| Titel: | Die Lambertypie; von P. Liesegang. | 
| Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. LXXXVIII., S. 331 | 
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                        LXXXVIII.
                        Die Lambertypie; von P. Liesegang.
                        Liesegang, über die Lambertypie.
                        
                     
                        
                           Schon vor einiger Zeit hatten sich unbestimmte Nachrichten über ein in Paris
                              neuerfundenes Vergrößerungs-Verfahren verbreitet – ein Verfahren, welches fast ohne
                              Anwendung von Retouche lebensgroße Porträts liefern sollte; es war uns gestattet
                              worden, einige dieser großen Porträts zu bewundern, die wirklich keines der Merkmale
                              einer Vergrößerung zeigten, allerdings aber im Negativ stark durchretouchirt zu sein
                              schienen; und doch wurde uns versichert, daß die Retouche eines fast lebensgroßen
                              Kopfes höchstens eine halbe Stunde in Anspruch nehme. Da diese Bilder die besten
                              Vergrößerungen waren, welche wir je gesehen, und das Verfahren in Deutschland nicht
                              patentirt ist, auch wohl nicht patentirt werden kann, wollen wir es hier ausführlich
                              mittheilen.
                           Jedes kleine Negativ, gleichviel ob es kräftig oder dünn ist, läßt sich nach dem hier
                              zu beschreibenden Verfahren vergrößern. Daß die Vergrößerung um so schöner wird und
                              um so weniger Nachhilfe bedarf, je vollkommener das kleine Negativ ist, braucht wohl
                              kaum erwähnt zu werden; aber von Vortheil ist es, daß kein Negativ von besonderen
                              Eigenschaften erforderlich, daß nach jedem Negativ schließlich doch ein günstiges
                              Resultat zu erzielen ist.
                           Benöthigt sind zu diesem Verfahren folgende Präparate und Gegenstände:
                           Kohlepapier mit stark gefärbter löslicher Gelatineschicht
                              für Glasbilder. – Chrombad, bestehend aus 3 Th.
                              doppeltchromsaurem Kali (chemisch rein) und 100 Th. Regenwasser; zu filtriren.
                              – Polirte Spiegelgläser von der Größe der kleinen
                              Negative. – Ein Kautschukwischer oder Holzlineal,
                              in dessen einer Kante ein Kautschukstreifen eingesetzt ist. – Ein oben
                              offener Blechkasten, mit Wasser gefüllt; der Kasten steht über einer Gas-
                              oder Petroleumflamme; eine Schale mit kaltem Wasser und ein Photometer.
                           Das Empfindlichmachen und Trocknen des Kohlepapiers muß in einem vor weißem Licht
                              geschützten Raume geschehen, denn das trockene Papier ist überaus empfindlich. Man
                              legt eine polirte Spiegelscheibe auf den Tisch neben die Schale mit dem Chrombade,
                              und hält den Kautschukwischer zur Hand. Das Kohlepapier, welches etwas kleiner als
                              die Spiegelplatten sein muß, taucht man vollständig in die Chromlösung ein, und
                              entfernt von beiden Seiten die Luftblasen. Nach einer halben Minute nimmt man das
                              Papier wieder heraus, und legt es mit der Gelatineseite flach auf das Spiegelglas.
                              Mittels des Kautschukwischers streicht man es fest an, wodurch die größte Menge der
                              Flüssigkeit ausgequetscht wird. Darauf hebt man das Kohlepapier langsam von der
                              Platte ab, und hängt es zum Trocknen an zwei Holzklammern auf. Je trockener das
                              Zimmer ist, worin man die Präparation vornimmt, um so klarer und reiner werden die
                              Abdrücke. Wenn das Papier lange Zeit feucht hängt, verliert die Gelatineschicht alle ihre
                              guten Eigenschaften; sie wird lederartig und haftet später nicht am Glase, sondern
                              hebt sich netzartig ab. Wenn man abends das Papier präparirt, muß es am nächsten
                              Morgen vollkommen trocken sein. Das empfindliche Papier hält sich nicht länger als
                              einige Tage, da es mit der Zeit von selbst unlöslich wird. Man bereite daher nicht
                              viel mehr, als man jedesmal braucht.
                           Das zu vergrößernde Negativ wird in einen gewöhnlichen Copirrahmen gelegt, und das
                              empfindliche Kohlepapier wird darunter belichtet. Das Photometer dient als Anhalt
                              für die Feststellung der Belichtungszeit. Nach einiger Uebung trifft man leicht die
                              richtige Zeit, ebenso wie bei der Aufnahme des Negativs. Da man ohnehin von jedem
                              Negativ für unseren vorliegenden Zweck selten mehr als einen Abdruck macht, so lohnt
                              es kaum der Mühe, wie beim Kohledruck auf Papier jedesmal den Druckwerth des
                              Negativs zu constatiren. Wer noch gar nicht mit Kohlepapier gearbeitet hat, fange
                              mit einer Belichtung von 2 oder 3 Minuten nach einem Negativ von mittlerer
                              Dichtigkeit (im zerstreuten Licht) an. Sollte das Bild beim Entwickeln zu hell oder
                              zu kräftig werden, so wird es nicht schwer sein, bei der zweiten Copie den richtigen
                              Grad zu treffen. Man beachte aber auch folgendes. Der Lichteindruck verstärkt sich
                              auch im Dunkeln mit der Zeit; d.h. ein zu kurz belichtetes Bild wird sich kräftig
                              entwickeln, wenn man es nicht sogleich nach der Belichtung, sondern erst später
                              entwickelt. Will man also aus irgend einem Grunde die Abdrücke erst einige Stunden
                              nach dem Belichten entwickeln, so muß man kürzer belichten, als wenn sie sogleich
                              entwickelt werden sollen. Zwar nicht durchaus nöthig, aber doch die Entwickelung
                              erleichternd ist es, wenn man die Ränder des Negatives vor dem Copiren mit vier
                              Streifen weißen Papieres bedeckt; dieser sogenannte Sicherheitsrand veranlaßt, daß
                              die Ablösung des Papieres beim Entwickeln leichter von Statten geht und kein
                              Einreißen zu befürchten ist.
                           Nachdem man das Papier unter dem Negativ belichtet hat, schreitet man zum Entwickeln.
                              Auf den Tisch bringt man eine mit kaltem Wasser gefüllte Schale, etwas größer als
                              das Papier; eine dünne, gut gereinigte Spiegelglasplatte, welche etwas größer als
                              das Papier sein muß, und den Kautschukwischer. Man taucht das Papier in das kalte
                              Wasser, und entfernt sogleich von beiden Seiten die Luftblasen. In dem Wasser krümmt
                              sich das Papier mit der schwarzen Seite nach Innen; nach einigen Secunden legt es
                              sich flach, und darauf krümmt es sich nach der entgegengesetzten Richtung, wenn
                              nämlich die Gelatineschicht soviel Wasser aufgenommen hat, wie sie kann. Man muß das
                              Papier aus dem Wasser nehmen, wenn es anfängt, sich glatt zu legen; sobald es sich nach außen krümmt,
                              gelingt die Entwickelung meist nur mit Schwierigkeiten. Gewöhnlich läßt man die
                              Eintauchung eine halbe Minute währen. Sogleich legt man das nasse Papier mit der
                              Gelatineseite auf die Spiegelscheibe, und reibt es mit dem Kautschukwischer nach
                              verschiedenen Richtungen fest an. Das Glas mit dem Papier taucht man nach einigen
                              Minuten in lauwarmes Wasser. Durch Spülen sucht man das Papier von dem Glase zu
                              lösen; wenn nach 2 bis 3 Minuten keine dunkle Flüssigkeit zwischen Glase und Papier
                              herausfließt, ist das Wasser stärker zu erwärmen. Grundsatz sei, das Bild bei
                              möglichst geringer Temperatur zu entwickeln und nur dann die Wärme zu steigern, wenn
                              dies durchaus nöthig ist. Wenn das Papier sich vom Glase gelöst hat, kann man es
                              behutsam abziehen. Auf der Glasplatte wird man jetzt eine formlose Schicht schwarzer
                              Materie finden. Durch fortgesetztes Spülen mit lauwarmem Wasser, resp. durchs
                              Hin- und Herschwenken in dem Wasserbehälter entfernt man die lösliche
                              Gelatine; das Bild tritt immer klarer zu Tage. Man setzt das Spülen fort, bis es
                              ganz rein und klar ist. Kommt es zu kräftig, in Folge zu langer Belichtung, so läßt
                              es sich durch wärmeres Wasser etwas aufhellen.
                           Sobald das Bild gut entwickelt ist, taucht man es in kaltes Wasser, und stellt es zum
                              Trocknen auf Fließpapier, es möglichst vor Staub schützend. Legt man das trockene
                              Bild mit der Bildseite auf weißes Papier, so muß es ein gutes Positiv sein, nicht zu
                              hell und nicht zu dunkel. In der Durchsicht wird es dem mit dem Verfahren
                              Unvertrauten schwieriger sein, die richtige Kraft zu erkennen. Wenn das Papier in
                              einem frischen Chrombade präparirt, und in einem ganz dunklen, trockenen und
                              staubfreien Raume getrocknet, auch bald nach dem Trocknen verwendet wurde, so kann
                              ein Mißlingen fast nur noch durch unrichtige Belichtungszeit oder dadurch eintreten,
                              daß man von Anfang an zu heißes Wasser zum Entwickeln verwendet.
                           Das Kohlepositiv auf Glas ist für das Vergrößerungsverfahren, den Collodion-
                              und Albuminpositiven in jeder Beziehung vorzuziehen; denn es liefert eine durchaus
                              getreue Copie des Negativs, weil das Kohlepapier sich beim Copiren glatter an das
                              Negativ anlegt, als eine Glasplatte (das Negativ braucht nicht auf Spiegelglas
                              hergestellt zu sein), und weil das Bild im Halbton und selbst im tiefsten Schatten
                              eine gewisse Klarheit und Transparenz behält. Gewöhnliches Kohlepapier liefert
                              indessen nicht so günstige Resultate wie das oben erwähnte starkgefärbte und
                              besonders für Glasbilder präparirte Papier, weil letzteres Bilder ohne erhebliches Relief gibt.
                              Ein zu starkes Relief wirkt nämlich unvortheilhaft.
                           Die Herstellung des vergrößerten Negativs geschieht in der Copircamera, oder im
                              Dunkelzimmer selbst ohne Camera, wenn man dort Raum genug hat, um eine geeignete
                              Vorrichtung anzubringen. Die Copircamera ist eine gewöhnliche große Camera mit
                              Visirscheibe und Cassette, mit Balg oder Holzauszug, und trägt vorn am Objectivbret
                              eine kleine Verlängerung, einen Kasten mit einem verstellbaren Negativhalter; das
                              vordere Bret des Kastens ist unten mit Scharnieren befestigt und innen mit weißem
                              Papier beklebt, so daß man es durch Schrägstellen als Reflector benützen kann.
                              Vermittels einer Schnur und eines Hakens ist es leicht in der günstigsten Stellung
                              zu befestigen. Vor das Glaspositiv stellt man ein Stück reines Milchglas, eben so
                              groß wie das Positiv. Die besten Resultate erhält man mit einem Milchglas, dessen
                              eine Seite fein mattgeschliffen ist; die matte Seite wird dem Reflector zugewendet.
                              Manche Photographen bringen vor dem Negativ noch die Hinterlinse eines 4zölligen
                              Doppel-Objectivs an, um das Licht zu concentriren.
                           In dem Pariser Atelier wurde keine Copircamera, sondern die gewöhnliche
                              Solarvergrößerungs-Einrichtung benützt, die ohnedem schon dort vorhanden war.
                              Es genügt auch schon ein in der Wand befindliches Fensterchen von der Größe des
                              Positivs, und außen eine, unten mit Scharnieren befestigte Klappe, die als Reflector
                              benützt wird. Um das Fenster im Raume selbst ist an der Wand ein verschiebbarer
                              Kasten angebracht, welcher das Objectiv trägt. Außerdem braucht man im Dunkelzimmer
                              noch eine einfache Vorrichtung, um die Visirscheibe, und an deren Stelle die
                              gesilberte Collodionplatte fest aufzustellen, falls man nicht eine große Cassette
                              besitzt. Diese verschiedenen Wege führen alle zu demselben Ziele, nämlich nach dem
                              kleinen Diapositiv ein vergrößertes Negativ herzustellen. In Bezug auf das letztere
                              ist vorzugsweise zu sagen, daß eine große Spiegelscheibe in gewöhnlicher Weise
                              collodionirt, gesilbert, in der Copircamera, oder wie vorhin beschrieben, im
                              Dunkelzimmer belichtet, mit Eisenvitriol hervorgerufen, und fixirt wird. Man darf
                              nur wenig, oder meistens gar nicht verstärken, da das Negativ durch die nunmehr zu
                              beschreibende Behandlung, welche den eigentlichen Kern des Verfahrens ausmacht,
                              hinreichende Kraft erhält.
                           Von den nach der bisher allgemein üblichen Methode der Camera-Vergrößerung
                              erhaltenen Negativen besitzen die nach dem neuen Verfahren hergestellten Platten den
                              Vorzug größerer Weichheit, besserer Beibehaltung der zarten Töne, da im ganzen
                              Verfahren keine Verstärkung stattfindet und das Kohlepositiv nicht aus mehr oder
                              weniger dichtem Silberniederschlag, sondern aus klarer, transparenter Gelatinefarbe
                              besteht. Daß mit der Qualität des Diapositivs die Güte der Vergrößerung sehr nahe
                              zusammenhängt, wird Jeder gefunden haben, der sich mit Camera-Vergrößerungen
                              befaßt hat.
                           Man klebt nun auf jede Seite des Negativs ein gleich
                              großes Blatt französisches Pflanzenpapier. Dies Papier ist äußerst rein und
                              durchsichtig; es wird auch unter dem Namen „papier végétal“ verkauft. Man verwechsele es
                              nicht mit den sogenannten Paus- oder Copirpapieren, denn diese sind nicht
                              fein genug. Ein Blatt von diesem Pflanzenpapier also wird rundum mit Leim bestrichen
                              und auf die Collodionseite, ein anderes Blatt in gleicher Weise auf die Glasseite
                              des großen Negativs geklebt. Das Papier muß natürlich ganz glatt am Glase anliegen,
                              weshalb es gut ist, es vorher schwach anzufeuchten; es zieht sich dann beim Trocknen
                              ganz glatt.
                           Die Retouche nimmt man in der Weise vor, daß man auf dem auf der Glasseite des
                              Negativs aufgespannten Papier mit einem Leder- oder Papierwischer und Pulver
                              von schwarzer Kreide oder Graphit zu durchsichtige größere Flächen deckt, und breite
                              Lichter aufsetzt; auf dem über die Collodionseite des Negativs gespannten Papier
                              werden mit dem Pinsel und Tusche die Fleischpartien egalisirt, und scharfe
                              Lichteffecte da, wo sie nöthig sind, angebracht. Eine feine Ausarbeitung ist hierbei
                              keineswegs erforderlich; durch die zweimalige Filtration durch das Pflanzenpapier
                              erhält das Licht eine solche Weichheit, daß man durch eine Arbeit von kurzer Dauer
                              dieselben Wirkungen erzielt, als wenn das Negativ überaus sorgfältig durchretouchirt
                              worden wäre.
                           Das große Negativ wird schließlich in gewöhnlicher Weise im Copirrahmen auf
                              Eiweißpapier copirt.
                           Wir haben unseren Mittheilungen noch hinzuzufügen, daß das vorbeschriebene Verfahren
                              in Frankreich patentirt ist, und von den bedeutenderen Ateliers dieses Landes
                              angekauft worden ist. Von mehreren unserer Bekannten, die es täglich anwenden, wurde
                              es uns als eine bedeutende Verbesserung der bisher üblichen Verfahren bezeichnet.
                              (Aus dem Photographischen
                                    Archiv, 1874 S. 145.)