| Titel: | Ueber die Abfallwässer in den Turchfabriken; von Engelbert Schwamborn in Aachen. | 
| Autor: | Engelbert Schwamborn | 
| Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 517 | 
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                        Ueber die Abfallwässer in den Turchfabriken; von
                           									Engelbert Schwamborn in
                           									Aachen.
                        Nach dem Sitzungsbericht des
                              										Aachener Bezirksvereins deutscher
                                 								Ingenieure.
                        Mit Abbildungen.
                        Schwamborn, über die Abfallwässer in den Tuchfabriken.
                        
                     
                        
                           Die Abfallwässer der Tuchwalken beschmutzen bekanntlich die sie aufnehmenden Bäche
                              									und sind deshalb vielfach die Ursache großer Unbequemlichkeiten, öfters ein Hemmniß
                              									für die Tuchindustrie. Es ist dies besonders in flachen Gegenden, wie in unseren
                              									östlichen Provinzen oder Holland der Fall, wo z. B. in Tillburg die Anstrengungen
                              									zur Fortschaffung der stagnirenden Abfallwässer — hier noch besonders aus
                              									Sanitätsrücksichten — außerordentlich sind. Indeß auch die preußische
                              									Regierung hat der Sache ihre besondere Aufmerksamkeit nicht versagt, indem sie die
                              									Professoren Landolt und Stahlschmidt beauftragt hat, Auskunft zu geben über die Mittel, welche in
                              									unserer Gegend und in Belgien angewendet werden, um die Abfallwässer der
                              									Tuchfabriken und Wollwäschereien unschädlich zu machen (vergl. den Bericht, 1875 215 214).
                           
                           Versuche der Klärung durch Kies- oder Schlackenfilter, in sogen. Klärteichen,
                              									scheitern, wenn sie auch bezüglich der festen, suspendirten Verunreinigungen Erfolg
                              									haben mögen, an der mechanisch unausführbaren Abscheidung der Seifensubstanz. Diese
                              									ist jedoch auf chemischem Wege zu bewerkstelligen, wodurch nicht allein die Wässer
                              									geklärt, sondern auch die darin enthaltenen Fettstoffe wieder gewonnen werden.
                           Vielfach veröffentlichte Methoden, die Fettstoffe durch Behandlung mit Säuren wieder
                              									zu gewinnen, lasse ich außer Betracht, weil dabei der Zweck, die ablaufenden Wässer
                              									zu klären, nicht erfüllt wird, und beschränke meine Mittheilung auf die Behandlung
                              									mit Kalk, bezw. auf die Herstellung einer Kalkseife und die Verwendung dieses
                              									Productes zu verschiedenen Zwecken, indem ich noch vorausschicke, daß dieses
                              									Verfahren auf die Gewinnung des Wollfettes aus den Abgängen der Wollwäschereien in
                              									gleicher Weise Anwendung zu finden hat.
                           Unter den Abfallwässern sind die zum Walken und Spülen der Tuche gebrauchten Wässer
                              									zu verstehen. Sie sind hellgrau bis dunkelblau je nach der Farbe der gewalkten
                              									Tuche. Dieselben enthalten Oel aus der Spinnerei bis zu 15 Proc. des Garngewichtes
                              									und zum Walken verbrauchte Seife bis zu 30 Proc. des Tuchgewichtes, außerdem den zum
                              									Stärken der Ketten angewendeten Leim, sowie gelöste Farbstoffe und Wollfaser.
                           Die Klärung dieser Walkabgänge beruht auf der Zersetzung derselben durch Kalkmilch,
                              									und das Verfahren ist das folgende. Zunächst befinden sich an den Walk- oder
                              									Spülmaschinen zwei Abzugscanäle, der eine zur Leitung der zuerst dicken, allmälig
                              									sich verdünnenden Brühe in ein Sammelbassin, der andere zur directen Abführung des
                              									nachfolgenden, zum Fortlaufen in die Bäche geeigneten klaren Wassers.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 518
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 518
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 518
                              
                           
                           Ist das Sammelbassin a (Holzschnitt I) — zu 150cbm Inhalt angenommen — gefüllt,
                              									was bei einem Verbrauch von etwa 1000k Seife, die im Mittel zu 25 Proc. einem
                              									Quantum von 4000k
                              									damit gewalkter roher Tuchwaare entsprechen, in circa 14 Tagen der Fall ist, so wird
                              									sein Inhalt durch einen am Boden desselben befindlichen Canal in einen tiefer
                              									liegenden, gleich großen Behälter, das Zersetzungsbassin b, abgelassen, gleichzeitig aber zum Zwecke innigster Mischung aus einem
                              									höher stehenden Gefäße c, z. B. einer mit einem Zapfen
                              									versehen Bütte, ein dünner Strahl Kalkmilch der Abflußrinne zugeführt. Ein
                              									abschüssiges Terrain ist der Ausführung günstig und muß, wo es mangelt, durch Pumpen
                              									ersetzt werden. Der Boden des Zersetzungsbassins b ist
                              									aus drei Lagen Ziegelsteinen gebildet; die unterste liegt flach, darauf hochkantig
                              									die mittlere Lage, mit so großen Zwischenräumen, als es die oberste wieder glatte
                              									Lage, welche mit Mörtel verbunden ist, gestattet. Dieses Canalsystem hat Neigung
                              									nach einer Ecke des Bassins und Verbindung mit einem daselbst fest eingepaßten, über
                              									einem Abflußcanal angebrachten prismatischen Holztrichter d (Holzschn. I bis III), der bis zur Höhe des Bassins reicht und mit einer schräg
                              									aufsteigenden Reihe von Löchern, welche beim Einlassen der Brühe durch Holzzapfen
                              									verschlossen sind, versehen ist.
                           Die Zersetzung findet (wie im oben citirten Bericht schon angeführt ist)
                              									augenblicklich nach dem Einströmen in das Bassin statt. Die Kalkseife scheidet sich
                              									in flockigem Zustande aus, hüllt hierbei die festen suspendirten Substanzen,
                              									Farbstoffe, Wollfaser etc. ein, sinkt mit diesen allmälig zu Boden und verdichtet
                              									sich schließlich zu einem dickschlammigen Niederschlage. Bereits nach wenigen
                              									Minuten ist die oberste Schicht der Flüssigkeit von der flockigen Ausscheidung
                              									befreit und nicht allein klar, sondern farblos. Diese sich sowohl auf die
                              									suspendirten als auch auf die gelösten Farbstoffe erstreckende Klärung ist
                              									erfahrungsmäßig so energisch, daß sie gestattet, dem seifenhaltigen Abfallwasser
                              									noch bedeutende Mengen von anderen Farbwässern zuzuführen, um dieselben mit zu
                              									klären. Die charakteristische Erscheinung der Flocken im freien Wasser ist der
                              									Anhaltspunkt für den genügenden Zusatz von Kalk. Ein Ueberschuß desselben ist indeß
                              									dem Klärungsproceß nicht hinderlich. Annähernd, jedoch immerhin wechselnd nach dem
                              									Seifengehalt des Wassers, ist auf 150cbm Brühe circa 3/10cbm, d. i. 1/5 Proc.
                              									des Volums derselben, an Kalkbrei, wie er sich in den Löschgruben befindet, zu
                              									rechnen.
                           Das geklärte Wasser wird durch Ziehen der an dem Trichter d angebrachten Holzzapfen von oben nach unten abgelassen, bis an den
                              									Punkt, wo die dickschlammige Kalkseife sich abgelagert befindet; zur besseren
                              									Hantirung  ist dabei
                              									eine quer vor dem Trichter bis zur Mitte der Bassinhöhe anzubringende Breterwand e (Holzschnitt II), welche
                              									ebenfalls mit Zapfen versehen ist, noch empfehlenswerth.
                           Das weitere Entwässern geschieht theils in Folge der Verdunstung, welche durch das
                              									Rissigwerden und Aufklaffen des Schlammes unterstützt wird, theils durch Filtration
                              									in das Canalsystem des Bodens. Eine Bestätigung dieser Annahme gibt nach mehreren
                              									Tagen im Großen das Bild des am Boden liegenden, angetrockneten, ganz zerklüfteten
                              									Stoffes. Dieser Teig wird zu seiner ferneren Trocknung auf den Rand des Behälters
                              									ausgeworfen und dort möglichst ausgebreitet. Im Winter findet das Trocknen, je nach
                              									den örtlich klimatischen Verhältnissen, zuletzt unter Dach, auf geeigneten Stellagen
                              									seine Erledigung. Gestattet die Oertlichkeit die Anlage noch eines zweiten
                              									Zersetzungsbassins, so wird die Trocknung wegen der dadurch gewonnenen doppelten
                              									Zeit sehr erleichtert.
                           Die Kalkseife hält die letzten Antheile an Feuchtigkeit längere Zeit zurück, während
                              									sie vermöge ihrer fettigen Beschaffenheit, resp. des Mangels an Adhäsion neu
                              									hinzutretendes Wasser, z. B. bei Regengüssen nicht wieder aufnimmt. Ein
                              									lufttrockenes Stück kann sogar Tage lang unverändert unter Wasser liegen ohne irgend
                              									erhebliche Zunahme seines Gewichtes. Der ganz trockene Bodensatz eines 1½m hohen Bassins ist
                              									ca. 60mm hoch, gleich
                              									4 Proc. der Flüssigkeitssäule.
                           Aus statistischen Nachweisen läßt sich das jährlich in Europa zur Walke gelangende
                              									Tuchquantum auf circa 10 Mill. Centner bemessen. 4000k davon entsprechen, wie oben gesagt,
                              										150cbm
                              									Abfallwasser, resp. 1000k Seife und einschließlich 400k Oel aus der Spinnerei, im Mittel zu 10
                              									Proc. vom Tuchquantum gerechnet, werden im Durchschnitt ca. 800k Kalkseife gewonnen.
                              									Die Walkwässer Europas von einem Jahr entsprechen demnach ca. 2 Mill. Centner
                              									Kalkseife. Diese sind nun entsprungen aus 2 500 000 Ctr. Seife,
                           
                              
                                 darunter 45 Proc.
                                 =
                                 1 125 000 Ctr. Fettsäure,
                                 
                              
                                 dem Oel aus der Spinnerei,
                                 
                                 
                              
                                 zu 10 Proc. des Wollgewichtes
                                 =
                                 1 000 000 Ctr. Fettsäure,
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 in Summa aus
                                 2 125 000 Ctr. Fettstoffen,
                                 
                              
                           welche jährlich bei der europäischen Tuchindustrie zur
                              									Verwendung gelangen. [Die Zusammensetzung derselben wurde bereits (1875 215 220) mitgetheilt.]
                           Durch Zersetzung der Kalkseife mit Säure und darauf folgende heiße Wasserbäder
                              									gewinnt man eine direct zur Destillation verwendbare Fettsubstanz. Es gibt noch
                              									andere Methoden, das Product nutzbar zu machen, z. B. als Zuschlag zum
                              									Brennmaterial. Bis dahin hat sich aber in der  Praxis die Verarbeitung auf Leuchtgas als die
                              									vortheilhafteste Ausnützung ergeben.
                           Die Vergasung der Kalkseife kann, wie die der Mineralöle, allein für sich, wozu
                              									kleinere Einrichtungen genügen, oder in Mischung mit Steinkohle in den gewöhnlichen
                              									Gasanstalten stattfinden. Zur Feststellung der Lichtmenge des Leuchtgases aus
                              									Kalkseife und zum Vergleiche derselben mit Steinkohlen- oder Oelgas, bezieh.
                              									der daraus resultirenden Werthobjecte wurden nun im verflossenen Winter, im Verlaufe
                              									von zwei Monaten, an 22 Abenden, unter meiner Theilnahme und unter Leitung des
                              									Gewerbeschul-Lehrers Hrn. Desclabissac genaue
                              									Beobachtungen angestellt.
                           Die zur Gaserzeugung angewendeten Materialien waren: Gaskohlen von der Zeche
                              										„Consolidation“ bei Gelsenkirchen, das auf dem Wege des
                              									Säureverfahrens aus den Abgängen der Wollwäsche gewonnene Wollfett, Stearintheer und
                              									Kalkseife. Die Materialien wurden jedesmal abgewogen und das daraus erzeugte
                              									Gasquantum beim Durchgange durch die große Gasuhr gemessen. Die Bestimmung der
                              									Lichtstärke wurde mit einem, in einem schwarz behangenen Raume aufgestellten Bunsen'schen Photometer ausgeführt.
                           Das Gas wurde durch einen Viercubikfuß-Schnittbrenner verbrannt, und der
                              									Gasverbrauch durch einen sehr genauen Gasmesser, der in 1 Minute den stündlichen
                              									Consum anzeigt, regulirt. Zur Vergleichung der Lichtstärke diente die Flamme einer
                              									Wallrathkerze, der englischen Parlamentskerze. — Die Beobachtungen fanden
                              									Abends statt, wenn alle aus der Gasanstalt gespeisten Flammen brannten.
                           Zuerst wurde das Leuchtgas aus gemischtem Material, Steinkohle mit Kalkseife, an 5
                              									Abenden der Untersuchung unterworfen. Bezüglich des Quantums waren dabei die
                              									Resultate leicht zu gewinnen, eine Beschickung von 53k,25 Kalkseife und 322k,25 Steinkohle in
                              									Mischung ergab durchschnittlich 80cbm oder 10cbm,7 Leuchtgas per Centner. Leider
                              									blieben aber die Erfolge betreffs der Lichtstärke irregulär, da man nicht in der
                              									Lage war, gemischtes Leuchtgas aus dem Gasometer nehmen zu können, sondern darauf
                              									angewiesen war, das Gas während seiner Entwickelung unmittelbar nach dem Austritt
                              									aus den Reinigungsapparaten der Beobachtung zu unterziehen. Beim Beginn der
                              									Gasentwickelung ergab der Viercubikfuß-Schnittbrenner bei einem Consum von
                              									2½ engl. Cubikfuß pro Stunde eine Lichtstärke von 25 1/6 Kerzen. Diese sank
                              									dann fortwährend und betrug nach 3 Stunden nur noch 14⅓ Kerzen.
                              									Augenscheinlich war daher das den Retorten entströmende Gas nicht fortwährend von
                              									derselben Beschaffenheit resp. Mischung.
                           
                           Die hierauf folgenden Versuche mit Leuchtgas aus unvermischten Materialien ergaben
                              									die in nachfolgender Tabelle zusammengestellten Resultate.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 522
                              Rohproducte; Gemicht der
                                 										Beschickung. k; Gasmenge aus der Beschickung. cbm; Gasmenge aus 1 Centner. cbm; Verhältniß der Gasmenge aus gleichen Gemichten, Gaskohle als
                                 										Einheit; Lichtstärke bei stündl. Consum von 2½ C.-F. in
                                 										Parlamentskerzen; Verhältniß der Lichtstärke, Steinkohlengas als Einheit;
                                 										Lichtmenge a. gleichem Gemicht des Rohproductes, Steinkohle als Einheit;
                                 										Steinkohle; Wollfett; Stearintheer; Kalkseife; Obige Mischung
                              
                           Es darf hier darauf aufmerksam gemacht werden, daß außer den Steinkohlen auch die
                              									anderen ungemischten Fettmaterialien in den vorhandenen großen Retorten vergast
                              									worden sind, deren Unzweckmäßigkeit hierzu schon daraus hervorgeht, daß sie wegen zu
                              									rascher Gasentwickelung nur mit viel geringeren Quantitäten dieser anderen
                              									Materialien beschickt werden durften. Kleinere Retorten würden unzweifelhaft mehr
                              									Gas erzeugt haben. Ferner verdient bemerkt zu werden, daß das Gas aus Kalkseife im
                              									Verlaufe der Destillation in der Lichtstärke eine ausgezeichnete Beständigkeit
                              									zeigte, so zu sagen constant blieb, während die anderen Gase eine stetige Abnahme,
                              									bezieh. von 12 bis 20 Proc. der anfänglichen Lichtstärke wahrnehmen ließen. Es hat
                              									demnach den Anschein, als sei die Kalkseife ein recht naturgemäßes Material zur
                              									Gaserzeugung.
                           In der Fortsetzung meiner Mittheilungen stelle ich die Kaltseife behufs ihrer
                              									Werthbestimmung nur der Kohle als dem Hauptmaterial zur Gaserzeugung gegenüber. Die
                              									relativen Werthe des Wollfettes und des Stearintheers sind übrigens aus den obigen
                              									Beobachtungsresultaten ebenso leicht zu ermitteln.
                           
                              
                                 Bei gleichem Gewichte geben also an Leuchtgas:
                                 
                              
                                 
                                 die Steinkohledie Kalkseife
                                 11,61
                                 
                                    
                                    
                                 Theile.
                                 
                              
                                 Bei Verbrennung eines gleichen Quantums Leuchtgas ist die
                                    											Lichtmenge:
                                 
                              
                                 
                                 bei Steinkohlebei Kalkseife
                                 13,59
                                 
                                    
                                    
                                 Theile.
                                 
                              
                                 Bei gleichem Gewichte des Rohproductes ergeben an
                                    											Lichtmenge:
                                 
                              
                                 
                                 die Steinkohledie Kalkseife
                                 15,78
                                 
                                    
                                    
                                 Theile.
                                 
                              
                           
                           Bei Erzeugung des ungemischten Kalkseife-Gases mittels der bereits gedachten,
                              									mehr dazu geeigneten subtileren Oelgas-Apparate, statt der großen
                              									Steinkohlengas-Retorten, die uns nur zur Verfügung standen, würden sich
                              									unzweifelhaft auch günstigere Lichteffecte ergeben haben, denn durch das einmalige
                              									Einfüllen des ganzen zur Vergasung bestimmten Quantums war die Gasentwickelung im
                              									Verhältniß zu der des Steinkohlengases äußerst stürmisch und das Gas durchlief zu
                              									rasch die Kalkreiniger.
                           1 Ctr. Kalkseife ersetzt also in der Lichtmenge 5,78 Ctr. bester Gaskohle, welche zu
                              									dem Preise von 1,05 M. pro Centner gerechnet, 6,07 M. kosten. Ihre Benützung ist
                              									aber im Vergleich zur Kohle mit mannigfachen Vortheilen verknüpft, wie sich aus
                              									folgendem ergibt.
                           1. Da man von 1 Ctr. Kalkseife so viel Licht erhält, wie von 5,78 Ctr. Steinkohle,
                              									und da außerdem erstere leichter destillirt als letztere, so hat man zur Gewinnung
                              									derselben Lichtstärke bei der Kalkjeife im Vergleich zur Steinkohle voraussichtlich
                              									weniger als den sechsten Theil an Brennmaterial zu verwenden.
                           2. Da ferner
                           
                              
                                 
                                 
                                    cbm
                                    
                                 
                              
                                 1 Ctr. Kalkseife
                                 15,3 Leuchtgas
                                 
                              
                                 5,78 Ctr. Steinkohle à 9,5
                                 54,9 Leuchtgas
                                 
                              
                           liefern, so verhalten sich die Gasvolumen, welche gleich viel
                              									Licht repräsentiren, wie folgt:
                           Kalkseifegas: Steinkohlengas = 15,3 : 54,9 = 1 : 3,59.
                           Bei Anwendung der Kalkseife hat man also im Durchschnitt, dem Volumen nach, etwa
                              									3⅝ mal weniger Gas zu erzeugen.
                           Aus 1 und 2 folgt, daß bei Destillation von Kalkseife die Apparate der Anstalt alle
                              									bedeutend kleiner sein können und das Anlagecapital bei weitem geringer sein
                              									kann.
                           Aus 1 folgt ferner, daß die Gasdestillation aus Kalkseife fast 6mal weniger Zeit
                              									erfordert, was in gleichem Verhältniß eine Ersparniß an Brennmaterial und
                              									Arbeitslohn und eine längere Dauer der Retorten zur Folge hat.
                           3 Endlich werden die Frachtverhältnisse je nach der Oertlichkeit noch in höherem
                              									Grade der Kalkseife das Wort reden.
                           Es ist indessen zu berücksichtigen, daß bei Verarbeitung von ungemischter Kalkseife
                              									keine Coaksrückstände bleiben, welche bei der Gasbereitung aus Steinkohle den Bedarf
                              									an Brennmaterial mehr als decken. Wie hoch sich die Ausgaben für die Heizung
                              									belaufen würden, läßt sich auf ungefähr in folgender Weise berechnen. Die
                              									Coaks-Ausbeute aus den Steinkohlen variirt zwischen 50 und 75 Proc., und es
                              									reichen erfahrungsmäßig bei Kohlenbetrieb ⅔ der zurückbleibenden Coaks aus,
                              									um den ganzen Bedarf der Anstalt an Heizmaterial zu decken. Im Mittel genommen,
                              									würde also der Centner Steinkohlen ca. 30k Coaks liefern, wovon ⅔ also
                              										20k verbraucht
                              									würden, um einen weiteren Centner Steinkohlen abzudestilliren. Bei dem viel
                              									rascheren, fast stürmischen Uebergange  der Gase bei der Destillation der Kalkseife darf,
                              									gestützt auf die Beobachtung, mindestens ¼ weniger, also 15k gerechnet werden.
                              									Bei den rheinischen Brennmaterialpreisen würde demnach die Destillation von 1 Ctr.
                              									Kalkseife eine Ausgabe von 18 Pf. verursachen.
                           Die für die Kalkseife nachgewiesenen Vortheile genießt man bei Anwendung von
                              									gemischtem Material, natürlich im Verhältniß der Menge der genommenen Kalkseife. In
                              									diesem Falle lassen sich auch die Extra-Ausgaben für den Ankauf von Coaks
                              									vermeiden. Eine Beschickung, wie bereits erwähnt, von 53k,25 Kalkseife (à 6,07 M. pro Centner) auf 322k,25 Steinkohle (à 1,05 M. pro Centner) liefert den ganzen Bedarf an Coaks.
                           Für ein solches Mischgas mag nun folgende Berechnung gelten.
                           
                              Eine Beschickung von
                              
                           
                              
                                 
                                    k
                                    
                                 
                                 
                                     cbm
                                    
                                 
                              
                                 53,25
                                 Kalkseife
                                 kostet
                                 6,46
                                 M.
                                 und ergibt
                                 16,30 Gas
                                 
                              
                                 322,25
                                 Steinkohle
                                 kostet
                                 6,77
                                 M
                                 und ergibt
                                 61,32 Gas
                                 
                              
                                 –––––––––––––––
                                 
                                 ––––––––––
                                 
                                 –––––––––
                                 
                              
                                 375,50
                                 Mischung
                                 kostet
                                 13,23
                                 M.
                                 und ergibt
                                 77,52 Gas.
                                 
                              
                           Dieses Mischgas würde in 2½ engl. C.-F. enthalten:
                           
                              
                                 0,53 C.-F.
                                 Kalkseifegas
                                 
                                    à
                                    
                                 32,3
                                 Kerzen in 2½ C.-F. per Stunde =
                                 6,85
                                 Kerzen
                                 
                              
                                 1,97 C.-F.
                                 Steinkohlengas
                                 
                                    à
                                    
                                 9,0
                                 Kerzen in 2½ C.-F. per Stunde =
                                 7,09
                                 Kerzen
                                 
                              
                                 ––––––––
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 2,50 C.-F.
                                 Milchgas enthält
                                 
                                 13,94
                                 Kerzen.
                                 
                              
                           
                              Eine Beschickung von
                              
                           375k,5 Steinkohle kostet 7,89 M. und ergibt 71cbm,34 Gas.
                           Dieses Steinkohlengas enthält laut Beobachtung in 2½
                              									C.-F. 9 Kerzen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 216, S. 524
                              Rohproducte; Gemicht der
                                 										Beschickung. k; Werth der ganzen Beschickung in
                                 										Mart; Gasmenge. cbm; Gasmenge in engl. C.-F;
                                 										Zeit des Verbrennens beistündlichem Consum von 2½ C.-F. In
                                 										Stunden; Lichtstärke bei stündl. Confum von 2½ C.-F. in
                                 										Parlamentskerzen; Kerzenzahl von gleicher Lichtstärke in 1 Std; Berhältniß der
                                 										Kerzenzahl; Preis von 1 Kerzenlicht pro Stunde. Pf; Obige Mischung;
                                 										Steinkohle
                              
                           Hier, wo nur 1/7 Kalkseife in Anwendung gebracht ist, springen die bereits
                              									angeführten Vortheile für dieselbe in die Augen. Bei gleichem Gewicht des
                              									Rohproductes ergibt die Mischung 15 264, dagegen die Steinkohle nur 9072 Kerzen
                              									gleicher Lichtstärke und gleichen Preises, ein Verhältniß von 1,68: 1, welches also
                              									der Ersparniß an Brennmaterial, Arbeitslohn, längerer Dauer der Retorten,
                              									Frachtkosten und Anlagecapital  zu gute kommt und sich vergrößert, je nachdem der Zusatz
                              									an Kalkseife bei entsprechender Einrichtung für die Gaserzeugung vermehrt wird.
                           Es ist hier zu bemerken, daß obige Mischberechnung — wobei die aus
                              									ungemischter Kalkseife gewonnenen Resultate, deren Mängel als von den zu großen
                              									Retorten herrührend bereits besprochen wurden, zu Grunde gelegt sind — nur
                              										77cbm,52 Gas
                              									ergeben hat, während bei den aus 5 Abenden resultirenden Beobachtungen des
                              									Mischgases 80cbm
                              									constatirt wurden, daß also das zum Vergleich benutzte Quantum von 77cbm,52 wohl zu gering
                              									angenommen ist.
                           Es läßt sich erwarten, daß der Kalkseife, zur Leuchtgaserzeugung, immer größere
                              									Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Bei den großen städtischen Anstalten mag deren
                              									Einführung zwar vorerst noch Widerstand finden, da dieselben vertragsmäßig nur eine
                              									bestimmte, nach dem Bedürfniß festgestellte Lichtmenge zu liefern haben und eine
                              									Erhöhung derselben nicht bezahlt wird. Das Aequivalent ist aber in der Verkleinerung
                              									sämmtlicher Brenner gegeben. Dieser wohl nicht gar kostspieligen Umänderung stehen
                              									dann die obengenannten dauernden Vortheile gegenüber, und diese dürften auch wohl
                              									mit der Zeit den Sieg davon tragen. In Privatgasanstalten dagegen, wo die Production
                              									und die Consumtion sich über der vortheilhaftesten Lichtquelle die Hand reichen, hat
                              									dieselbe rascheren Eingang gefunden, und somit wird das Product einstweilen wohl in
                              									dieser Verwendung verharren, bis vielleicht einmal die Fettextraction noch eine
                              									vortheilhaftere hervorruft. Daß die Kalkseife wegen ihrer physischen Beschaffenheit
                              									ebenso bequem wie die Steinkohle zu handhaben ist, möchte ich den anderen zur
                              									Vergasung gelangenden Producten, wie Wollfett und Stearintheer, gegenüber nicht
                              									unerwähnt lassen und zum Schluß spreche ich noch die Ansicht aus, daß die Gewinnung
                              									des Productes in volkswirthschaftlicher Beziehung ernste Beachtung verdient.