| Titel: | Mechanismen zur gefahrlosen Drehung des Dampfmaschinen-Schwungrades von Hermann Fischer, Civilingenieur in Hannover. | 
| Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 202 | 
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                        Mechanismen zur gefahrlosen
                           								Drehung des Dampfmaschinen-Schwungrades von Hermann
                              								Fischer, Civilingenieur in Hannover.
                        Mit Abbildungen im Text und
                           								auf Taf. IV [a/1].
                        Fischer, über gefahrlose Drehung des
                           								Dampfmaschinen-Schwungrades.
                        
                     
                        
                           In der fünfzehnten Hauptversammlung des Vereins deutscher
                              									Ingenieure, welche im September 1874 in Hannover stattfandZeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1874 S.
                                       									677. wurde seitens des westphälischen
                              									Bezirksvereins beantragt, folgende Principien bezüglich der
                              									obligatorischen Anwendung von Schutzmitteln an Motoren und
                              									Arbeitsmaschinen zu allgemeiner Annahme zu empfehlen:
                           „1) Jede Werkzeugmaschine und soweit möglich auch jeder
                              									Motor ist an allen denjenigen Stellen, welche in irgend einer
                              									Weise die Beschädigung eines Arbeiters herbeizuführen vermögen,
                              									mit den geeigneten Sicherheitsvorrichtungen zu versehen. Diese
                              									Vorrichtungen sind von der betreffenden Fabrik als integrirende
                              									Theile der Maschine zu behandeln und demnach dem Besteller
                              									mitzuliefern, gleich wie alle andern Theile, ohne welche die
                              									Maschine ihren Zweck nicht erreichen würde.
                           
                           Zu den Sicherheitsvorrichtungen sind auch diejenigen
                              									Einrichtungen zu rechnen, welche ein möglichst rasches
                              									Stillsetzen der Maschine gestatten.
                           2) Schon bei Anordnung der Maschine soll die Rücksicht auf die
                              									Sicherheit der Arbeiter wie irgend ein anderes
                              									Constructionsprincip nach Möglichkeit befolgt werden, damit
                              									nicht (wie jetzt notorisch oft der Fall) die rücksichtslos
                              									gewählte gegenseitige Lage der gefährlichen Bewegungstheile das
                              									Unheil selbst heraufbeschwört.
                           3) Auch beim Unterrichte im Entwerfen von Maschinen ist Rücksicht
                              									auf die angeführten Forderungen zum Princip zu erheben, wie wenn
                              									es ein Constructionsprincip wäre, damit schon den Studirenden
                              									durch ihre Uebungen die Nothwendigkeit der
                              									Sicherheitsvorrichtungen so in Fleisch und Blut übergehe, wie
                              									die Kenntniß irgend welcher andern Gesetze.“
                           Die Tendenz dieser Principien fand ungetheilten Beifall; es
                              									fanden nur Meinungsverschiedenheiten statt hinsichtlich der
                              									Formen, in welchen die Durchführung derselben am zweckmäßigsten
                              									zu erzielen sei. Nur aus diesem Grunde wurde beliebt, einen
                              									andern, allerdings weiter gehenden Antrag derselben Richtung
                              									anzunehmen. Immerhin ist nicht zu verkennen, daß die genannten
                              									„Thesen“ des westphälischen Bezirksvereins
                              									wohlthätig gewirkt haben, auch unabhängig von dem damals zur
                              									Annahme gelangten Antrage. Es ist in den letzten Jahren von
                              									vielen Constructeuren mehr Rücksicht auf die Sicherheit der
                              									Arbeiter gegen Beschädigungen durch Maschinen genommen, als
                              									dieses früher der Fall war. Ich erwähne der größern Beachtung
                              									der Umdrehungsrichtung von in einander greifenden Zahnrädern,
                              									der Lage von Schmiervorrichtungen, der Anwendung gefahrloser
                              									Riemenaufleger, der häufigern Anwendung von Verkleidungen oder
                              									Schutzgittern bei Räder- und Riemenbetrieben.
                           Zu den gefährlichen Beschäftigungen ist zu rechnen, die Drehung
                              									des Schwungrades von Dampfmaschinen behufs deren
                              									Inbetriebsetzung. Je größere Anwendung eine ausgedehnte
                              									Expansion des Dampfes gefunden, um so schwieriger ist es dem
                              									Maschinisten geworden, die Dampfmaschine bei derjenigen
                              									Kurbelstellung zum Stillstand zu bringen, welche eine
                              									Inbetriebsetzung der Maschine ohne weitere Nachhilfe gestattet.
                              									Es ist häufiger nöthig geworden, das Schwungrad mit der Hand zu
                              									drehen, um die nöthige Kurbelstellung zu erzielen.
                           Da hierzu nicht selten ein größerer Kraftaufwand gehört, als die
                              									momentan herbei zu rufenden Arbeiter ohne gar zu große
                              									Anstrengung hervor zu bringen vermögen, so ist der Maschinist
                              									häufig leichtsinnig genug, durch mäßiges Oeffnen des
                              									Dampfzutrittsventils zu helfen. Auf ein ertönendes
                              									„los“ haben sich die Leute schleunigst zu
                              									entfernen, wollen sie nicht von der nun in Bewegung gekommenen
                              									Maschine zu Boden geschleudert  oder gar unter
                              									dem Treibriemen oder zwischen dem Räderwerk zerquetscht werden.
                              									Wie mancher Krüppel ist auf diesem Wege entstanden, wie manchem
                              									gesunden Menschen das Leben genommen!
                           Bei größern Maschinen findet man, namentlich in neuerer Zeit,
                              									sehr häufig mehr oder weniger zweckmäßige Mechanismen, mit deren
                              									Hilfe der Maschinist allein im Stande ist, die erforderliche
                              									Drehung hervor zu bringen; bei mittelgroßen Maschinen ist dies
                              									leider selten der Fall.
                           In Folgendem will ich zwei Mechanismen beschreiben, welche die
                              									mehr erwähnte Arbeit durch den Maschinisten allein in
                              									gefahrloser Weise ermöglichen, und die auch nachträglich an
                              									solchen Maschinen angebracht werden können, welche bisher ohne
                              									eine derartige Einrichtung waren.
                           Die Construction Figur 1
                              									und 2 dreht
                              									das Schwungrad ruckweise. A ist das Schwungrad der Dampfmaschine;
                              									es wird umfaßt von dem aus Flacheisen gebildeten Rahmen B, welcher mit zwei Klemmklinken a, a ausgerüstet ist. Wird der Rahmen
                              									B in der Pfeilrichtung I (Fig. 2)
                              									gegen das Schwungrad A bewegt, so
                              									drücken die beiden Klinken a, a
                              									gegen die Seitenflächen des Schwungrades und zwar um so mehr, je
                              									mehr Widerstand sie finden. Ist die in der Pfeilrichtung I wirkende Kraft genügend, so wird das
                              									Schwungrad in derselben Richtung gedreht werden.
                           Bewegt man dagegen den Rahmen B in
                              									der Pfeilrichtung II, so werden die
                              									Klinken a, a an den Seitenflächen
                              									des Schwungrades gleiten, und zwar mit geringer Reibung, indem
                              									jede größere Reibung ein Aufheben, also ein Lösen der Klinken
                              									zur Folge haben wird.
                           Es ist daher nur eine oscillirende Bewegung des Rahmens B erforderlich, um die Drehung des
                              									Schwungrades zu bewirken. Diese schwingende Bewegung wird
                              									hervorgebracht durch die beiden, mit B festverbundenen Zapfen b, b,
                              									die beiden Schubstangen c, c, die
                              									Excenter d, welche auf der Welle e befestigt sind, und den gleichfalls
                              									auf e festen Handhebel f. Die Welle e dreht sich in Lagern g,
                              									welche auf dem gemeinschaftlichen Fundamentbalken D festgeschraubt sind. Dieser wird auf
                              									dem Fußboden des Maschinenraumes oder in einer andern passenden
                              									Lage befestigt. Durch Hin- und Herbewegen des Handhebels f wird in leicht zu überblickender Weise
                              									der Rahmen B in die gewünschte
                              									Oscillation versetzt und somit die Drehung des Schwungrades
                              									hervorgebracht. Die Welle e kann
                              									eine solche Lage und Länge erhalten, daß der Maschinist von
                              									seinem Stande am Dampfventil aus die ganze Manipulation
                              									vornehmen kann.
                           Wird zur Unterstützung des Vorganges von vornherein der Eintritt
                              									des Dampfes in den Cylinder gestattet, so kann, bei der größten
                              									
                              									Unachtsamkeit des Maschinisten kein Unfall eintreten, indem die
                              									Klinken sich sofort lösen, sobald das Schwungrad die Tendenz
                              									zeigt, sich in der ihm zukommenden Richtung selbstständig zu
                              									drehen.
                           Während des Betriebes der Maschine wird der Rahmen B mit Zubehör zurückgeklappt, indem man
                              									ihn in der punktirt angedeuteten Lage E, oder einer schrägern, gegen irgend eine Stütze
                              									lehnt.
                           Der Mechanismus ist billig herzustellen und leicht anzubringen;
                              									derselbe erfordert durchaus kein abgedrehtes Schwungrad, sondern
                              									wirkt, da die Klinken in jedem Falle sich ihre passende Lage
                              									suchen, auch an einem nicht abgedrehten Schwungrade, wenn dieses
                              									nicht gar zu große Unebenheiten und Verschiedenheiten der
                              									Kranzdicke zeigt.
                           Die absetzende Bewegungsform kann zu Unträglichkeiten führen,
                              									wenn mit dem Schwungrade eine ausgedehnte Transmission gedreht
                              									werden muß. In diesem Falle ist eine gleichförmige Drehung vorzuziehen. Die Figuren 3
                              									und 4 und
                              									nachstehender Holzschnitt zeigen einen Mechanismus, welcher in
                              									dieser Richtung dem soeben behandelten vorzuziehen ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 205
                              
                           Zu beiden Seiten des Schwungradkranzes A befinden sich Frictionsrollen B, mit deren Achsen die Schneckenräder C fest verbunden sind, die durch
                              									Schnecken D in entgegengesetzter
                              									Richtung gedreht werden. Um die erforderliche Kraft P am Umfange des Schwungradkranzes
                              									hervor zu bringen, müssen die Frictionsrollen B mit einem Drucke N gegen das Schwungrad gedrückt werden,
                              									welcher sich berechnet zu:
                           f N ≥ ½ P,
                           Wenn f den betreffenden
                              									Reibungscoefficienten bezeichnet, oder
                           1) N ≧ P/2f.
                           Da die Schneckenräder C denselben
                              									Halbmesser haben wie die Frictionsräder,  nämlich R, so muß am Umfange der Räder C durch die Schnecken D dieselbe Tangentialkraft ½ P hervorgebracht werden, welche am
                              									Umfange von B verlangt wird. Die
                              									hintern Lager H der Achsen von C und B
                              									lassen zwar eine pendelartige Drehung derselben zu, entfernen
                              									sich aber nicht von einander. Sie gewähren also in dieser
                              									Hinsicht jeder Achse einen festen Stützpunkt. Wenn daher in der
                              									im Holzschnitt angegebenen Weise die Schnecken D auf die Räder C einen Druck ½ P
                              									ausüben, so wird jener geforderte Druck N ohne Weiteres hervorgebracht, sobald
                           ½ P(L + l)
                              									= Nl
                              									oder L
                              									+ l/l = N/½P′
                           wofür wir, nach Einführung des Werthes von
                              									N aus
                              									Formel 1 erhalten:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 206
                              
                           oder
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 206
                              
                           Wenn daher das richtige Verhältniß von L + l/l gewählt
                              									worden ist, so ist die zum Drehen des Schwungrades erforderliche
                              									Kraft ohne Einfluß auf das genügende Angreifen der
                              									Frictionsrollen B. Wir haben es also auch hier mit Klemmklinken
                                 									zu thun, welche sich lediglich durch die andere Form von den
                                 									bisher bekannten unterscheiden.
                           Was die constructive Anordnung des Apparates (Fig. 3 und
                              									4) betrifft, so sind in einem kräftigen eisernen Gestell
                              									F, welches je nach Umständen
                              									verschieden montirt sein kann (hier ist es auf einen Mauerklotz
                              									K gesetzt gedacht), einerseits die
                              									um ihre verticale Achse drehbaren Lager H angebracht und anderseits die Schneckenwelle D gelagert. Die Achsen J der Frictionsrollen B und Schneckenräder C sind so in H gelagert, daß sie nicht herausgezogen werden können.
                              									Eine fernere Lagerung von J findet
                              									nur insofern statt, als die Schneckenräder C auf den Schnecken D ruhen Die Kurbel E dient zum Drehen der Schnecken.
                           Sobald das Schwungrad A gedreht
                              									werden soll, bewegt der Maschinist die Kurbel E in bestimmter Drehrichtung, wodurch
                              									zunächst die Frictionsrollen dem Schwungradkranze genähert
                              									werden. Während des Betriebes der Maschine befanden sich die
                              									Achsen J nämlich nicht in der Lage
                              									a b H, sondern in der Lage a1 b1 H (im Holzschnitt rechts), um eine
                              									schädliche Reibung zwischen Schwungrad und Frictionsrollen zu
                              									vermeiden.
                           
                           Sobald die Rollen B mit dem
                              									Schwungrad A in Berührung kommen,
                              									werden sie die oben bezeichnete Wirkung ausüben. Sollte eine der
                              									Rollen hiermit früher beginnen wollen als die andere, weil sie
                              									— während des Betriebes der Maschine — weniger
                              									weit von dem Schwungrad entfernt war als jene, so kann der
                              									Maschinist mit Leichtigkeit, durch Einwärtsrollen des
                              									betreffenden Schneckenrades die gewünschte Gleichförmigkeit
                              									herstellen. Geschieht dieses nicht, so besorgt es der
                              									Mechanismus selber, indem die zurückgebliebene Achse J so lange nach der Mitte zu geschoben
                              									wird, bis ihre Frictionsrolle mit dem Schwungrad in Berührung
                              									kommt. Geringe Unebenheiten des Schwungrades stören offenbar
                              									auch diesen Mechanismus nicht; sollte indessen das Schwungrad
                              									erheblich schwanken, so würde dem Gestell F zweckmäßiger Weise eine Verschiebung parallel der
                              									Dampfmaschinenkurbelwelle zu gestatten sein, um die einseitigen
                              									Drucke gegen den Schwungradkranz zu vermeiden.
                           Sobald das Schwungrad beginnt, sich selbstthätig zu drehen, so
                              									wird es auch die mit ihm in Berührung stehenden Frictionsrollen
                              									in Bewegung setzen. Da dieselben aber mit den Schneckenrädern
                              									fest verbunden sind, so rollen diese in Folge der Drehung nach
                              									außen, bewirken also eine Entfernung der Frictionsrollen von dem
                              									Schwungradkranze, d. h. die Achsen J
                              									werden aus der Lage a b H in die
                              									Lage a1 b1 H (Holzschnitt rechts)
                              									gebracht. Selbst wenn etwa in Folge starken Schwankens des
                              									Schwungrades dasselbe noch einmal mit einer der Rollen in
                              									Berührung kommen sollte, so wird auch nachträglich die Rolle um
                              									das nöthige Maß zur Seite geschoben. Eine Beihilfe des
                              									Maschinisten bedarf es hierbei nicht.
                           Die beschriebenen Mechanismen sind in Verbindung mit gewöhnlichen
                              									Schwungrädern gezeichnet. Sie sind offenbar ebenso gut an
                              									Schwungrädern zu verwenden, die gleichzeitig als Riemenscheibe
                              									dienen; ihre Weite ist nur entsprechend zu vergrößern.
                           Bei verzahnten Schwungrädern sind bei der ersten Construction die
                              									Querstücke so zu verbreitern bezieh, zu formen, daß dieselben
                              									nicht in die Zahnlücken gerathen können, bei beiden
                              									Constructionen die betreffenden Klemmklinken resp.
                              									Frictionsrollen um die Zahnlänge nach dem Schwungradmittelpunkte
                              									zu zu verlegen.
                           Was den Vergleich der beiden hier beschriebenen Constructionen
                              									mit den bisher gebräuchlichen betrifft, so ist zunächst die
                              									roheste Manier, mittels einer Brechstange (die entweder unter
                              									einen Schwungradarm gedrückt, ihren andern Stützpunkt in
                              									verschiedenen auf einander folgenden festen Löchern findet, oder
                              									auf ein festes Auflager gestützt, mit ihrem kürzern
                              									überstehenden  Ende in Löcher faßt, welche im
                              									Schwungradkranz angebracht sind) die Bewegung hervor zu bringen,
                              									von jeder Concurrenz auszuschließen.
                           Man hat den Schwungradkranz mit Zähnen versehen, gegen welche
                              									eine gewöhnliche Klinke wirkt. Offenbar ist dadurch dasselbe
                              									erreicht, wie mit dem hier beschriebenen Mechanismus Nr. 1.
                              									Unter Umständen dürfte aber die letztere Einrichtung der erstern
                              									vorzuziehen sein; an vorhandenen Maschinen ist diese ältere
                              									Einrichtung jedenfalls nicht zu verwenden.
                           Eine dritte Methode besteht darin, daß man mit dem verzahnten
                              									Schwungrad ein kleines Trieb in Eingriff bringt, welches auf
                              									irgend eine Weise in Umdrehung gesetzt wird. Man kann dieses so
                              									einrichten, daß eine Selbstauslösung stattfindet, sobald das
                              									Schwungrad durch den zur Wirkung kommenden Dampf allein bewegt
                              									wird. Wenn dann zur gleichen Zeit das Trieb gleichförmig gedreht
                              									wird, so ist es der von mir angegebenen Construction Nr. 2
                              									ähnlich und gleichwerthig; wird es dagegen durch einen der
                              									Bohrknarre ähnlichen Mechanismus in Bewegung gefetzt, so ist die
                              									Anordnung weniger gut als meine Construction Nr. 2. Immer läßt
                              									sich die hier angegebene ältere Methode nur bei Maschinen mit
                              									verzahntem Schwungrade anwenden.
                           
                        
                     
                  
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