| Titel: | Die Motoren auf der Wiener Weltausstellnng 1873; van Professor J. F. Radinger. | 
| Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 193 | 
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                        Die Motoren auf der Wiener Weltausstellnng 1873;
                           								van Professor J. F.
                              									Radinger.Mit gef. Genehmigung aus dem officiellen Ausstellungsbericht, Heft
                                    											83. Druck und Verlag der k. k. Hof- und Staatsdruckerei. Wien
                                 										1874.
                        Mit Abbildungen.
                        (Fortsetzung von S. 486 des vorhergehenden
                           								Bandes.)
                        Radinger, über die Motoren auf der Wiener Weltausstellung
                           								1873.
                        
                     
                        
                           Dampfmaschine von W. Baranovsky in St. Petersburg.
                           Eine Maschine, deren Construction meist selbstschaffende Energie verräth, wenn auch
                              									das Aeußere an englische Formgebung anklang, war die liegende Woolf-Maschine ohne Condensation vom Ingenieur W. Baranovsky in St. Petersburg, der seit mehreren Jahren
                              									Motoren in folgender Anordnung baut.
                           Die beiden Cylinder sind hinter einander und in einem Stück, jedoch mit eingelegtem
                              									und nachträglich verschraubtem Trennungsboden gegossen. Der kleine Cylinder findet
                              									sich am Außenende der Maschine, während der große Cylinder gegen die Geradführung zu
                              									liegt. Letzterer schließt nun mit zwischengeschraubtem Vorderdeckel an den
                              									aufstehenden Kreisflansch der Grundplatte, welche hier erst beginnend, die Cylinder
                              									rückwärts völlig frei hinausragen läßt, selbst aber dauernd am Boden aufliegt. Die
                              									Grundplatte enthält das Kurbellager und hinter demselben rechtwinkelig zur
                              									bisherigen Längenrichtung einen Seitenblock angegossen, welcher unter der
                              									Kurbelwelle zum zweiten Lager führt, das gleichfalls mit der ganzen Platte ein
                              									einziges Gußstück bildet. Frei außer diesem Hinterlager sitzt das Riemenschwungrad
                              									auf der Welle, und nun muß die Maschine allerdings besser fundirt bleiben als irgend
                              									eine andere mit gesondertem Hinterlager, wo sich die Senkungen höchst ungleichartig
                              									einfinden können.
                           Die Form des Bettes selbst zeigt einen schlichten Hohlgußkörper von jener weichen
                              									Gestaltung, wie selbe zuerst von Allen in Manchester,
                              									dann aber auch von Tangye u. A. angewendet wurde.
                           
                           Die Cylinder von 76 und 144 Millim. Bohrung enthalten Gußkolben ohne Spannringe, und
                              									auch die Stopfbüchse des Trennungsbodens zwischen beiden bildet nur eine einfache
                              									Nabe ohne irgend eine andere Vorrichtung als dünne eingedrehte Nuthen, welche gleich
                              									solchen am Umfange der Kolben dichten und centriren sollen. Baranovsky theilte dem Verf. mit, daß er solche Kolben und Stopfbüchsen
                              									nach vierjährigem Betriebe untersuchte und keine Spur einer Abnützung der Lauffläche
                              									auffinden konnte. Die Kolben sitzen mit je einer Schraubenmutter festgehalten auf
                              									ihrer gemeinsamen Stange, deren Vorderende durch die Stopfbüchse des Vorderdeckels
                              									geht. Letztere ist blos mit einer einzigen centrischen Mutter anzuziehen, was
                              									einerseits einen gleichmäßigen Druck auf die Einlage und andererseits den Vortheil
                              									bietet, daß Alles auf der Maschine und ganz ohne Handarbeit fertig gemacht werden
                              									kann.
                           Eine einzige Schwierigkeit scheint zu bestehen und dies ist die schwere
                              									Zugänglichkeit zu den Kolben dieser Maschine. Diese zu ermöglichen, müssen wohl die
                              									Cylinder vom Bett abgehoben werden, indem sonst keine Möglichkeit des Zukommens
                              									besteht.
                           Die Führung findet mit normalem Gabelkreuzkopf und auf angegossenen unteren
                              									Schwalbenschwanz-Gleitflächen statt, welche durch aufgeschraubte Lineale vor
                              									dem Losheben gesichert sind. Die Schubstange endet beiderseits mit geschlossenen
                              									Köpfen und greift vorn auf einer Kurbelscheibe an, welche vor dem mit
                              									überschnittenem Deckel versehenen Lager sitzt. Hinter dem Lager kommt das Excenter
                              									für die einfache Steuerung, und dessen Stange übersetzt an den Armen einer kurzen,
                              									quer im Bett liegenden Welle auf den Vertheilungsschieber. Dieser liegt zutiefst am
                              									Cylinder unten im aufgeschraubten Schieberkasten und sein Rücken ist mit den
                              									Außenflanschen des Kastens zugleich abgehobelt, so daß der innen ganz gehobelte
                              									Schieberkastendeckel dampfdicht und folglich entlastet anliegen soll.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 194
                              
                           Die Steuerung der vier Cylinderseiten geschieht nun mit einem einzigen Schieber,
                              									dessen eingegossener Längscanal an drei Orten mündet, deren stets zwei zur
                              									abwechselnden Verbindung der symmetrischen Cylinderseiten  dienen, während die dritte
                              									Oeffnung am vollen Stege läuft und so geschlossen bleibt. Ein- und
                              									Ausströmung findet durch die Schieberlichten statt. Dadurch, daß die Dampfwege ganz
                              									unten an den Cylindern liegen, ist jeder Ansammlung von Wasser etc. im Inneren
                              									vorgebeugt, ohne daß das Zukommen zu dem unten völlig frei liegenden Schieberkasten
                              									verwehrt erschiene. Die Dampfwege sind wohl ziemlich lang und der Canal im Schieber
                              									bildet eine Vergrößerung des schädlichen Raumes. Da aber die Maschine, ohne
                              									Condensation und variable Expansion arbeitend, doch nicht den höchsten Ansprüchen an
                              									Oekonomie gerecht werden soll, sondern ein möglichst einfacher, aber doch mit
                              									erzwungener höherer Expansion arbeitender Motor sein will und übrigens auch nur für
                              									kleine Effecte (bis 15 Pferde) gebaut wird, so scheint das System umsomehr
                              									beachtenswerth, als man ja auch sonst die Expansionswirkung an einer einzigen
                              									Kolbenstange für directwirkende Pumpen etc. zu gewinnen sucht.
                           Der Regulator befindet sich direct an der Kurbelwelle und zwar liegend in dem freien
                              									Theil zwischen den beiden Lagern. Er besteht aus zwei mit der Welle rotirenden
                              									gußeisernen Linsen, welche auf je einer Federplatte mit Stellschraube halten. Eine
                              									Endseite der Federn wird in einem Stellring, der zugleich den Lagerbund abgibt, mit
                              									Stockschrauben festgehalten, während die andere Endseite den Manschettenring
                              									mitnimmt, wenn die Bewegung eintritt. Die Regulirung geschieht durch Dampfdrosselung
                              									mit einem Spaltschieber im Dampfrohr.