| Titel: | Ein System der vergleichenden mechanischen Technologie; von Professor W. F. Exner in Wien. | 
| Autor: | W. F. Exner | 
| Fundstelle: | Band 214, Jahrgang 1874, Nr. CIV., S. 410 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        CIV.
                        Ein System der vergleichenden mechanischen
                           Technologie; von Professor W. F.
                              Exner in Wien.
                        Exner, über ein System der vergleichenden mechanischen
                           Technologie.
                        
                     
                        
                           Vorbemerkung. Karmarsch sagt in seiner
                              „Geschichte der Technologie“ über das von ihm im J. 1837
                              herausgegebene zweibändige „Handbuch der mechanischen
                                 Technologie“: „Hierin wurde der
                                    Gedanke zur Ausführung gebracht, wenige große Abschnitte nach dem Principe
                                    der speciellen Technologie zu bilden, die Einzelbehandlung aber nach der
                                    Methode der allgemeinen Technologie zu organisiren, dabei den Details große
                                    Berücksichtigung zu schenken.“ Das
                              „Handbuch“ ist in seinen vier Auflagen – soeben ist
                              von der fünften durch Hartig bearbeiteten Ausgabe der 1.
                              Band erschienen – nicht nur das Lehrbuch für alle im zweiten Drittel unseres
                              Jahrhunderts in Deutschland erzogenen Techniker gewesen, sondern es ist das bis
                              heute unübertroffen gebliebene Fundamentalwerk der
                                 mechanischen Technologie.
                           Die charakteristischen Merkmale der Karmarsch'schen Schule
                              sind: völlige Beherrschung der technischen Wissenschaften, welche den industriellen
                              Aufschwung begründeten, gewissenhafte Sichtung des literarischen Materiales,
                              erschöpfende Beachtung der industriellen Praxis und treue, prägnante Darstellung bis
                              in die Details.
                           Trotz dieser Attribute der Wissenschaftlichkeit hat die
                              „allgemeine mechanische Technologie“ in ihrer Stellung
                              unter den Disciplinen der technischen Hochschulen unzweifelhaft an Bedeutung
                              eingebüßt, – und es ist nur zu wahrscheinlich, daß, ohne eine entschiedene
                              Aenderung in der Methode der Behandlung der mechanischen Technologie, die
                              Lehrkanzeln für dieses Fach in demselben Maße in den Hintergrund treten werden, als
                              sich durch die Entwicklung der Industrie die Schwierigkeit steigert, dieselbe
                              erschöpfend zu schildern.
                           Ein Fortschritt in den oben bezeichneten Eigenschaften der Karmarsch'schen Schule ist nicht erreichbar; man kann im besten Falle
                              ebenso gewissenhaft, klar und erschöpfend beschreiben, besser wird man es nicht
                              machen können.
                           Die Arbeiten, welche von Karmarsch, seinen Mitarbeitern
                              und Schülern durchgeführt worden sind, haben einen bleibenden Werth für alle Zeiten;
                              sie sind von wissenschaftlichem Ernste durchdrungen, viele von ihnen sind geradezu
                              classisch zu nennen. Sie können für alle Zukunft als Muster für „Monogrophien“ gelten, welche an und für
                              sich oder auch als Beitrag zu einem neuconstruirten wissenschaftlichen Systeme
                              Geltung haben. Dieses neuconstruirte wissenschaftliche System wird aber stets
                              dringender, soll nicht die mechanische Technologie durch die
                              Maschinenbauwissenschaft immer mehr in den Schatten gestellt werden oder vielleicht
                              gar aus dem Lehrbegriffe technischer Hochschulen verschwinden.
                           In keiner Wissenschaft ist ein Stillstand denkbar, der nicht gleichbedeutend mit
                              Rückschritt wäre. Nun ist allerdings seit dem Erscheinen des
                              „Handbuches“ im J. 1837 eine Entwickelung der mechanischen
                              Technologie in räumlicher Beziehung durch die Anhänger der Karmarsch'schen Schule und durch den Meister selbst zu constatiren. Durch
                              Hartig's werthvolle Forschungen über den Kraftbedarf
                              und die Arbeitsleistung der Maschinen für Streichgarnspinnerei und Tuchfabrikation,
                              für Flachs- und Wergspinnerei, für Metall- und Holzbearbeitung (1863,
                              1869 und 1874) ist auch ein Weg zur Vertiefung des technologischen Wissens betreten
                              worden, der mit Recht das größte Aufsehen erregte und zur Nachfolge seitens der
                              Fachgenossen einlud. Die Thätigkeit Hartig's bezeichnet
                              den Uebergang von der äußerlichen Beobachtung zu der in das Wesen gewisser
                              Arbeitsprocesse eindringenden Forschung. Unendlich viel bleibt in dieser Richtung
                              noch zu thun übrig. Die bisher übliche, von Karmarsch
                              geschaffene Anordnung des Stoffes ist gewiß Arbeiten wie jenen Hartig's nicht hinderlich, und die wichtigen Resultate dieser Arbeiten
                              können innerhalb des gegebenen Rahmens des Faches ihren Platz finden. Dies beweist
                              am besten das Vorwort und manches Kapitel der Hartig'schen Bearbeitung des Karmarsch'schen
                              Handbuches. Doch gerade dieses Vorwort zur 5. Auflage berechtigt zur Annahme, daß
                              Hartig auch eine anders
                              „Anordnung“ des Stoffes für möglich hält.In dem Vorworte heißt es: „In der Anordnung des Stoffes hat der
                                       Unterzeichnete (Hartig) nur so viel geändert,
                                       als ihm in Rücksicht auf die gegenseitige Verwandtschaft der Werkzeuge
                                       und Maschinen unbedingt erforderlich schien.“ Dann weiter:
                                    „Es ist vor Allem angestrebt worden, diejenigen Vorzüge,
                                       welche am meisten den dauernden Werth des Buches begründen (zutreffende und genaue Darstellung der
                                       technologischen Processe, Zuverlässigkeit und Vollständigkeit der
                                       mitgetheilten Abmessungen, Gewichts- und Arbeitswerthe) zu wahren
                                       und wo irgend möglich zu steigern.“
                                     Er führt die Anordnung des Stoffes – die Methode des Vortrages
                              – sagen wir kurz „das System“ unter den
                              „Vorzügen“, welche den dauernden Werth des Werkes
                              begründen, nicht an.
                           Jede Wissenschaft hat aber in ihrer Entwickelung nebst der Vermehrung ihres Inhaltes,
                              nebst der Auffindung neuer Wahrheiten und Gesetze auch Wandlungen in ihrem Systeme
                              aufzuweisen. Manche Wissenschaften haben aus einer nach einem neuen Gesichtspunkte
                              getroffenen Anordnung
                              des Stoffes erheblichen Nutzen gezogen – selbst in jenen Fällen, wo man
                              diesen Gesichtspunkt bald nachher wieder aufgab.
                           Diese Erwägungen haben mich verleitet, den Versuch zu machen, auch das Material der
                              mechanischen Technologie von einem anderen als dem bisher allgemein angenommenen
                              Standpunkte aus aufzufassen, zu begrenzen und anzuordnen. Das System der
                              mechanischen Technologie, welches in den nachfolgenden Blättern erklärt wird, ist in
                              der Literatur vielfach angedeutet, aber meines Wissens nirgends zum völligen
                              Ausdruck gebracht. Für die Mehrzahl meiner Collegen wird daher die dem System zu
                              Grunde liegende Idee nicht neu sein.
                           ––––––––––
                           Unter Rohstoff ist jene Substanz zu verstehen, welche
                              vermöge einer gewissen Eigenschaft oder vermöge einer
                              gewissen Gruppe von Eigenschaften geeignet ist, einer
                              bestimmten mechanischen Umbildung (Verarbeitung)
                              unterzogen zu werden.
                           Diese Definition des Begriffes „Rohstoff“ gilt nur für die
                              mechanische Technologie. (Beispiele: Bleierz ist ein Rohstoff des Hüttenwesens; das
                              Blei aber in dem Momente, wo es dem Umstaltungsverfahren einer mechanische Industrie
                              überantwortet wird, ist Rohstoff der mechanischen Technologie. Das Product eines
                              hüttenmännischen Processes, Roheisen, Zinn, Zink etc. ist Rohstoff für die
                              mechanische Technologie. Die landwirthschaftlichen Erzeugnisse, die Gramineen, sind
                              Rohstoffe für die Arbeit der Mühle, das Leder für die Schuhfabrikation. Ein Fabrikat
                              der mechanischen Industrie selbst, z.B. Blech, wird in dem Momente wieder zum
                              „Rohstoffe“, wenn es einer weiteren Umstaltung unterzogen
                              wird.)
                           Die mechanische Umbildung kann einen zweifachen Zweck
                              haben: 1) Veränderung der physikalischen Eigenschaften der
                                 Substanz; 2) Veränderung der Gestalt des
                                 Rohstoffes. (Umformung.)
                           Die mechanische Umbildung muß stets und kann nur die Folge einer
                              „Arbeit“ sein.
                           Die Art des Vorgehens bei der „Arbeit“ heißt „Verfahren“ oder „Verfahrungsweise.“
                              
                           Die gewerbliche Thätigkeit besteht in einer Reihe von
                              Verfahrungsweisen, welche in ihrer gegebenen Reihenfolge zu beschreiben, die Aufgabe
                              der speciellen Technologie ausmacht. Mehrere –
                              verwandte Materialien verarbeitende – Gewerbe zusammenzulegen und also
                              größere nach dem Materiale gebildete Gewerbsgruppen zu bilden, ist durch Karmarsch zuerst durchgeführt, von Beckmann nur
                              versucht worden.
                           Jedes Verfahren bedarf gewisser für dieses, sowie für die Eigenschaften des
                              Rohstoffes, auf denen es basirt, charakteristischer Hilfsmittel. Die Hilfsmittel sind entweder passive oder active.
                           Die passiven Hilfsmittel sind solche Vorrichtungen (Apparate), welche den Rohstoff
                              oder den in der Umgestaltung begriffenen Gegenstand unterstützen, tragen oder
                              festhalten u. dgl. m., und damit die Umbildung erleichtern, fördern, vorbereiten,
                              ermöglichen, ohne diese selbst zu bewirken. Die passiven Hilfsmittel befinden sich
                              gegenüber dem Rohstoffe in der Regel im Zustande der Ruhe.
                           Die activen Hilfsmittel (Werkzeuge) sind jene
                              Vorrichtungen, welche durch eine hierzu geeignete Form und materielle Beschaffenheit
                              eine Kraft in einer solchen Weise auf das Arbeitsobject übertragen, daß die
                              Umbildung dadurch herbeigeführt wird. Dabei kann eine Abtrennung von Substanz
                              (Abfall) stattfinden oder nicht. (Beispiele. Passive Hilfsmittel: Zirkel, Hobelbank
                              etc. Active Hilfsmittel: Meißel, Hammer. Derselbe Gegenstand kann bei einer gewissen
                              Arbeit als actives, bei einer anderen als Passives Hilfsmittel fungiren.)
                           Sowohl die passiven als die activen Hilfsmittel können durch maschinelle
                              Einrichtungen wesentlich an Vollkommenheit und Wirksamkeit gewinnen. Man kann die
                              bei der Arbeit verwendeten Maschinen demnach in passive und active maschinelle
                              Hilfsmittel, oder in Hilfsmaschinen einerseits, Werkzeugs- oder Arbeits-Maschinen andererseits scheiden. (Beispiele: Schraubstock;
                              – Sägemaschine, Webstuhl.)
                           Da es eine gewisse Eigenschaft oder eine Gruppe von Eigenschaften ist, welche einen
                              Rohstoff oder eine Reihe von Rohstoffen zu einer bestimmten Bearbeitung (mechanischen Umbildung) befähigt, da eine jede
                              Bearbeitungsmethode (Verfahren) bestimmte passive und
                              active Hilfsmittel voraussetzt, so bilden jene gewissen Eigenschaften, welche die
                              Rohstoffreihe charakterisiren, das Verfahren und die demselben tributären
                              Hilfsmittel einen zusammenhängenden Complex von Vorstellungen, welchen ich einen Arbeitsbegriff nenne. Die für den Arbeitsbegriff in Frage
                              kommenden Eigenschaften könnte man mit dem Ausdruck „Bearbeitungs-Eigenschaften“ oder kürzer aber auch
                              weniger präcis mit „Arbeits-Eigenschaften “ bezeichnen. Jede
                              Arbeits-Eigenschaft tritt in verschiedenen Abstufungen oder Graden auf, so
                              daß sich aus jenen Rohstoffen, die zu einem Arbeitsbegriff gehören, eine Reihe
                              construiren läßt, welche mit dem durch das Maximum des Eigenschaftsgrades
                              gekennzeichneten Rohstoffe beginnt und mit dem Minimum aufhört oder umgekehrt, und welche durch die
                              Aufeinanderfolge der Glieder der Reihe eine stetige Abnahme oder Zunahme des
                              Eigenschaftsgrades darstellt. Das Verfahren ist für alle
                                 Glieder einer Rohstoffreihe das gleiche; dagegen ändern sich die
                              Hilfsmittel in Beziehung auf Größe, Bauart und Wirksamkeit. Diese Modification der
                              Hilfsmittel steht zu den sie hervorrufenden Eigenschaftsabstufungen in dem Verhältnisse wie Wirkung und Ursache zu einander.
                           Der Ausdruck dieses Verhältnisses ist ein Gesetz. Die
                                 Auffindung und Feststellung dieses Gesetzes für jedenArbeitsbegriffArbeisbegriff ist die Aufgabe der mechanischen Technologie.
                           Die Arbeitsbegriffe sind nicht scharf abgegrenzt, es läßt sich vielmehr ein Uebergang
                              von jedem Arbeitsbegriff zu einem anderen finden (z.B. beim Gießen, Pressen, Prägen,
                              Punzen, Stanzen etc.). Dieser Umstand darf nicht überraschen, da ja auch die
                              Eigenschaftsreihen in andere übergehen (Elasticität, Sprödigkeit; –
                              Dehnbarkeit, Biegsamkeit; – Flüssigkeit, Weichheit, Festigkeit) und da das
                              Wesen der Arbeit bei allen Arbeitsformen bekanntlich dasselbe ist. Die
                              Arbeitsbegriffe können also nach dem Principe der Aehnlichkeit an einander gereiht werden, und ihre unabänderliche Folge
                              bildet ein System, das mit jenem der Naturwissenschaften große Uebereinstimmung
                              zeigt.
                           Nach dem Vorangehenden würde die mechanische Technologie als
                                 jene Wissenschaft zu bezeichnen sein, welche im Wege der Vergleichung die
                                 Gesetze der mechanischen Umbildung der Rohstoffe in systematischer
                                 Aufeinanderfolge ermittelt und darstellt. So aufgefaßt, ist die mechanische
                              Technologie unzweifelhaft eine Wissenschaft im strengsten Sinne des Wortes.
                           Nebst den Arbeits-Eigenschaften besitzt der Rohstoff stets noch eine Summe von
                              Eigenschaften, welche ohne die betreffende mechanische Umbildung zu begründen oder
                              mit der Bearbeitung in irgend einem Zusammenhang zu stehen, in
                                 das Product übergehen und den Verbrauchswerth desselben beeinflussen oder gar
                                 bedingen. (Farbe und Glanz der Bronze, sowie die Eigenthümlichkeit sich an
                              der Atmosphäre mit einem schönen grünen Ueberzug zu erhalten. Diese Eigenschaften
                              machen, daß man die Bronze als Material für Statuen wählt und ihr vor dem überdies
                              zu weichen Blei den Vorzug gibt. Diese Eigenschaften haben auf den Arbeitsbegriff
                              „Gießen“ keinen Einfluß; – sie finden aber bei dem
                              Gewerbe die höchste Beachtung. Der Preis der Rohstoffe
                              ist ein Bestimmungsgrund für die Wahl derselben beim Gewerbsbetriebe, obwohl dieser
                              aus dem Verhältniß von Angebot und Nachfrage resultirende Umstand nichts weniger als
                              eine „Eigenschaft“ ist.)
                           
                           Will man die mechanische Technologie nach ihrer hier präcisirten Aufgabe in
                              Zusammenhang bringen mit ihrer bisherigen Mission: „wissenschaftliche Darstellung der mechanischen Gewerbe und
                                    Industrien“, so dürfte man nur noch nebst den
                              Arbeits-Eigenschaften die „Gewerbs-Eigenschaften“ ins Auge fassen, und in einem
                              Anhange zur Behandlung eines jeden Arbeitsbegriffes auseinandersetzen, in welchen
                              Gewerben und Industrien der Arbeitsbegriff auftritt, und welche Rolle dabei die
                              Gewerbs-Eigenschaften des Rohstoffes in Beziehung zu den an das Fabrikat
                              gestellten Forderungen spielen. (Nach Abhandlung der Gießerei bespricht man dann das
                              Gießen der Metalle, ihre Verwendung, den Kunstguß, die Kanonengießerei, die
                              Schriftgießerei, den Glas- und Spiegelguß, die Kerzengießerei, das Gießen des
                              Zuckers, Gypses, Cementes, Asphaltes etc.)
                           ––––––––––
                           Es sei nun gestattet, noch die Vorzüge zu entwickeln, welche man dieser Systemisirung
                              der mechanischen Technologie zuschreiben darf. Die Vortheile, welche die
                              vergleichende mechanische Technologie bietet, sind zweierlei Art – solche für
                              das Fach und solche für die Schule.
                           Sollen die Gesetze, welche die Beziehung zwischen Arbeits-Eigenschaften und
                              Hilfsmittel ausdrücken, gefunden werden, so ist nicht nur eine Zusammenstellung und
                              Prüfung der über die physikalischen Eigenschaften (Arbeits-Eigenschaften)
                              bereits bekannten Daten unerläßlich, sondern es müssen auch noch eine Reihe von
                              Untersuchungen und Forschungen angestellt werden, für welche die Anregung bisher
                              fehlte. (Beispiel: Um die Schmelzbarkeit zu beurtheilen, und die Rohstoffe für die
                              Gießerei nach dieser Eigenschaft in eine Reihe zu bringen, ist nicht nur die
                              Kenntniß der specifischen Wärme der Körper, der Aenderungen derselben mit der
                              Temperatur – des Schmelzpunktes –, sondern auch der
                              Schmelzungs- (oder Werk-) Wärme nothwendig; denn nur die Gesammtsumme
                              der für eine Gewichtseinheit Rohstoff erforderlichen Wärmeeinheiten gibt einen
                              richtigen Maßstab der Schmelzbarkeit – und nicht der Schmelzpunkt. Ueber die
                              specifische Wärme und den Schmelzpunkt gibt es nun allerdings eine ziemlich große
                              Anzahl verläßlicher Daten, aber die Schmelzungswärme ist von Person nur für sechs Gießrohstoffe untersucht. Das graue Roheisen, dieser
                              wichtige Stoff, fehlt. Die von Person aufgestellte Formel
                              für die Schmelzwärme, als richtig angenommen, kann uns doch nichts nützen, weil in
                              derselben die specifische Wärme der geschmolzenen Masse erscheint, welche wieder für
                              die Mehrzahl der Metalle nicht eruirt ist.
                           
                           Ebenso sind Adhäsionsverhältnisse von geschmolzenen Massen zu festen nicht bekannt,
                              und auch diese bieten ein Interesse. Nicht einmal die specifischen Gewichte und
                              deren Aenderung im Momente des Flüssigwerdens sind durchgehends bekannt.
                           Die Aneinanderreihung der demselben Zwecke dienenden activen und passiven Hilfsmittel
                              und die Vergleichung in Bezug auf ihre Wirksamkeit eröffnet die Aussicht auf die
                              Erkennung von Wahrheiten, welche für den Gewerbsbetrieb von unberechenbarer
                              Tragweite wären. In den verschiedenen Gewerben haben sich die Hilfsmittel durch die
                              Praxis selbstständig und eigenartig entwickelt. Der nach Gewerben gesonderten
                              Behandlung entgeht aber der Vortheil, Verbesserungen an gewissen Hilfsmitteln,
                              welche in einem bestimmten Industriezweige erzielt wurden, für einen anderen rasch
                              nutzbar zu machen. Ja die genaue Untersuchung der „Wirksamkeit“ jedes Hilfsmittels an sich, welche dem Vergleiche vorangehen muß, hat schon eine Fülle von
                              Consequenzen, die überaus wichtig sind. (Wenn man beispielsweise die Untersuchungen
                              Hartig's fortsetzen wird, so gelangt man zur Kenntniß
                              der absolut besten Constructionen und der relativen Vorzüge der einzelnen Bauweisen
                              der Maschinen.)
                           Wird die Ueberzeugung von der Nützlichkeit des Vergleiches der Hilfsmittel eine
                              allgemein verbreitete, so werden die technischen Publicationen, Mittheilungen über
                              Apparate, Werkzeuge und Maschinen, weit seltener jene Oberflächlichkeit zeigen,
                              welche sie bis heute oft kennzeichnet. (Beispiel: Zum Behufe der Auffindung eines
                              wahrscheinlich bestehenden Zusammenhanges der Abmessungen und sonstigen
                              Einrichtungen eines Cupolofens mit dessen Leistungsfähigkeit, – es sollte
                              dabei der von Redtenbacher für die Theorie der
                              Wasserräder eingeschlagene Weg befolgt werden – habe ich aus den in der
                              Bibliothek der technischen Hochschule in Wien vorhandenen Werken 46 Cupolöfen
                              ausgezogen. Bei diesen 46 Beschreibungen waren nur 16 mit verläßlicher
                              Dimensionirung ausgestattet – freilich in den verschiedensten europäischen
                              Maßen; bei nur 4 Oefen war das Verhältniß der Brennstoffmenge (Coaks, Holzkohle) zur
                              Menge des gewonnenen Roheisens angegeben; Zahl und Anordnung der Formöffnungen,
                              Spannung, Temperatur und Einströmungsgeschwindigkeit der Gebläseluft nur bei dem
                              einen oder anderen aufzufinden. Die ganze Arbeit blieb unausführbar und hatte nur
                              das Resultat, die Durchschnittsangaben von Wiebe, Karsten,
                                 Kerl, Schinz und Dürre zu bestätigen oder zu
                              modificiren, und förderte die einzige Angabe zu Tage, daß bis 4 Meter Schachthöhe
                              160 Millim. Dicke des feuerfesten Mauerwerkes (also eine Ziegelbreite) zumeist genügt,
                              während über 4 Meter Schachthöhe zwei Ziegelbreiten feuerfestes Mauerwerk erheischen
                              u.a.m.)
                           Durch die Vertiefung der technologischen Literatur und durch das Bekanntwerden der
                              durch sie gereiften Früchte wird auch eine Verallgemeinerung derselben herbeigeführt
                              werden können. Durch die Betonung des Wesentlichen der
                              Arbeitsprocesse, welche auf diese Art gefördert würden, müßte andererseits der Werth
                              empyrischer Recepte, unmotivirter Vorschläge von Constructionen und dergl. in den
                              Augen des großen technischen Publicums noch mehr sinken, als es schon gegenwärtig
                              der Fall ist.
                           Die Erfolge der vorgeschlagenen Methode würden sich vielleicht auch beim Unterrichte in der mechanischen Technologie
                              herausstellen. Durch die Aufstellung der Arbeitsbegriffe wird der Umfang des
                              Lehrgebäudes der mechanischen Technologie viel schärfer und richtiger begrenzt,
                              indem alle mechanischen Arbeiten aus der chemischen Technologie in die mechanische
                              Technologie herübergezogen und jener alle chemischen Processe überlassen werden.
                              (Beispiele: Beim Arbeitsbegriff Mahlen würde die
                              Tretmühle oder Mühle mit zwei aufeinander senkrecht stehenden Mühlsteinachsen,
                              welche in der Oel-, Chocolade-, Porzellan-, Glasfabrikation
                              u.s.w. vorkommt, in die mechanische Technologie einbezogen. Das Gießen der
                              Stearin-, Paraffin-, Wallrathkerzen, des Zuckers, Gypses, Cementes,
                              Asphaltes, Glases etc. würde im Arbeitsbegriff „Gießerei“ mit
                              erscheinen. Das Bleichen der Papiermasse, die Gewinnung der Metalle aus den Erzen,
                              und hundert andere chemische Processe, welche jetzt in der mechanischen Technologie
                              besprochen werden, weil sie die Papierfabrikation, die Metallindustrie als solche
                              behandelt, würden aus derselben ausgeschieden.)
                           Alle unwesentlichen Details könnten dann beim Vortrage der mechanischen Technologie
                              unberücksichtigt, und dafür in engerem Rahmen auf die Klarstellung der wichtigen
                              Arbeitsbegriffe hingewirkt werden. Aller unnöthige und störende Ballast für das
                              Gedächtniß wäre damit abgeworfen und der ganze Lehrstoff anregender und
                              fesselnder.
                           In dem Momente, wo man aufhört, die mechanische Technologie nach Industriegruppen zu
                              lehren, fällt auch die Vorstellung, man wolle den Hörer für die Ausübung dieser
                              verschiedenen Industrien vollkommen qualificiren. Diese Vorstellung hat aber dem
                              Ansehen der Disciplin sehr geschadet, weil sie mit dem Erfolge des Unterrichtes im
                              Widerspruch stehen muß. Es ist unmöglich, daß ein einzelner Professor, wie es zum
                              Beispiel an allen österreichischen technischen Hochschulen der Fall ist, in einem
                              Jahrescurse noch obendrein, den Studenten zum Fabrikanten in allen Spinnerei-
                              und Webereibranchen, in den vielen Zweigen der Metall- und Holzindustrien, zum
                              Papierfabrikanten etc. erziehe. Und wie viele große Industrien werden da nur mit
                              einigen Worten abgethan. (Tapeten-Industrie, Buchdruckerei u.a.) Vollständige
                              Erschöpfung des Begriffes der verschiedenen Arbeitsprocesse ist dagegen möglich und
                              bildet ein für alle Zweige des technischen Berufes unschätzbare
                              Grundwissenschaft.
                           Die Anlage der Lehrmittelsammlungen, der Museen könnte durch die Adoptirung des
                              Systemes der vergleichenden Methode nur gewinnen. Die Adoption dieser
                              Behandlungsmethode der mechanischen Technologie würde es selbstverständlich nicht
                              ausschließen, daß neben dem Hauptlehrer dieses Faches an einer technischen
                              Hochschule Vorträge von Specialisten über einzelne Zweige nach der Methode der
                              speciellen Technologie gehalten würden. Die Lehrer der vergleichenden mechanischen
                              Technologie brauchten dann den Vergleich der Vorträge des Specialisten über
                              Papierfabrikation, Brunnenbau, Eisengießerei, Kattundruckerei etc. mit seinen
                              eigenen nicht mehr zu scheuen.
                           ––––––––––
                           Die hier angedeutete Reform ist in zufriedenstellender und wirksamer Weise in solange
                              nur ein frommer Wunsch, als die Ueberzeugung von der Nützlichkeit derselben blos in
                              den Köpfen einzelner Fachmänner besteht. Nur das Zusammenwirken Vieler und die
                              ernste Arbeit einer Reihe von Fachmännern können ein solches Werk zu Stande bringen.
                              Gelehrte, namentlich Physiker und Mechaniker, welche in ihren Laboratorien die an
                              sie gestellten Fragen über die Natur der Rohstoffe beantworten, und das Heer
                              intelligenter und nicht engherziger Praktiker, welche ihre Erfahrungen in conciser
                              und Vertrauen einflößender Weise darstellen, endlich eine Zahl von Fachleuten,
                              welche die Verbindung zwischen Theorie und Praxis herstellen, zu lesen verstehen,
                              was heute noch in spärlichen unleserlichen Zügen ausgedrückt, – alle diese
                              Factoren müssen zusammenwirken, um das Ziel zu erringen, das mir vorschwebte, als
                              ich den Muth faßte, das hier Ausgesprochene der öffentlichen Discussion zu
                              unterbreiten.