| Titel: | Ueber die Wahl des Querschnittes von Blitzableitern; von Nippoldt. | 
| Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 364 | 
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                        Ueber die Wahl des Querschnittes von
                           								Blitzableitern; von Nippoldt.
                        Nippoldt, über die Wahl des Querschnittes von
                           								Blitzableitern.
                        
                     
                        
                           Die Angaben von Kühn in „Karsten's Encyklopädie der Physik“ über das
                              									Verhältniß der Querschnitte der Blitzleitungen aus verschiedenen Metallen basiren
                              									auf nicht ganz zutreffenden Principien. Kühn geht nämlich
                              									von dem Grundsatz aus, allen Blitzableitern, mögen sie sehr lang oder kurz sein, aus
                              									diesem oder jenem Metall  bestehen, die nämliche Leitungsfähigkeit zu geben. Als Norm gilt a. a. O. eine
                              									Leitung von Rundeisen von 64 Pariser Fuß Länge und 5 resp. 6 Pariser Linien
                              									Durchmesser. In dem Maße, als der specifische Widerstand eines anderen Metalles
                              									größer oder kleiner ist als jener des Eisens oder einer Leitung länger als 64 Fuß,
                              									muß, um die nämliche Leitungsfähigkeit zu erzielen, der Querschnitt der anderen
                              									Leitung von dem der ersteren verschieden sein. Warum alle Leiter stets den nämlichen
                              									elektrischen Widerstand von 0,01631 Siemens'schen
                              									Einheiten haben sollen, wird in dem Werk nicht näher motivirt. Es scheint vielmehr
                              									dem Zweck eines Blitzableiters besser zu entsprechen, wenn man die Anlage so
                              									herstellt, daß das verwendete Metall den besten
                              									Leitungsweg von allen in der Nähe befindlichen für Spannungselektricität besitzt.
                              									Wird der gespannten Elektricität zu ihrem Ausgleich ein sehr langer dünner Draht
                              									geboten, so beobachtet man oft, daß, statt dieser Leitung zu folgen, die
                              									Elektricität von ihr abspringt und einen kürzeren Weg, etwa durch die Luft, nimmt,
                              									trotzdem sie hier einen viel größeren Widerstand zu überwinden hat. Dies wird
                              									bekanntlich bei Telegraphen-Blitzableitern benützt, indem man zwei
                              									Metallkämme mit ihren Zinken einander gegenüber stellt, ohne daß diese in leitender
                              									Verbindung mit einander stehen. Die Entladung der atmosphärischen Elektricität
                              									erfolgt dann hauptsächlich durch den Luftraum zwischen den Kämmen und nur ein
                              									kleiner Theil derselben durch die Windungen des Relais.
                           Ist es daher mit Schwierigkeiten verknüpft, die Führung eines Blitzableiters zum
                              									feuchten Boden in möglichst senkrechter Richtung herzustellen, und ist man
                              									genöthigt, lange horizontale Leitungen bis zu einem günstigeren Bodenterrain
                              									anzulegen, so kann allerdings der Fall eintreten, daß durch die große Länge der
                              									Leitung der Widerstand so vergrößert ist, daß ein Abspringen des Blitzes möglich
                              									wird. In diesem Fall muß der Querschnitt des Drahtes vergrößert werden; ebenso wird
                              									ein größerer Querschnitt nothwendig, wenn in dem zu schützenden Gebäude oder in der
                              									Nähe desselben Metallmassen lagern, wie Eisenschienen und dergl. Diese Specialfälle
                              									werden aber von der ersten Bedingung eingeschlossen, daß nämlich der Blitzableiter
                              									der beste von allen in der Nähe befindlichen Leitern sein
                              									soll, die einen Ausgleich der atmosphärischen Elektricität herbeizuführen im Stande
                              									sind.
                           Von allen möglichen Fällen läßt sich aber der weitaus größte Theil als unter
                              									gewöhnliche Verhältnisse fallend ausschalten, und für diese ergibt sich eine
                              									vollkommene Unabhängigkeit des Querschnittes von der Länge der Leitung. Es sind dies
                              									die Blitzableiter für solche Gebäude etc., bei denen einestheils keine größeren
                              									Metallmassen lagern, und deren Bauterrain anderentheils nur wenig über dem
                              									Grundwasser liegt.
                           Geht man von dem Erfahrungssatze aus, daß eine Leitung von Rundeisen von 6 Linien
                              									Durchmesser für diese gewöhnlichen Fälle ausreicht, so ergibt sich das
                              									Querschnittsverhältniß zu Leitungen aus anderem Metall aus folgenden
                              									Betrachtungen.
                           Damit das Metall unverändert bleibe, muß man es vor allen Einflüssen, die es
                              									schädigen könnten, schützen. Diese schädlichen Einflüsse können mechanischer oder
                              									molecularer Natur sein. Sieht man von den ersteren ab, so bleiben als letztere
                              									vornehmlich StructuränderungenMessing hat bekanntlich die mißliche Eigenschaft, wenn es längere Zeit der
                                    											Atmosphäre ausgesetzt ist, brüchig und mürbe zu werden, so daß es seine
                                    											ursprüngliche Festigkeit nicht behält., chemische und
                              									Wärmewirkungen. Gegen die Molecularänderungen schützt man sich durch die Wahl eines
                              									passenden Metalles, gegen die chemischen (wie Oxydation etc.) durch einen
                              									nnveränderlichen Ueberzug (Anstrich, Ueberziehen des Leiters mit einer dünnen
                              									Schicht eines edleren Metalles etc.). Gegen die  Wärmeeinflüsse kann man sich
                              									nur schützen durch einen ausreichendeu Querschnitt der Leitung. Die Hauptwirkungen
                              									einer Blitzesentladung sind aber gerade die thermischen, und diese dürfen nie so
                              									groß sein, daß der Draht Structuränderungen erfährt, noch sich so weit erwärmt, daß
                              									die hohe Temperatur dem Leitungsdraht selbst oder seiner nächsten Umgebung schädlich
                              									wird.
                           Es sind die Untersuchungen von P. Rieß, welche hier ihre
                              									praktische Anwendung finden, nämlich die über die Wärmeerzeugung durch eine
                              									elektrische Entladung in den einzelnen Theilen eines
                              									Leiters.
                           Man gehe also von der Forderung aus, daß kein Theil des Blitzableiters sich soweit
                              									erwärmen soll, daß dadurch in irgend einer Weise für ihn oder seine Nachbarschaft
                              									Gefahr droht; oder man sage, die Temperaturerhöhung, durch einen Blitzschlag
                              									erzeugt, darf ein gewisses Maß nicht überschreiten. Eine Eisenleitung von 6 Linien
                              									Durchmesser erfülle diese Forderung; wie groß muß alsdann der Querschnitt eines
                              									Blitzableiters sein, welcher aus einem anderen Metall gefertigt werden soll?
                           Das Maximum der Intensität der bis jetzt beobachteten Blitzschläge, für welches jene
                              									Normalleitung ausreicht, sei J, so wird diese Intensität
                              									weder verringert noch vermehrt, ob man auch einen Blitzableiter von größerer oder
                              									geringerer Leitungsfähigkeit, anlegt; denn man bedenke, daß der elektrische Strom
                              									außer durch das Metall des Leiters auch durch ein großes Stück Luft zu schlagen hat,
                              									deren Leitungsfähigkeit gegen die des Blitzableiters verschwindend klein ist. Die
                              									Wärmemenge, die durch eine elektrische Entladung in einem Theile des ganzen
                              									Leitungsweges erzeugt wird, ist proportional dem Widerstande desselben. Die
                              									Temperaturerhöhung, welche das Stück des Leiters erfährt, ist abhängig außer von der
                              									entwickelten Wärmemenge von seiner specifischen Wärme, seiner Masse und seinem
                              									Wärmeleitungsvermögen. Bei atmosphärischer Luft oder trockenem Erdreich ist die
                              									Temperaturerhöhung trotz der großen Masse, welche erwärmt wird, so groß, daß in
                              									ersterer Lichterscheinung, der Blitz, sichtbar wird, und in letzterem Schmelzungen
                              									entstehen, die unter dem Namen Blitzröhren bekannt sind. Das geringe
                              									Wärmeleitungsvermögen der Luft und des trockenen Erdreiches verhindert die
                              									Ausbreitung der Wärme; die Wirkungen der letzteren concentriren sich auf einen
                              									äußerst engen Weg. Das Metall des Blitzableiters wird indeß erwärmt, indem alle
                              									Punkte eines Querschnittes des Drahtes die nämliche Temperatur gleichzeitig
                              									annehmen.
                           Sollen zwei Blitzableiter aus verschiedenen Metallen dieselbe Temperaturerhöhung
                              									erfahren, oder soll diese in den einzelnen Theilen einer Leitung, die aber aus
                              									verschiedenen Metallen bestehen mag, nicht über das nämliche Maß gehen, so liefert
                              									uns diese Bedingung die untere Grenze des Querschnittes der verschiedenen Metalle,
                              									unter welche nicht gegangen werden darf.
                           Bezeichnet man mit
                           
                              
                                 
                                    Δ
                                    R
                                    
                                 den elektrischen Widerstand eines Stückes der Leitung von der Länge ΔL,
                                 
                              
                                 
                                    I
                                    
                                 das erfahrungsmäßige Maximum der Intensität einer Vlitzesentladung,
                                 
                              
                                 
                                    Δ
                                    W
                                    
                                 die durch I in ΔL erzeugte Wärmemenge, so ist
                                    											bekanntlich:
                                 
                              
                           ΔW = C. J2.
                              									ΔR,
                           wo C eine Constante ist, deren
                              									Größe von der Wahl der Einheiten abhängt. Die Temperaturerhöhung ergibt sich
                              									folgendermaßen.
                           Bezeichnet
                           
                              
                                 
                                    Δ
                                    M
                                    
                                 die Masse des in ΔL enthaltenen Leitungsstückes,
                                 
                              
                                 
                                    q
                                    
                                 den Querschnitt,
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 
                                    s
                                    
                                 das specifische Gewicht,
                                 
                              
                                 
                                    w
                                    
                                 die specifische Wärme,
                                 
                              
                                 
                                    r
                                    
                                 den specifischen Widerstand der Leitung,
                                 
                              
                           so ist die Temperaturerhöhung, welche die Masse ΔM erfährt,
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 367
                              
                           Der Widerstand ΔR des Leitungsstückes ergibt sich zu
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 367
                              
                           So lange also r, s und w dieselben Werthe
                              									behalten, bleibt auch q constant, da die
                              									Temperaturerhöhung T als Constante, als erlaubtes
                              									Maximum anzusehen ist.
                           Für die Praxis reicht es vollkommen aus, wenn man annimmt, daß sich s und w nur gleichzeitig
                              									ändern können; d. h. die geringen Unterschiede der Dichte und specifischen Wärme
                              									desselben Materiales sind für den vorliegenden Zweck als verschwindend zu
                              									betrachten, hingegen muß man die bessere und geringere Metallsorte hinsichtlich
                              									ihres specifischen elektrischen Widerstandes wohl von einander unterscheiden. Für
                              									einen Blitzableiter aus einem anderen Metall oder für ein Leitungsstück desselben
                              									Blitzableiters von anderem Metall ergibt sich die Constante
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 367
                              
                           wo r1, q1, s1 und w1 dieselbe Bedeutung
                              									haben wie früher. Hieraus findet sich schließlich das Verhältniß der Querschnitte
                              									für verschiedene Metalle
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 367
                              
                           in vollständiger Unabhängigkeit von der Länge des
                              									Leitungsstückes, und zwar proportional der Quadratwurzel
                              									aus dem Verhältniß der specifischen Widerstände, während Kühn unter der Annahme, daß die ganze Leitung stets höchstens den
                              									Widerstand von 0,01631 S. E. haben darf, einfache Proportionalität und Abhängigkeit
                              									des Querschnittsverhältnisses von dem Längenverhältniß vorschreibt.
                           Setzt man für Eisen (Stabeisen von 6 par. Linien = 13,5mm Dicke)
                           s = 7,788; w = 0,1138; q = 36.π/4 Qu.-Linien = 144qmm und für Kupfer
                           s1 = 8,95; w1 = 0,0933; r1/r der Reihe nach 1/5 1/6
                              									1/7 1/8 und 1/9, so ergibt sich
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 367
                              
                           
                           q1
                              									= 66,35 60,56 56,07 52,45 oder 49,45qmm, je nachdem der specifische
                              									Widerstand des Kupfers 1/5 bis 1/9 von dem des Eisens ist. Dieser größere
                              									Querschnitt des Kupfers ändert auch die bei Kühn
                              									angeführten Preisverhältnisse, und da der verzinkte Eisendraht für telegraphische
                              									Zwecke jetzt massenhaft hergestellt wird, so stellt sich derselbe aus diesem Grund
                              									schon um mindestens 25 Proc. billiger, als der dort angeführte Preis sagt. Rechnet
                              									man das größere Querschnittsverhältniß von Kupfer zu Eisen hinzu, so wendet sich der
                              									Vortheil ganz entschieden auf Seite des verzinkten Eisendrahtes, wenn man bedenkt,
                              									daß man diesen Draht in Seilform herstellen kann und also neben der
                              									Unveränderlichkeit noch den Vortheil hat, daß Compensationen, durch
                              									Temperaturwechsel bei massiven Metallstangen nothwendig, hier fortfallen. (Poggendorff's Annalen der Physik, 1875 Bd. 154 S. 299.)