| Titel: | Gewinnung von Schwefel aus dem Schwefelkiese; von Dr. P. W. Hofmann. | 
| Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 333 | 
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                        Gewinnung von Schwefel aus
                           								dem Schwefelkiese; von Dr. P. W. Hofmann.
                        Hofmann, über Gewinnung von Schwefel aus dem
                           								Schwefelkiese.
                        
                     
                        
                           Im Anschluß an die in diesem Journal, 1875 215 239 aufgenommene Abhandlung bringt Verfasser (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1876 S.
                                 									27) die Mittheilung, daß die Schwefelkiesrückstände nicht
                              									allein in der chemischen Fabrik zu Wocklum auf angeführte Weise
                              									verarbeitet werden, sondern daß auch andere Fabriken mit der
                              									Einführung dieses Verfahrens beschäftigt sind.
                           Der Verwerthung der Schwefelkiesrückstände der Meggener Kiese auf
                              									Chlorzink und Glaubersalz stehen durchaus keine praktischen
                              									Schwierigkeiten entgegen, die Gewinnung von Eisen aus den
                              									Rückständen aber ist, wie es sich herausgestellt hat, von
                              									localen Verhältnissen abhängig. Die Meggener Schwefelkiese
                              									werden nämlich auf einer großen Anzahl chemischer Fabriken, die
                              									in ganz Deutschland zerstreut liegen, verbrannt. Die Rückstände
                              									verwandeln sich bei der Verarbeitung auf Chlorzink in ein feines
                              									Pulver, welches im Hohofen ganz besonders behandelt werden muß
                              									und auch wegen seines geringen Werthes keinen weiten Transport
                              									verträgt. Es müßten also in der Nähe der chemischen Fabriken
                              									besondere Hohöfen zur Verarbeitung der Rückstände auf Eisen
                              									angelegt werden, wobei dann wieder der Uebelstand sich geltend
                              									machen würde, daß wenige chemische Fabriken genügend Rückstände
                              									liefern könnten, um einen Hohofen fortwährend in Thätigkeit zu
                              									erhalten. Alle diese Schwierigkeiten und Bedenken würden
                              									übrigens beseitigt, wenn man am Orte der Gewinnung des
                              									Schwefelkieses, also z. B. in Meggen, den Schwefelkies auf
                              									Schwefel und Eisen verarbeiten könnte.
                           Da die Schwefelgewinnung für die chemische Industrie noch den
                              									ganz besondern Vortheil haben würde, den allein für sie zu
                              									verwerthenden Körper, den Schwefel, von Meggen zu beziehen und
                              									dadurch die Transportkosten um etwa 60 Proc. zu verringern, so
                              									haben sich seit vielen Jahren die Chemiker mit Vorliebe mit der
                              									Gewinnung des Schwefels aus dem Schwefelkiese beschäftigt, und
                              									es sind viele Vorschläge gemacht,  viele Patente
                              									genommen worden, die zur praktischen Lösung dieser Frage führen
                              									sollten; allein bis jetzt ist noch kein Verfahren bekannt,
                              									welches dieses Problem in hinreichend befriedigender Weise
                              									gelöst hätte. Jeder Versuch übrigens, der dazu Aussicht bietet,
                              									scheint von einigem Interesse zu sein, und deshalb sei im
                              									Folgenden ein solcher mitgetheilt, der wenigstens im Kleinen ein
                              									in jeder Beziehung günstiges Resultat gegeben hat.
                           Bekanntlich verbrennt der Schwefel des Schwefelkieses bei der
                              									Fabrikation der Schwefelsäure zu schwefliger Säure. Bringt man
                              									zu dieser einen Körper, der eine größere Verwandtschaft zum
                              									Sauerstoff hat als der Schwefel, so läßt sich aus der
                              									schwefligen Säure der Schwefel abscheiden. Ein solcher Körper
                              									ist unter gewissen Umständen die Kohle; leitet man über glühende
                              									Kohle schweflige Säure, so destillirt Schwefel über. Allein
                              									diese Reaction ist im Großen eine sehr unvollkommene, und alle
                              									Versuche, einen praktischen Nutzen daraus zu ziehen, sind, so
                              									weit bekannt, erfolglos geblieben.
                           Verfasser hat sich nun die Aufgabe gestellt, sämmtliche Körper,
                              									welche eine große Verwandtschaft zum Sauerstoff haben, unter den
                              									verschiedensten Umständen auf die schweflige Säure einwirken zu
                              									lassen, und kam dabei auf eine Reihe von Körpern, welche diese
                              									Eigenschaft in großem Maße besitzen, die überall leicht zu haben
                              									sind und durch ein billiges Reductionsmittel mit Leichtigkeit
                              									wiedergewonnen werden können. Diese Körper sind die
                              									Schwefelmetalle der Alkalien und der alkalischen Erden. Von
                              									diesen wurden der speciellen Untersuchung unterworfen:
                              									Schwefelkalium, Schwefelnatrium, Schwefelcalcium und
                              									Schwefelbarium. Vom praktischen Standpunkte aus verdient
                              									jedenfalls das Schwefelcalcium wegen seines geringen
                              									Atomgewichtes und wegen der Leichtigkeit, mit welcher man sich
                              									dasselbe, besonders in Form von Sodaschlamm, überall verschaffen
                              									kann, den Vorzug.
                           Obgleich die Begierde oben genannter Schwefelmetalle, Sauerstoff
                              									aus der Luft anzuziehen, bekannt war, so hat man sie doch nicht
                              									zur Reduction der schwefligen Säure im Großen in Vorschlag
                              									gebracht, und wahrscheinlich deshalb nicht, weil man von
                              									vornherein glauben mochte, die Verwandtschaft der Kohle zum
                              									Sauerstoff sei eine größere als die der genannten
                              									Schwefelverbindungen, da doch die Oxydationsproducte der
                              									Schwefelmetalle mit Leichtigkeit durch Kohle reducirt
                              									werden.
                           Leitet man über zur dunklen Rothglut erhitztes Schwefelcalcium
                              									schweflige Säure, so wird, falls genügend Schwefelcalcium
                              									vorhanden ist, die letztere anfänglich vollständig absorbirt,
                              									dann destillirt Schwefel über, und das Schwefelcalcium
                              									verwandelt sich in schwefelsauren Kalk. Leitet  man nun über
                              									den glühenden Gyps Leuchtgas, oder glüht man ihn, nachdem
                              									genügend Kohle zugesetzt wurde, so erhält man aus dem Gyps
                              									wieder Schwefelcalcium, das von Neuem zur Reduction der
                              									schwefligen Säure, und falls dieselbe aus dem Schwefelkies
                              									gewonnen wird, zur Gewinnung des Schwefels aus dem Schwefelkiese
                              									benützt werden kann.
                           Wie sich Schwefelcalcium verhält, so verhalten sich auch
                              									Schwefelnatrium, Schwefelkalium und Schwefelbarium. Wenn man
                              									bedenkt, daß in Meggen der Schwefel in dem sogen. Staubkies
                              									einen Werth von etwa 1,20 M. pro 50k besitzt, daß dieser
                              									Staubkies in eigenthümlichen Oefen, wovon bereits zwei in
                              									Grevenbrück im Betriebe sind und zwei andere noch in Betrieb
                              									gesetzt werden, vortrefflich zu schwefliger Säure sich
                              									verbrennen läßt, so wird man die Ueberzeugung gewinnen, daß die
                              									Reduction der schwefligen Säure noch ziemlich viel kosten darf,
                              									ehe der dadurch entstehende Gewinn ein verschwindender wird.
                              									Auch ist der Verfasser seit einiger Zeit mit Versuchen im Großen
                              									beschäftigt, die schweflige Säure auf angegebene Weise zu
                              									reduciren. Nach seiner Meinung stehen dem Verfahren keine
                              									Bedenken entgegen, sobald die richtigen Apparate gefunden sind,
                              									welche bei hoher Temperatur der schwefligen Säure und dem
                              									Schwefelcalcium eine große Berührungsfläche bieten.