| Titel: | Chlorverbindungen im Hohofen; von Chr. Meineke in Oberlahnstein. | 
| Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 217 | 
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                        Chlorverbindungen im Hohofen; von Chr. Meineke in Oberlahnstein.Vorgetragen im mittelrheinischen Bezirksverein deutscher Ingenieure in Coblenz,
                                 nach der berg- und hüttenmännischen Zeitung, 1875 S. 47.
                           
                        Meineke, über Chlorverbindungen im Hohofen.
                        
                     
                        
                           Es ist keine durchaus neue Beobachtung, daß Chlorverbindungen in Hohöfen auftreten,
                              aber es ist diese Erscheinung stets als ein ganz bedeutungsloses Curiosum
                              betrachtet. Namentlich ist es der Gichtstaub, in welchem man sie neben allerlei
                              Bestandtheilen, an welche man bei der Eisenfabrikation nie denkt, z.B. Jod, auffand. So gibt Bodemann
                              im Gichtstaub der Steinrenner Hütte 8,22 Proc. KCl;, Pattinson in dem eines englischen Ofens 4,70 Proc. NaCl, Bell gleichfalls in dem
                              eines englischen Ofens 5,60 Proc. HCl an. Selbst Percy erwähnt ihrer nur bei dieser Gelegenheit und ganz
                              vorübergehend.
                           Vor etwa 10 Jahren schienen sie einmal eine größere Bedeutung für den Hohofenbetrieb
                              gewinnen zu wollen, als Kerpely vorschlug, Kochsalz,
                              Eisenchlorür, Chlormagnesium etc. fein gepulvert durch die Gebläseluft in den
                              Hohofen hineinzuführen und zur Bildung flüchtiger Verbindungen des Chlors mit
                              Phosphor, Schwefel und Kupfer zu benützen. Nach Angabe wurde der Zweck auch erreicht
                              und eine bedeutende Abnahme der angeführten Verunreinigungen im Roheisen bemerkt.
                              Später hat man davon nichts wieder gehört; es scheinen sich doch allerlei
                              Unzuträglichkeiten herausgestellt zu haben, sonst wäre sicher eine anscheinend so
                              einfache Methode, die Qualität des Roheisens zu verbessern, mehr ausgebeutet
                              worden.
                           In entschieden Gefahr drohender Weise machten sich jedoch Chloride vor etwa 1 1/2
                              Jahren auf mehreren Hütten unserer Gegend bemerklich.
                           Auf der Concordiahütte bei Benndorf beobachtete man im
                              Sommer 1873, daß der Blechmantel des Ofens Nr. III etwa 5 bis 6m unter der Gicht ein Loch bekommen hatte,
                              aus welchem sichtbare Dämpfe austraten. Als einige Zeit darauf der Ofen ausgeblasen
                              und die betreffende Tafel, welche vollständig zerfressen war, zur Auswechselung
                              abgenietet war, zeigte sich die dahinter liegende Bimssteinfüllung ganz mit
                              Eisenchlorid imprägnirt und durch dasselbe zu einer harten Masse zusammengebacken.
                              Eine eingehende Untersuchung stellte nun heraus, daß die meisten Blechtafeln
                              zerfressen waren und faustgroße Löcher enthielten, daß ferner der Futterschacht und
                              die beiderseitigen Bimssteinfüllungen zwischen diesem und dem Kernschacht und dem
                              Viechmantel von Eisenchlorid gelb und braun gefärbt und stellenweise
                              zusammengebacken, die feuerfesten Steine des Futterschachtes ebenso gefärbt, mürbe und zerreiblich
                              geworden waren. Beim Abreisten dieser Theile war der Geruch nach Salzsäure sehr
                              belästigend. Der Kernschacht hatte weniger gelitten. – In ganz ähnlichem
                              Zustande befand sich Ofen Nr. IV, welcher bald darauf ebenfalls ausgeblasen
                              wurde.
                           Während des Betriebes hatte sich das Vorhandensein von Chloriden durch starken
                              Salzsäuregeruch auf der Gicht, Ausschwitzen von Salzen, welche sich hauptsächlich
                              als KCl herausstellten, durch die Gestellsteine und
                              einmal auch durch einen Strom von geschmolzenen Chloralkalien zu erkennen gegeben,
                              welche beim Oeffnen des Stiches mit der Schlacke auslaufend in Berührung mit dem zur
                              Erzeugung von Schlackensand zugeleiteten Wasser heftige Explosionen
                              verursachten.
                           Etwas früher waren ganz ähnliche Zerstörungen an dem Hohofen der Sophienhütte bei Wetzlar beobachtet worden. Etwa 1m,40 unter der Gicht zeigte sich im
                              Blechmantel zwischen den äußeren Consolen ein faustgroßes Loch; ganz besonders aber
                              waren die inneren Consolen, welche den Gasfang tragen, so stark angegriffen, daß sie
                              erneuert werden mußten. Auch die Füllung von Sandsteinbrocken zwischen Futterschacht
                              und Kernschacht war mit Salzsäure imprägnirt.
                           Auf der Main-Weser-Hütte bei Lollar bemerkte
                              man im Sommer 1874, daß die Gasfänge stark angegriffen wurden. Beim Oeffnen des
                              Stiches liefen dünnflüssige Massen, welche, nebenbei bemerkt, von ähnlichem Aussehen
                              wie auf der Concordiahütte, durch die Analyse als Chlorverbindungen erkannt wurden,
                              aus der den Stich verschließenden Thonmasse und erhärteten bald in der Laufrinne,
                              während auf dem Eisen stark qualmende, nach Salzsäure riechende Dämpfe sich
                              entwickelten, welche den Ofen in einen dichten weißen Nebel hüllten. Dieselben
                              entströmten auch der Schlackenform, wo sie die eisernen Kühlröhren zerfraßen. Der
                              Ofen wurde dabei stark abgekühlt, das Eisen war matter und weniger gekohlt, als sich
                              nach der Schlacke erwarten ließ.
                           Es fragt sich nun, woher stammen die Chloride?
                           Es läßt sich nicht wohl annehmen, daß die zum Ofenbau verwendeten Materialien, Steine
                              und Gestübbe, solche enthalten; sie müßten absichtlich in dieselben gebracht sein,
                              und dafür wüßte Verf. in der That keine denkbare Veranlassung. Ebenso wenig ist wohl
                              anzunehmen, daß man auf den betreffenden Hütten versucht hat, die Kerpely'schen Vorschläge zur Reinigung des Eisens zu
                              benützen und absichtlich Chloride dem Ofen zuzuführen; wäre das wirklich geschehen,
                              so würde man sicher kein Geheimniß daraus gemacht haben, nachdem der verursachte
                              Schaden einmal die Aufmerksamkeit der Fachleute auf sich gezogen hatte.
                           
                           Es blieben also nur die Erze, Kalksteine und Coaks zu berücksichtigen.
                           Die zahlreichen von Percy und in anderen Handbüchern etc.
                              über Eisenhüttenkunde veröffentlichten vollständigen Analysen deutscher, englischer
                              und französischer Eisensteine geben nicht das geringste Anhalten, daß auch nur
                              einmal ein Gehalt an Chloriden in Eisenerzen bemerkt worden ist. Ebenso verhält es
                              sich mit den Kalksteinen.
                           Der alleinige Verdacht bleibt schließlich an den Coaks
                              hängen. Und in der That glaubt Verf. den analytischen Beweis zu haben, daß sie die
                              Träger solcher Massen von Chlorverbindungen sein können, daß dadurch Oefen in der
                              vorher beschriebenen Weise gefährdet werden können.
                           Verfasser erhielt im vorigen Sommer eine Flüssigkeit zur Analyse, welche durch
                              Auslaugen einer größeren Durchschnittsprobe, nämlich von 36k Coaks mit Wasser erzielt worden war. Das
                              Ergebniß der Untersuchung zeigte, daß aus den 36k Coaks die folgenden Salzmengen extrahirt waren:
                           
                              
                                 
                                    g
                                    
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 43,54
                                 
                                    NaCl
                                    
                                 =
                                 0,1209
                                 Proc.
                                 der
                                 Coaksmasse.
                                 
                              
                                 1,38
                                 
                                    KCl
                                    
                                 =
                                 0,0038
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 0,72
                                 MgO, SO₃
                                 =
                                 0,0020
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 9,76
                                 KO, SO₃
                                 =
                                 0,0271
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 3,92
                                 
                                    KS
                                    
                                 =
                                 0,0108
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 9,58
                                 
                                    CaS
                                    
                                 =
                                 0,0266
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                                 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 68,90
                                 Salze
                                 =
                                 0,1912
                                 Proc.
                                 der
                                 Coaksmasse.
                                 
                              
                           Unter diesen löslichen Salzen dominirt das Kochsalz, welches mit dem HCl beinahe 1/8 Proc. der Coaksmasse ausmacht. Das ist
                              eine relativ kleine, aber absolut nicht zu verachtende Menge. Stellen wir uns einen
                              Hohofen mittlerer Größe vor, welcher täglich 1000 Ctr. Coaks absorbiren möge, so
                              werden demselben täglich 60k,47 NaCl und 1k,91
                              KCl zugeführt, welche zusammen, wenn durch einen
                              chemischen Proceß das sämmtliche Chlor als HCl
                              entwickelt würde, 38k,73
                              Salzsäure-Gas oder 127k = zwei
                              Ballons käufliche Salzsäure liefern würden.
                           Verf. führt dann aus, daß, wenn auch nur ein verhältnißmäßig geringer Theil dieser
                              Chloralkalien unter Bildung von Silicaten und Salzsäure zersetzt wird, sich die
                              angeführten Erscheinungen von selbst erklären.
                           Die oben mitgetheilte Analyse ergibt in dem Coaksauszuge Salzmengen, welche in ihren
                              relativen Mengen den in Soolquellen enthaltenen Salzen entsprechen, mit dem einzigen
                              wesentlichen Unterschiede, daß ersterer reicher an schwefelsauren Salzen ist, als
                              letztere zu sein pflegen; die mit angeführten Mengen KS und CaS sind jedenfalls durch Reduction schwefelsaurer Salze
                              in Berührung mit den noch glühenden Coaks entstanden. Hierdurch gewinnt der
                              Coaksextract den Charakter eines Gemisches von Soolwasser und Grubenwasser. Es ist
                              bekannt, daß in den Steinkohlenrevieren in Westphalen Soolquellen vorkommen, welche
                              gleichzeitig mit den anderen Grubenwässern gehoben werden. Falls diese Wässer zum
                              Ablöschen der Coaks benützt werden, ist es klar, daß ihre festen Bestandtheile in
                              den Coaks bleiben und daß diese mit um so viel mehr Salzen imprägnirt werden, je
                              reicher die Wässer an denselben waren.Dieser Auffassung und den sorgfältigen Ausführungen des Hrn. Meineke stimmte die Versammlung zu. Auf eine
                                    Erwähnung, daß von anderer Seite behauptet worden, eine Zersetzung der
                                    Chlorverbindungen könne gar nicht eintreten, sondern dieselben entwichen
                                    verflüchtigt aus der Gicht, wurde die Bemerkung gemacht, daß allerdings je
                                    nach dem Betriebe die Erscheinungen verschieden seien, daß bei sehr heißer
                                    Gicht wohl auch sofort Verflüchtigung eintrete, ehe Zersetzung erfolge.
                                    Ferner erwähnt derselbe, daß auf der Concordiahütte die störenden
                                    Erscheinungen sich nicht wiederholt hätten, seitdem die Coaks nicht mehr mit
                                    Soolwasser abgelöscht würden.