| Titel: | Ueber Hänlein's lenkbares Luftschiff; von Dr. Nippoldt. | 
| Fundstelle: | Band 217, Jahrgang 1875, S. 508 | 
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                        Ueber Hänlein's lenkbares Luftschiff; von Dr. Nippoldt.
                        Nippoldt, über Hänlein's lenkbares Luftschiff.
                        
                     
                        
                           Am 2. Februar 1872 führte Dupuy de
                                 Lôme mit einem von ihm construirten Luftschiff mit Schraube von
                              Paris aus eine ziemlich befriedigende Fahrt aus (vergl. 1871 202 321. 1872 203 439). Die Schraube wurde bei
                              diesem Luftschiff durch Arbeiter bewegt; man konnte daher nur eine relative
                              Geschwindigkeit von 2,2 bis höchstens 2m,8
                              erreichen; doch halte damals Dupuy de Lôme schon
                              ausgesprochen, daß diese Geschwindigkeit auf etwa 6m gebracht werden könne, wenn man statt des
                              Gewichtes der acht Arbeiter eine achtpferdige Maschine in die Gondel aufnähme. Die
                              Schwierigkeit lag in der Feuergefährlichkeit einer solchen Maschine. Als ein
                              wichtiger Fortschritt ist es nun zu bezeichnen, daß Ingenieur Hänlein aus Mainz ein durch eine Gasmaschine getriebenes Luftschiff nicht
                              nur projectirt, sondern vielmehr ausgeführt hat, dessen relative Geschwindigkeit zu
                              etwa ⁵m constatirt wurde, und daß er zugleich
                              überzeugend nachgewiesen hat, wie durch eine Vergrößerung und Verbesserung des
                              Ballons auch eine Vergrößerung dieser Geschwindigkeit erreicht werden könne.
                           Man denke sich einen Schraubendampfer über der Wasserlinie
                              abgeschnitten, so daß er sich nur in einem Element bewegt, daß er seinen Widerstand
                              im Wasser findet, der Angriffspunkt für seinen Treibapparat in demselben liegt und
                              dort auch sein Steuerruder wirkt, so ist dieser Fall ganz analog mit der Bewegung
                              eines lenkbaren Ballons in der Luft. Allerdings findet der Treibapparat des Ballons
                              in der Luft einen viel
                              geringeren Widerstand als im Wasser; aber in ganz demselben Verhältnisse ist auch
                              der Widerstand, welchen ein in der Luft bewegter Körper findet, geringer, als wenn
                              er sich im Wasser bewegt.
                           Der Stoß im unbegrenzten Wasser oder unbegrenzter Luft berechnet
                              sich nach der Formel:
                           P = ς . v²/2g . F . γ,
                           
                              
                                 worin
                                 ς ein von der Form
                                    des Körpers abhängiger Coëfficient,
                                 
                              
                                 
                                 v die Geschwindigkeit des
                                    Köpers,
                                 
                              
                                 
                                 F sein größter
                                    Querschnitt,
                                 
                              
                                 
                                 γ die Dichtigkeit
                                    des Mediums,
                                 
                              
                                 
                                 g die Schwere der Erde
                                    bedeutet.
                                 
                              
                           Aus dieser Formel ist ersichtlich, daß der Stoß für congruente
                              Körper, bei gleicher Geschwindigkeit, einzig und allein von der Dichtigkeit des
                              Mediums, in welches sie eingetaucht sind, abhängt; die Dichte der Luft ist 1/800 von
                              der des Wassers, und in diesem Verhältniß steht der Widerstand eines in Luft
                              bewegten Schiffes gegen den eines im Wasser bewegten. Ebenso wird aber auch der
                              Druck der Schraube gegen die Luft nur 1/800 von dem Druck derselben gegen das Wasser
                              betragen, und da Widerstand des bewegten Körpers und Druck der Schraube in gleichem
                              Maß in Luft kleiner sind als im Wasser, so ist das Endresultat, die Geschwindigkeit,
                              dieselbe.
                           Ohne die Coëfficienten, welche diese Relationen modificiren
                              (der Einfachheit der theoretischen Betrachtung halber) hier zu berücksichtigen, kann
                              man sagen: Die Kraft zur Fortbewegung eines Körpers in Luft ist 1/800 von der Kraft,
                              die aufgewendet werden muß, um einen congruenten Körper mit derselben
                              Geschwindigkeit im Wasser zu bewegen.
                           Eine ähnliche Relation besteht auch zwischen der Tragkraft des
                              Ballons und der eines Schiffes; ein Schiff, dessen Volum unter der Wasserlinie z.B.
                              1000cbm beträgt, hat eine Tragkraft von
                              1000000k, während ein Ballon von
                              derselben Größe, mit Wasserstoff gefüllt, nur 1210k, also 1/800 des Schiffes, trägt. Der
                              Ballonmotor beansprucht also auch an Gewicht ungefähr denselben Procentsatz von der
                              Tragkraft des Ballons als die Schiffsmaschine von der Tragkraft des Schiffes. Wird
                              ein Schraubendampfer mit einem Ballon congruent ausgeführt, so beansprucht der
                              letztere nur 1/800 von der Kraft der Schiffsmaschine, um eine dem Schiff gleiche
                              Geschwindigkeit zu erlangen. Hierbei ist vorausgesetzt, daß der Nutzeffect der
                              Luftschraube gleich dem einer Wasserschraube ist. Die Beschaffenheit der Wände eines
                              Ballons läßt sich zwar nicht so eben und glatt herstellen als die der Schiffswände;
                              doch sind die kleinen Ausbauchungen des Ballons, durch die Maschen des Netzes
                              hervorgerufen, nur fühlbar auf der oberen Fläche desselben. Immerhin erhöhen sie den
                              Widerstand gegen die Fortbewegung, so daß derselbe nicht 1/800, sondern etwa 1/300
                              bis 1/400 von dem eines Schiffes in Wasser beträgt.
                           Bislang hat es an einem Motor gefehlt, bei Anwendung dessen zur
                              Bewegung einer Maschine das Gewicht der nothwendigen Vorrichtungen in demselben
                              Verhältniß zur Tragfähigkeit des Ballons steht, als beispielsweise das Gewicht der
                              Dampfkessel nebst Inhalt und Feuerungsmaterial zur Tragfähigkeit eines
                              Dampfschiffes. Hänlein hat zuerst sich für die
                              Combination Luftschraube und Gasmaschine zur Locomotion von Luftschiffen, und zwar
                              bereits im J. 1865, ein Patent erworben, sowie in dieses Patent eingeschlossen, die
                              Anwendung eines kleineren, mit Luft gefüllten Ballons, welcher im Inneren des
                              eigentlichen Ballons den Zweck hat, die äußere Form und das Volum des letzteren constant zu erhalten.
                              Gelangt nämlich das Luftschiff in höhere Luftschichten, so dehnt sich das Gas aus
                              und treibt ein entsprechendes Quantum Luft aus dem inneren Ballon. Findet dagegen
                              Gasverbrauch zur Unterhaltung der Gasmaschine statt, so wird durch eine kleine
                              Luftpumpe der innere Ballon mehr mit Luft gefüllt.
                           Im J. 1870 fertigte Hänlein sein erstes
                              Modell an mit einer Ballonlänge von 11m,8.
                              Das Zustandekommen dieser Ausführung ist wesentlich der Bewilligung der nicht
                              unbedeutenden Gelder von Seiten einiger Frankfurter Bürger zu verdanken, die sich
                              auf Grund eines von dem Docenten des physikalischen Vereines, Dr. Nippoldt, erstatteten Gutachtens bereit
                              erklärten, der Wissenschaft dies Opfer zu bringen. Im darauf folgenden Jahre wurden
                              in Mainz die ersten Versuche mit dem fertigen Modell angestellt, und es ergab sich
                              aus denselben, daß das Princip nicht nur ein vollkommen gesundes ist, sondern daß
                              man schließen konnte, ein im großen Maßstab ausgeführtes Luftschiff würde eine
                              Geschwindigkeit durch eine entsprechende Gasmaschine erreichen können, welche
                              erlaubte, während des ganzen Jahres, mit Ausnahme weniger Stunden, die
                              Windgeschwindigkeit zu überwinden. Im J. 1872 fertigte Hänlein ein zweites größeres Luftschiff an, welches außer den nöthigen
                              Utensilien noch Tragfähigkeit für zwei Personen erlangen sollte.
                           Der Ballon, in Form eines Rotationskörpers ausgeführt, dessen
                              Längenschnitt der Wasserlinie der Schiffe ähnlich, hat eine Länge von 50m,4 bei einem Durchmesser von 9m,2. Die Ballonhülle besteht aus enge
                              geschlagenem Seidenstoff, innen und außen mit Kautschuk überzogen und zwar innen mit
                              einer stärkeren, außen mit einer schwächeren Schicht. Die gasdichte Verbindung der
                              einzelnen Seidenstreifen mit einander zur ganzen Form des Ballons ist durch
                              präparirte 3cm breite Streifen von
                              ähnlichem Stoff zu Wege gebracht. Der Ballon ist mit einem Netz umspannt, dessen
                              Maschen Quadrate von 10cm Seitenlänge
                              bilden. Von den seitlichen Endmaschen ist jede derselben mit einer 2m langen Schnur verknüpst. Je zwölf solcher
                              Schnüre sind zu einer Schlinge vereinigt, und es führt von jeder dieser Schlingen
                              ein stärkeres Seil zur Gondel. Die hinteren Schnüre gehen nicht direct zur Gondel,
                              sondern vereinigen sich an einem starken Querbalken von 4m,8 Länge, um den für die Schraube nöthigen
                              Spielraum zu bilden. Sämmtliche Schnüre, von der Gondel zum Netze gehend, treffen
                              den Ballon tangential. Den horizontalen Zug, welchen die vorderen und hinteren
                              Schnüre auf die Gondel ausüben, aufzuheben, werden diese unter der Gondel herlaufend
                              durch andere Schnüre diagonal mit einander verbunden. Die ganze Gondel ruht demnach
                              gewissermaßen in einem Schnürwerk, ist ferner an einer großen Zahl einzelner Punkte
                              aufgehängt, wodurch das ganze System nur in einem sehr geringen Grade auf relative
                              Festigkeit beansprucht wird. Zwischen Gondel und Ballon, 5m unter der Ballonachse, ist ein Rahmen
                              angebracht, und zwar hat der Grundriß desselben eine solche Form, daß die Schnüre,
                              welche die Gondel mit dem Ballon verbinden, den Rahmen tangiren und so an ihm
                              befestigt werden konnten. Dieser Rahmen trägt die Pfosten und Streben für das
                              Steuerruder, Querverbindungen für die Transmission des Steuers und dient vier
                              Streben, welche mit ihren unteren Enden an der Gondel befestigt sind, als
                              Stützpunkt. Zwei Stoßbuffer, unter der Gondel angebracht, schützen die Schraube bei
                              dem Aufstoßen des Luftschiffes auf den Erdboden.
                           Sämmtliche Pfosten etc. sind aus weichem leichtem Holze nach Art
                              der Fischbauchträger construirt; sie bestehen aus vier Langstäben, die von 0,3 zu
                              0m,3 durch Querverbindungen (Kreuze oder
                              Ringe) zusammengehalten sind. Außer den gewöhnlichen Gas-Ein- und
                              Auslaßventilen ist der Ballon noch mit zwei Sicherheitsventilen versehen, die bei
                              5mm Wasserdruck sich öffnen; ein
                              solcher Ueberdruck ist hinreichend, um den Ballon vollkommen straff und ausgefüllt
                              zu erhalten. Im Inneren des Ballons ist der schon erwähnte kleinere mit Luft
                              gefüllte.
                           Die Gasmaschine besteht aus zwei Paar einander gegenüber liegenden
                              horizontalen Cylindern, die auf eine gemeinschaftliche Kurbelachse mit vier Kurbeln
                              einwirken; je zwei derselben stehen einander gegenüber und bilden mit den zwei
                              anderen rechte Winkel. Durch diese Anordnung vermeidet man das Schwanken, welches
                              sonst durch die hin- und hergehenden Massen entstehen würde, und reducirt das
                              Schwungrad auf ein Minimum. An dem hinteren Ende der Kurbelachse ist die Schraube
                              angebracht. Die Explosionen werden durch den elektrischen Funken eines
                              Inductionsapparates bewirkt. Die Maschine ist nach dem System Lenoir construirt, nur sind die Details, um sie leicht zu halten, hohl
                              ausgearbeitet. Sie hat 3e,6 und macht 90
                              Umdrehungen in der Minute.
                           Die Cylinderdurchmesser betragen 16cm, der Hub 24cm. Der Durchmesser der Schraube ist 4m,6, der Steigung 6m. Sie ist aus vier Flügeln
                              zusammengesetzt, deren Form der Griffith'schen Schraube nachgebildet ist. Die
                              Cylinderwände und Deckel sind von Kühlwasser umgeben, weil sie sich sonst zu sehr
                              erhitzen würden; da aber hier nur wenig Wasser zu Gebote steht, so wird dasselbe von
                              den Cylindern aus in sogen. Kühlern an der Gondel entlang geführt. In diesen Kühlern
                              wird das warme Wasser mit der durchstreichenden Luft in Berührung gebracht; es
                              verdunstet davon ein aliquoter Theil, als durch den Gasverbrauch Steigkraft verloren
                              geht. Das abgekühlte Wasser wird durch zwei von der Maschine getriebene Pumpen zu
                              den Cylindern zurückgebracht. Die Abkühlungsfläche beträgt 44qm und wirkt so energisch, daß ein
                              Wasserquantum von 75k ausreichenden Vorrath
                              liefert. Die Maschine entnimmt das zum Betriebe erforderliche Gas direct aus dem
                              großen Ballon; in dem Maße, wie das Gas consumirt wird, muß der innere kleine Ballon
                              mit Luft aufgeblasen werden.
                           Der cubische Inhalt des Ballons (durch Gasometer gemessen) beträgt
                              2408cbm; daraus ergibt sich die
                           
                              
                                 Tragkraft,
                                 wenn
                                 gefüllt
                                 mit
                                 Gas
                                 von
                                 0,50
                                 spec.
                                 Gew.
                                 zu
                                  1564k
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 0,45
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1720
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 0,40
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1878
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Wasserstoffgas
                                 
                                 
                                 „
                                 2914
                                 
                              
                           Die Gewichte sind:
                           
                              
                                 Gasmaschine
                                   233k
                                 
                              
                                 Schraube
                                   79
                                 
                              
                                 Gesammtrahmenwerk, Querträger,
                                    Steuerruder, Stoßbuffer etc.
                                 249
                                 
                              
                                 Kühler
                                 110
                                 
                              
                                 Gondel
                                 124
                                 
                              
                                 Ballonhülle
                                 350
                                 
                              
                                 Netz mit Schnüren
                                 146
                                 
                              
                                 Batterie mit Inductor
                                   40
                                 
                              
                                 Wasser
                                   75
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 Total
                                 1406k
                                 
                              
                           
                           Bei dem specifischen Gewicht eines Gases von 0,45 würden also noch
                              314k für zwei Personen nebst deren
                              Ausrüstung übrig bleiben.
                           In Brünn wurden Experimente mit dem Apparate angestellt; doch war
                              das dort zur Zeit entwickelte Leuchtgas so schwer, daß die Gondel erleichtert werden
                              mußte, bis sie zwei Menschen tragen konnte. Es wurde eine Hütte hergestellt, in
                              welcher der Ballon, vollständig aufgeblasen, montirt werden konnte. Eine förmliche
                              Luftfahrt war nicht ausführbar, da wegen des schweren Gases die Tragkraft für die
                              nöthige Ausrüstung fehlte; es wurde daher der Ballon an Stricken gehalten und durch
                              die Wirkung der Maschine bewegt, so weit der freie Raum (600m) es gestattete. Dabei zeigte sich jedoch
                              die Maschine vollkommen befriedigend; das Fahrzeug bewegte sich mit dem Winde und
                              gegen den Wind, konnte mittels des Steuers im Kreise bewegt werden und erwies sich
                              als völlig lenksam. Bei der Bewegung gegen den Wind wurde die relative
                              Geschwindigkeit des Schiffes zu 5m
                              geschätzt. Die Maschine verbrauchte stündlich 6,5 bis 7cbm Gas und 10 bis 12k Kühlwasser.
                           Hieraus ist ersichtlich, daß, wenn man alle Theile noch leichter
                              ausführt und leichteres Gas, etwa Wasserstoff, zur Füllung benützt und das
                              Luftschiff in noch größeren Dimensionen ausführt, leicht eine Geschwindigkeit von 7
                              bis 8m erreicht werden wird. (Aus
                              Privatmittheilungen des Erfinders durch den Jahresbericht des physikalischen Vereins zu
                                    Frankfurt 1875.)