| Titel: | Stassfurter Kali-Industrie; von Dr. A. Frank in Stassfurt. | 
| Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 496 | 
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                        Stassfurter Kali-Industrie; von Dr.
                           A. Frank in
                           Stassfurt.
                        (Fortsetzung von S. 400 dieses
                           Bandes.)
                        Frank, über die Staßfurter Kali-Industrie.
                        
                     
                        
                           B. Schwefelsaures Magnesium (Kieserit,
                                 Bittersalz).
                           KieseritDas angegebene Verfahren der Kieseritgewinnung ist zuerst von Clemm beschrieben: Brevet
                                       d'invention, 6. October 1863. (Vergl. 1875 216 434.) und Steinsalz werden jetzt in der Weise getrennt, daß die auf einem Gefäß
                              mit (falschem) durchlöchertem Boden liegenden Löserückstände mit einem Strom kalten
                              Wassers behandelt werden, welcher den Kieserit mehlförmig fortschlämmt, während das
                              Steinsalz theils gelöst wird, theils in großen Stücken zurückbleibt und, nachdem es
                              abgespült und getrocknet ist, für Herstellung von Gewerbesalz oder Viehsalz
                              denaturirt und gemahlen werden kann. Das Wasser resp. die Kochsalzlösung mit dem
                              aufgeschlämmten Kieserit und den darin theilweise mit suspendirten anderen
                              unlöslichen Stoffen, Anhydrit, Mergel etc., wird durch eine Rinne auf ein
                              feinmaschiges Siehe geleitet, wie solche bei der Stärkefabrikation Anwendung finden.
                              Auf dem Siebe bleiben die gröberen Anhydritkrystalle, Steinsalzstückchen etc.
                              liegen, während Kieserit und die anderen feinen aufgeschlämmten Stoffe mit dem
                              Wasser durch das Sied in ein darunter befindliches flaches Gefäß gehen, in welchem
                              sich der Kieserit bei verlangsamter Geschwindigkeit des Wasserstromes in Folge
                              seines höheren Volumgewichtes rasch absetzt, die anderen mitgeschlämmten Stoffe
                              gehen mit dem abfließenden Wasser fort. Sobald sich das Kieseritmehl in dem
                              Absatzkasten etwas angesammelt hat, wird die breiige Masse mit Schaufeln
                              herausgestochen und in Formen geschlagen, in denen sie durch Bindung des noch
                              beigemischten Wassers nach Art von gebrannten Gyps bald zu festen Blöcken erstarrt,
                              welche je nach der angewendeten Blechform cylindrisch oder parallelopipedisch sind,
                              meist 25 bis 30k wiegen und in dieser Form
                              zur weiteren Verwendung bezieh. zum Versand kommen. Der Kieserit enthält
                              durchschnittlich:
                           
                              
                                 55
                                 bis
                                 60
                                 Proc.
                                 Magnesiumsulfat,
                                 
                              
                                   8
                                 „
                                 10
                                 „
                                 Calciumsulfat (freie Anhydritkrystalle),
                                 
                              
                                   2
                                 „
                                   4
                                 „
                                 Natriumchlorid,
                                 
                              
                                   0
                                 „
                                     0,5
                                 „
                                 Magnesiumchlorid,
                                 
                              
                                   0
                                 „
                                     0,5
                                 „
                                 unlösliche Stoffe (Mergel, Boracit etc.),
                                 
                              
                                 Rest
                                 
                                 Wasser,
                                 
                              
                           läßt sich also als ein unreines Bittersalz mit 3 bis 3 1/2
                              Mol. Krystallwasser betrachten. Eine theilweise Entfernung dieses Wassergehaltes durch Glühen findet für
                              gewisse Verwendungszwecke statt, und wird auf diese Weise eine calcinirte Waare mit
                              einem durchschnittlichen Gehalt von 75 Proc. wasserfreiem schwefelsaurem Magnesium
                              (72 bis 80 Proc.) hergestellt. – Der Preis des rohen Kieserits ist zur Zeit
                              zwischen 0,3 bis 0,8 M. pr. 100k ab
                              Staßfurt, und da er bei einem Gehalt von 60 Proc. wasserfreiem schwefelsaurem
                              Magnesium 40 Proc. wasserfreier Schwefelsäure enthält, so bietet sich darin der
                              Technik wohl das billigste lösliche schwefelsaure Salz für zahlreiche
                              Fällungs- und Umsetzungsprocesse; auch ist selbstredend das jetzt in gewissen
                              Industriebranchen massenhaft gebrauchte Bittersalz aus keinem Rohstoff billiger
                              herzustellen als aus dem Kieserit, welcher bei einfachem Behandeln mit kaltem oder
                              besser heißem Wasser nach Aufnahme der ihm noch fehlenden Mengen Krystallwasser in
                              das leicht lösliche krystallisirte schwefelsaure Magnesium (MgSO₄ + 7 aq)
                              übergeht.
                           Die Fabrikation des Bittersalzes als Nebenartikel wird in Staßfurt selbst von
                              mehreren FirmenWüstenhagen und Comp.
                                    Vereinigte chemische Fabriken zu Leopoldshall. betrieben; da indeß krystallisirtes Bittersalz bei einem Wassergehalt von 52
                              Proc. nur 48 Proc. schwefelsaures Magnesium enthält, gegen 55 bis 60 Proc. im
                              Kieserit, und außerdem kostspielige Emballage erfordert, um ungünstigen Einflüssen
                              während des Transportes widerstehen zu können, so wird von England, den Vereinigten
                              Staaten etc. nur roher Kieserit in Blöcken bezogen und dessen geklärte Lösung
                              entweder direct verbraucht, oder daraus an der Gebrauchsstelle selbst
                              krystallisirtes Bittersalz dargestellt, welches dann gar nicht getrocknet, sondern
                              durch bloßes Centrifugiren von anhängender Lauge befreit und in Säcken versendet
                              wird. Hauptsächlichste Verwendung findet das so gereinigte Salz zum Appretiren von
                              Baumwollstoffen, um dieselben, wie der Kunstausdruck beschönigend lautet,
                              „griffig“ zu machen, d.h. ihnen scheinbar Qualität und
                              Gewicht dichter stoffreicher Zeuge zu geben. Zu diesem Zwecke werden die Stoffe
                              durch concentrirte Bittersalzlösungen passirt und dann langsam getrocknet; die
                              nadelförmigen, weichen und seideglänzenden Bittersalzkrystalle vereinigen sich dabei
                              sehr fest mit der Gespinstfaser und ertheilen derselben einen erhöhten Lustre,
                              welcher den Laien, d.h. in diesem Falle das große Publicum täuscht.
                              Selbstverständlich wird das scheinbar so dichte, kräftige Zeug alsbald zu einem
                              losen unscheinbaren Lappen, wenn der Käufer die erste Wäsche damit vornimmtEs sind mir mit Bittersalz appretirte Stoffe zu Händen gekommen, welche durch
                                    bloßes Auswaschen mit destillirtem Wasser 53 Proc. ihres Gewichtes verloren
                                    und nur ca. 40 Proc. wirkliche Baumwolle enthielten; bei solcher
                                    Zusammensetzung kann es nicht Wunder nehmen, wenn das
                                    Kilogramm fertiger gewebter und appretirter Baumwollwaaren zur Zeit billiger
                                    im Markte ist, als das gleiche Gewicht roher unversponnener Baumwolle! In
                                    Deutschland ist diese Verwendung des Bittersalzes noch nicht so verbreitet
                                    als in England, wo aber auch von den bedeutendsten Journalen (Times, 1869 p. 70,
                                    71) gegen den Mißbrauch der Appreturzusätze eindringlichst gewarnt worden
                                    ist.. Enthält das zur Appretur verwendete Bittersalz Chlor, namentlich als
                              Chlormagnesium, so werden die Stoffe nicht nur feucht, sondern auch beim Passiren
                              über die Trockenwalzen des Kalanders brüchig und mürbe in Folge der Bildung von
                              Salzsäure (MgCl₂ + H₂O = 2HCl + MgO).
                           Verwendung des Kieserits als Fällungsmittel. Es wurde
                              schon vorher darauf hingewiesen, daß der Kieserit als zur Zeit billigstes, in Wasser
                              lösliches schwefelsaures Salz die Schwefelsäure ersetzen könne; als hauptsächlichste
                              zum Theil schon praktisch durchgeführte Anwendungen desselben mögen hier erwähnt
                              werden:
                           a. Darstellung von Blanc
                                 fixe (gefälltes schwefelsaures Barium) durch Fällung der Chlorbariumlösung
                              mit Kieserit anstatt mit Schwefelsäure. Bei diesem Proceß bleibt Chlormagnesium in
                              der Lösung, welches eventuell concentrirt und zur Gewinnung neuer Quantitäten von
                              Chlorbarium aus Schwerspath nach der von Godin und Hasenclever angegebenen Methode benützt werden kann.
                              Ebenso kann das bei Darstellung des in der Technik als Annaline (Perlweiß, Pearlhardening) bezeichneten gefällten schwefelsauren
                              Kalkes mittels Bittersalzes übrig bleibende Chlormagnesium durch Zerlegung mit
                              Aetzkalk zu Darstellung von neuem Chlorcalcium benützt und damit wiederholt
                              verwendet werden.
                           Als Ersatz und Verbesserung der Annaline, namentlich für Papierfabrikation, ist
                              endlich unter dem Namen Magnesiaweiß vom Verfasser ein Präparat erzeugt worden,
                              welches durch directe Fällung von schwefelsaurem Magnesium mit Aetzkalk oder
                              Aetzbarit gewonnen, ein Gemisch von Magnesiumhydrat und Blanc
                                 fixe resp. Perlweiß darstellt und als Füllstoff für Papier etc. um so mehr
                              Beachtung finden dürfte, als die Fällung in der Papiermasse resp. auf der Zeugfaser
                              selbst erfolgen kann, sich also sehr leicht mit derselben vereinigt.
                           b. Auch die für die bei der Darstellung des Alaunes seit
                              lange bekannte Ausnützung der in den Rohalaunlaugen enthaltenen schwefelsauren Salze
                              des Magnesiums und Eisens behufs Zerlegung des Chlorkaliums bezieh. auch des
                              Chloraluminiums ist Kieserit mit Erfolg verwendet worden, indem man Gemische von 1
                              resp. 4 Mol. schwefelsaurem Magnesium im Kieserit mit 2 Mol. Chlorkalium der Lösung
                              von schwefelsaurer Thonerde bezieh. von Chloraluminium zusetzte; die ausgefällten
                              Laugen, welche namentlich bei Verarbeitung von salzsaurer Thonerde bedeutende Mengen (4 Mol. für 1
                              Mol. Alaun) Chlormagnesium enthalten, geben beim Glühen den größten Theil ihrer
                              Salzsäure ab, die zur Herstellung von neuen Chloraluminiumlösungen dienen kann. Für
                              die Verwerthung der neuerdings mehrfach in den Handel gebrachten natürlichen
                              Thonerdephosphate (Rodondophosphat etc.) sowie der nach Jacobi's interessanten Extractionsverfahren mittels schwefliger Säure
                              gewonnenen phosphorsauren Thonerde aus den Rasenerzen dürfte die obige vom Verfasser
                              in Deutschland, von Townsend in England angeregte Methode
                              Bedeutung gewinnen.
                           Eine andere technische Verwendung des Kieserits ist die von Dr. Grüneberg
                              1872 206 465. Wagner's
                                    Jahresbericht, 1873 S. 519. in Anlehnung an die Scott'sche Cementbereitung
                              vorgeschlagene Herstellung künstlicher Steinmassen durch Zusatz von Kieserit zu
                              Aetzkalk bezieh. Kalkmörtel, über welche indeß bisher noch keine Erfahrungen aus der
                              Praxis vorliegen. Ebenso haben die namentlich in den letzten Jahren vielfach
                              wiederholten und erneuten Vorschläge, das Ammoniak aus den Gaswässern und
                              Cloakenwässern durch Gemische von saurem phosphorsaurem Calcium und schwefelsaurem
                              Magnesium zu präcipitiren, zu einem technisch brauchbaren Resultate noch nicht
                              geführt. Versuche, welche vom Verfasser bereits 1865 bis 1867 in dieser Beziehung
                              angestellt wurden,Die betreffenden Präparate waren schon in Paris 1867 ausgestellt. zeigten, daß die Fällung des Ammoniaks aus den Gaswässern als phosphorsaures
                              Ammonium-Magnesium nur eine sehr unvollständige war, und scheinen auch alle
                              späteren Vorschläge und zahlreich genommenen Patente diese Schwierigkeit nicht
                              gelöst zu haben, da das als Düngmittel namentlich für Cerealien sehr brauchbare
                              phosphorsaure Ammonium-Magnesium nirgends in den Handel gelangt ist.
                           
                        
                           C. Schwefelsaures Kaliummagnesium und schwefelsaures Kalium.
                           Schon bei Beschreibung der Staßfurter Mineralien resp. Rohsalze wurde des Kainits
                              Erwähnung gethan, welcher in seiner reinsten Form ein eigenthümliches Doppelsalz von
                              schwefelsaurem Kaliummagnesium und Chlormagnesium (K₂SO₄ .
                              MgSO₄ . MgCl₂ + 5 H₂O oder nach Rammelsberg MgSO₄ . KCl + 6 H₂O) ist und durch längeres
                              Lagern in feuchter Luft unter Verlust von 1 Mol. Chlormagnesium, welches als Lauge
                              abfließt, schwefelsaures Kaliummagnesium zurückläßt.Es ist dies die von Reichardt unter dem Namen
                                    Schönit als besonderes Mineral bestimmte, an feuchten Stößen des
                                    Anhaltischen Salzwerkes gefundene secundäre Bildung. Der Kainit kommt indeß in den Salzlagern nie in größeren Mengen rein vor,
                              ist vielmehr stets mit
                              Carnallit, Kochsalz und anderen Salzen derartig durchwaschen und zusammengelagert,
                              daß sein durchschnittlicher Gehalt an schwefelsaurem Kalium 22 bis 23 Proc. kaum
                              übersteigt. Ist aber schon bei dem seltenst vorkommenden reinen Kainit die
                              Zersetzung in feuchter Luft eine sehr langsame und nur an der Oberfläche
                              vorkommende, so liegt es auf der Hand, daß der rohe Kainit auf solche quasi spontane
                              Weise noch weniger zerlegt werden kann, da als Product ein Gemisch von
                              schwefelsaurem Kaliummagnesium mit den anderen Bestandtheilen des Rohkainits
                              verbleiben würde. Obgleich man daher nach der Auffindung des Kainits im J. 1864 wohl
                              erkannte, daß hierin ein Material für Darstellung von reinem schwefelsaurem
                              Kaliummagnesium gegeben sei, mußte man für dessen Gewinnung doch sofort complicirte
                              Lösungs- und Krystallisationsprocesse anwenden. Die absolute
                              Unzuverlässigkeit und Ungleichheit des Materiales, noch mehr die in den letzten
                              Jahren erfolgte bedeutende Preiserhöhung des auch für Darstellung von
                              Düngerpräparaten und Düngermischungen benützten Kainits haben indeß seine
                              ausgedehnte und lohnende Verarbeitung zu reinem schwefelsaurem Kaliummagnesium
                              (Picromerit) ganz unmöglich gemacht, und stellt man dasselbe deshalb auch durch
                              Zersetzung von Kieserit mit dem aus dem Carnallit gewonnenen Chlorkalium dar (2KCl +
                              2MgSO₄ + 5H₂O = K₂SO₄ . MgSO₄ + 5H₂O =
                              K₂SO₄ . MgSO₄ + 5H₂O + MgCl₂). Da sich nun die
                              Angaben französischer Chemiker, nach welchen sich aus dem schwefelsauren
                              Kaliummagnesium durch Zuschlag von Kalk und Kohle direct im Leblanc'schen Proceß
                              kohlensaures Kalium mit Vortheil gewinnen lassen sollte, bei angestellten Versuchen
                              als unrichtig ergaben, die anderen Verwendungsarten des schwefelsauren Kaliums für
                              Glas, chromsaures Kalium etc. aber ein möglichst magnesiumfreies Material erfordern,
                              so ging man einen Schritt weiter, indem man aus dem Kaliummagnesiumdoppelsalz reines
                              schwefelsaures Kalium darstellte. Als Grundlage hierfür diente:
                           a. Die Zerlegung des Doppelsalzes durch einfaches
                              Umkrystallisiren, wobei sich das schwer lösliche schwefelsaure Kalium etwa zur
                              Hälfte ausscheidet, während ein neues Doppelsalz von der ungefähren Zusammensetzung
                              K₂SO₄ . 2MgSO₄ in der Lösung bleibt.
                           b. Die Zerlegung des Doppelsalzes durch Hinzufügung von
                              4 Mol. resp. von 6 Mol. möglichst reinen Chlorkaliums, wobei sich aus
                              K₂SO₄ . 2MgSO₄ + 4KCl = 3K₂SO₄ + 2MgCl₂
                              oder vielmehr aus K₂SO₄ . 2MgSO₄ + 6KCl = 3K₂SO₄
                              + 2MgCl₂ + 2KCl bilden.
                           Das schwefelsaure Kalium scheidet sich auch hierbei als feinkörnige Masse ab, während
                              der gleichzeitig gebildete Carnallit in Lösung bleibt, aus welcher durch Verdampfung
                              und Krystallisation das Chlorkalium wieder gewonnen werden muß. Das für die Doppelzersetzung
                              anzuwendende Chlorkalium muß möglichst rein, namentlich frei von Natriumsalzen sein,
                              da diese sonst ebenfalls, mit in den Proceß eintretend, das erhaltene Product
                              verunreinigen. Eine andere ebenfalls versuchte Methode zur Darstellung von
                              schwefelsaurem Kalium beruht auf der Zersetzbarkeit von schwefelsaurem Natrium mit
                              Chlorkalium; da aber diese Zersetzung keine vollständige ist, vielmehr stets ein nur
                              für Glashütten brauchbares Doppelsalz von 3 K₂SO₄ +
                              Na₂SO₄ hierbei entsteht, so hat man dieses Verfahren vollständig
                              aufgegeben.Für die neuerlichen Angaben von Sonstadt (American Chemist, 1873 p. 218), daß man das Kaliumnatriumdoppelsalz durch erneuten Zusatz
                                    von Chlorkalium zerlegen könne, geben die hier gesammelten Erfahrungen
                                    keinen rechten Anhaltepunkt.
                              
                           Die Darstellung des schwefelsauren Kaliums hat die Zeit und Kraft der Techniker
                              vielfach in Anspruch genommen, es sind namentlich von den Firmen Vorster und Grüneberg sowie
                              Andrae und Grüneberg schon
                              vor Jahren ausgedehnte und kostspieligste Versuche darüber angestellt worden, welche
                              zwar sehr schöne Producte geliefert, aber zu keiner lohnenden und gleichmäßig
                              sicheren Fabrikation geführt haben. Neuerdings hatte die Firma Wünsche und Göring in Leopoldshall diese Fabrikation aufs Neue, aber auch
                              ohne günstigen Erfolg in Angriff genommen. – Nach der Ansicht des Verfassers
                              ist die Darstellung des schwefelsauren Kaliums unter Benützung des schwefelsauren
                              Magnesiums zwar chemisch ausführbar, wird aber, von dem für den Techniker allein
                              maßgebenden commerciellen Standpunkte betrachtet, in Staßfurt nie praktisch werden
                              können. Der Proceß erfordert zunächst ein sehr reines Chlorkalium, welches man in
                              einer Operation durch einfaches Uebergießen mit Schwefelsäure in dem gewöhnlichen
                              Sulfatofen ohne große Mühe und Substanzverlust in schwefelsaures Kalium convertiren
                              und dabei noch ein mehr oder minder werthvolles, aber doch stets brauchbares
                              Nebenproduct, die Salzsäure, erzielen kann. Auch das für Darstellung des
                              schwefelsauren Kaliums durch Doppelzersetzung erforderliche schwefelsaure Magnesium
                              muß erst durch complicirte Schlämmprocesse von den anderen Rückständen getrennt
                              werden.
                           Das Bestreben, mit Zuhilfenahme der sehr billigen Schwefelsäure der Kieserite ein
                              werthvolleres Kalisalz, als es das Chlorkalium ist, möglichst in einer Fabrikation
                              darzustellen, ist gewiß sehr erklärbar; wenn man indeß berücksichtigt, daß die
                              Schwefelsäure der Kieserite durch einen sehr einfachen, wenig Apparate erfordernden
                              Löse- und Ausfrierproceß für Darstellung von schwefelsaurem Natrium nutzbar
                              gemacht werden kann,
                              während die durch diese Art der Glaubersalzfabrikation im Gesammtgebiete der Technik
                              übrig gebliebene bezieh. frei gewordene Schwefelsäure in den gleichfalls zur
                              Benützung frei gewordenen Sulfatöfen mit demselben reinen Chlorkalium, welches zur
                              Darstellung von schwefelsaurem Kalium dient, in einfachster sicherster Weise zu
                              Kaliumsulfat vereinigt werden kann und hierbei nicht allein ein noch immerhin
                              werthvolles Nebenproduct, die Salzsäure, liefert, sondern auch die mit
                              Umkrystallisiren, Verdampfen etc. nothwendig verbundenen Substanzverluste erspart
                              werden, so liegt es auf der Hand, daß die Darstellung von schwefelsaurem Kalium auf
                              dem Wege der Doppelzersetzung mindestens so lange kaufmännisch undurchführbar sein
                              wird, bis der Kainit zu einem Preise von den Gruben abgegeben wird, welcher dem des
                              Carnallits gleich ist. Dagegen wird in Kalusz, wo das Kainitvorkommen ein sehr
                              mächtiges und reiches, und die Verwendung des Materiales für landwirthschaftliche
                              Zwecke eine unbedeutende ist, die Darstellung von schwefelsaurem Kalium mit Erfolg
                              durchführbar sein.
                           Der Verbrauch des schwefelsauren Kaliums in der Technik wird aber in demselben Maße
                              steigen wie seine Fabrikation, und wäre schon jetzt ein höherer, wenn nicht die
                              günstigen Sodaconjuncturen der letzten Jahre die Sodafabriken abgehalten hätten,
                              sich neuen Fabrikationszweigen zuzuwenden. Bei der Ausdehnung und Vermehrung, welche
                              die deutsche Soda-Industrie indeß neuerdings gefunden, wird sie sich dem ihr
                              ja am nächsten liegenden Rohstoffe für schwefelsaures Kalium und Potasche in um so
                              ausgiebigerem Maße zuwenden, als ihr durch erfolgte Reduction und erstrebte
                              Aufhebung der Sodazölle auf dem Gebiete der Natriumsalze eine steigende Concurrenz
                              von auswärts erwachsen muß. Die aus Staßfurter Chlorkalium bisher dargestellten
                              „deutschen Potaschen“ der chemischen Fabriken zu Altdamm
                              (Andrae und Grüneberg),
                              Pommerensdorf, Köpenick, Berlin (Kunheim und Comp.); Staßfurt, Schalke, Cöln und Barmen erfreuen sich
                              auf inländischen wie auswärtigen Märkten einer großen Beliebtheit und werden schon
                              wegen ihrer größeren Reinheit den russischen und amerikanischen Potaschen bei Weitem
                              vorgezogen. Als weiterer vortheilhafter Umstand für die vermehrte Production
                              künstlicher Potaschen muß aber noch hervorgehoben werden, daß mit dem Steigen der
                              Holzpreise die Potaschefabrikation aus Asche sich vermindert, wie denn z.B.
                              galizische, siebenbürgische und schwedische Potaschen schon jetzt kaum noch auf den
                              Markt kommenEs mag hier auch die Bemerkung am Orte sein, daß die Gewinnung von Kalisalzen
                                    aus den Melasseschlempen nach zwei Richtungen sich vermindert; zunächst hat
                                    man die Erfahrung gemacht, daß der Procentsatz an Kalisalzen in den
                                    Rückständen der Melassen (der Schlempekohle) sich bei
                                    fortgesetztem Rübenbau vermindert, während der Gehalt an Natronsalzen
                                    zunimmt, und sodann hat man im Interesse einer rationellen Düngung in den
                                    letzten Jahren an vielen Orten es auch kaufmännisch vortheilhafter gefunden,
                                    die Melassenschlempe in unveränderter, oder durch Eindampfen concentrirter
                                    Form den Feldern wieder zuzuführen und auf diese Weise auch deren Gehalt an
                                    Stickstoff und Phosphorsäure, welcher bei der Schlempekohlenbereitung ganz
                                    verloren geht, wieder zu nutzen. S. Frank:
                                    Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie des deutschen Reiches, 1874
                                    Bd. 24 S. 189..  Auf der
                              anderen Seite wird aber der Verbrauch der Potasche in der Technik, welcher bisher
                              mit Rücksicht auf die beschränkte Production möglichst eingeengt war, in Folge
                              Erschließung einer unlimitirten Fabrikation wesentlich steigen, und in vielen
                              Zweigen der Technik wird die Potasche wieder den Platz einnehmen, aus welchem sie
                              früher von der Soda als dem billigeren und stets in gleichmäßiger Qualität zu
                              erhaltenden Alkali verdrängt war; in anderen technischen Branchen, wie z.B. in der
                              Glasfabrikation, wird man die bedeutenden Vortheile, welche bei Zuhilfenahme des
                              Kalis als Sulfat oder Carbonat durch schnelleres Blankschmelzen, zumal an Farbe der
                              Masse etc. erwachsen, ebenfalls bald erkennen.
                           Wie schon bemerkt, existirt in Staßfurt bisher nur eine Potaschefabrik (Staßfurter Chemische Fabrik, vormals Vorster und Grüneberg,
                              Actiengesellschaft), welche Potasche aus im Sulfatofen mittels Schwefelsäure
                              dargestellten Kaliumsulfat herstellt; die meisten anderen Potaschefabriken sind mit
                              älteren Sodafabriken combinirt, welche für Bezug von Steinkohle, Schwefelkies etc.
                              eine günstigere Lage haben, als die auch wegen ihrer hohen Feldcultur für die
                              unvermeidlichen Salzsäureemanationen besonders ungeeignete Umgebung von
                              Staßfurt-Leopoldshall.
                           Das Quantum Potasche, welches aus Staßfurter Chlorkalium nach dem Leblanc'schen
                              Verfahren dargestellt wird, dürfte 150000 bis 200000 Ctr. betragen, läßt sich also
                              noch wesentlich erhöhen. Die für Sodagewinnung vorgeschlagenen neuen Methoden von
                              Schlösing-Solvay, und von Grousilliers sind, soweit dem Verfasser bekannt, für
                              Potaschedarstellung noch nicht angewendet, bezieh. wegen der leichteren Löslichkeit
                              des Kaliumbicarbonats nicht anwendbar.In dieser Abhandlung ist zu lesen:S. 390 Z. 4 v. u. „1873 „ 9047000 „
                                    „ 32 „verarbeitet.“
                                    S. 394 Z. 13 v. o. „ca. 0,12 M.“ statt
                                    „ca. 1,12 M.“
                                    S. 399 Z. 22 v. o. „95 bis 98 Proc.“
                                    statt „95 bis 96 Proc.“
                                    D. Red.
                              
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)