| Titel: | Radiometer-Versuche von Adolf A. Weinhold. | 
| Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 318 | 
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                        Radiometer-Versuche von
                           								Adolf A.
                              								Weinhold.
                        Mit Abbildungen auf Taf. V [b/1].
                        Weinhold's Radiometer-Versuche.
                        
                     
                        
                           Die überraschenden Erscheinungen, welche Crookes (1875 216 188. 218 * 495) bei der Einwirkung der Wärme-
                              									und Lichtstrahlen auf leichtbewegliche Körper im luftverdünnten
                              									und im möglichst luftleeren Raume beobachtet hat, sind
                              									augenblicklich Gegenstand lebhafter Discussion, und Verfasser
                              									glaubt deshalb ein paar Versuche mittheilen zu sollen, welche er
                              									in der Angelegenheit angestellt hat. Er ist weit entfernt, in
                              									dem entbrannten Streite eine definitive Stellung nehmen zu
                              									wollen, hat aber versucht, die gegebenen Erklärungen durch
                              									Zurückführung auf mittelbare Wirkung der Wärme, durch Strömung
                              									gasförmiger Körper oder durch den Rückstoß expandirender Gase
                              									oder verdampfenden Wassers auf ihre Stichhaltigkeit zu
                              									prüfen.
                           Einige vor fast Jahresfrist vorgenommene Wiederholungen
                              									Crookes'scher Versuche mit drehwagenartig construirten Apparaten
                              									bestätigten allenthalben die Crookes'schen Resultate und gaben
                              									mit prismatisch isolirtem, violettem Lichte eine so deutliche,
                              									mit Wärmestrahlen eine so gewaltsame Wirkung, daß die versuchten
                              									Erklärungen durch bisher bekannte Agentien als höchst
                              									unwahrscheinlich erscheinen mußten, wie schwer man sich auch zum
                              									Glauben an eine directe mechanische Wirkung  der Strahlen
                              									oder an die Dazwischenkunft eines noch unbekannten Agens
                              									entschließen mag.
                           Neuester Zeit hat Verf. ein radförmiges „Radiometer
                                 									nach Crookes“ von Dr. H. Geißler in Bonn bezogen und dann einige ähnliche
                              									radförmige Apparate hergestellt. Die Flügel des Geißler'schen
                              									Radiometers bestehen nicht aus Mark, welches Crookes zuerst angewendet hat, sondern
                              									sind dünne, metallglänzende Blättchen, anscheinend aus geglühtem
                              									Glimmer bestehend, natürlich auf einer Seite geschwärzt. Das Rad
                              									kommt schon im schwachen Tageslichte eines trüben Wintertages in
                              									langsame Bewegung, die sich bei directem Sonnenlichte zu rascher
                              									Rotation steigert. Einige diesem Instrumente nachgebaute
                              									Exemplare, im Ganzen von der in Figur 8
                              									dargestellten Form mit vier quatratischen oder rectangulären,
                              									einerseits berußten Flügeln aus geglühtem und dadurch
                              									metallglänzend und undurchsichtig gewordenen Glimmer, die durch
                              									(0mm,2 dicke) Platindrähte mit einem Glashütchen
                              									verbunden sind, welches auf einer feinen Nadelspitze läuft,
                              									zeigen ähnliches Verhalten, wie das Geißler'sche Original.
                              									Bemerkenswerth ist aber, daß verschiedene Exemplare gegen
                              									verschieden starke Bestrahlung in ganz verschiedenem Grade
                              									empfindlich sind; nur eines der nachgebauten Instrumente ist
                              									gegen schwache Bestrahlung etwa doppelt so empfindlich als das
                              									Geißler'sche, während sie bei starker Bestrahlung sämmtlich viel
                              									rascher rotiren, als dieses. Danach
                                 									erscheint es nicht ohne weiters zulässig, das radförmige
                                 									Radiometer wirklich als ein Meßinstrument für die Stärke der
                                 									Strahlung zu gebrauchen; es eignet sich dazu jedenfalls die
                              									Drehwagenform des Instrumentes besser, wenn dieselbe auch viel
                              									weniger handlich ist. Als Beispiel für die Stärke der Wirkung
                              									sei angeführt, daß ein Exemplar der angegebenen Art, welche
                              									Radiometer Nr. I heißen mag, dessen
                              									Rad 150mg wiegt und Flügel von 14mm Höhe und 15mm
                              									Breite hat, ca. 5 Umdrehungen in der Secunde macht, wenn man es
                              									dicht an den Glascylinder eines Argandbrenners von etwa 0cm,15
                              									Gasverbrauch pro Stunde bringt, und daß ein anderes in der
                              									Herstellung etwas mißrathenes Exemplar, dessen Hütchen etwas an
                              									das zum Schutz gegen das Herabfallen dienende Glasrohr stößt,
                              									bei gleichstarker Bestrahlung etwa 2 Umdrehungen macht und dabei
                              									durch das Zusammenstoßen und Schleifen der Glastheile ein
                              									Geräusch von ziemlich gleicher Stärke mit dem einer Cylinderuhr
                              									hervorbringt.
                           Dr. Geißler verfertigt auch Radiometer, welche bei Abhaltung
                              									der Bestrahlung rückwärts laufen. Verfasser kennt die
                              									Einrichtung derselben nicht, hat aber ähnliche Instrumente
                              									— Radiometer Nr. II —
                              									erhalten durch Anwendung durchsichtiger Glimmerblättchen anstatt
                              									der 
                              									geglühten. Setzt man eines dieser Instrumente, die etwas weniger
                              									empfindlich sind als Nr. I, einige
                              									Secunden der kräftigen Bestrahlung einer Gasflamme aus und
                              									entfernt dann diese, so kommt es viel rascher als Nr. I zur Ruhe, um dann sofort umzukehren
                              									und eine Anzahl Rotationen in der den Pfeilen in Figur 8
                              									entgegengesetzten Richtung auszuführen. An sich würde es nicht
                              									auffallend sein, daß die Ausstrahlung der erwärmten Blättchen
                              									die entgegengesetzte Bewegung hervorbrächte, wie die Bestrahlung
                              									derselben; das gänzliche Fehlen der Umkehrung außer bei dem
                              									einen empfindlichsten Radiometer Nr. I, welches dieselbe ganz schwach zeigt, schien aber gegen
                              									eine solche Auffassung zu sprechen. Berücksichtigt man, daß bei
                              									den durchsichtigen Glimmerblättchen, jede Rußschicht beide benachbarte Rußschichten bestrahlt
                              									und von ihnen bestrahlt wird, und daß wegen der Strahlenbrechung
                              									des Glimmers die denselben durchsetzenden Strahlen im Glimmer
                              									einen weniger spitzen Winkel mit der Oberfläche desselben bilden
                              									als im Vacuum, so konnte man auf den Gedanken kommen, daß von
                              									den von einer Rußschicht durch das Vacuum und dann durch den
                              									Glimmer nach der nächsten Rußschicht gehenden Strahlen ein
                              									größerer Theil durch Reflexion verloren gehe als von den in
                              									umgekehrter Richtung gehenden Strahlen, deren reflectirter Theil
                              									überdies fast vollständig auf die ausstrahlende Schicht
                              									zurückkommt, und das demnach die Rücklaufbewegung Folge dieser
                              									Strahlung der erwärmten Rußschichten durch die Glimmerblättchen
                              									hindurch sei. Zur Prüfung dieser Hypothese wurden zwei weitere
                              									Apparate construirt, welche je vier Flügel von derselben Art wie
                              									Nr. II besitzen, zwischen diesen
                              									aber unberußte Flügel, welche nur so lang sind, daß ihre äußere
                              									verticale Kante in eine Ebene mit den äußern Verticalkanten der
                              									beiden benachbarten berußten Flügel fällt; bei Radiometer Nr.
                              									III sind die kürzern Zwischenflügel
                              									von durchsichtigem, bei Nr. IV von
                              									geglühtem Glimmer. Beide Apparate sind nicht ganz so empfindlich
                              									wie Nr. II, weil auf die gleich
                              									große, wirksame Rußfläche eine größere zu bewegende Masse kommt,
                              									und weil die Zwischenflügel die Bestrahlung etwas verhindern.
                              									Beide zeigen deutlichen Rücklauf; die angeführte Vermuthung,
                              									dieser sei die Wirkung einer Rückstrahlung durch den Glimmer,
                              									ist also falsch. Wahrscheinlicher ist die Annahme, daß die
                              									Rücklaufbewegung einfach Folge der Ausstrahlung der Rußflächen
                              									ist, daß dieselbe aber nur zu Stande kommt, wenn die Flügel so
                              									beschaffen sind, daß sie eine merkliche Wärmemenge in sich
                              									aufsammeln und dieselbe rasch wieder der Rußschicht zuführen
                              									können, wenn sie also genügende Wärmecapacität und hinreichendes
                              									Wärmeleitungsvermögen besitzen. Radiometer Nr. V mit Flügeln aus Platinblech ist wegen
                              									der Schwere des Rades sehr wenig empfindlich,  zeigt aber
                              									deutlichen Rücklauf; Radiometer Nr. VI, dessen Flügel nur aus Magnesiumband von der gewöhnlich
                              									im Handel vorkommenden Breite (3mm) bestehen, ist von
                              									geringer Empfindlichkeit, zeigt aber den Rücklauf in
                              									ausgezeichneter Stärke, was wohl Folge der großen specifischen
                              									Wärme des Magnesiums ist. Der geglühte Glimmer ist in dem
                              									Zusammenhang seiner Schichten erheblich gelockert und deshalb in
                              									der Richtung rechtwinklig zur Spaltungsfläche ein sehr
                              									schlechter Wärmeleiter, und das mag der Grund sein, daß die
                              									Radiometer Nr. I nicht oder nur
                              									wenig zurücklaufen.
                           Radiometer Nr. VII, in Figur
                                 									9 abgebildet, unterscheidet sich von Nr. II nur dadurch, daß die Flügel unter ca.
                              									45° gegen die Horizontale geneigt sind und zwar so, daß
                              									die beruße Fläche der durchsichtigen Glimmerblättchen oben, die
                              									unberußte unten ist. Das Rad läuft in der durch die Pfeile
                              									angedeuteten Richtung, sowohl wenn es horizontal von der Seite,
                              									als wenn es vertical von oben bestrahlt wird. Wollte man
                              									annehmen, daß die beim Evacuiren mittels der
                              									Quecksilberluftpumpe unter Benützung englischer Schwefelsäure
                              									oder schneeiger Phosphorsäure und unter Erwärmung des
                              									Instrumentes in siedendem Wasser zurückbleibenden Spuren
                              									gasförmiger Stoffe (seien diese nun Luft, Wasser- oder
                              									Quecksilberdampf oder was sonst) in Folge der Erwärmung durch
                              									die Bestrahlung in Strömung geriethen, so könnte diese Strömung
                              									doch wohl nur an den bestrahlten Flügeln eine aufsteigende sein,
                              									und es müßte die dadurch hervorgebrachte
                                 									Bewegung gerade derjenigen entgegengesetzt sein, welche bei der
                                 									Bestrahlung thatsächlich eintritt. Die Bewegung bei der
                              									Bestrahlung von oben zeigt, daß die auf die Rußschicht ausgeübte
                              									Repulsivkraft einer Zerlegung in seitliche Componenten fähig
                              									ist, was freilich a priori zu vermuthen war, und was
                              									Verfasser auch schon früher beobachtet hatte, als er Strahlen
                              									auf ein am Balken der im Vacuum befindlichen Drehwage schief
                              									angesetztes Glasplättchen in der Richtung nach dem
                              									Drehungspunkte des Balkens fallen ließ.
                           Interessant ist das Verhalten der Apparate, wenn man die Strahlen
                              									vorwiegend nur auf die nichtberußten Flächen der Flügel fallen
                              									läßt. Bei Nr. I und II kann dies dadurch geschehen, daß man
                              									den Apparat zur Hälfte mit einem Schirme verdeckt (Fig.
                                 									8 die rechte Hälfte bei Bestrahlung von vorn oder die
                              									hintere Hälfte bei Bestrahlung von rechts), bei Nr. V durch Bestrahlung von unten. Nr. I läuft bei solcher Bestrahlung langsam
                              									vorwärts (in der Pfeilrichtung), Nr. II und VII laufen rückwärts (der Pfeilrichtung entgegen).
                              									Sollte der Rückstoß expandirender gasförmiger Körper oder (nach
                              									Reynolds) des verdampfenden  Wassers
                              									die Ursache der Bewegung sein, so müßten die durch die
                              									Bestrahlung durch die durchsichtigen Glimmerblätter erwärmten
                              									Rußschichten von dem angrenzenden Raume, nach welchem die
                              									Expansion oder Verdampfung stattfände, zurückweichen, es müßte also bei Nr. II und VII wieder die
                                 									Bewegung umgekehrt sein, wie sie thatsächlich ist. Die
                              									langsame Vorwärtsbewegung von Nr. I
                              									könnte die Folge einer anziehenden Wirkung auf die
                              									reflectirenden Flächen sein; daß dies aber nicht der Fall ist,
                              									haben besondere Versuche (siehe weiter unten) gezeigt; ohne
                              									Zweifel rührt diese Vorwärtsbewegung daher, daß sowohl von den
                              									glänzenden Glimmerflächen, als von den Glaswänden viele Strahlen
                              									auf die berußten Flächen reflectirt werden. Der Versuch mit dem
                              									zur Hälfte verdeckten Radiometer Nr. II erfordert ziemliche Vorsicht; läßt man eine Gasflamme
                              									längere Zeit nahe an der Glashülle brennen, so wird diese selbst
                              									erwärmt und ihre Strahlung gegen die berußten Flächen stört dann
                              									die Erscheinung. Am sichersten gelingt der Versuch mit
                              									Sonnenlicht, das man durch ein passend ausgeschnittenes
                              									Diaphragma fallen läßt. Eine kräftige Bestrahlung des
                              									Radiometers Nr. VII durch eine
                              									Gasflamme von unten hat das Unangenehme, daß das Instrument
                              									selbst dabei sehr heiß wird. Deshalb wurde Radiometer Nr. VIII construirt, das sich von VII dadurch unterscheidet, daß die untere der geneigten Glimmerflächen
                              									berußt ist; bestrahlt man Nr. VIII
                              									von oben, so dreht es sich etwas langsamer als Nr. VII bei gleicher Bestrahlung, aber in
                              									derselben Richtung, — die Wirkung der durch den Glimmer
                              									auf die Rußschicht fallenden Strahlen zeigt sich hier ohne alle
                              									Schwierigkeit. Es ist wohl selbstverständlich, daß Nr. VIII bei horizontaler Bestrahlung
                              									entgegengesetzt, bei Bestrahlung von unten in gleicher Richtung
                              									läuft, wie Nr. VII bei
                              									beziehungsweise gleicher Bestrahlung. Um zu constatiren, daß die
                              									Bewegung von Nr. II bei
                              									halbseitiger, die von Nr. VII bei
                              									unterer, die von Nr. VIII bei oberer
                              									Bestrahlung nicht etwa die Folge einer Abstoßung der
                              									durchsichtigen Glimmerblätter selbst sein kann, wurde Radiometer
                              									Nr. IX construirt, das in der Form
                              									mit Nr. VII und VIII übereinstimmt, aber gänzlich
                              									unberußte Flügel aus durchsichtigem Glimmer hat; dasselbe läuft
                              									bei sehr kräftiger Bestrahlung durch eine ganz nahe Gasflamme
                              									oder durch die mittels eines Bunsenbrenners erwärmte Wandung der
                              									Glashülle in der Richtung der Pfeile
                              									(Fig. 9), wenn die Bestrahlung von oben, der Pfeilrichtung entgegen, wenn die Bestrahlung von unten stattfindet;
                              									bestrahlt man es sehr kräftig von der Seite, indem man eine
                              									Hälfte verdeckt, so weichen die bestrahlten Flächen zurück. Es
                              									ist also die Bewegungsrichtung allerdings dieselbe, als wenn
                              									Flächen berußt wären; die  Bewegung ist aber eine ganz minimale,
                              									muthmaßlich, weil die Wirkung der Strahlen auf eine Fläche nur
                              									in dem Maße stattfindet, in welchem die Fläche Strahlen
                              									absorbirt, und diese Absorption ist bei den glatten Blättchen
                              									des durchsichtigen Glimmers eine äußerst geringe. Zur Erklärung
                              									der Bewegung, welche im Vorgehenden angesehen ist als Folge der
                              									durch den Glimmer hindurch auf den Ruß wirkenden Strahlung, kann
                              									die Wirkung auf die durchsichtigen Glimmerblättchen durchaus
                              									nicht dienen; sie ist an und für sich viel zu schwach und würde
                              									es um so mehr sein, als ihr ja die Wirkung der durch Reflexion
                              									auf die Rußfläche fallenden Strahlen entgegen steht. Daß diese
                              									Wirkung der reflectirten Strahlen eine durchaus nicht
                              									unerhebliche ist, geht aus dem Verhalten hervor, welches die
                              									Radiometer Nr. I zeigen, wenn man
                              									sie nur auf der glänzenden Fläche bestrahlt. Wie oben erwähnt,
                              									laufen dieselben dabei in der Pfeilrichtung (Fig. 8);
                              									die Wirkung der reflectirten Strahlen auf die berußten Flächen
                              									überwindet also die der directen Strahlen auf die
                              									metallglänzenden Flächen des geglühten Glimmers, und daß diese
                              									nicht etwa eine Anziehung, sondern eine ziemlich große Abstoßung
                              									erleiden, zeigt Radiometer Nr. X,
                              									das wie Nr. IX gestaltet, und
                              									ebenfalls ganz unberußt, aber aus geglühtem Glimmer gemacht ist.
                              									Nr. X zeigt caeteris paribus dieselbe Bewegungsrichtung wie Nr. IX, ist aber ungleich empfindlicher; es
                              									rotirt schon im hellen, diffusen Tageslichte, weil dieses nicht
                              									nur horizontal, sondern zum größten Theile von oben her
                              									auffällt. (Vom Verfasser gef. eingesendeter Separatabdruck aus
                              									Carl's Repertorium für Experimentalphysik,
                                 									1876.)
                           
                        
                     
                  
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