| Titel: | Ueber eine neue Methode der massanalytischen Bestimmung des Silbers; von J. Volhard. | 
| Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. CI., S. 399 | 
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                        CI.
                        Ueber eine neue Methode der massanalytischen
                           Bestimmung des Silbers; von J. Volhard.Aus den Sitzungsberichten der math.-phys. Classe der königl. bayerischen
                                       Akademie der Wissenschaften, nach dem Journal für praktische Chemie, 1874 S.
                                    217.
                           
                        Volhard, über eine neue Methode der maßanalytischen Bestimmung des
                           Silbers.
                        
                     
                        
                           Die löslichen Rhodanverbindungen erzeugen in sauren Silberlösungen einen weißen
                              käsigen Niederschlag von Rhodansilber, welcher dem Aussehen nach von Chlorsilber
                              nicht zu unterscheiden ist; derselbe ist in Wasser und verdünnten Säuren ebenso
                              unlöslich wie Chlorsilber, so daß die von dem Rhodansilber abfiltrirte Flüssigkeit,
                              wenn genügend Rhodansalz zugesetzt worden war, durch Salzsäure oder Kochsalzlösung
                              nicht im Mindesten getrübt wird. Den gleichen Niederschlag von Rhodansilber gibt mit
                              Silberlösung auch die blutrothe Lösung des Eisenoxydrhodanats, indem ihre Farbe
                              augenblicklich verschwindet. Tropft man daher eine Lösung von Rhodankalium oder
                              Rhodanammonium zu einer sauren Silberlösung, der man etwas schwefelsaures Eisenoxyd
                              zugesetzt hat, so erzeugt zwar jeder Tropfen der Rhodansalzlösung sofort eine
                              blutrothe Wolke, welche aber beim Umrühren ebenso rasch wieder verschwindet, indem
                              die Flüssigkeit rein milchweis wird. Erst wenn alles Silber als Rhodansilber gefällt
                              ist, wird die rothe Farbe des Eisenoxydrhodanats bleibend. Bei der außerordentlich
                              intensiven Farbe dieses Eisensalzes gibt sich schon die geringste Spur von
                              überschüssigem Rhodansalz durch eine bleibende Röthlichfärbung der Flüssigkeit zu
                              erkennen. Weiß man, wie viel Rhodansalzlösung zur Ausfüllung einer bestimmten Menge
                              Silber nöthig ist, so kann man mit der Rhodansalzlösung den Silbergehalt jeder
                              sauren Silberlösung maßanalytisch bestimmen, und durch die ungemeine Empfindlichkeit
                              des Indicators wird diese Bestimmung so scharf und zuverlässig, daß das neue
                              Verfahren, was Leichtigkeit der Ausführung und Genauigkeit der Ergebnisse anlangt,
                              von keiner bis jetzt bekannten Titrirmethode übertroffen wird.
                           Diese Methode ist einer sehr allgemeinen Anwendung fähig; denn es lassen sich mit
                              derselben alle durch Silber aus sauren Lösungen fällbare Körper – wie Chlor,
                              Brom, Jod – ungemein rasch und sicher bestimmen, indem man dieselben mit
                              Silberlösung von bekanntem Gehalt vollständig ausfällt und den Ueberschuß des
                              zugesetzten Silbers mit einer Lösung von Rhodansalz zurücktitrirt; besonders für die
                              Bestimmung der genannten Elemente in organischen Verbindungen wird die neue Methode
                              einem längst gefühlten Bedürfniß abhelfen.
                           Vor dem bekannten von Mohr angegebenen Verfahren der
                              Titrirung des Chlors in neutralen Chlormetallen, bei welcher die Farbe des
                              chromsauren Silbers als Indicator dient, hat die neue Methode sehr wesentliche
                              Vorzüge: 1) sie wird in saurer Lösung ausgeführt, während das Mohr'sche Verfahren neutrale Flüssigkeiten voraussetzt, was seine
                              Anwendung sehr beschränkt; 2) die Verbindung, deren Farbe als Indicator dient, ist
                              löslich; die Färbung einer vorher farblosen Lösung ist aber viel leichter zu
                              erkennen als das Entstehen eines gefärbten Niederschlages inmitten eines ihn
                              umhüllenden und seine Farbe verdeckenden weißen Niederschlages; 3) das Salz, welches
                              man zusetzt, um mit der Titrirflüssigkeit die Färbung zu erzeugen, – das schwefelsaure
                              Eisenoxyd – ist selbst ungefärbt und kann daher in beliebiger Menge zugesetzt
                              werden. Dies ist für die neue Methode sehr wesentlich. Da das Eisenoxydrhodanat sich
                              in einer Flüssigkeit bildet, welche von Mineralsäuren stark sauer ist, so findet nur
                              partielle Umsetzung statt und bei diesen ist bekanntlich das Mengenverhältniß der
                              auf einander wirkenden Körper von großem Einfluß. Man kann sich leicht davon
                              überzeugen, daß die Intensität der Färbung, welche durch eine gegebene Menge von
                              Rhodansalz in einer Eisenoxyd haltenden Flüssigkeit hervorgebracht wird, im
                              Verhältniß zu der Menge des Eisenoxydes steht; durch einen Tropfen einer verdünnten
                              Lösung von Rhodanammonium wird die concentrirte Eisenoxydlösung viel stärker gefärbt
                              als die verdünnte, wenn auch letztere schon viel mehr Eisenoxyd enthält als zur
                              Bindung aller Rhodanwasserstoffsäure nöthig wäre. Man setzt also der Silberlösung,
                              um sie mittels Rhodanlösung zu titriren, eine beträchtliche Menge von
                              Eisenoxydlösung zu; wenn genügend Säure vorhanden ist, verschwindet die braune Farbe
                              der Eisenlösung vollständig.
                           In den Münzen und Scheideanstalten wendet man jetzt zur Bestimmung des Feingehaltes
                              von Silberlegirungen ganz allgemein das Gay-Lussac'sche Titrirverfahren an. Die salpetersaure Lösung der
                              Legirung wird mit einer Kochsalzlösung von bekanntem Gehalt versetzt, so lange bis
                              ein erneuter Zusatz in der durch Schütteln geklärten Flüssigkeit keine Trübung mehr
                              hervorruft.Vergl. dies Journal, 1869 Bd. CXCI S. 172.D. R. v. D. p. J. Die außerordentliche Einfachheit und Sicherheit in der Ausführung wird bei
                              dem Gay-Lussac'schen Verfahren dadurch erreicht,
                              daß man zur Analyse immer solche Mengen von Legirung abwägt, welche die gleiche
                              Menge von Silber enthalten. Gerade in diesem Umstand liegt aber auch der
                              Hauptnachtheil der Gay-Lussac'schen Methode. Sie
                              ist eigentlich gar nicht eine Methode, den Silbergehalt zu bestimmen, sondern nur
                              eine Methode, den schon bekannten Silbergehalt bis auf
                              die Tausendtheile genau festzustellen; sie setzt voraus, daß der Feingehalt der zu
                              untersuchenden Legirung schon sehr annähernd bekannt sei. In den Münzen und
                              Scheideanstalten geht daher der Titrirung immer die altbekannte Silberbestimmung auf
                              trockenem Wege durch Abtreiben oder Cupelliren voraus, und erst wenn so der
                              Silbergehalt schon ziemlich genau bestimmt ist, wird mit der Kochsalzlösung titrirt.
                              Im Ganzen ist daher das Verfahren nichts weniger als einfach und rasch auszuführen,
                              und eine einfachere Methode bei gleicher Genauigkeit dürfte vielleicht den
                              Münzscheidern doch willkommen sein.
                           
                           Zur Darstellung der Titrirflüssigkeit wendete ich Rhodanammonium an. Man kann dieses
                              Salz nicht wohl in bestimmter Menge abwägen, um die Titrirflüssigkeit zu bereiten,
                              es ist zu hygroskopisch; man stellt daher die Lösung empirisch auf eine
                              Silberlösung, welche man erhält, indem man 10 Grm. (besser 10,8 Grm. also 0,1
                              Grm.-Aequiv.) reines Silber in Salpetersäure auflöst und auf 1000 K. C.
                              verdünnt. Andererseits löst man eine größere Menge von Rhodanammonium in Wasser auf,
                              so daß etwa 8 Grm. Rhodansalz auf 1 Liter Lösung kommen. Man mißt 10 K. C. der
                              Silberlösung in ein Becherglas, gibt etwa 5 K. C. einer Lösung von schwefelsaurem
                              Eisenoxyd (im Liter etwa 50 Grm. Eisenoxyd enthaltend) und 150 bis 200 K. C. Wasser
                              zu. Aus einer Bürette läßt man jetzt unter stetem Umschwenken die Rhodanlösung
                              zufließen, bis die Flüssigkeit bleibend einen schwach-röthlichen Ton
                              angenommen hat. Die Reaction ist so scharf und sicher, daß man nie über einen
                              Tropfen mehr oder weniger im Zweifel sein und bei öfterer Wiederholung des Versuches
                              immer die gleiche Menge Rhodanlösung brauchen wird, ohne auch nur die kleinste
                              Differenz zu beobachten – vorausgesetzt, daß die Meßgefäße gut sind, was
                              allerdings nur ausnahmsweise der Fall zu sein pflegt.
                           Gesetzt, man habe für 10 K. C. Silberlösung 9,6 K. C. Rhodanlösung gebraucht, so
                              verdünnt man je 960 K. C. der letzteren auf 1000 K. C. – 1 K. C. zeigt dann
                              10 resp. 10,8 Milligrm. Silber an. Vor der Anwendung wird diese Lösung nochmals
                              geprüft. Man wägt zu diesem Zweck 1 Grm. reines Silber ab, löst in 8 bis 10 K. C.
                              Salpetersäure, erhitzt auf einem Sandbad, bis keine Spur von salpetrigen Dämpfen
                              mehr entweicht, setzt etwa 5 K. C. Eisenlösung zu und verdünnt mit etwa 200 K. C.
                              Wasser. Nach dem Erkalten läßt man unter fortwährendem Umrühren oder Umschwenken die
                              Rhodansalzlösung zufließen. Mit dem letzten Tropfen des 100sten Kubikcentim. muß die
                              röthliche Färbung deutlich und bleibend eingetreten sein.
                           Um mittels dieser Lösung den Silbergehalt einer Silberlegirung zu bestimmen, löst man
                              1 Grm. der Legirung in Salpetersäure auf und verfährt damit, wie für reines Silber
                              soeben angegeben wurde. Die Anzahl der verbrauchten Kubikcentimeter der
                              Rhodansalzlösung gibt den Feingehalt in Procent an; 1/10 K. C. Rhodanlösung
                              entspricht 1/1000 Silbergehalt.1 Grm. eines neuen Einmarkstückes wurde wie oben behandelt. Die röthliche
                                    Färbung war bleibend, nachdem eine kaum zu schätzende Spur weniger als 90 K.
                                    C. der Rhodanlösung zugelassen war; es wurde dann bis gerade 90 K. C.
                                    zugelassen. Nun wurde Zehntel-Silberlösung zugegeben; nach Zusatz von
                                    1/2 K. C. Zehntel-Silberlösung war jede Spur von Röthung verschwunden;
                                    zugelassen wurde 1 K. C. Zehntel-Silberlösung. Zum Wiederhervorrufen
                                    der röthlichen Färbung war erforderlich 0,8 K. C.
                                    Zehntel-Rhodanlösung. Der Silbergehalt der Probe ergibt sich hieraus
                                    zu: 90 – 0,1 + 0,08 = 89,98 Proc.1 Grm. von demselben Einmarkstück; gebraucht Rhodanlösung gerade auf 90 K.
                                    C.; zugelassen Zehntel-Silberlösung 1 K. C.; gebraucht
                                    Zehntel-Rhodanlösung 1,2 K. C.; (Schalt = 90 – 0,1 + 0,12 =
                                    90,02.Differenz beider Bestimmungen 0,04 Proc.
                              
                           
                           Der Kupfergehalt der Legirungen ist innerhalb gewisser Grenzen ohne Einfluß auf diese
                              Bestimmungsmethode. Ich habe gefunden, daß ein Kupfergehalt bis zu 70 Proc. die
                              Genauigkeit der Bestimmung nicht beeinträchtigt. Bei einem Silbergehalt von nur etwa
                              20 Proc. ist schon einige Uebung erforderlich, um den Eintritt der röthlichen
                              Färbung scharf zu erkennen; sinkt der Silbergehalt noch weiter, so wird die Grenze
                              der Reaction undeutlich, sei es, daß die blaue Farbe der Kupferlösung die rothe
                              Farbe verdeckt, oder daß das Kupfersalz auf die Rhodanverbindung einwirkt. Man
                              könnte, um in so silberarmen Legirungen das Silber zu titriren, der Probe eine
                              bestimmte Menge reines Silber zusetzen; man kann aber auch in anderer Weise ohne
                              große Umständlichkeit den Zweck erreichen.
                           Rhodansilber wird durch concentrirte Schwefelsäure beim Erwärmen zersetzt und unter
                              völliger Zerstörung des Rhodans als schwefelsaures Silber gelöst. Dieses Verhalten
                              läßt sich bei der Titrirung silberarmer Legirungen sehr vortheilhaft benützen. Man
                              titrirt, wie oben angegeben, und setzt Rhodanlösung zu, bis die Flüssigkeit stark
                              roth gefärbt ist. Läßt man jetzt ruhig stehen, so setzt sich der Niederschlag sehr
                              rasch vollständig ab, so daß man mittels einer einfachen Saugfiltrirvorrichtung die
                              Flüssigkeit leicht und gänzlich klar abziehen kann. Mit der Flüssigkeit wird das
                              Kupfer bis auf einen unbedeutenden Nest entfernt. Das zurückbleibende Rhodansilber
                              übergießt man mit concentrirter Schwefelsäure und erwärmt im Sandbad. Unter
                              Ausschäumen zersetzt sich das Rhodansilber; es entweicht Blausäure, wahrscheinlich
                              auch Kohlenoxysulfid, danach schweflige Säure; nach einigen Minuten sieht man den
                              Niederschlag schwarz werden und sich zusammenklumpen; gibt man jetzt einige Tropfen
                              Salpetersäure zu, so löst sich rasch Alles auf. Man erwärmt dann noch, bis keine
                              rothen Dämpfe mehr entweichen und die Flüssigkeit farblos geworden ist, läßt
                              erkalten, versetzt mit Eisenlösung, verdünnt und titrirt nochmals mit der
                              Rhodanlösung. Man erhält durchaus zuverlässige Resultate.
                           Ich bin darüber nicht im Zweifel, daß diese Methode der Silberbestimmung durch
                              Titrirung mit Rhodansalz dem Gay-Lussac'schen
                              Verfahren an Genauigkeit nicht nachsteht, an Einfachheit und Raschheit der Ausführung aber es weit
                              übertrifft. Nichts desto weniger nehme ich vorerst noch Anstand, meine Methode den
                              Technikern zu empfehlen. Ich möchte zuvor noch einige Fragen erledigen, welche
                              gerade für die technische Anwendung von wesentlicher Bedeutung sind.
                           Es ist vor Allem zu entscheiden, ob die Rhodansalzlösung bei längerer Aufbewahrung
                              ihren Titer beständig erhält; weiter ist ein etwaiger Einfluß anderer Metalle auf
                              die Resultate der Silbertitrirung zu untersuchen; auch wäre es wünschenswerth, ein
                              luftbeständiges Rhodansalz, das sich in trockenem Zustand genau abwägen läßt, zur
                              Herstellung der Titerflüssigkeit verwenden zu können. Endlich scheint mir das oben
                              für die Bestimmung des Feingehaltes sehr kupferreicher und silberarmer Legirungen
                              gegebene Verfahren noch nicht einfach genug. Vielleicht dürfte sich eine für solche
                              silberarme Legirungen geeignetere Titrirmethode entwickeln lassen auf Grund einer
                              Beobachtung, welche ich erst vor einigen Tagen machte.
                           Es ist bekannt, daß Silber eine außerordentlich große Verwandtschaft zu allen
                              Kohlenstickstoffsäuren hat; die Salze solcher Säuren werden in der Regel, selbst
                              wenn sie ganz unlöslich sind, durch Silbersalze zersetzt. Salpetersaures Silber
                              zerlegt z.B. die unlöslichen Ferrocyanmetalle; Ferrocyankupfer wird durch
                              Silberlösung augenblicklich entfärbt; Kupfer geht in Lösung und Silber tritt an
                              Stelle des Kupfers mit dem Ferrocyan in Verbindung. In der salpetersauren Lösung
                              einer Kupfer-Silberlegirung entsteht daher bei allmäligem Zusatz einer
                              verdünnten Ferrocyankaliumlösung nicht eher die rothbraune Kupferverbindung, als bis
                              alles Silber als Ferrocyansilber niedergeschlagen ist. Das Ferrocyansilber bildet
                              jedoch, da es farblos und etwas durchscheinend ist, für die Farbe der
                              Kupferverbindung keine gute Folie; es ist schwer, die erste Spur von Färbung zu
                              erkennen. Dagegen scheint man nach einigen Vorversuchen recht gute Resultate zu
                              erzielen, wenn man nur eine abgemessene, zur Fällung des Silbers nicht ausreichende
                              Menge von Blutlaugensalzlösung zusetzt und dann mit verdünnter Salzsäure von
                              bekanntem Gehalt austitrirt. Sobald das noch in Lösung befindliche Silber in
                              Chlorsilber übergegangen ist, wird durch den nächsten Tropfen Salzsäure
                              Ferrocyanwasserstoff aus dem Ferrocyansilber ausgeschieden; es bildet sich
                              Ferrocyankupfer, das jetzt auf dem weißen Chlorsilber auch in minimaler Menge eine
                              deutlich erkennbare Färbung hervorbringt.