| Titel: | Ueber Stahlbronze. | 
| Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 122 | 
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                        Ueber Stahlbronze.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              II [c/1].
                        Ueber Stahlbronze.
                        
                     
                        
                           Die Frage der sogen. Stahlbronze als Ersatz des Gußstahles
                              bei der Neubewaffnung der österreichischen Artillerie ist, nachdem sie lange ein
                              Gegenstand heftigen Streites in militärischen und publicistischen Kreisen gewesen,
                              nunmehr einer vorläufigen Entscheidung zugeführt worden. Das zur Erprobung des
                              neuen, von Generalmajor Ritter von Uchatius
                              vorgeschlagenen Materiales ernannte Comité hat sich nach ausführlichen
                              Versuchen mit 27 von 28 Stimmen für Annahme der Stahlbronze ausgesprochen, und wenn
                              hiernach auch die definitive und allgemeine Einführung derselben in der
                              österreichische Artillerie noch nicht entschieden ist, so steht doch fest, daß in
                              kurzem mit der Erzeugung dieser Geschütze in größerem Maßstabe begonnen werden soll
                              derart, daß heute schon bedeutende Bestellungen der dafür erforderlichen
                              Werkzeugmaschinen effectuirt sind.
                           Es wird somit auch die Leser dieses Journals interessiren, einiges Nähere über dieses
                              neue Material, sowie den unstreitig äußerst gelungenen Fabrikationsproceß desselben
                              zu erfahren, und wir benützen zu unserer Darstellung einen Vortrag, welchen
                              Generalmajor R. v. Uchatius schon im J. 1874 im
                              Artillerie-Arsenale gehalten hat und seitdem noch durch einige Mittheilungen
                              in Stummer's Ingenieur ergänzte. Zum Schluß möge auf
                              Grund der hier gemachten Bemerkungen und mit Bezug auf neuerdings bekannt gewordene
                              Versuchsresultate eine kurze Kritik über den Werth und die Originalität dieser
                              Erfindung, sowie die daran zu knüpfenden Erwartungen folgen.
                           Der Grundgedanke, auf welchem die Erzeugung der Stahlbronze beruht, ist die
                              Thatsache, daß die Metalle durch Beanspruchung über ihre
                              Elasticitätsgrenze, somit bei bleibender Formveränderung eine Erhöhung ihrer Härte
                              und Festigkeit erfahren.Man vergleiche hierüber die interessanten Beobachtungen von Prof. Thurston, welche im Schluß seiner Abhandlung
                                    (Untersuchungen über Festigkeit und Elasticität der Constructionsmaterialien
                                    – 1875 216 465 ff.) zusammengefaßt
                                    sind.D. Ref.
                              
                           Dieselbe ist je nach der Natur des Materiales mehr oder weniger beträchtlich und
                              hängt bei Legirungen wesentlich von der Zusammensetzung derselben ab.
                           Hier handelte es sich nun darum, auf diesen Erfahrungen weiterbauend, eine praktische
                              Anwendung derselben für die Geschütze zu finden, und es ist Uchatius' unleugbares Verdienst, diesen Schritt mit aller Umsicht und
                              Sorgfalt versucht und, wie der Erfolg lehrt, auch glücklich durchgeführt zu haben.
                              Gewöhnliche Kanonenbronze, deren Festigkeit vor der Behandlung nach Uchatius' Methode 22,6 betrug, leistete nach derselben
                              einer Spannung von 48k pro 1qmm Widerstand, ehe sie riß; gleichzeitig
                              aber behielt, neben dieser außerordentlichen Erhöhung der Festigkeit und Härte des
                              Kernes, der äußere Theil des Rohres bei geringerer Festigkeit seine volle Weichheit
                              und Zähigkeit und gewährte so alle die Vortheile, wie sie sonst nur beringten
                              Geschützen zukommen. Und hierin liegt eben die große Vollkommenheit und Sicherheit
                              der nach dieser Methode erzeugten Geschütze – Umstände, welche, wenn es
                              möglich ist, die Legirung stets vollkommen homogen zu erhalten und die Bildung von
                              Zinnflecken zu vermeiden, sie entschieden über die unberingten Stahlgeschütze
                              stellen.
                           Folgendes ist nun der Gang des von Uchatius
                              eingeschlagenen Verfahrens, soweit dasselbe aus den Eingangs erwähnten Publicationen
                              hervorgeht.
                           Zunächst ward constatirt, daß durch den Coquillenguß, in Folge der raschen Erstarrung
                              der Legirung, eine Homogenität der Bronze erzielbar war, die sonst nur durch
                              Compression des flüssigen Materiales, hier aber bei weitem schwieriger,
                              hervorgebracht werden konnte. Als erste Bedingung mußte somit eine dem Coquillenguß
                              ähnliche Herstellung der inneren Höhlung des zu gießenden Geschützrohres möglich gemacht werden. Ferner
                              aber zeigte diese in Coquillen gegossene Bronze im höchsten Grade die Fähigkeit,
                              durch den Proceß des Walzens im kalten Zustande an Härte und Festigkeit zuzunehmen.
                              Schon beim Kaltwalzen bis zu einer ganz geringen Längenstreckung erreichte die
                              Bronze die Festigkeit, Elasticität und Härte des Geschützstahles, wie aus der am
                              Schlusse beigefügten vergleichenden Tabelle in der Colonne
                              „Coquillenbronze gewalzt“ ersichtlich ist. Ungewalzt
                              erreicht dieselbe ihre Elasticitätsgrenze schon bei 4k pro 1qmm und läßt nur eine elastische Ausdehnung von 0,4 pro Mille zu, während,
                              wenn sie eine bleibende Streckung von 0,004 ihrer Länge erfahren hat, die
                              Elasticitätsgrenze auf 17k und die
                              elastische Streckung auf nahezu 2 pro Mille steigt.
                           Hieraus folgt, daß wenn man die Bohrung der neuen Feldgeschütze, welche 87mm beträgt, nur um 0,004 × 87 = 0mm,348 im kalten Zustande auftreibt, der
                              elastische Widerstand schon auf das Vierfache erhöht wird.
                           Nachdem dergestalt die zu erfüllenden Bedingungen aufgestellt und die zu erwartenden
                              Resultate bestimmt waren, ward nun mit den nöthigen Vorversuchen betreffs der für
                              den Coquillenguß passendsten Legirung begonnen. Bei denselben zeigte sich, daß die
                              12 proc. Bronze (nach der dem Kupfer beigefügten Zinnmenge classificirt) das
                              Kaltwalzen nicht aushielt, während die 10-, 8- und 6 proc. Bronze sich
                              im allgemeinen für die neue Methode als brauchbar erwiesen. Von denselben ward nach
                              Angabe des Erfinders bei weiteren Versuchen die 8 proc. Bronze als für den
                              Coquillenguß am passendsten erkannt und soll nunmehr ausschließlich angewendet
                              werden.
                           Die bis jetzt angestellten Versuche hatten stets nur mit dem der Coquille
                              angrenzenden Theile des Materiales stattgefunden; derselbe zeigte beim Gießen von
                              vollen Cylindern schöne goldfarbige Krystalle, welche sich ca. 40mm gegen innen zu erstreckten und dann
                              allmälig in eine graue feinkörnige Masse übergingen, welche den Kern des Cylinders
                              bildete. Die innere Masse ist nun zum Kaltwalzen durchaus nicht geeignet; es ist
                              somit klar, daß durch Ausbohren und Auftreiben derartig gegossener Cylinder keine
                              entsprechende Innenfläche des Geschützrohres zu erhalten wäre. Daher muß
                              selbstverständlich der Guß mit Innenkühlung stattfinden, und boten sich dazu
                              zunächst die verschiedenen zuerst bei Herstellung gußeiserner Rohre angewendeten
                              älteren Methoden dar.
                           Es ward versucht, die gewöhnliche Innenkühlung mittels eines mit Lehm umhüllten
                              Eisenrohres anzuwenden, durch welches während des Gusses Luft oder Wasser getrieben
                              wurde, ohne daß die entsprechende Qualität der Bronze erzielt werden konnte, da die Kühlung
                              zu gering war. Umgekehrt ward bei Anwendung eines ohne jede Umhüllung eingesetzten
                              Bronzerohres, durch welches Wasser circulirte, die Qualität des Materiales zwar
                              vortrefflich, aber in Folge zu starker Kühlung des inneren Theiles erhielt derselbe
                              bei der nur langsam nachfolgenden Contraction der äußeren Masse radiale Längenrisse,
                              wie dies in Fig.
                                 43 dargestellt ist.
                           Weitere Versuche mit verschiedenen Kernröhren aus Bronze mißlangen gleichfalls, und
                              es blieb nur mehr eine Methode der Innenkühlung, welche in der Augsburger
                              Geschützgießerei theilweise in Anwendung steht, zu versuchen, nämlich das Einsetzen
                              eines massiven Bronzecylinders, der nach dem Gusse wieder ausgebohrt wird.
                           Dort wird nur ein kurzes, durch den Laderaum reichendes Stück eines Bronzekernes
                              eingesetzt, um an dieser Stelle der Bohrung die Zinnflecken und folglich das
                              Ausbrennen zu vermeiden; hier aber mußte ein durch die ganze Länge der Form
                              reichender Cylinder eingesetzt werden, um an der ganzen Bohrungsoberfläche veredelte
                              Bronze zu erzeugen.
                           Dieser Bronzecylinder hatte 66mm Durchmesser
                              und gab den gewünschten Erfolg in der vollkommen entsprechenden Qualität des inneren
                              Rohres; dagegen machten die stellenweise auftretenden Blasenlöcher, durch die vom
                              Kerne austretende Luft entstanden, das Gußstück zum Geschützrohre unbrauchbar.
                              Weitere Versuche mit Bronzekernen schwächerer Dimensionen ergaben ähnliche
                              Resultate; bei 50mm Durchmesser schmolz der
                              Bronzekern und gab so die Minimalgrenze an.
                           Nachdem aber, um die an dem Kerne auftretenden Blasen durch Ausbohren entfernen zu
                              können, möglichst geringe Dimensionen des Kernes nothwendig erschienen, so griff man
                              endlich statt Bronze zu gegossenem Kupfer, welches einen höheren Schmelzpunkt
                              besitzt.
                           Die Kerne waren 50mm stark und ergaben sehr
                              günstige Resultate, „aber erst als zur Innenkühlung Cylinder aus geschmiedetem Kupfer zu Gebote standen, trat jener
                                 Grad von Sicherheit des Gelingens ein, der zu einem Antrage auf Ausdehnung der
                                 Versuche im Großen berechtigte.“
                              In der neuesten Zeit wendet die Augsburger Geschützgießerei, nachdem kupferne
                                    Kerne ohne Erfolg versucht worden waren, Kernstangen aus Schmiedeisen an und
                                    hat mit denselben äußerst günstige Resultate erzielt. Die Eisenstange,
                                    welche bis durch den Anguß hindurchgeht, wird vor dem Gusse mit Graphit oder
                                    Petroleum bestrichen und nach dem Erkalten ausgebohrt.D. Ref.
                              
                           Generalmajor R. v. Uchatius schlug damals die in Fig. 44
                              dargestellte Form zum Guß der Geschützrohre vor, und dieselbe dürfte wohl inzwischen
                              ziemlich unverändert beibehalten worden sein. In derselben
                           
                           
                           Typen der Geschützmetalle.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 217, S. 126–127
                              Last. k pro 1qmm; Gußeisen aus einem 9zöller;
                                 Bronze; ordinäre aus einem 8pfünder; Coquillen-Guß; natürlich.; gewalzt.;
                                 Schmiedeisen (steirisch) un dünnen Stäben; Krupp'scher Stahl aus einem 6pfünder;
                                 Stahlbronze nächst der; Bohrung; Außenwand; Streckung in 0,00001 der Länge;
                                 elast.; blieb; Absolute Festigkeit; Elasticitätsgrenze; Streckung in Proc. der
                                 Länge; elast. beim Reißen; Querschnitt an der Rißstelle; Härte (Kerbenlänge);
                                 Stäbchen von 0qc,5 Querschnitt bricht
                                 bei Stößen von 1mk,2.
                              
                           
                           ist A die äußere, zweitheilige
                              Coquille aus Gußeisen, B der eingesetzte Kern aus
                              geschmiedetem Kupfer, C endlich ein mit Formsand
                              ausgekleideter Aufsatz zur Herstellung des entsprechenden Angusses.
                           Die auf diese Weise erzeugten RohreBei der Abhaltung seines Vortrages standen dem Erfinder nur kürzere
                                    Probecylinder zu Gebote, welche auf die nachfolgend beschriebene Weise
                                    behandelt wurden und die in der Tabelle (S. 126 u. 127) angegebenen Werthe
                                    ergaben. Inzwischen ist aber bei den zahlreichen ausgeführten
                                    Probegeschützen dasselbe Verfahren im Großen und mit vollkommenem Erfolge
                                    ausgeführt worden.D. Ref. werden nun in entsprechender Weise außen abgedreht und innen ausgebohrt,
                              jedoch nicht auf die volle Bohrung von 87mm, sondern nur auf 80mm und hierauf
                              durch Stahlkolben, welche vorne etwas conisch zugedreht sind, auf den erforderlichen
                              Durchmesser ausgetrieben.
                           Zum Durchpressen werden starke hydraulische Pressen verwendet; die Stahlkolben sind
                              von sechs verschiedenen Größen, von denen der erste und zweite sich um 2mm unterscheiden, die beiden letzten
                              jedoch, in Folge des fortwährend wachsenden Widerstandes, nur mehr um 1/2mm differiren dürfen. Während sich hierbei
                              der innere Durchmesser um 7mm entspr. 8,75
                              Proc. erweitert, erfährt der äußere Durchmesser an der Mündung nur eine Ausdehnung
                              von 2 Proc., und der äußere Theil behält somit bei geringerer Härte und Festigkeit
                              die in so hohem Grade erwünschte normale Zähigkeit der natürlichen Bronze.
                           Auf diese Weise erhält das ganze Rohr – genau entsprechend dem Verhalten der
                              beringten Stahlgeschütze – eine nach außen successiv abnehmende elastische
                              Spannung um den inneren Kern, die sich auch sofort nach dem Durchpressen des letzten
                              Preßkolbens dadurch geltend macht, daß die Bohrung sich wieder um 4 pro Mille
                              verkleinert. Dasselbe Phänomen zeigt sich, wenn von dem äußeren Rande eines
                              gepreßten Cylinders ein schwacher Ring abgestochen wird. Noch ehe das Messer den
                              letzten dünnen Span weggenommen hat, springt der Ring von selbst herab und zeigt
                              einen kleineren Durchmesser als der Cylinder, von welchem
                              er abgestochen ist.
                           Die innere Bohrung des Rohres ist vollkommen glatt, hat die Härte des Geschützstahles
                              und bedarf nur mehr des Einschneidens der Züge.
                           Dieses ist in kurzer Schilderung – und soweit es bekannt gemacht wurde
                              – das Verfahren, nach welchem Uchatius das
                              Material der neuen österreichischen Geschütze herstellen will; die Resultate
                              bezüglich Härte, Elasticität und Festigkeit, welche die Stahlbronze im Vergleiche
                              mit anderen Materialien ergibt, hat der Erfinder nach seinen eigenen, gewiß mit der
                              grüßten Sorgfalt angestellten Versuchen in der vorstehenden Tabelle (S. 126 u. 127)
                              angegeben.
                           
                           Diese Tabelle ist so klar zusammengestellt, daß wenige Worte zu ihrer Erläuterung
                              genügen.
                           Zunächst werden die Längendehnungen getrennt in bleibende und elastische bei
                              verschiedenen Belastungen von 1 bis 24k pro
                              1qmm; dabei ist die größte elastische
                              Dehnung, welche der Erreichung der Elasticitätsgrenze entspricht, durch fette
                              Ziffern hervorgehoben. Hier ist vor allem die außerordentliche Verschiedenheit der
                              Stahlbronze im Inneren und an der Außenwand (die beiden letzten Colonnen)
                              auffallend, ferner im Vergleiche mit Geschützstahl die große elastische Streckung der ersteren (0,11 gegen 0,034 Proc.) sowie die
                              geringe bleibende Deformation bis zum Bruche (2,5 gegen
                              21,4 Proc.).
                           Die Außenwand entwickelt dagegen bei geringerer Bruchfestigkeit eine kolossale
                              Zähigkeit, indem sie sich bis zum Bruche um 40 Proc. bleibend streckt.
                           Die Elasticitätsgrenze der inneren Stahlbronze ist dem obigen entsprechend
                              selbstverständlich viel höher als beim Gußstahl, die Bruchfestigkeit – 48 und
                              48 3/4 – bei beiden ziemlich gleich; ebenso die Härte, welche durch die
                              Kerbenlänge eines rund abgeschliffenen Meisels gemessen wird, der mit constanter
                              Federkraft wider das zu prüfende Material anschlägt.
                           Endlich ist noch die in der untersten Zeile dargestellte Festigkeit gegen Stöße zu
                              bemerken (gemessen durch die Anzahl der bis zum Bruche ausgehaltenen Stoßwirkungen
                              eines fallenden Gewichtes von der Intensität 1mk,2), welche gleichfalls mit 255 gegen 209 zu Gunsten der Stahlbronze
                              ausfällt.
                           Hiernach kommt Uchatius zu folgenden Schlußfolgerungen in
                              der Vergleichung zwischen Stahl und Bronze.
                           "1. Die auf diese Art erzeugten Bronzerohre sind bezüglich der
                              Haltbarkeit nur mit den beringten Stahlrohren zu vergleichen, da sie im Inneren
                              dieselbe Festigkeit, Homogenität und Härte besitzen, und in denselben ein der
                              Sprengwirkung des Pulvers mit Uebermaß entgegenwirkender, elastischer Druck von
                              Außen nach Innen im Vorhinein hergestellt ist.
                           2. Ist die Qualität des Metalles im Stahlbronzerohre in jeder
                              Schichte von der Bohrung gegen die Außenfläche zu eine andere, u. z. gerade so, wie
                              es der Zweck erfordert, nächst der Bohrung am meisten fest, hart und elastisch; dann
                              nehmen diese Eigenschaften ab und wächst die Zähigkeit. Die Elasticität im Inneren
                              und die Zähigkeit außen sind größer als beim Stahl.
                           3. Die elastische, der Sprengwirkung im Vorhinein entgegenwirkende
                              Spannung von Außen gegen Innen zu ist in Stahlbronzerohren continuirlich durch alle
                              Schichten hergestellt.
                           Die neutrale Schichte, wo sich der Druck von Innen nach Außen und
                              von Außen nach Innen das Gleichgewicht hält, liegt ganz nahe der Bohrung.
                           
                           Soll ein Rohr aus Stahlbronze zerspringen, so müßte die
                              Elasticität der ganzen Wandstärke zugleich und endlich die ungeheure Zähigkeit der
                              äußeren Schichten, welche 40 Proc. Streckung ohne Riß ertragen, überwunden
                              werden.
                           Beim beringten Stahlgeschütze, wo die neutrale Schichte an der
                              Berührungsstelle des Kernes und der Ringe liegt, muß der Stoß der Sprengwirkung
                              beinahe ganz von den Ringen aufgefangen werden. Wird ihre Elasticitätsgrenze hierbei
                              nicht überschritten, so hält das Rohr aus; springt aber durch ein Uebermaß des
                              Pulverstoßes ein Ring ab, so werden die übrigen Theile wahrscheinlich
                              nachfolgen.
                           4. Was das Ausbrennen der Geschützrohre betrifft, so habe ich mir,
                              seitdem ich das (Tilghman'sche) Sandgebläse auf der
                              Wiener Weltausstellung gesehen habe, folgende Ansicht hierüber gebildet. Das
                              Ausbrennen der Rohre ist eine rein mechanische Arbeit, der Chemismus spielt dabei
                              gar keine Rolle. Die Erfahrung lehrt, daß spröde Metalle oder harte Stellen in
                              Bronzerohren sich am leichtesten ausbrennen; die Zündlochstollen müssen daher aus
                              dem weichsten Kupfer erzeugt werden. So wie das Sandgebläse die weichen Stoffe
                              verschont und die harten angreift, so frißt auch das hochgespannte, mit
                              unverbrannten Pulverresten gemischte Pulvergas, welches durch eine enge Oeffnung
                              ausbläst, die härtesten Stellen, welche es trifft, zuerst aus, und deshalb sind die
                              alten Bronzerohre dem Ausbrennen so stark unterworfen.
                           Die neuen Bronzerohre werden keine Zinnflecken haben; ihr Metall
                              ist auch nicht spröde, sie werden sich daher auch nicht mehr ausbrennen als die
                              Stahlrohre.
                           5. Ist die Bronze der Zerstörung durch atmosphärische Einflüsse
                              weniger unterworfen als der Stahl.
                           6. Die Kosten stellen sich nach Abrechnung des bleibenden
                              Metallwerthes folgendermaßen heraus.
                           Ein Stahlrohr nicht beringt, aus inländischem Stahl (8cm,7) und zwar
                           
                              
                                 Martinstahl
                                   990 fl. ö. W.
                                 
                              
                                 Tiegelstahl
                                 1145 fl. ö. W.
                                 
                              
                                 und ein Rohr aus Stahlbronze
                                   350 fl. ö. W.
                                 
                              
                           Die Arsenalwerkstätten könnten bei täglich 14 Stunden Arbeitszeit
                              jährlich ausfertigen:
                           
                              
                                 Stahlrohre nicht beringt, wozu die
                                    geschmiedeten     Blöcke geliefert
                                    werden
                                   150 Stücke
                                 
                              
                                 Stahlbronzerohre
                                 1200     „
                                 
                              
                           Ich weiß, daß man bei neuen Sachen, ungeachtet der größten
                              Vorsicht, stets auf Täuschungen gefaßt sein muß, und bin daher weit davon entfernt,
                              zu behaupten, die neuen Bronzerohre müssen reussiren, obwohl man im Vorhinein keinen
                              Grund angeben kann, warum sie es nicht sollten.
                           Das Schießen allein kann entscheiden."
                           Inzwischen haben, wie bekannt, ausgedehnte Schießversuche und Vergleiche zwischen Uchatius-Kanonen und einer Krupp'schen Halbbatterie neuester Construction stattgefunden, über welche
                              die widersprechendsten Gerüchte in die Oeffentlichkeit gelangt sind; –
                              nachdem es aber Thatsache ist, daß die aus den berufensten Persönlichkeiten
                              zusammengesetzte Commission das von Uchatius
                              vorgeschlagene Geschütz vorgezogen hat, so dürfte das Probeschießen doch wohl nicht
                              so sehr zu Ungunsten der
                              Uchatius-Kanone ausgefallen sein, als man von
                              mancher Seite aus glauben machen wollte.
                           Aber allerdings scheint es schwer glaublich, daß eine Legirung, und das bleibt auch
                              noch die Stahlbronze immer, die constante und verläßliche Homogenität aufweisen
                              sollte, welche dem wohlverarbeiteten und geschmiedeten Gußstahle eigen ist, und
                              hierin liegt entschieden der schwache Punkt des neuen Systems. Denn wenn es nicht
                              gelingen sollte, die durch Zinnflecken entstehenden Ausbrennungen, und diese haben
                              zugestandenermaßen auch bei einigen der Stahlbronzegeschütze stattgefunden, absolut
                              zu vermeiden, so dürften alle anderen mit Recht gerühmten Vorzüge derselben leicht
                              zu nichte werden.
                           Was die Frage der billigen Herstellung betrifft, so kann dieselbe nur dann zu Gunsten
                              der Stahlbronze ausfallen, wenn der übrigbleibende Materialwerth des Geschützes
                              selbst von den Herstellungskosten abgezogen wird, denn
                              sonst dürfte wohl, bei gleichem Gewichte, ein beringtes Stahlgeschütz, dessen
                              Rohmaterial mit 20 fl. auf dem Markte ist, trotz aller Bearbeitungskosten noch immer
                              billiger zu stehen kommen als ein Stahlbronzerohr, dessen Material schon von
                              vornherein den dreifachen Betrag pro Centner kostet.
                           Für die österreichische Regierung, deren Artilleriepark aus Bronzekanonen besteht,
                              tritt diese Frage selbstverständlich in den Hintergrund, und es mag daher gerne nach
                              den oben aufgeführten Sätzen von Uchatius angenommen
                              werden, daß die Stahlbronzegeschütze für Oesterreich den Krupp'schen Kanonen in ihrer jetzigen Gestalt vorzuziehen sind; aber man
                              sollte nicht vergessen, daß mit der Stahlbronze augenscheinlich die höchste
                              Vollendung des Bronzegusses erreicht ist, während der Geschützstahl entschieden noch
                              nicht an dieser Grenze angelangt ist. Denn wenn auch der weiche Stahl, den wir jetzt noch zu unseren Geschützen anwenden müssen,
                              mit seiner Festigkeit von 48 bis 50k pro
                              1qmm kaum die aufs äußerste gehärtete
                              Bronze überragt, so ist doch sehr wohl bekannt, daß die feinsten und besten
                              Stahlmarken für Feilen, Sägeblätter, Federn u.a. eine Festigkeit bis 100k pro 1qmm erreichen, und bester Werkzeugstahl Spannungen bis zu 110k aushält.
                           Ja die äußerst verdienstlichen Untersuchungen des Generalmajors Uchatius selbst weisen darauf hin, daß man mit Anwendung seines Verfahrens
                              auf weiche Stahlcylinder innen erhöhte Härte und Festigkeit bei größerer Zähigkeit
                              der äußeren Schichten auch bei Stahl erzielen kann, wie aus der auf S. 132
                              wiedergegebenen Tabelle ersichtlich ist.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 217, S. 132
                              Der Streckung unterzogene
                                 Gegenstände; Absolute Festigkeit. k pro 1qc; Elasticitätsgrenze. k pro 1qc;
                                 Streckung; beim Reißen; elastische; in Procent der Länge; Härtekerbenlänge. mm;
                                 Stäbchen aus Krupp'schem Stahl, 75mm lang, 0qc,5 dick; Ein gleiches Stäbchen 24
                                 Stunden lang mit 750k belastet, wobei es sich um 1,6
                                 Proc. streckte; Frette aus demselben Stahle, mit zwei Kolben gepreßt;
                                 Durchmesser: außen; innen; Vor dem Pressen; Nach dem Pressen; Cylinder aus sehr
                                 weichem Neuberger Stahl, mit 7 Kolben gepreßt; Nächst der; Cylinder aus sehr
                                 weichem Neuberger Stahl, mit 1 Kolben gepreßt; Außenwand; Bohrung; In der
                                 Bohrung
                              
                           
                           Danach erscheint es unzweifelhaft, daß, während die Stahlbronze bereits an der Grenze
                              ihrer Leistungsfähigkeit angelangt ist, dem Stahl noch ein weites Feld der
                              Vervollkommnung offen steht, so daß die Bronze in Folge dessen früher oder später
                              dennoch dem Stahl wird weichen müssen.
                           Darum kann dennoch in der Zwischenzeit die Umgestaltung der österreichischen
                              Artillerie, die so dringend erforderlich ist, daß keine weitere Verzögerung
                              gerechtfertigt wäre, nach dem System Uchatius als das
                              rationellste erscheinen, und wird auch gewiß unter der energischen und genialen
                              Leitung des Erfinders zu einem gedeihlichen Ende gelangen. Dabei ist der große
                              Vortheil nicht zu unterschätzen, welcher in der raschen und billigen Herstellung im
                              eigenen Lande begründet ist.
                           Was nun schließlich die neuerdings so brennend aufgetretene Frage nach der
                              Originalität der Uchatius-Kanone betrifft, so ist
                              zwischen dem Verschlußsystem und dem Geschützmateriale wohl zu unterscheiden.
                              Ersteren Punkt möchten wir hier, als ausschließlich das artilleristische Gebiet
                              berührend, kaum zu entscheiden wagen und dies um so weniger, als wir ja gerade jetzt
                              in der englischen Publicistik den Gußstahlkönig Krupp
                              selbst auf die heftigste und nicht ganz unbegründete Weise ob der Originalität
                              seiner Patente angegriffen sehen.
                           Das Material jedoch, die „Stahlbronze“, wird wohl stets mit dem
                              Namen Uchatius verknüpft bleiben und, wie wir glauben,
                              mit vollem Rechte. Denn wie bereitwillig auch der Erfinder selbst anerkennt, welche
                              Anregungen er zu seiner eigenthümlichen Anwendung des Coquillengusses empfangen hat,
                              und wie bekannt ferner jedem Techniker sein mag, daß schon Jahre lang kaltgewalzte
                              Transmissionswellen und Kolbenstangen in Amerika im ständigen Gebrauche sind, so
                              bleibt dennoch die richtige Vereinigung aller dieser Factoren zur Herstellung von
                              Geschützen sein unbestreitbares Verdienst.
                           Und wenn selbst der gleichzeitig mit den ersten Publicationen von Uchatius veröffentlichte Vorschlag des Italieners Rosset
                              Esperienze mechaniche sulla resistenza dei principali
                                       metalli da boche da fuoco di G. Rosset,
                                       colonello d'artigleria, direttore della fonderia di Torino.
                                    1874. den Versuchen des ersteren vorausgegangen wäre (was jedoch nicht der Fall
                              ist), so könnte dies dennoch die Verdienste, welche sich Uchatius um die praktische und erschöpfende Untersuchung dieses Gebietes
                              erworben hat, nicht schmälern.
                           
                              M.–M.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
