| Titel: | Die Ausdehnung des erstarrenden Gusseisens; von Prof. A. Ledebur in Freiberg. | 
| Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 244 | 
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                        Die Ausdehnung des erstarrenden Gusseisens; von
                           Prof. A. Ledebur in
                           Freiberg.
                        Ledebur, über die Ausdehnung des erstarrenden
                           Gußeisens.
                        
                     
                        
                           Im Septemberheft des Engineer 1874 (S.
                                 197) findet sich eine Abhandlung von R. Mallet,Ueber Verwendbarkeit des Eisens zur Gießerei.
                                    Gewöhnlich werden die mit Roheisen erzielten scharfen Abgüsse der
                                    Eigenschaft desselben zugeschrieben, sich beim Erstarren auszudehnen. Nach
                                    Mallet ist dieses nicht der Fall, sondern die
                                    scharfen Abgüsse sind Folge von gewissen mechanischen, chemischen und
                                    Molecularverhältnissen, sowohl bezüglich des zum Gusse verwendeten Metalles,
                                    wie der Beschaffenheit der Form und des Verhältnisses beider zu
                                    einander. in welcher derselbe den Nachweis zu liefern sucht, daß die dem Gußeisen
                              seither zugeschriebene Eigenschaft, sich beim Erstarren auszudehnen, auf einer
                              falschen Annahme beruhe.
                           Verfasser hält die Ausführungen Mallet's für durchaus irrig. Die Ausdehnung des Gußeisens läßt sich durch
                              einen eben so einfachen als lehrreichen (von Schott
                              zuerst angestellten) Versuch klar vor Augen legen. Man formt ein gewöhnliches
                              Laufrad in einer gußeisernen Schale in gleicher Weise ein, wie alle Laufräder mit
                              gehärteter Lauffläche geformt werden. Die Schale aber besteht nicht, wie gewöhnlich,
                              aus einem Ganzen, sondern aus zwei gleichen halbkreisförmigen Hälften, welche durch
                              eine Feder so stark zusammengedrückt werden, daß sie nur durch mäßige Gewalt aus
                              einander geschoben werden können. Gießt man nun flüssiges Gußeisen in die Gußform,
                              so bleiben, so lange das Gußeisen vollständig flüssig
                              ist, die Hälften geschlossen; in dem Momente aber, wo die Erstarrung beginnt, theilen sie sich
                              aus einander und ein Spalt von oft mehreren Millimeter Stärke (selbstverständlich
                              bei entsprechend großem Durchmesser des Rades) wird sichtbar, durch welchen das
                              Hellroth glühende Eisen hindurchscheint. Nun beginnt die Schwindung. Mehr und mehr
                              schließt sich der Spalt, und wenn das Rad völlig erkaltet ist, so sind seine
                              Abmessungen, dem Schwindungsgesetze entsprechend, kleiner als die der Schale, in
                              welcher es gegossen wurde.
                           Die von Mallet für seine Behauptung
                              angeführten Thatsachen beweisen durchaus nicht das, was sie beweisen sollten. Wenn
                              kaltes Gußeisen specifisch schwerer ist als
                              flüssiges, wie Mallet durch Ermittelung der specifischen
                              Gewichte beider zu beweisen sucht, so folgt daraus doch nicht, daß das Eisen sich
                              nicht im Augenblicke des Erstarrens ausdehne. Die spätere Zusammenziehung bis zur
                              vollständigen Abkühlung ist eben noch bedeutender als die Ausdehnung, und die
                              Differenz zwischen der totalen Zusammenziehung von den Abmessungen des Gußstückes im
                              Erstarrungsmomente an gerechnet und der vorausgegangenen Ausdehnung nennt der
                              Hüttenmann Schwindung.
                           Wasser dehnt sich im Erstarrungsmomente so bedeutend, daß starke
                              Gefäße dadurch zersprengt werden; wäre man im Stande, das Wasser ebenso wie das
                              Gußeisen 1200° unter seinen Erstarrungspunkt abzukühlen, so ist es sehr
                              wahrscheinlich, daß das specifische Gewicht des Eisens von – 1200°
                              Temperatur erheblich höhergeringer wäre als das des Wassers.
                           Wenn aber festes Gußeisen auf flüssigem schwimmt, so ist aus
                              naheliegenden Gründen der Temperaturunterschied beider bei Weitem nicht mehr so hoch
                              als bei dem von Mallet gewogenen Eisen, und das
                              specifische Gewicht des schwimmenden Gußeisens hat sich schon erheblich
                              verringert.
                           In wiefern ein von Mallet angestellter
                              Versuch mit zwei gußeisernen Bomben, deren Dimensionen während der Abkühlung
                              mehrfach gemessen wurden, die Richtigkeit seiner Annahme beweisen soll, ist dem
                              Verf. nicht ganz verständlich geworden. Dieser Versuch kann nur über die Art der
                              Zusammenziehung, nicht der vorausgegangen Ausdehnung Rechenschaft geben. Es handelt
                              sich doch lediglich um die Thatsache, daß das erstarrende
                              Gußeisen specifisch leichter ist als das flüssige. Bei voluminösen Abgüssen mit
                              verlorenem Kopfe bemerkt man im Augenblicke des Erstarrens ein Zurückquellen des im
                              Inneren noch halbflüssigen Gußeisens aus dem verlorenen Kopfe, falls dieser nicht
                              seiner Bestimmung zuwider vorzeitig erkaltet ist, und falls die bei dem Erstarren
                              solcher Gußstücke entstehenden Höhlungen durch sorgfältiges Nachgießen flüssigen
                              Eisens durch den Kopf vermieden worden sind; auch bei dem Anfüllen der Bombe mit
                              Gußeisen hätte diese Erscheinung bemerkbar sein können.
                           Daß dagegen diese – wie es scheint unbestreitbare –
                              Eigenschaft des Gußeisens, welche dasselbe mit dem Wasser wie mit vielen Metallen
                              gemein hat, gerade der Grund sei, weshalb das Gußeisen die Gußformen so genau
                              ausfüllt und scharfe Abdrücke liefert, wie man in vielen Lehrbüchern angegeben
                              findet, will auch dem Verf. nicht wahrscheinlich vorkommen und hierin stimmt er mit
                              Mallet überein. Die Ausdehnung tritt erst in dem
                              Augenblicke ein, wo das Gußeisen fest wird; an ein scharfes Ausfüllen der Gußformen
                              kann aber in dieser Periode nicht mehr gedacht werden, sondern dieselben müssen
                              bereits ausgefüllt sein, wenn das Gußeisen erstarrt.
                           Es erscheint dem Verf. nicht unwahrscheinlich, daß die Ausdehnung
                              der Körper im Erstarrungsmomente ebenso mit der Krystallisation wie mit dem
                              Freiwerden der Schmelzungswärme im Zusammenhange steht. (Nach der berg- und
                                    hüttenmännischen Zeitung, 1875 S. 176.)