| Titel: | Ueber die Sporflecken auf bedruckter Baumwolle; von G. Witz. | 
| Autor: | G. Witz | 
| Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 58 | 
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                        Ueber die Sporflecken auf bedruckter Baumwolle;
                           von G. Witz.
                        Witz, über die Sporflecken auf bedruckter Baumwolle.
                        
                     
                        
                           Es kommt nicht allzu selten vor, daß bedruckte Baumwollwaare bei längerem Lagern in
                              einem feuchten Magazin an den Stellen, wo die Luft einen beschränkten Zutritt hat,
                              d.h. in den Falten, nach welchen die Stücke gelegt sind, sich mit weißen oder gelben
                              Flecken bedeckt, darunter manche von beträchtlicher Größe bis zu einem Umfang von
                              3cm. Man weiß schon längst, daß diese
                              Sporflecken ihre Entstehung einer Schimmelbildung verdanken, und hat deshalb, jedoch
                              ohne Erfolg, dem Appret, welcher in der Hauptsache aus Kartoffel- und
                              Weizenstärke, Dextrin und Gelatine besteht, einen Zusatz von antiseptischen Mitteln
                              gegeben, wie arsenigsaures Natrium, schwefelsaures Zink oder schwefelsaures Kupfer.
                              Nach G. Witz, welcher diese Erscheinung eingehender
                              studirte und seine Beobachtungen im Bulletin de Rouen,
                              März 1875, S. 48 ff. veröffentlichte, haben solche Flecken eine saure Reaction.
                              Deshalb ist an diesen Stellen der beim Chloren oder Appretiren aufgetragene
                              Ultramarin entfärbt, und bei anilinschwarzen Stücken zeigt sich an denselben Stellen das schon
                              neulich (1875 215 453) von Brandt besprochene Nachgrünen der schwarzen Farbe. Gleichzeitig constatirt
                              der Verfasser, daß bei solchen Stücken, welche mit Eisenmordant bedruckt sind
                              – und diese sind überhaupt am meisten der Beschädigung durch Sporflecken
                              ausgesetzt – das Eisenoxyd auch der stärksten Chamoisnüance oder Rostfarbe an
                              den schadhaften Stellen allmälig verblaßt und wenigstens theilweise in Eisenoxydul
                              übergeht. Dabei ist es gleichgiltig, ob der Eisenmordant für sich allein oder mit
                              Thonerdemordant vermengt aufgedruckt ist, als Basis für Braun-, Grau-,
                              Olive-, Violettfärberei u.s.w. Am auffälligsten zeigt sich die ganze
                              Erscheinung bei den Artikeln, welche mit gerbstoffreichen Materialien ausgefärbt
                              werden, wie z.B. beim Blauholzschwarz. Dagegen scheint der sogen. Bisterartikel,
                              welcher früher eine ziemliche Rolle gespielt, diesem Uebelstand gar nicht ausgesetzt
                              zu sein, so wenig wie das Chromorange. Bei ersterem ist Manganhyperoxyd auf der
                              Baumwolle fixirt, Manganhyperoxyd aber und Chromsäuresalze verhindern die Gährung.
                              Zusatz von Glycerin zum Appret vermehrt die Anzahl der Flecken, weil das Glycerin,
                              welches in concentrirtem Zustand antiseptisch wirkt, in verdünntem Zustand selbst
                              der Gährung unterworfen ist.
                           Die saure Reaction der Flecken hat nichts Ueberraschendes, denn das Auftreten von
                              Milchsäure und Buttersäure beider alkoholischen Gährung ist bekannt. Auch die
                              Wasserstoffentwickelung und die reducirenden Wirkungen, von welchen eine solche
                              Gährung unter Umständen begleitet sein kann, waren schon öfter Gegenstand
                              wissenschaftlicher Abhandlungen. Aber Witz ist in der
                              Lage, zwei Untersuchungen neueren Datums von A. Müntz
                              über die Natur der in den Gährungspilzen enthaltenen Zuckerarten zu citiren, welche
                              ganz besonders dazu angethan sind, die Desoxydation des Eisenoxydes im vorliegenden
                              Fall zu erklären und zu beleuchten. Nach demselben (Académie des sciences, 23. November 1874) enthält penicillium glaucum – der Pilz, welcher auf
                              gährender Traubenzucker-, Stärke, Weinsäure- und Leimlösung sich
                              bildet, – in seinen Zellen ganz beträchtliche Mengen von Mannit, wenn den
                              Lösungen die nothwendigen Zusätzen von Mineralsalzen zugefügt worden sind. Ist aber
                              in einer Flüssigkeit Mannitzucker enthalten, so entsteht (Académie des sciences, 18. Januar 1875) bei ihrer Gährung neben
                              Alkohol und Kohlensäure immer auch freier Wasserstoff. Und Berthelot vindicirt die Eigenschaft, den Mannit unter
                              Wasserstoffentwickelung in alkoholische Gährung zu versetzen, sogar für gewisse
                              eiweißartige Körper ohne jede Vermittelung eines organisirten Gährungserregers als
                              einen rein chemischen, nicht physiologischen Proceß. Auch die obenerwähnte Gährung des verdünnten
                              Glycerins ist von einer Wasserstoffentwickelung begleitet.
                           Die Desoxydation des Eisenoxydes durch nascirenden Wasserstoff ist damit zur Genüge
                              erwiesen; wenn jedoch Witz eine andere, glücklicherweise
                              nicht gar häufig vorkommende Calamität der Indiennefabriken auf denselben chemischen
                              Vorgang zurückzuführen sucht, so ist es vielleicht erlaubt, auf die Verschiedenheit
                              der Bedingungen in beiden Fällen hinzuweisen. Wenn degummirte Stücke, hauptsächlich
                              violette, nach dem Waschen auf einen aus Holzlatten zusammengefügten Lagerplatz zu
                              liegen kommen, und das Holz ist stellenweis faul und vermodert, so zeigen sich an
                              der ausgefärbten Waare leidige weiße Flecken, welche manchmal deutlich die Structur
                              des Holzgitters erkennen lassen, oft aber auch in unregelmäßigen, ihren Ursprung
                              nicht sogleich verrathenden Formen auftreten. Es empfiehlt sich deshalb, für solche
                              Lagerplätze die Holzconstruction möglichst zu vermeiden. Während nun im ersten Fall
                              die appretirte Waare längere Zeit bei gewöhnlicher Temperatur an feuchter Luft,
                              sonst aber in trockenem, wohl auch staubigem Local liegt, während der Zutritt der
                              Luft stellenweise beschränkt ist, das Ferment auf dem Stoff selbst sich entwickelt,
                              und auf dem Stoff sich der ganze Gährungsproceß langsam abspielt, so liegen diesmal
                              die von Wasser triefenden, von der Verdickung meist bei einer Temperatur von 65 bis
                              75° befreiten Stücke auf stellenweise vermodertem Holz, die Einwirkung auf
                              den Eisenmordant geschieht von Außen, sie vollzieht sich in etwa 12 Stunden, die
                              Luft hat überall freien Zutritt, und man hat es überhaupt mit keiner im Gang
                              befindlichen Gährung, sondern mit einer fast vollendeten Verwesung zu thun. Man wird
                              sich in diesem Fall, um die oft vollständig weißen und scharfgeränderten Flecken,
                              als ob sie absichtlich mit Citronensaft reservirt worden wären, zu erklären, mit der
                              Annahme begnügen müssen, daß die sauren Producte der Verwesung des Holzes das
                              Eisenoxydoxydul einfach aufgelöst und weggeätzt haben.
                           Witz gibt noch den Weg an, um eine solche auf dem Lager
                              verdorbene Waare von den Flecken zu befreien. Er schlägt vor, die Stücke mit
                              verdünnter Chlorkalklösung in der Wärme zu behandeln; der alkalische Theil des
                              Chlorkalkes hebt die saure Reaction auf, das Chlor zerstört die organische Substanz
                              und das Eisenoxydul findet Gelegenheit, sich höher zu oxydiren. Das Verfahren ist
                              natürlich nur statthaft für Chamoiswaare; ist der Eisenmordant mit Alizarin, Cachou,
                              Gerbstoff u.s.w. verbunden, so empfiehlt er, die Stücke einer Ammoniakatmosphäre
                              auszusetzen oder durch Wasser mit entsprechendem Kalkgehalt zu nehmen, um so die
                              sauren Flecken langsam zu neutralisiren und wenigstens theilweise zu entfernen. Das Sicherste dürfte
                              immerhin sein, für das Magazin der fertigen Waare ein trockenes, sonnig gelegenes
                              Local mit genügender Ventilation auszuwählen und dasselbe von Zeit zu Zeit gründlich
                              zu reinigen und zu säubern.
                           
                              Kl.