| Titel: | Ueber schwarze Schreibtinten; von C. H. Viedt in Braunschweig. | 
| Autor: | C. H. Viedt | 
| Fundstelle: | Band 216, Jahrgang 1875, Nr. , S. 532 | 
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                        Ueber schwarze Schreibtinten; von C. H. Viedt in
                           									Braunschweig.
                        (Fortsetzung von S. 456 dieses Bandes.)
                        Viedt, über schwarze Schreibtinten.
                        
                     
                        
                           Statt des Blauholzes wendet man zur provisorischen Färbung der Tinte häufig einen
                              									wasserlöslichen Farbstoff an. Hierzu ist jeder Farbstoff verwendbar, welcher
                              									intensiv genug färbt und weder von Eisensalzen, noch von Gerbsäure zersetzt oder
                              									überhaupt verändert wird; indeß wird man immer blauen oder schwarzblauen Farben den
                              									Vorzug geben, weil diese sich am nächsten der Nüance des gerbsauren
                              									Eisenoxyduloxydes anschließen und beim Nachdunkeln der Schrift am leichtesten
                              									überdeckt werden, ohne dem Farbtone der Tinte zu schaden. Die Auswahl der hierzu
                              									tauglichen Farbstoffe ist nur gering. Berliner-, Turnbulls- und
                              									Pariserblau sind entweder an und für sich unlöslich oder werden es bei Ueberschuß
                              									von Eisensalzen, wie dies in der Galläpfeltinte der Fall ist; Anilinblaue sind sehr
                              									empfindlich gegen Gerbsäure, ebenso die blauen Methylfarben; Ultramarin ist
                              									unlöslich; die verschiedenen blauen Kupferfarben bilden mit der Gerbsäure mißfarbige
                              									Niederschläge; nur die Indigofarben sind durchaus anwendbar. Bekanntlich ist das
                              									Indigoblau in erheblichen Mengen nur in concentrirter Schwefelsäure löslich, so daß
                              									die fertige Lösung ein Verdünnen mit beliebigen Mengen Wasser verträgt, ohne daß der
                              									Farbstoff ausfällt; Indigocarmin ist, wenn auch schwer, ebenfalls wasserlöslich (1 :
                              									140 kaltem Wasser). Leonhardi
                              									 1856 142 141) brachte derartige Tinte als
                              										„Alizarintinte“ in den HandelVor ihm schon Stephens und eine ähnliche Tinte
                                    											auch Kayser, ohne daß deren Fabrikate sich hätten
                                    											einbürgern können (vergl. 1856 139 447. 1857 147 76.), welcher Name nachher für
                              									dieselbe beibehalten wurde, obgleich das Alizarin mit dieser Tinte nichts zu thun
                              									hat. Der passendere Name „Isatintinte“ hat keine Verbreitung
                              									gefunden. — Die Alizarintinte fand rasch Eingang; nachdem man aber die
                              									angepriesenen Vorzüge vielfach nicht bewahrheitet fand, nahm der Absatz ebenso rasch
                              									wieder ab. Immerhin ist die Alizarintinte bei richtiger Behandlung eine ganz
                              									vorzügliche Schreib- und Copirtinte, deren Anwendung nur zu empfehlen
                              									ist.
                           Zur Herstellung der Alizarintinte ist ein reines Eisenvitriol zu verwenden und die
                              									Bildung des gerbsauren Eisenoxyduloxydes in der Flüssigkeit zu verhüten, so daß die
                              									Tinte völlig klar ist. Man stellt sich zunächst einen 5 bis 6 proc. Galläpfelauszug
                              									her, außerdem auf bekannte Weise (1867 185 66) eine
                              									Indigolösung; in letztere bringt man so viel metallisches Eisen, Nägel, Drehspäne
                              									etc., als Eisen zu der Menge Eisenvitriol erforderlich ist, die man zum
                              									Gerbsäureauszug anwenden müßte. Die Bildung des Eisenvitroles findet nun in der
                              									schwefelsauren Indigolösung statt, wodurch die Bildung von schwefelsaurem Eisenoxyd
                              									leicht verhütet wird. Die nach Bildung des Eisenvitrioles noch übrig bleibende freie
                              									Säure sättigt man fast völlig mit Kreide oder Marmor, so daß nur noch eine ganz
                              									geringe Menge freier Säure in der Flüssigkeit bleibt, welche den oxydirenden Einfluß
                              									der Luft erschwert. Die klare Lösung von Indigo und Eisenvitriol wird nun von dem
                              									gebildeten Gyps abgegossen und dann der Tinte zugesetzt, so daß diese seegrün
                              									schreibt; eine rein blaue Schrift erzielt man nicht, da die gelbe Farbe des
                              									Galläpfelauszuges mit der blauen Indigolösung ein schönes Blaugrün liefert. Das bei
                              									der gewöhnlichen Galläpfeltinte zum Schwebenbleiben des unlöslichen Pigmentes
                              									unbedingt erforderliche Verdickungsmittel ist bei den Alizarintinten überflüssig, da
                              									diese ja keinen Niederschlag enthalten.
                           Die Vorzüge der Alizarintinten reduciren sich auf sehr wenige, thatsächlich
                              									vorhandene. Daß sie die Federn nicht angreift, ist unwahr; vielmehr bewirkt der
                              									geringe Säureüberschuß eine ziemlich starke Corrosion der gewöhnlichen Stahlfedern;
                              									man vermindert diese durch Anwendung von verkupferten Federn oder vermeidet sie
                              									durch Gebrauch von Gold- oder Platinfedern, die ihren hohen Preis durch ihre
                              									fast unbegrenzte Dauer reichlich wieder ersetzen. Natürlich können auch Gänsefedern
                              									oder auch Federn aus Hartgummi angewendet werden. — Unvertilgbar ist die
                              									Tinte ebenfalls nicht, da sowohl der Indigofarbstoff, wie das gerbsaure
                              									Eisenoxyduloxyd zu entfärben ist; allerdings sind die Alizarintinten weit schwerer
                              									zu entfärben als gewöhnliche Galläpfeltinten, da die klare, dünne Lösung weit tiefer
                              									in die Papierfaser eindringt und die Bildung des Pigmentes in der Papiermasse selbst
                              									vor sich geht, während bei den einfachen Gallentinten das in denselben schwebende
                              									gerbsaure Eisenoxyduloxyd durch das Verdickungsmittel mechanisch auf dem Papiere
                              									aufgeleimt und das sich in den Schriftzügen noch bildende Pigment durch die
                              									Dickflüssigkeit der Tinte am tiefen Eindringen in die Papierporen verhindert wird.
                              									Eine vorzügliche Copirfähigkeit besitzt die Alizarintinte allerdings (vergl.
                              									Copirtinten). Der größte Vorzug der Alizarintinten ist indeß der, daß sie eine
                              									völlig klare, satzfreie Lösung bildet, sehr gut aus der Feder fließt und eine schön
                              									und tief schwarz werdende Schrift liefert, welche, weil das Verdickungsmittel fehlt,
                              									nicht den unangenehmen Glanz der gewöhnlichen Galläpfeltinte besitzt. Völlig irrig
                              									aber ist die weitverbreitete Ansicht, daß sich in einer  guten Alizarintinte überhaupt
                              									kein Absatz von unlöslichem gerbsaurem Eisenoxyduloxyd bilden könne und dürfe. An
                              									der Luft bildet sich in den Alizarintinten allmälig ebenso gut ein Niederschlag wie
                              									bei den Galläpfeltinten; schneller geschieht dies bei den Alizarintinten, die zur
                              									Färbung statt der sauren Indigosolution die neutral reagirende Lösung des
                              									Indigocarmins enthalten, in welch letzterem Falle man dann auch den Eisenvitriol als
                              									solchen zusetzen muß. Diese Satzbildung ist bei sämmtlichen Gallus- und
                              									Blauholztinten nur durch den Abschluß der Luft mittels passend angefertigter
                              									Tintengläser zu vermeiden. Als solche sind hier vor Allem zu erwähnen die Gläser mit
                              									luftdicht eingeschliffenem Glastrichter, wo die Luft nur auf den sehr kleinen
                              									Flüssigkeitsspiegel der wenigen, im Trichter befindlichen Tropfen Tinte einwirken
                              									kann, und die oben geschlossenen Gläser mit von unten nach oben gebogenem Halse,
                              									welche der Luft ebenfalls nur auf dem freien Querschnitt des Halses die Einwirkung
                              									gestatten. Namentlich in letzterem halten sich die Tinten sehr lange als klare
                              									Lösung.
                           Bemerkenswerth ist auch der Vortheil, den man dadurch erzielt, daß die Verdampfung
                              									der Tinte auf ein Minimum reducirt wird, so daß das sonst häufig vorkommende
                              									Eintrocknen vermieden wird. Will man also stets gute Tinte haben, so verbanne man
                              									vom Schreibtische die noch immer üblichen hölzernen Kanzleitintenfässer, die bei
                              									ihren riesigen Dimensionen unwillkürlich an den Rococostyl erinnern, und verwende
                              									wenige Groschen zur Anschaffung guter Tintengläser.
                           Nach dem schon früher Angeführten erübrigen nur noch wenige Worte über das zur
                              									Galläpfel- und Vlauholz-Galläpfeltinte erforderliche
                              									Verdickungsmittel. Man verwendet hierzu arabisches und Senegal-Gummi und
                              									Dextrinsyrup. Der Werth derselben beruht lediglich in ihrer Eigenschaft mit Wasser
                              									dickflüssige Lösungen zu geben; man wird also das Material anwenden, welches bei
                              									gleicher Dickflüssigkeit am billigsten ist; darnach möchte wohl das Senegalgummi das
                              									anwendbarste Verdickungsmittel sein; arabisches Gummi ist in besseren weißen Sorten
                              									weit theurer, in den geringeren dunklen Sorten aber zu sehr verunreinigt.
                              									Dextrinsyrup stellt sich in seiner Anwendung noch theurer als Senegalgummi, da es
                              									weit weniger verdickend wirkt. Dextrin als Pulver zu nehmen, empfiehlt sich nicht,
                              									da dasselbe meist nur in theuren weißen Sorten in den Handel kommt und oft einen
                              									ganz bedeutenden, in Wasser unlöslichen Rückstand gibt. Völlig zu verwerfen ist als
                              									Verdickungsmittel Zuckersyrup, Melasse, Zucker und Glycerin, einmal wegen ihres
                              									hohen Preises, dann auch, weil sie die Tinte klebrig und schwer trocknend machen;
                              									letzteres ist namentlich mit dem Glycerin der Fall.
                           Das Senegalgummi löst man zum Gebrauch in der doppelten Menge Wasser, und setzt von
                              									der durchgeseihten Lösung eine entsprechende Menge der Tinte zu. Dabei vergesse man
                              									nicht, daß nur das unlösliche Tintenpigment schwebend erhalten werden soll. Ein
                              									Gummizusatz schadet stets dem guten Fließen der Tinte aus der Feder; man halte ihn
                              									deshalb in den niedrigsten Grenzen. Für gut bereitete Tinte dürfte ein Zusatz von
                              										30g für 1l stets genügen; wird
                              									mehr Gummi angewendet, so bekommt die Schrift leicht einen unangenehmen Glanz. Zur
                              									Werthbestimmung irgend eines Berdickungsmittels kann man sich des Viscosimeters
                              									bedienen. (Dies ist ein trichterartiges Glasgefäß von bestimmtem Inhalt, dessen
                              									untere Spitze eine feine Oeffnung enthält; von den zu untersuchenden Stoffen löst
                              									man gleiche Mengen in gleichen Mengen Wasser auf; die Flüssigkeit, welche die
                              									längste Zeit zum Auslaufen erfordert, wird die dickflüssigste, anwendbarste
                              									sein.)
                           Hieraus ergeben sich für die Gallen-, Blauholz-Gallen- und
                              									Alizarintinte folgende Verhältnisse:
                           
                           
                              
                                 Gerbsäureauszug von 5 Proc.
                                 11
                                 ⅔1
                                 11
                                 
                              
                                 Eisenvitriol
                                 45g
                                 45g
                                 —
                                 
                              
                                 Gummi
                                 20–30g
                                 20–30g
                                 —
                                 
                              
                                 Blauholzextractlösung von 3 Proc.
                                 —
                                 ⅓l
                                 —
                                 
                              
                                 Metallisches Eisen
                                 —
                                 —
                                 9g
                                 
                              
                                 Indigo
                                 —
                                 —
                                 6¼g
                                 
                              
                                 Vitriolöl
                                 —
                                 —
                                 25g
                                 
                              
                                 Kreide
                                 —
                                 —
                                 1g
                                 
                              
                           Wenn obige Vorschriften auch als Normalrecepte angesehen werden dürfen, so können sie
                              									doch mehrfach modificirt werden. In der zweiten Vorschrift können die Quantitäten
                              									der Gerbsäure und des Blauholzextractes sich in weiten Grenzen bewegen, bei der
                              									dritten zwingt die Qualität des Indigos und der größere oder geringere Wassergehalt
                              									der Schwefelsäure zuweilen zu geringen Abänderungen der drei letzten
                              									Bestandtheile.
                           Nachdem so die Bereitung der Galläpfeltinten ausführlich besprochen ist, mögen hier
                              									noch einige kritische Bemerkungen über die unzähligen zur Herstellung derselben
                              									vorgeschriebenen Recepte Platz finden.
                           Bei sonst ziemlich rationellen Vorschriften, wie bei denen von Booth, Payen, Ribeaucourt, Hänle, Schmidt u. A. finden sich trotzdem große
                              									Schwankungen zwischen dem Verhältnisse des Eisenvitriols zu den Galläpfeln, die nur
                              									durch große Verschiedenheit des Gerbsäuregehaltes der letzteren zu erklären sein
                              									dürsten; wir haben es deshalb vorgezogen, die Eisenvitriolmenge auf eine bestimmte
                              									Menge im Galläpfelaufguß befindlicher Gerbsäure zu beziehen. Aeltere Vorschriften
                              									wenden statt des Wassers häufig Bier, Doppelbier oder Essig an; ersteres wohl, um
                              									die Dickflüssigkeit der Tinte zu vermehren, letzteres vielleicht, um dem Schimmeln
                              									vorzubeugen, wozu auch Kochsalz, Alaun, Spiritus, Glycerin etc. vorgeschrieben
                              									werden; wie schon erwähnt, ist der Werth dieser Zusätze meist illusorisch. Wieder
                              									andere, z. B. Link, schreiben für eine
                              										„neutrale Stahlfederntinte“ Ammoniakzusatz vor. Die
                              									Bezeichnung „neutral“ scheint anzudeuten, daß der Zweck des
                              									Ammoniaks die Neutralisirung der freien Säure sein soll, um ein Angreifen der Federn
                              									zu verhüten; vielleicht dürfte ein solcher Zusatz die Höheroxydirung des Vitriols
                              									verzögern; großer Werth ist dem Ammoniakzusatz jedoch nie beizulegen. Lipowitz wendet statt des Eisenoxydulsalzes höchst
                              									fehlerhaft holzessigsaures Eisenoxyd an. Viele Recepte strotzen von lächerlichen
                              									Zusätzen, die entweder keinen Nutzen haben oder der Tinte geradezu schaden, so z. B.
                              									Salmiak, Grünspan, Kupfervitriol, Carmin, Potasche, allerhand ätherische Oele und
                              									Essenzen. Ein vorgeschriebener Zusatz von chlorsaurem Kali scheint auf der
                              									Oxydationskraft desselben zu basiren; er ist jedenfalls, abgesehen von der
                              									Fehlerhaftigkeit, theurer als directer Zusatz eines Eisenoxydsalzes. Einige
                              									verwenden alle nur denkbaren Stoffe zur Herstellung der Tinte, so Hager, Perry; letzterer setzt seiner Tinte z. B.
                              									Essigsäure, Lavendel- und Citronenessenz zu und dampft dann zur Erzielung
                              									eines Tintenextractes zur Trockne ein, wobei doch selbstverständlich die Essenzen
                              									sich verflüchtigen. Haldat wendet Fernambukholz an,
                              									wodurch die Tinte fuchsig wird.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)