilen, welche dann von o aus, wo die Kraft kleiner ist als der Widerstand, dem Kolben wieder
                              entzogen wird. Die durch Umwandlung der lebendigen Kraft gewonnene Arbeit ist gleich
                              der zur Erzeugung derselben benöthigten; es ist demnach Fläche mbo gleich Fläche onc, wie
                              dies auch aus der anderweitigen Betrachtung hervorgeht, daß um Fläche abcd in das bekanntlich dem Inhalte nach gleich große
                              Rechteck amnd zu bringen, das abzuschneidende Stück mbo gleich dem hinzuzufügenden onc sein muß.
                           Bei dem durch den Atmosphärendruck erfolgenden Rückgange des Kolbens wird also die
                              beim Vorwärtsgange geleistete Gasarbeit (abgesehen von den Reibungswiderständen)
                              vollständig an die Kurbel abgegeben. Da die Expansion der Verbrennungsgase bei
                              diesem Processe eine sehr weit reichende ist, so wird die in dem verbrauchten
                              Gasquantum enthaltene Arbeitskraft möglichst gut ausgenützt.
                           Bei der Gaskraftmaschine von Reithmann wird während des Vorwärtsganges die vor dem Kolben
                              eingeschlossene atmosphärische Luft zusammengepreßt; es unterscheidet sich also
                              diese Maschine von der Otto-Langen'schen wesentlich in dem Punkte, daß bei letzterer der Gegendruck,
                              welcher den Kolben wieder zurücktreibt und somit die eigentliche Arbeit verrichtet,
                              constant ist, während derselbe bei der ersteren nach
                              dem Mariotte-Gay-Lussac'schen Gesetze wächst.
                           Angenommen, der Druck vor dem Kolben sei bei Beginn der Vorwärtsbewegung ebenfalls
                              gleich dem Atmosphärendruck, so stelle in unserem Diagramme der Verlauf der Curve
                              mo'n' die Aenderung des Gegendruckes dar. Da der
                              Voraussetzung gemäß die Expansionscurve boc genau wieder
                              dieselbe ist, so sieht man sofort, daß der Punkt o', wo
                              die Kraft gleich dem Widerstand ist, hier früher eintritt; die Folge davon ist, daß
                              Fläche mbo' = Fläche o'n'c'
                              kleiner ist, daß also die Expansion weniger weit geführt und somit auch die pro Kolbenhub geleistete Gasarbeit (Fläche abc'd') kleiner ist, als bei Otto-Langen.
                           Ein weiterer Mangel der Reithmann'schen Maschine bildet
                              der Umstand, daß die bei der Compression der Luft erzeugte Wärme nicht wieder
                              vollständig in Arbeit umgesetzt, sondern theilweise an das Kühlwasser nutzlos
                              abgegeben wird.
                           Als Vorzüge der Reithmann'schen Maschine können bezeichnet
                              werden: die gleichförmigere Bewegung derselben, sowie deren compendiöse
                              Anordnung.