| Titel: | Kritische Untersuchungen über den Werth von Naphtalin und Petroleum als Ersatzmittel für Cannelkohle; von Professor Aug. Wagner. | 
| Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 250 | 
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                        Kritische Untersuchungen über den Werth von
                           								Naphtalin und Petroleum als Ersatzmittel für Cannelkohle; von Professor Aug. Wagner.
                        Wagner, über den Werth von Naphtalin und Petroleum als Ersatzmittel
                           								für Cannelkohle.
                        
                     
                        
                           Da die zur Gasbereitung angewendeten Steinkohlen (in Deutschland: Saarbrücker,
                              									Zwickauer, Böhmische, Westfälische, Schlesische u. a. Kohlen) nicht die gewünschte
                              									Leuchtkraft des Gases liefern, so setzt man denselben sogen. Cannelkohlen (wie
                              									Boghead, böhmische Plattenkohle, Falkenauer Braunkohle etc.) zu. Als Ersatzmittel
                              									für letztere sind unzählige Compositionen in Vorschlag gebracht worden, und die
                              									Anzahl der hierauf genommenen Patente ist eine sehr große.
                           Alle diese Vorschläge gehen im Wesentlichen auf Zusatz solcher billiger
                              									Kohlenwasserstoffe hinaus, welche im Stande sind, oder wenigstens nach der Ansicht
                              									des Patentnehmers im Stande sein sollen, in der Glühhitze in sogen,
                              										„permanente“ Gase zu zerfallen. Unter dem Ausdruck
                              										„permanente Gase“ versteht der Gastechniker solche Gase,
                              									welche bei Abkühlung auf gewöhnliche Temperatur sich nicht condensiren, im Gegensatz
                              									zum Physiker und Chemiker, welche hierunter nur solche Gase, die sich durch Druck
                              									oder Kälte nicht verdichten lassen, verstehen.
                           Alle diese Kohlenwasserstoffe müssen reich sein an Kohlenstoff, da der werthvollste
                              									Bestandtheil des Leuchtgases, der hellleuchtende schwere Kohlenwasserstoff (Aetylen,
                              									oelbildendes Gas, Elayl C2H4) 85,7
                              									Proc. Kohlenstoff besitzt. Das aus gewöhnlichen Kohlen dargestellte Leuchtgas
                              									enthält nur 5 bis 7 Proc. desselben (mit Cannelkohlenzusatz dargestellt etwa 10
                              									Proc.) und aus Petroleumrückständen dargestellt gegen 17½ Proc. Die übrigen
                              									Bestandttheile des Leuchtgases sind der Hauptmenge nach — bis zu 80 Proc.
                              									— der schwach leuchtende leichte Kohlenwasserstoff (Sumpfgas, Grubengas CH4) mit 75 Proc.
                              									Kohlenstoff und dann das nicht leuchtende Wasserstoffgas.
                           John Hamilton (Patent vom J. 1867) tränkt bituminöse
                              									Schiefer oder Kohlenmaterialien mit einer siedenden Lösung von Naphtalin
                              									
                              									C10H8 in rohen
                              									Steinkohlenölen und verwendet auf 1 Tonne pulverisirte Kohle 480 Liter schwere
                              									Steinkohlentheeröle oder an Paraffin reiche Schieferöle mit 2,25 Kg. Naphtalin
                              									gemischt; er will hieraus 420 Kubikmeter sehr schönes Gas erzielen.
                           Ließe sich Naphtalindampf (mit 93,75 Proc. Kohlenstoffgehalt) dem Leuchtgase
                              									beimengen, so müßte es ohne Zweifel die Leuchtkraft wesentlich erhöhen. Ebenfalls
                              									wäre das Auftreten eines leuchtenden Gases zu erwarten, wenn sich dasselbe in der
                              									Glühhitze in Gase verwandeln würde, entweder dadurch, daß Naphtalindampf allein,
                              									oder dadurch, daß Naphtalindampf gemengt mit Wasserstoff oder Kohlenwasserstoffen
                              									durch glühende Röhren geleitet würde. Die vom Verf. mitgetheilten Versuche haben
                              									jedoch ergeben, daß die Verdunstungsfähigkeit des Naphtalins an der Luft sehr
                              									unbedeutend — in 9 Tagen 6,5 Proc. — ist, und daß Naphtalin mit
                              									Wasserstoff in der Weißglühhitze keine permanenten Gase liefert. Auch bei der
                              									Vergasung von Petroleum hatte ein Zusatz von Naphtalin nicht nur keine Zunahme,
                              									sondern eine sehr bedeutende Verminderung des Gasvolumens zur Folge. Offenbar
                              									umhüllten die in der Glühhitze beständigen Naphtalindämpfe den Petroleumdampf in der
                              									Art, daß ein beträchtliches Quantum desselben nicht zur Zersetzung in permanente
                              									Gase gelangte, sondern mechanisch mit fortgerissen wurde. Aus dem Besprochenen
                              									ergibt sich die völlige Werthlosigkeit des Naphtalins für das Leuchtgas, so daß bei
                              									den bekannten üblen Eigenschaften desselben für den Betrieb eine möglichste
                              									Entfernung, aber ja kein Zusatz desselben von Vortheil ist.
                           Das Patent von M'Kenzie (1865) sowie das etwas später
                              									folgende von Walker und Smith
                              									bezwecken einen Petroleumzusatz. Ersterer tränkt 1 Tonne
                              									zu Staub gepulverte bituminöse Kohle mit 136 Liter Petroleum oder rohem Oel; die
                              									Tonne dieses Materiales soll 12 000 bis 14 000 K.-F. Gas von 18 bis 24 Kerzen
                              									Leuchtkraft liefern. (In einer Gasanstalt wurden hiermit jedoch nur 9871
                              									K.-F. aus der Tonne erhalten.) Letztere sättigen getrockneten Torf oder
                              									andere passende Materialien mit Petroleum und wollen aus der Tonne 550 K.-M.
                              									Gas, also 970 K.-F. aus einem Centner erhalten. Bei Anwendung von warmem
                              									Petroleum zur Sättigung soll der Torf über 50 Proc. seines Gewichtes hiervon
                              									aufnehmen. Dieselben glauben, daß das bei der Destillation aus dem Torf gebildete
                              									Wasser eine günstige Rolle spiele, ohne welche man nicht im Stande wäre, ein
                              									permanentes Gas zu produciren.
                           Was den Zusatz von Petroleum, Kohle, Torf und ähnlichen zur Gaserzeugung schon an und
                              									für sich geeigneten Materialien betrifft, so  muß diese Art, aus Petroleum Gase erzeugen zu wollen, als
                              									eine höchst unglücklich gewählte bezeichnet werden, und zwar aus folgenden
                              									Gründen.
                           Gibt man Kohle oder Torf, getränkt mit Petroleum, in die gewöhnlichen Retorten der
                              									Gasfabriken, so tritt durch erstere sofort eine sehr bedeutende Menge Wasserdampf
                              									auf, welcher das bei der hohen Temperatur der Retorte leicht flüchtige Petroleum zum
                              									guten Theil theils mechanisch fortreißt, theils vor Zersetzung in permanente Gase
                              									schützt, so daß ein beträchtlicher Theil des angewendeten Petroleums in der
                              									Hydraulik zum Theer gelangt und nutzlos verloren geht.
                           Die Wasserbildung geht bei Steinkohle in der ersten Stunde der Ladung vollständig, in
                              									der ersten halben Stunde schon zum größten Theil vor sich; bei Torf in noch weit
                              									kürzerer Zeit. Saarbrüker Kohle liefert ca. 10 Proc. ihres Gewichtes Wasser,
                              									bituminöse Kohle ca. 20 Proc. und getrockneter Torf gegen 30 Proc.
                           Das Wasser verdampft bereits zum größten Theil in der ersten halben Stunde, während
                              									aus der Kohle in derselben Zeit sich nur so wenig Gase bilden werden, daß dieselben
                              									schon an und für sich mit dem drei- bis vierfachen Volumen Wasserdampf
                              									verdünnt sind, und mit noch mehr, nämlich mit dem acht- bis zwölffachen, bei
                              									Anwendung von bituminöser Kohle und Torf. Setzt man nun noch Petroleum zu, so muß
                              									der größte Theil der Petroleumdämpfe sogleich unzersetzt mit fortgerissen werden,
                              									sowie ein Theil der hieraus gebildeten hellleuchtenden schweren Kohlenwasserstoffe
                              									durch Wasserdampf in geringwerthigere zersetzt werden, indem der schwere
                              									Kohlenwasserstoff mit Wasserdampf in der Glühhitze sich zersetzen kann in leichten
                              									Kohlenwasserstoff, Wasserstoff, Kohlenoxyd und Kohlensäure.
                           Um die Schädlichkeit des Wasserdampfes bei der Erzeugung von Gasen aus Petroleum
                              									durch Zahlen beweisen zu können, wurden folgende Versuche angestellt.
                           Es wurde zunächst durch eine 2½ Fuß (762 Mm.) lange, mit Bimsstein gefüllte
                              									glühende Porzellanröhre langsam Petroleumdampf geleitet; die erhaltenen Gase wurden
                              									nach dem Passiren eines durch Schnee gekühlten Condensationsgefäßes über Wasser in
                              									graduirten Cylindern aufgefangen. Es gaben hierbei 5,251 Grm. Petroleum: 3,315 Liter
                              									permanente Gase, also per 1 Centner Petroleum 1114 K.-F. Gase; im
                              									Condensationsgefäß fand sich eine geringe Menge condensirten Petroleums.
                           Hierauf wurde durch dieselbe Porzellanröhre mit den Petroleumdämpfen zu gleicher Zeit
                              									ein schwacher Strom Wasserdampf unter ganz gleich gehaltenen Umständen bei möglichst
                              									gleicher Temperatur hindurchgeleitet;  es ergaben in diesem Falle 4,348 Grm. Petroleum: 1,475
                              									Liter Gase, also per 1 Centner Petroleum nur 598 K.-F. Gase; dafür zeigte
                              									sich aber im Condensationsgefäß auf dem condensirten Wasser eine beträchtliche Menge
                              									condensirtes Petroleum schwimmend. Die Gasausbeute wurde also durch den Wasserdampf
                              									fast auf die Hälfte herabgedrückt.
                           Nach einem weiteren Patent (1873) erzeugt Spencer aus
                              									Petroleum schwere Gase und leitet dieselben mit Wasserdampf durch glühende Retorten
                              									zur Erzeugung leichterer Gase.
                           Derselbe verwandelt die durch Zersetzung des Petroleums in der Hitze gewonnenen
                              									hellleuchtenden Gase in weniger leuchtende, um hierdurch ein größeres Gasvolumen zu
                              									erhalten, indem sich, wie schon erwähnt, die schweren Kohlenwasserstoffe in der
                              									Glühhitze mit Wasserdampf zersetzen können, in leichten Kohlenwasserstoff,
                              									Wasserstoff, Kohlenoxyd und Kohlensäure. Was für einen Gewinn hat aber derselbe
                              									hierdurch? An Leuchtkraft auch nicht den geringsten — im Gegentheil nur
                              									Verlust. Er bedarf ferner dreifacher Heizung: zur Zersetzung des Petroleums, zum
                              									Heizen des Dampfkessels und zum Glühen des Gemenges von Gas und Dampf. Auch läßt
                              									sich zur Zersetzung des Wasserdampfes in der Glühhitze ein weit billigerer
                              									Kohlenstoff verwenden, als der aus Petroleum abstammende.
                           Nach einem weiteren Patent von Parker (1872) wird Kohlenstaub mit kaustischem
                                 										Kalk und Petroleum mit kaustischem Kalk
                              									verwendet. Nach den vom Verf. ausgeführten Versuchen gewährt der Zusatz von frisch
                              									gebranntem Kalk keinen Nutzen, gelöschter Kalk vermindert die Ausbeute in Folge des
                              									auftretenden Wasserdampfes sogar sehr beträchtlich.
                           Cormack (Patent 1862) destillirt Petroleum, Theer, Oel
                              									etc. mit Wasserdampf und ebenso Haseltine, Petroleum mit
                              									Wasserdampf. — Da der Wasserdampf für die Vergasung von Petroleum sich so
                              									schädlich zeigt, so ist wohl ein Gleiches bei der Vergasung anderer
                              									Kohlenwasserstoffe, wie Theer, Oel etc. der Fall. Bekanntlich sind die äußerst
                              									zahlreichen Versuche, aus Theer und Wasserdampf in der Glühhitze permanente Gase zu
                              									erhalten, bis jetzt von keinem Erfolg gewesen.
                           Will man Petroleum zur Gaserzeugung benützen, so ist es weit besser, dasselbe allein,
                              									ohne jeden Zusatz anzuwenden. Reines Petroleum ist aber hierfür in der Praxis im
                              									größeren Maßstabe nicht angewendet worden, sondern nur die beim Raffiniren des
                              									Petroleums bleibenden Rückstände. Die bekanntesten Apparate letzterer Art sind der
                              									von Dr. Hirzel (1867 184 485) und der von Riedinger. Auffällig ist, daß mit diesen beiden Apparaten in der Praxis eine
                              									weit geringere  Ausbeute
                              									von Gas erzielt wird, als es bei Anwendung von reinem Petroleum möglich ist. Verf.
                              									erhielt nämlich bei Anwendung von Petroleum eine weit höhere Gasausbeute, als diese
                              									Apparate bei Anwendung von Petroleumrückständen liefern, obgleich
                              									Destillationsversuche im Kleinen sonst gewöhnlich ungünstigere Resultate liefern,
                              									als der Ausführung im Großen möglich ist. In der Krauß'schen Lokomotivfabrik in München wurde im J. 1868 mittels Hirzel's Apparat aus 1 Ctr. Petroleumrückständen im
                              									Durchschnitt nur 733 K.-F. erhalten (1868 190
                              									172), in der Rathgeber'schen mittels Riedinger's Apparat ca. 878 K.-F.
                           Verf. gab abgewogenes Petroleum, eingeschlossen in einer mit feiner Oeffnung
                              									ausgezogenen Kaliglasröhre, in das Ende einer mit Bimsstein gefüllten, 762 Mm.
                              									langen schmiedeisernen Röhre. Dieses Ende der Röhre wurde hierauf luftdicht
                              									verschlossen, am anderen Ende wurde luftdicht durch Gyps und Lehm eine Glasröhre
                              									eingekittet, welche das erhaltene Gas in ein durch Schnee gekühltes
                              									Condensationsgefäß führte, von wo aus das Gas über Wasser in graduirten Cylindern
                              									aufgefangen wurde. Zuerst wurde der mit Bimsstein gefüllte Theil des Rohres zum
                              									Glühen gebracht; die hierbei ausstrahlende Wärme brachte das Petroleum zum
                              									Verdampfen, so daß diese Dämpfe durch die glühenden Bimssteinstückchen passiren
                              									mußten; schließlich wurde auch noch das Ende der Röhre erhitzt. Das hierfür
                              									angewendete Petroleum war von allen unter 150° siedenden Kohlenwasserstoffen
                              									befreit. Es lieferte 1,375 Grm. Petroleum 1,205 Liter Gas; hiermit liefert 1 Centner
                              									Petroleum 1511 K.-F. Gas. Bei einem zweiten Versuch ergaben 0,330 Grm.
                              									Petroleum 0,290 Liter Gas; hiermit liefert 1 Centner Petroleum 1552 K.-F.
                              									Gas. Die nach dem Versuch herausgenommenen Bimssteinstückchen zeigten sich in beiden
                              									Fällen ziemlich stark schwarz gefärbt von ausgeschiedener Kohle, welche jedoch durch
                              									Glühen an der Luft leicht verbrannte. Das specifische Gewicht des Gases war 0,82;
                              									bei Gas aus Hirzel's Apparat fand Schilling dasselbe zu 0,86 und Martius zu
                              									0,698. Die Leuchtkraft fand Verf. bei Anwendung eines Brenners für Bogheadgas,
                              									welcher in der Stunde 22 Liter Gas consumirte, zu 89,3 Grm. Stearin auf 1
                              									K.-F. Gas berechnet. (Schilling fand für Gas aus
                              									Petroleumrückständen für 1 K.-F. die Leuchtkraft zu 93,66 Grm. Stearin.)
                           Um eine günstige Ausbeute an Gas zu erzielen, ist es absolut nothwendig, daß eine
                              									hohe Glühhitze eingehalten wird, und daß die Zeit, während welcher der
                              									Petroleumdampf der Glühhitze ausgesetzt bleibt, nicht zu kurz ist, indem sich sonst
                              									zu wenig in permanentes Gas verwandelt und sich zu viel unzersetzt condensirt. So
                              									erhielt Verf. bei 
                              									seinen Versuchen im Kleinen bei Anwendung einer dicken, glasirten Porzellanröhre von
                              									762 Mm. Länge und unter sonst gleichen Umständen wie oben stets eine niedere
                              									Gasausbeute, dafür aber eine weit beträchtlichere Condensation, indem es nicht
                              									gelang, die dicke Porzellanröhre im Inneren so zu erhitzen wie die schmiedeiserne,
                              									wie sich schon daraus ersehen ließ, daß in der schmiedeisernen Röhre das zur
                              									Aufnahme des Petroleums hineingeschobene Kaliglas stets durch die Hitze
                              									zusammensank, während es in der Porzellanröhre die Rundung beibehielt. So ergaben in
                              									der Porzellanröhre 5,251 Grm. Petroleum 3,315 Liter Gas, also 1114 K.-F. aus
                              									einem Centner, während in der schmiedeisernen über 1500 K.-F. aus dem Centner
                              									Petroleum sich ergaben.
                           Ob bei dem Riedinger'schen Apparat, der mehr einer
                              									Destillirblase als einer Retorte gleicht, sich die beiden Bedingungen, hohe
                              									Temperatur und genügende Zeit, einhalten lassen, dürfte fraglich erscheinen.
                           Um den Werth der bei Leuchtgasbereitung aus Petroleum sich ergebenden Condensation
                              									sowie der schweren flüchtigen Bestandtheile des Petroleums kennen zu lernen, wurden
                              									folgende Versuche angestellt.
                           An dem einen Ende der mit Bimsstein gefüllten, 762 Mm. langen Porzellanröhre wurde
                              									der Hals einer Glasretorte eingekittet und ebenso am anderen Ende eine 610 Mm. lange
                              									Glasröhre, deren umgebogenes Ende in ein durch Schnee gekühltes Condensationsgefäß
                              									mündete. Die Porzellanröhre erhielt dabei eine solche Neigung, daß das in der
                              									angesetzen Glasröhre unzersetzt condensirte Petroleum in die glühende Porzellanröhre
                              									zurücklaufen mußte. Die Retorte wurde mit 83,5 Grm. Petroleum gefüllt, von welchem
                              									alle unter 150° siedenden Bestandtheile zuvor abdestillirt waren; sobald die
                              									mit Bimsstein gefüllte Porzellanröhre zum Glühen erhitzt war, wurde das Petroleum in
                              									der Retorte zum Sieden gebracht. Der Versuch dauerte 1½ Stunden, nach welcher
                              									Zeit der Siedepunkt in der Retorte auf 288° gestiegen war; es blieben nun in
                              									der Retorte zurück 27 Grm., im Condensationsgefäß hatten sich 28,25 Grm. gesammelt;
                              									in permanente Gase verwandelt waren somit 83,5 - (27 + 28,25) = 28,25 Grm.
                              									Petroleum; also waren circa ⅓ vergast, ⅓ condensirt und ⅓ in
                              									der Retorte zurückgeblieben.
                           Das angewendete Petroleum hatte das specifische Gewicht 0,789, der Rückstand in der
                              									Retorte 0,830, das Condensationsproduct 0,780.
                           Während das angewendete Petroleum völlig frei war von unter 150° siedenden
                              									Bestandtheilen, destillirt von den im Condensationsgefäß erhaltenen 28,25 Grm. die
                              									Hälfte zwischen 110 und 150° und zwischen 150 bis 190° Alles bis auf
                              									einen sehr kleinen Rest.
                           
                           Es ist jedenfalls beachtenswerth, daß beim Leiten von Petroleumdämpfen durch glühende
                              									Röhren sich sehr beträchtliche Mengen von Kohlenwasserstoffen bilden, welche einen
                              									bedeutend niederen Siedepunkt besitzen, als dem leichtflüchtigsten Theil des
                              									angewendeten Petroleums zukommt. Es ergibt sich für die Praxis hieraus die
                              									Nothwendigkeit einer genügenden Condensation.
                           Von den in der Retorte zurückgebliebenen 27 Grm. destillirte ⅓ zwischen 288
                              									und 360° über, bei höherer Temperatur das Uebrige mit Ausnahme von 1/5,
                              									welches sich nicht mehr überdestilliren ließ, sondern sich unter Gasbildung
                              									zersetzte. Das gewöhnliche Petroleum läßt sich also im Riedinger'schen Apparat nicht vortheilhaft zur Vergasung verwenden.
                           Um die Vergasungsfähigkeit des Condensationsproductes sowie des in der Retorte
                              									gebliebenen Rückstandes zu ersehen, wurden folgende Versuche angestellt.
                           Es wurden zunächst 1,495 Grm. des Condensationsproductes in erwähnter schmiedeiserner
                              									Röhre unter schon besprochenen Umständen behandelt, wobei dieselben 1,125 Liter Gas
                              									lieferten, woraus sich für 1 Centner 1364 K.-F. Gas berechnet. Von dem in der
                              									Retorte gebliebenen Rückstand ergaben unter denselben Verhältnissen 1,718 Grm. 1,305
                              									Liter Gas, woraus sich für 1 Centner 1340 K.-F. Gas berechnen.
                           Da reines Petroleum unter gleichen Umständen 1541 bis 1552 K.-F. Gas per 1
                              									Centner liefern konnte, so ist der Werth sowohl des Condensationsproductes als auch
                              									des erst bei höherer Temperatur siedenden Rückstandes für die Leuchtgaserzeugung
                              									geringer, als der des raffinirten Petroleums. Hiernach müssen auch, wie schon
                              									angedeutet, die Petroleumrückstände eine geringere Gasausbeute liefern wie
                              									Handelspetroleum.
                           Da das aus Petroleum erzeugte Gas bei Anwendung gewöhnlicher Gasbrenner eine stark
                              									rußende Flamme liefert, so muß es aus hierzu geeigneten Brennern mit kleiner
                              									Oeffnung gebrannt werden; mischt man aber dasselbe mit wenig oder nicht leuchtenden
                              									Gasen, so gibt es auch bei Anwendung gewöhnlicher Brenner eine geeignete Flamme. So
                              									wurde beim Durchleiten von Wasserstoffgas mit Petroleumdämpfen durch glühende Röhren
                              									eine prachtvoll brennende Flamme erhalten, welche ohne zu rußen mit sehr schön
                              									weißgelbem Licht verbrannte. Es ist somit Petroleumgas zur Erhöhung der Leuchtkraft
                              									geringwerthigen Gases im höchsten Grade geeignet.
                           Es muß hier aber nun zunächst die Kostenfrage besprochen werden; hierzu soll der
                              									Leuchtwerth des Petroleumgases mit dem aus Cannelkohle und Saarbrückerkohle
                              									erhaltenen Gas verglichen werden.
                           
                           Als Vergleichungspunkte hierfür sind folgende Annahmen gemacht:
                           
                              
                                 1 Centner Petroleum
                                 liefert
                                 1500
                                 Kubikfuß Gas
                                 
                              
                                 1 Centner Boghead
                                 liefert
                                 731
                                 Kubikfuß Gas
                                 
                              
                                 1 Centner böhmische Pankraz-Platten
                                 liefert
                                 603
                                 Kubikfuß Gas
                                 
                              
                                 1 Centner Falkenauer Kohle
                                 liefert
                                 575
                                 Kubikfuß Gas
                                 
                              
                                 1 Centner Saarbrücker Kohle
                                 liefert
                                 519
                                 Kubikfuß Gas
                                 
                              
                           Die Leuchtkraft von 1 Kubikfuß Gas
                           
                              
                                 aus Petroleum
                                 ist gleich: 89,3
                                 Gramm Stearin
                                 
                              
                                 aus Boghead
                                 ist gleich: 70
                                 Gramm Stearin
                                 
                              
                                 aus Pankraz-Platten
                                 ist gleich: 47
                                 Gramm Stearin
                                 
                              
                                 aus Falkenauer Kohle
                                 ist gleich: 48
                                 Gramm Stearin
                                 
                              
                                 aus Saarbrücker Kohle
                                 ist gleich: 21
                                 Gramm Stearin
                                 
                              
                           Es präsentirt hiermit:
                           
                              
                                 das aus 1 Centner Petroleum erhaltene Gas den Werth von
                                 136 Kilogrm. Stearin
                                 
                              
                                 das aus 1 Centner Boghead erhaltene Gas
                                 51,2 Kilogrm. Stearin
                                 
                              
                                 das aus 1 Pankraz-Platten erhaltene Gas
                                 28.3 Kilogrm Stearin
                                 
                              
                                 das aus 1 Falkenauer Kohle erhaltene Gas
                                 27,6 Kilogrm. Stearin
                                 
                              
                                 das aus 1 Saarbrücker Kohle erhaltene Gas
                                 10,9 Kilogrm. Stearin
                                 
                              
                           Für einen Leuchtwerth von 136 Kilogrm. Stearin ist also nöthig:
                           
                              
                                 Gas erhalten aus
                                 1  
                                 Centner Petroleum
                                 
                              
                                 Gas erhalten aus
                                 2,6
                                 Centner Boghead
                                 
                              
                                 Gas erhalten aus
                                 4,8
                                 Centner Pankraz-Platten
                                 
                              
                                 Gas erhalten aus
                                 4,9
                                 Centner Falkenauer Kohle
                                 
                              
                                 Gas erhalten aus
                                 12,5
                                 Centner Saarbrücker Kohle.
                                 
                              
                           Nun kostet, wenigstens in Europa, ein Centner Petroleum weit mehr als 2,6 Ctr.
                              									Boghead, oder 4,8 Ctr. Pankraz-Platten, oder 4,9 Falkenauer Kohle. Man wird
                              									also nicht mit Vortheil Petroleum als Ersatz für Cannelkohle zur Erhöhung der
                              									Leuchtkraft des gewöhnlichen Steinkohlengases benützen können. 12½ Ctr
                              									Saarbrücker Kohle kosten allerdings in vielen Gegenden Deutschlands mehr als 1 Ctr.
                              									Petroleum; dafür liefern aber dieselben bei der Vergasung gegen 8 Ctr. Coaks, welche
                              									den Ankaufspreis der Kohle reichlich zur Hälfte decken, so daß zur Gaserzeugung,
                              									selbst in ungünstigster Lage Deutschlands, die Ankaufskosten von Saarbrücker, und
                              									ebenso von Zwickauer, böhmischer und anderer Gaskohlen geringer sind, als die von
                              									Petroleum und Petroleumrückständen, wenn man gleichen Leuchtwerth erzielen will.
                              									(Nach dem bayerischen
                                    											Industrie- und Gewerbeblatt, 1875 S. 1.)