| Titel: | C. W. Siemens' elektrisches Pyrometer. | 
| Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 291 | 
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                        C. W. Siemens'
                           elektrisches Pyrometer.
                        Mit Abbildungen.
                        Siemens' elektrisches Pyrometer.
                        
                     
                        
                           Eine von C. William Siemens kürzlich unter dem Titel
                              „über die Abhängigkeit des elektrischen Leitungswiderstandes von der
                                 Temperatur“ veröffentlichte Abhandlung gibt ausführlicher, als es
                              bisher (1873 209 419) geschehen ist, Bericht über die von
                              ihm ausgeführten Untersuchungen, auf denen die Construction seines Pyrometers
                              beruht, und enthält zugleich alles in Bezug auf Einrichtung und Gebrauch des
                              Instrumentes wissenswerthe.
                           Der erste Theil der Abhandlung „über den Einfluß der Temperatur auf den
                                 elektrischen Widerstand metallischer Leiter“ gibt die ausgedehnten
                              Versuchsreihen, welche C. W. Siemens über diesen
                              Gegenstand angestellt hat, und eine von ihm aufgestellte Formel für die
                              Widerstandsänderung. Von den älteren Versuchen, welche die Widerstandsänderung nur
                              von 0 bis 100° verfolgen, lassen die von Arndtsen
                              und Werner Siemens die Widerstandsänderung der
                              Temperaturänderung einfach proportional erscheinen, während die von Matthiessen eine Abweichung von der Proportionalität
                              ergeben, welche derselbe durch eine Formel ausdrückt, die aber wenig über
                              100° alle Giltigkeit verliert. C. W. Siemens hat
                              für Platin, Kupfer, Eisen, Aluminium und Silber die Untersuchung zunächst bis auf
                              Temperaturen von circa 350° ausgedehnt und dabei gefunden, daß bei größeren
                              Temperaturintervallen die Abweichung von der Proportionalität zwischen
                              Temperaturänderung und Widerstandsänderung eine erhebliche ist, daß aber für alle
                              untersuchten Metalle die Beziehung zwischen Temperatur (t) und Widerstand (R) sich befriedigend
                              ausdrücken läßt durch die Formel
                           R = α
                                 T1/2 + β
                                 T + γ,
                              
                           in welcher T die absolute
                              Temperatur (t + 273) bedeutet und α, β und γ Coefficienten
                              sind, die von der Natur des Metalles abhängen. Beim Platin, das für pyrometrische Zwecke allein in Frage
                              kommen kann, ändern sich diese Coefficienten sehr bedeutend durch ganz geringfügige
                              Verunreinigungen des Metalles; die Leitungsfähigkeit verschiedener Platinsorten bei
                              22°,8 wurde von 8,85 bis 4,7 schwankend gefunden (Leitungsvermögen des
                              Quecksilbers = 1 gesetzt); die Zunahme des Leitungswiderstandes von 20° bis
                              100° schwankte von 22,4 bis 33,5 Proc. (Daraus erhellt, wie unzulässig das
                              häufig angewendete Verfahren ist, die Stärke eines galvanischen Stromes anzudeuten
                              durch die Länge und Dicke des von ihm zum Glühen oder zum Schmelzen gebrachten
                              Platindrahtes; Drähte von gleichen Dimensionen, aber verschieden reinem Material
                              brauchen zu einer gleich starken Erwärmung ganz verschieden starke Ströme.) Das
                              größte Leitungsvermögen zeigt das auf ältere Art durch Zusammenschweißen von
                              Platinschwamm erzeugte Platin, jedenfalls weil es am reinsten ist; solches Platin
                              verwendet Siemens ausschließlich zur wirklichen
                              Herstellung der Pyrometer.
                           Gegen eine von Siemens gegebene Deutung obiger Formel,
                              wonach der Leitungswiderstand sich aus drei Theilen zusammensetzen soll, von denen
                              einer (α T1/2)
                              bedingt ist durch die Geschwindigkeit der Molecularbewegung (deren Quadrat ja der
                              absoluten Temperatur entspricht), der andere (β
                                 T) durch den linearen Abstand der Molecüle, während der dritte von der
                              Temperatur unabhängige (γ) den noch beim
                              absoluten Nullpunkt vorhandenen Widerstand bedeutet, lassen sich ernstliche Bedenken
                              erheben,Der Coefficient β hat für verschiedene
                                    Platinarten außerordentlich verschiedene Werthe, deren größter 31 mal so
                                    groß ist als der kleinste, und γ ist
                                    außer für eine einzige Platinsorte für alle untersuchten Metalle
                                    negativ. durch welche aber der Werth der Formel als Ausdruck der beobachteten
                              Thatsachen nicht verringert wird. Die Formel gibt sogar für viel höhere Temperaturen
                              als die, aus denen sie hergeleitet ist, die Widerstandsänderung noch mit
                              hinlänglicher Genauigkeit an, wie Siemens durch
                              Vergleichung mit einem calorimetrischen Pyrometer nachgewiesen hat und wie
                              mittlerweile auch von anderer Seite durch directe Vergleichung des Siemens'schen Pyrometers mit dem Luftthermometer
                              nachgewiesen ist (Weinhold: Poggendorff's Annalen, Bd.
                              149 S. 186 bis 235); die anderweit bestimmten und die aus dem Widerstande
                              berechneten Temperaturen sind:
                           
                              
                                 835°854810
                                 811°882772
                                 Differenz
                                 – 24°+ 28– 38
                                 
                                    
                                    
                                 Siemens.
                                 
                              
                                 933973992
                                 901924929
                                 
                                 – 32– 49– 63
                                 
                                    
                                    
                                 Weinhold.
                                 
                              
                           
                           Diese Abweichungen sind zwar viel größer, als die bei niedrigeren Temperaturen
                              gefundenen, aber immerhin relativ gering gegen die Fehler anderer Messungen solcher
                              hohen Temperaturen.
                           Der zweite Theil der Abhandlung „über die Messung von Temperaturen
                                 einschließlich der Ofentemperaturen mittels des elektrischen
                                 Leitungswiderstandes“ geht aus von der ersten von Siemens im J. 1860 gemachten Temperaturbestimmung mittels
                              des elektrischen Widerstandes, die ihm zur Bestätigung seiner Vermuthung einer
                              Wärmeentwicklung im Inneren aufgehäufter Kabelmassen diente, bespricht dann ein von
                              C. W. Siemens im J. 1861 für Temperaturmessungen an
                              distanten Punkten construirtes Widerstandsthermometer und das von ihm und Werner Siemens im J. 1863 beschriebene Tiefseethermometer und
                              erläutert endlich die Construction des der Wärmeeinwirkung auszusetzenden Theiles
                              des Siemens'schen Pyrometers. Ein PlatindrahtDie Constanten der obigen Formel für die angewendete Platinsorte sind:α=0,039369β=0,00216407γ=–   0,24127. von 0mm Dicke und 10
                              Siemens-Einheiten Widerstand ist in eine feine, schraubenförmig um einen
                              Cylinder aus hartgebranntem Pfeifenthon laufende Rinne eingelegt, die Enden sind an
                              mäßig lange, dickere Platindrähte angeschmolzen, und an diese wieder sind kupferne
                              Leitungsdrähte angelöthet; überdies ist Vorsorge getroffen, kleine Theile des dünnen
                              Drahtes mittels einer verschiebbaren Klemme aus der Leitung aus- oder in
                              dieselbe einschalten zu können, damit der Widerstand genau auf die verlangte Größe
                              von 10 Einheiten gebracht werden kann. Das eine Ende des dünnen Drahtes ist mit
                              einem dickeren Leitungsdrahte, das andere Ende ist mit zwei solchen Drähten
                              verbunden; jeder dieser drei Drähte ist eingeschoben in enge Thonröhren, die zur
                              Isolation dienen, und der Thoncylinder mit dem feinen Drahte sammt den angesetzten
                              drei stärkeren Leitungen ist eingelegt in ein starkes, schmiedeisernes Rohr, welches
                              an dem Ende, wo der Thoncylinder mit dem feinen Drahte liegt, zugeschweißt ist,
                              während das andere Ende auf einer in Messing gefaßten, isolirenden Thonplatte drei
                              Klemmschrauben trägt, welche mit den Enden der dickeren Leitungsdrähte verbunden
                              sind. Der Thoncylinder ist durch ein umgewickeltes Platinblech geschützt, und dieses
                              ist noch durch eine Zwischenlage von Asbest von dem umhüllenden Eisenrohre
                              getrennt.
                           An einzelnen Exemplaren, welche vorzugsweise bestimmt sind, andauernd den höchsten
                              Hitzegraden ausgesetzt zu werden, hat Siemens den ganzen
                              dem lebhaften Glühen ausgesetzten Theil des Eisenrohres durch ein Platinrohr ersetzt. Es
                              hat sich nämlich gezeigt, daß bei sehr anhaltendem Glühen der Widerstand des im
                              Eisenrohre enthaltenen Platindrahtes eine dauernde Vergrößerung erfährt, die sich
                              nicht zeigt, wenn die Umhüllung des Drahtes aus Platin besteht; die im Inneren des
                              schmiedeeisernen Rohres in starker Glühhitze sich erzeugende, reducirende Atmosphäre
                              bewirkt eine Verunreinigung des Platindrahtes durch Spuren aus dem Thon des
                              Cylinders herrührenden Siliciums, und diese Verunreinigung vermindert die
                              Leitungsfähigkeit des Platindrahtes. Der Thoncylinder ist so wenig wie irgend ein
                              anderer Körper ein absoluter Nichtleiter, und seine Isolationsfähigkeit nimmt noch
                              ab, wenn er in der Glühhitze einigermaßen erweicht. Siemens hat deshalb den Widerstand desselben untersucht und gefunden, daß
                              derselbe in der Kälte 1000000 Einheiten, in der stärksten im Ofen erreichbaren
                              Glühhitze noch 500 Einheiten beträgt und beim Wiedererkalten des Cylinders zu seiner
                              ursprünglichen Größe zurückkehrt. Gegen den Widerstand des Platindrahtes (10
                              Einheiten bei 0°, 39,18 Einheiten bei 1000°) ist also der des
                              Thoncylinders so groß, daß man diesen unbedenklich als Isolator ansehen kann; es
                              macht sich kaum bei den allerhöchsten Temperaturen ein geringer Einfluß des
                              Thoncylinders geltend derart, daß der Widerstand des Drahtes etwas zu klein und
                              dadurch die beobachtete Temperatur etwas zu niedrig erscheint.
                           Der dritte Theil der Abhandlung „über eine einfache Methode, elektrische
                                 Leitungswiderstände zu messen“ enthält die Beschreibung des für die
                              Pyrometermessungen verwendeten Differentialvoltameters.
                              Die gewöhnliche Methode, elektrische Leitungswiderstände mittels der sogen. Wheatstone'schen Brücke zu messen, ist für die
                              pyrometrischen Zwecke zu umständlich, und deshalb hat Siemens dazu das leicht zu handhabende Differentialvoltameter construirt,
                              welches sich überdies auch zu anderen Widerstandsmessungen benützen läßt.
                           Der Strom einer mäßig starken galvanischen Batterie (bei dem Pyrometer aus 6
                              Leclanché-Elementen bestehend) wird in zwei Zweige getheilt, von denen
                              jeder durch ein Voltameter und überdies der eine durch einen bekannten, der andere
                              durch den zu messenden Widerstand geht. Da die Stromstärken in den beiden Zweigen
                              den Widerständen umgekehrt und die in den Voltametern entwickelten Knallgasmengen
                              den Stromstärken direct proportional sind, so gibt das Verhältniß der in den beiden
                              Voltametern entwickelten Knallgasmengen das umgekehrte Verhältniß der Widerstände.
                              Bei den zum Pyrometer verwendeten Differentialvoltameter ist der Widerstand jedes
                              Voltameters sammt den zugehörigen Verbindungsdrähten gleich 3, der in den einen
                              Zweig der Leitung
                              eingeschaltete constante Neusilberwiderstand gleich 17 Siemens-Einheiten.
                              Bezeichnet man die in diesem Zweige entwickelte Knallgasmenge mit V, die in dem anderen Zweige entwickelte mit V₁ und den in diesen zweiten Zweig
                              eingeschalteten, unbekannten Widerstand mit R, so
                              ist
                           (17 + 3) : (R + 3) = V₁ : V
                              
                           und somit R = 20 (V/V₁) – 3.
                           Eine Ansicht des Differentialvoltameters gibt beistehende Fig. I, eine schematische Darstellung der Anordnung der Leitungen Fig. II.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 217, S. 295
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 217, S. 295
                              
                           Auf einem Holzgestell FF sind zwei enge, gut calibrirte,
                              genau gleich weite Glasröhren A und B angebracht, deren jede unten eine kleine Erweiterung
                              trägt. Die erweiterten Theile enthalten je zwei Platinelektroden und communiciren
                              durch seitlich angesetzte Kautschukschläuche mit dem Glasreservoirs G und G', welche in kleinen
                              Holzschlitten sitzen und sich mit mäßiger Reibung an dem Gestell auf- und
                              abschieben lassen. Sowohl die Gefäße G und G', als auch die Röhren A
                              und B sind an und für sich offen; letztere werden aber
                              für gewöhnlich verschlossen durch kleine Kautschukpolster, welche an den horizontalen Armen
                              zweier Winkelhebel mit gemeinschaftlicher Drehungsachse sitzen. Die Gewichte L und L' ziehen die
                              Winkelhebel für gewöhnlich abwärts und drücken dadurch die Kautschukpolster fest;
                              soll der Verschluß der Glasröhren gelüftet werden, so drückt man die aufwärts
                              gerichteten Arme der Winkelhebel gegen einander, wodurch die Kautschukpolster
                              gehoben werden. Hinter den Glasröhren A und B liegen Scalen, deren Nullpunkte sich nahe unter dem
                              oberen Ende der Glasröhren befinden; die linke Scale trägt die Bezeichnung V, die rechte V'. Das linke
                              Voltameter ist mit dem Widerstande von 17 Einheiten, der sich in einem Holzgehäuse
                              auf der linken vorderen Ecke des Fußbretes befindet (X₁ in Fig. II), das rechte mit einer auf
                              der rechten Vorderecke befindlichen Klemmschraube (X),
                              und überdies sind beide mit dem vorn in der Mitte des Fußbretes befindlichen
                              Communtator verbunden und zwar mit dessen hinterer Klemme. Die vordere Klemme des
                              Commutators ist mit C bezeichnet; an die linke und
                              rechte Klemme B und B'
                              werden die von der Batterie kommenden Zuleitungsdrähte angesetzt. Die drei
                              Klemmschrauben an dem den Platinwiderstand enthaltenden Eisenrohr sind ebenfalls mit
                              X, X' und C bezeichnet;
                              die von X' und C kommenden
                              Drähte sind beide mit dem einen Ende des dünnen Platindrahtes, der von X kommende ist mit dem anderen Ende desselben verbunden.
                              Die zur Verbindung der gleichbezeichneten Theile am Voltameter und am Eisenrohr
                              dienenden drei Kupferdrähte sind in einem kleinen Kabel von ca. 23m Länge enthalten; man kann also das
                              Differentialvoltameter ziemlich entfernt von dem Punkte aufstellen, dessen
                              Temperatur gemessen werden soll. Beim Gebrauche des Instrumentes werden die Theile
                              in der durch Fig. II angedeuteten Weise verbunden,
                              die Reservoirs G, G' mit verdünnter Schwefelsäure (1
                              Vol. Säure auf 9 Vol. Wasser) gefüllt und so hoch gestellt, daß sich die Flüssigkeit
                              in den Glasröhren A und B
                              auf 0 einstellt, wenn man den Röhrenverschluß aufhebt; – der Commutator
                              bleibt zunächst in solcher Stellung, daß der Strom unterbrochen ist. Hierauf setzt
                              man das Eisenrohr, welches den Platinwiderstand enthält, der zu messenden Temperatur
                              aus, schließt den Strom und wechselt dessen Richtung mittels des Commutators etwa
                              alle 10 Secunden, um ungleiche Polarisation zu vermeiden. Sobald sich jede der
                              beiden Glasröhren A und B
                              bis wenigstens zur Hälfte mit dem entwickelten Knallgase gefüllt hat, unterbricht
                              man den Strom, schiebt die Reservoirs G und G' so weit herunter, daß in jedem das Niveau in gleicher
                              Höhe mit dem Niveau in der zugehörigen Röhre A oder B steht und liest die entwickelten Knallgasvolumen ab.
                              Da es nur auf das
                              Verhältniß dieser Volumen ankommt und dieselben unter gleichem Druck, bei gleicher
                              Temperatur und gleichem Feuchtigkeitsgehalte gemessen werden, so ist eine Reduction
                              derselben auf den Normalzustand gar nicht nöthig. Um überdies jede Rechnung zu
                              ersparen, wird dem Instrumente eine Tabelle beigegeben, welche für jede zwei Volumen
                              V und V' unmittelbar die
                              zugehörige Temperatur angibt.
                           Bei sorgfältiger Behandlung gibt das Instrument vortreffliche Resultate; –
                              natürlich muß dasselbe von Zeit zu Zeit durch Beobachtung bei einer bekannten
                              Temperatur controlirt werden. Für metallurgische Zwecke und ganz besonders auch für
                              die Beurtheilung von Feuerungsanlagen kann dasselbe von allergrößtem Nutzen werden,
                              und ist eine recht vielseitige Anordnung desselben dringend zu wünschen.