| Titel: | Mayes' Kautschuksuspension für Compasse. | 
| Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 503 | 
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                        Mayes' Kautschuksuspension für Compasse.Mittheilungen aus dem
                                       												Gebiete des Seewesens, herausgegeben vom k. k. hydrographischen
                                    											Amte. Pola 1875.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              									X [c/4].
                        Mayes' Kautschuksuspension für Compasse.
                        
                     
                        
                           Die Anwendung der cardanischen Ringe auf den Compaß verlieh diesem Instrumente erst
                              									jene für die praktische Schifffahrt brauchbare Form. Dadurch, daß die Compaßbüchse
                              									auf zwei zu einander senkrechten Achsen spielen konnte, sollte es ihr gewährt
                              									werden, in allen Neigungsverhältnissen des Schiffes unbehindert nur der Schwerkraft
                              									zu folgen, ohne durch diese Bewegungen die Nadel aus der Ebene des magnetischen
                              									Meridians abzulenken. So lange die Neigung des Schiffes eine constante oder die
                              									Schwingung eine langsame und regelmäßige ist, und wenn sonst keine störenden
                              									Einflüsse obwalten, wird auch jener Absicht in einem für die Praxis genügenden Grade
                              									entsprochen. Solches findet statt bei Schiffen, die unter günstigen
                              									Witterungsverhältnissen blos mit Segeln fahren.
                           Anders gestaltet sich jedoch die Sache bei stürmischem Wetter und schwerbewegter See,
                              									wo die Schwingungen größere Dimensionen annehmen und unregelmäßig werden und wo
                              									obendrein das Anprallen der Wogen Stöße verursacht, welche den Schiffskörper in
                              									allen seinen Theilen erschüttern. Alsdann gelangt die Reibung der beiden Achsen in
                              									ihren Lagern, sowie die durch die heftigen Schwingungen hervorgerufene lebendige
                              									Kraft der Compaßbüchse in einem sehr ungünstigen Sinne zur Geltung.  Die Compaßbüchse gehorcht nicht
                              									mehr mit der nöthigen Genauigkeit den Forderungen der Schwerkraft. Es entsteht ein
                              									Widerstreit der Kräfte, der sich auf die Rose fortpflanzt und dieselbe veranlaßt,
                              									zuerst in verticaler Ebene auf ihrer Zapfenspitze auf- und abzuschwingen. Die
                              									Nadel weist dabei Anfangs noch leidlich nach Norden. Bald aber verliert auch sie ihr
                              									magnetisches Gleichgewicht und, indem sie gezwungen wird, die Ebene des Meridians zu
                              									verlassen, trachtet sie dieselbe durch größere oder geringere horizontale
                              									Oscillationen wieder zu gewinnen, woran sie jedoch durch erneuerte Stöße gehindert
                              									wird.
                           Nicht nur, daß dadurch der Compaß in entscheidenden Momenten zu einem für die Führung
                              									des Schiffes unbrauchbaren Instrument heruntersinkt, so wird auch durch diese
                              									Bewegungen der Rose der Achat derselben sowie die Spitze des Zapfens abgestumpft und
                              									die magnetische Richtkraft der Nadel beeinträchtigt. Man that jedoch bis in die
                              									Neuzeit fast nichts, um diesen Uebelständen zu begegnen. Als aber durch die
                              									Einführung der Dampfmaschinen in die Schifffahrt das Zittern und Oscilliren der Rose
                              									und die rasche Abnützung des Hütchens und der Spitze auch bei schönem Wetter und
                              									ruhiger Fahrt zur Regel gemacht und durch die schnelle Ortsveränderung des Schiffes
                              									die Unsicherheit der Navigation, die ein mangelhafter Compaß mit sich bringt, noch
                              									gesteigert wurde, — erst dann sah man sich gezwungen, auf energischere
                              									Abhilfe zu sinnen.
                           Die Wege, die man dabei einschlug, verfolgten im allgemeinen dreierlei Richtungen.
                              									Die eine ging dahin, durch federnde Medien die Fortpflanzung der Stöße auf die
                              									Compaßbüchse möglichst zu vermindern. Hierbei gelangte zumeist Kautschuk in
                              									Verwendung, entweder als Polster, worauf die Achsen der cardanischen Ringe zu liegen
                              									kommen, oder als Bänder, woran die Ringe selbst, direct oder indirect, hängen etc.
                              									In diese Kategorie gehören die mancherlei Modificationen der
                              									Kautschuksuspension.
                           In der zweiten Richtung kam man auf den Gedanken, die Compaßbüchse mit einem Gemisch
                              									von Wasser und Weingeist bis an den Glasdeckel derart vollzufüllen, daß keine
                              									Luftblasen übrig bleiben und die Rose sich mitten in der Flüssigkeit befindet,
                              									wodurch der sogenannte Liquid- oder Fluidcompaß entstand. Die Flüssigkeit
                              									verhindert durch ihren Widerstand sowohl die verticalen als die horizontalen
                              									Oscillationen der Rose, wie auch das Fibriren derselben in Folge von Stößen. Der
                              									Liquidcompaß macht sich dabei noch diejenige Eigenschaft leichtbeweglicher
                              									Flüssigkeiten zu Nutze, wonach diese besonders in runden Gefäßen bei einer nicht
                              									lange andauernden Drehung der letzteren in Ruhe verharren. Würde diese Eigenschaft
                              									nicht bestehen, so müßte die Rose bei jedesmaliger Drehung des Schiffes durch das
                              									Steuer aus ihrer Richtung abgelenkt werden, und könnte erst dann wieder langsam in
                              									den magnetischen Meridian zurückkehren.
                           In der That bildet der Liquidcompaß neuester Construction, wie ihn die Firma Dent in London erzeugt, ein sehr vorzügliches Instrument,
                              									namentlich unter allen jenen Umständen, wo der bisherige Compaß seine Dienste
                              									versagt. Die langsamere Bewegung der Rose des Liquidcompasses wird durch den
                              									Widerstand der Flüssigkeit  hervorgerufen und darf nicht als Trägheit der Nadel
                              									ausgelegt werden. Diese kehrt vielmehr, wenn abgelenkt, in langsamer Schwingung,
                              									selbst am Lande und ohne Aufmunterung durch Rütteln, in ihre vorige Lage zurück; um
                              									so leichter thut sie dies am Bord in Fahrt, wo des Rüttelns nur zu viel ist.
                           In die dritte Kategorie der Verbesserung kann man alles dasjenige zusammenfassen, was
                              									sich auf die Beschaffenheit der Rose, ihres Hütchens und der Spitze bezieht. Durch
                              									Vermehrung des Gewichtes der Nadeln und durch eine weitere Tiefersetzung des
                              									Schwerpunktes der Rose gegen ihren Aufhängungspunkt — wie dies bei der
                              									schweren Sturmrose der Fall ist — wurde deren Stabilität etwas vermehrt.
                              									Statt der Achathütchen und Stahlspitzen wendet man bei Sturmrosen für erstere
                              									Spiegelmetall, für letztere Rubin, jedoch mit abgerundeter Spitze an, während die
                              									leichteren Rosen Spitzen aus Iridium und Hütchen aus Rubin erhalten. Diese letzteren
                              									Verbesserungen sind für sich allein nicht geeignet, dem gewöhnlichen Compasse unter
                              									allen Umständen die wünschenswerthen Eigenschaften zu sichern, wohl aber erhöhen sie
                              									bedeutend den Werth sowohl der Compasse mit Kautschuksuspension, als auch jenen der
                              									Liquidcompasse.
                           Als eine sehr gelungene Verbesserung der Kautschuksuspension muß jene bezeichnet
                              									werden, die Capitain Mayes der königl. englischen
                              									Kriegsmarine ersonnen hat. Wir geben hier nun deren Beschreibung und verweisen
                              									behufs besserer Erläuterung auf Fig. 23 und 24. Die
                              									Compaßbüchse A befindet sich innerhalb eines Ringes B, mit dem sie durch zwei diametral gelegene breite
                              									Kautschukbänder K,K oben und
                              									unten verbunden ist, so daß sie mit diesem Ringe gleichsam ein Ganzes bildet. Der
                              									äußere Ring C ist für die cardanische Suspension
                              									bestimmt. Er steht mit dem ersteren durch zwei hohle Zapfen D, welche als Achse dienen, in Verbindung und trägt senkrecht auf die
                              									Richtung derselben die Zapfen der anderen Achse E. Es
                              									ist nun klar, daß die Compaßbüchse sammt dem inneren Ringe sich im Nachthäuschen in
                              									einer vollständigen cardanischen Suspension befinden wird und daß sie überdies an
                              									den beiden elastischen Bändern ruht, welche die Wirkung der Vibrationen des Schiffes
                              									auf die Rose verhindern. Die erwähnten beiden hohlen Zapfen D sind inwendig mit Schraubengewinde versehen und enthalten je eine
                              									Schraube F. Diese letzteren haben den Zweck, bei schönem
                              									Wetter unter Segel, wo also keine Vibrationen zu befürchten sind, die
                              									Kautschnksuspensionen außer Thätigkeit zu setzen, damit die elastischen Bänder sich
                              									nicht unnöthigerweise abnützen. Schraubt man diese Schrauben gegen einander, so
                              									greifen ihre Enden in entsprechende, an der Compaßbüchse angebrachte Vertiefungen
                              									und bewirken dadurch eine starre Verbindung zwischen der Büchse und dem Ringe B, während die Kautschukbänder der Last enthoben sind.
                              									Diese Bänder werden durch längere Belastung und Ausdehnung über ihre
                              									Elasticitätsgrenze in Anspruch genommen, bekommen Risse, werden spröde und verlieren
                              									ihre elastischen Eigenschaften. Sie müssen daher  von Zeit zu Zeit gewechselt
                              									werden, weshalb jedem Compasse einige Paar solcher Bänder als Reserve beigegeben
                              									werden.
                           Machen die Umstände die Anwendung der Kautschuksuspension erforderlich, so braucht
                              									man nur die beiden erwähnten Schrauben F entsprechend
                              									zurückzuziehen. Der dadurch erzielte Erfolg ist ein überraschender. Bei
                              									diesbezüglichen Versuchen auf einem österr. Panzerschiffe wurde ein derartiger
                              									Compaß gerade über dem Propeller installirt. Als die Kautschuksuspension nicht in
                              									Thätigkeit war, wirkten die Stöße des Propellers derart auf den Compaß, daß die Rose
                              									heftig vibrirte und man für die Spitze und das Hütchen fürchten mußte. Sobald aber
                              									die beiden Schrauben zurückgezogen wurden und die Compaßbüchse auf den Bändern hing,
                              									hörten mit einem Male die Vibrationen auf; die Rose verhielt sich so ruhig, als
                              									würde sie auf einer Flüssigkeit schwimmen.
                           Wir fügen noch hinzu, daß derartige Compasse von der Firma Barrow und Owen in London mit allen neuesten
                              									Verbesserungen in Bezug auf Rosen, Spitzen und Hütchen geliefert werden, und daß
                              									dieselben in der englischen Kriegsmarine eingeführt sind.
                           Was nun die Frage betrifft, welche von diesen beiden Compaßconstructionen den Vorzug
                              									verdient, so läßt sich eine definitive Entscheidung darüber kaum fällen, denn jeder
                              									der beiden Compasse hat seine besonderen Vorzüge; auch ist vieles von der Gattung
                              									und Bestimmung des Schiffes abhängig. Wir werden uns daher nur damit begnügen, hier
                              									die Vorzüge und Mängel beider neben einander zn stellen.
                           Die Rose des Fluidcompasses ist völlig frei von verticalen Schwankungen und kann nur
                              									in äußersten Fällen durch die Bewegungen des Schiffes um ein Geringes aus dem Curse
                              									abgelenkt werden. Dagegen folgt sie beim Wechseln des Curses etwas langsamer, wenn
                              									auch präcise, der Richtkraft der Nadel. Die Fortpflanzung der Vibrationen des
                              									Schiffes beim Gang der Maschine auf das Hütchen ist zwar gemindert, aber nicht
                              									vollkommen behoben. Auch ist eine Auswechslung der Spitze und des Hütchens, wenn in
                              									Folge der Abnützung nothwendig, am Bord nicht bequem zu bewirken.
                           Der Compaß mit Mayes' Aufhängung ist wieder für verticale
                              									und horizontale Schwankungen etwas empfindlicher als der Fluidcompaß, paralysirt
                              									aber auf eine bessere Art die Stöße zwischen Spitze und Hütchen, welch letztere
                              									beiden, wenn abgenützt, am Bord leicht ersetzt werden können.
                           Es empfiehlt sich daher der Fluidcompaß namentlich für schwere See sowie für kleine
                              									Schiffe (für Boote ist nur ein solcher Compaß
                              									verwendbar), wogegen der Compaß mit Kautschuksuspension bei Schiffen, welche durch
                              									den Gang der Maschine in heftige Vibrationen versetzt werden, seine besten Dienste
                              									leistet. Es sollte daher jedes Kriegsschiff, mindestens zum Gebrauche als
                              									Regelcompaß, je ein Instrument dieser beiden Systeme besitzen, wovon jedoch immer
                              									nur eines, nach den gerade obwaltenden Umständen, in Verwendung zu stehen hätte.
                              									Jede Sparsamkeit in Bezug auf Compasse ist eine übel angebrachte, denn viele
                              									Unglücksfälle von Schiffen sind auf einen mangelhaften Compaß zurückzuführen.
                           Es liegt nach dem Vorhergehenden wohl die Frage nahe, warum man nicht den Fluidcompaß
                              									mit der beschriebenen Kautschukaufhängung versieht, um die Vortheile  beider Systeme in einer
                              									einzigen Gattung von Compassen zu vereinigen. Das große Gewicht des Fluidcompasses
                              									bildet hier ein Hinderniß. Es würden die Kautschukbänder eine Ueberanstrengung
                              									erleiden und daher nicht nur bald unbrauchbar werden, sondern auch nicht im Stande
                              									sein, ihre Elasticität in hinreichendem Maße zu entfalten. Die anderen Vortheile der
                              									beiden Systeme hingegen lassen sich nicht mit einander vereinigen.
                           
                              G.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
