| Titel: | Ueber die Bewegung einer Glocke; von W. Veltmann, Realschullehrer in Düren. | 
| Autor: | W. Veltmann | 
| Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 481 | 
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                        Ueber die Bewegung einer
                           								Glocke; von W.
                              								Veltmann, Realschullehrer in Düren.
                        Mit einer
                           								Abbildung.
                        Veltmann, über die Bewegung einer
                           								Glocke.
                        
                     
                        
                           Als mit der neuen Glocke des Cölner Doms, Kaiserglocke genannt,
                              									der erste Läuteversuch nach ihrer Ankunft in Cöln vorgenommen
                              									wurde, zeigte sich die eigenthümliche Erscheinung, daß der
                              									Klöppel relativ zur Glocke sich gar nicht bewegte, sondern stets
                              									in der Mittellinie derselben verharrte. Sobald ich, etwa drei
                              									Wochen nach jenem Versuche, von diesem Verhalten der Glocke
                              									genauere Kenntniß erhielt, versuchte ich die Umstände, welche
                              									dasselbe bedingen, theoretisch zu ermitteln. Mit den
                              									Bewegungsgleichungen eines Systems, wie eine Glocke mit ihrem
                              									Klöppel, ist nun zwar, da schon die Theorie des einfachen
                              									Pendels auf ungefügige Integralausdrücke führt, nicht viel
                              									anzufangen; indeß fand ich doch, daß die Beantwortung der
                              									speciellen Frage, unter welchen Bedingungen obige Erscheinung
                              									eintrete, so einfach wie möglich ist. Daß die gewonnenen
                              									Resultate, die ich gleich an den geeigneten Stellen zur
                              									Mittheilung brachte, nicht sofort in zweckentsprechender Weise
                              									Berücksichtigung fanden, kann nicht befremden; eine rein
                              									theoretische Behandlung einer solchen Sache stößt naturgemäß auf
                              									einiges Mißtrauen.
                           Ich habe seitdem den weitern Verlauf der Angelegenheit, die
                              									vielen vergeblichen Versuche, welche mit Abänderungen der
                              									Aufhängungsweise von Glocke und Klöppel gemacht worden sind, die
                              									Urtheile, welche darüber von Glockengießern und andern
                              									Technikern in der Presse laut wurden u. s. w., aufmerksam
                              									verfolgt und bin nicht wenig erstaunt gewesen, als ich mehr und
                              									mehr die Wahrnehmung machte, daß hier ein ganz bedeutender und
                              									interessanter Zweig der Technik vorliegt, der nach einer
                              									wesentlichen Seite hin nicht blos der theoretischen Grundlage,
                              									sondern auch jeder bestimmten und sichern, Willkür und Zufall
                              									ausschließenden praktischen Regel gänzlich entbehrt. Um so mehr
                              									wird es gerechtfertigt sein, wenn ich hier, statt etwa blos die
                              									praktischen Resultate mitzutheilen, eine vollständige
                              									Darstellung meiner theils mathematischen, theils experimentellen
                              									Untersuchungen über den Gegenstand veröffentliche.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 482
                              In nebenstehender Figur sei P der
                                 										Drehpunkt, PT die Mittellinie,
                                 										S der Schwerpunkt der Glocke
                                 										einschließlich der mit derselben zu einer starren Masse
                                 										verbundenen Theile und T ein
                                 										Punkt, in welchem vereinigt diese Masse dasselbe
                                 										Trägheitsmoment in Bezug auf den Drehpunkt P haben würde wie in der
                                 										Wirklichkeit. Den Abstand PS
                                 										bezeichnen wir mit s, PT mit t, den Winkel der Mittellinie PT mit der Verticalen PQ oder die Elongation der Glocke
                                 										mit φ. Die Masse der Glocke nennen wir m und gemäß der Newton'schen
                                 										Bezeichnung der Fluxionen die Winkelgeschwindigkeit
                                 										φ, die Winkelbeschleunigung φ Für den Klöppel
                                 										bezeichnen wir die entsprechenden Punkte, Linien und Größen
                                 										mit denselben Buchstaben und unterscheiden sie durch den
                                 										Index 1.
                              
                           Den Abstand PP1 der beiden Drehpunkte nennen wir
                              									a, die Accelaration der Schwere g, die Zeit τ. Die Linie PQ und eine im Punkte P darauf Senkrechte nach rechts nehmen
                              									wir als positive Coordinatenhalbachsen. Für Punkte der Glocke
                              									und des Klöppels seien resp. die Abscissen x und x1, die Ordinaten y und y1.
                           Die lebendige Kraft des Systems in irgend einem Zeitpunkte ist
                              									eine Function der Lage des Systems und der Geschwindigkeiten in
                              									diesem Zeitpunkte, also eine Function von φ, φ1, φ, φ1. Wir bezeichnen sie mit L.
                           Betrachten wir statt der wirklichen Bewegung des Systems eine
                              									andere, bei welcher φ allein sich ändert, φ1 constant bleibt, so sei A d φ die Arbeit, welche die
                              									äußern Kräfte verrichten, während φ um d φ wächst. Ebenso sei A1 d φ1 die von denselben Kräften verrichtete Arbeit, während
                              									φ1 um d φ1 wächst, φ constant bleibt. Die
                              									Bewegungsgleichungen (nach Lagrange)
                              									des vorliegenden Systems sind dann:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 482
                              
                           Die lebendige Kraft der Glocke ist ihr halbes Trägheitsmoment in
                              									Bezug auf die Drehachse mal dem Quadrate der
                              									Winkelgeschwindigkeit, also
                           = m t2/2 φ2
                           
                           Diejenige des Klöppels besteht aus zwei
                              									Theilen: Der eine ist sein halbes Trägheitsmoment in Bezug auf
                              									eine zur Drehachse Parallele durch den Schwerpunkt mal dem
                              									Quadrate der Winkelgeschwindigkeit, also
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 483
                              
                           Der andere ist die lebendige Kraft, welche
                              									die Masse des Klöppels haben würde, wenn sie im Schwerpunkte
                              									desselben vereinigt wäre. Die Coordinaten x1 und y1 des
                              									Schwerpunktes sind nun:
                           x1 = a
                              									sin φ + s1 sin φ1
                           y1 = a
                              									cos φ + s1 cos φ1.
                           Die Componenten der linearen Geschwindigkeit dieses Punktes sind daher
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 483
                              
                           mithin das Quadrat der Geschwindigkeit
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 483
                              
                           und der entsprechende Theil der lebendigen
                              									Kraft
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 483
                              
                           Die gesammte lebendige Kraft ist demnach
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 483
                              
                           mithin
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 483
                              
                           Die Gleichungen (1) werden also jetzt, wenn man vorstehende
                              									Werthe einsetzt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 483
                              
                           
                           oder, wenn man die beiden
                              									Differentiationen nach τ noch ausführt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 484
                              
                           Betrachten wir nun die Bewegung des Systems im
                              									Beharrungszustande; nehmen wir also an, daß die an demselben
                              									thätigen Zugkräfte nur zur Ueberwindung der Reibung dienen. Wir
                              									können dieselben dann, sowie letztere, außer Acht lassen. Wenn
                              									wir außerdem die Reibung am Drehpunkte des Klöppels
                              									vernachlässigen, so ist die Schwerkraft die allein wirkende
                              									äußere Kraft.
                           Die Ordinate des Schwerpunktes der Glocke ist
                           y = s cos
                              									φ (3)
                           die des Schwerpunktes des Klöppels
                           y1 = a cos φ + s1 cos
                              									φ1 (4)
                           Wächst also φ um d φ, so legt der erstere in der
                              									Richtung der Kraft einen Weg
                           dy/dφ dφ = - sin
                                 									φ d φ (nach
                              									3),
                           der letztere einen solchen
                           dy1/dφ dφ = - a sin φ d φ (nach 4)
                           zurück. Die Kräfte sind m g und m1g, also die Arbeit
                           A d φ = -
                              									g (ms + m1 a) sin φ d φ.
                           Nimmt φ 1 und d φ1 zu, während φ constant bleibt, so bewegt sich der
                              									Schwerpunkt des Klöppels (die Glocke ruht) in der Richtung der
                              									Kraft um die Größe
                           dy1/dφ1 dφ1 = - s1 sin φ1 d φ1 (nach
                              									4)
                           und die verrichtete Arbeit ist
                           A1 d
                                 									φ1 = m1 g s1 sin φ1 d φ1.
                           Man hat also jetzt
                           A = - g (ms + m1 a) sin φ
                           A1 = - m1 g s1 sin φ1,
                           und die Gleichungen (2) werden
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 484
                              
                           Wenn nun der Klöppel stets in der Mittellinie der Glocke bleiben
                              									soll, so muß beständig φ = φ1 sein, und man hat also, um die
                              									Bedingungen  hierfür zu erhalten, in den Gleichungen
                              									(5) überall φ statt φ1 zu setzen. Dieselben werden dann
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 485
                              
                           Aus der ersten Gleichung folgt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 485
                              
                           aus der zweiten
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 485
                              
                           Diese beiden Gleichungen, deren jede eine
                              									einfache Pendelbewegung darstellt, müssen übereinstimmen, d. h.
                              									es müssen die Längen der entsprechenden mathematischen Pendel
                              									gleich sein, also
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 485
                              
                           Diese Gleichung ist die nothwendige und,
                              									da für φ = φ1
                              									unter Voraussetzung der Gleichungen (6) und (7) den Gleichungen
                              									(2) stets genügt wird, auch hinreichende Bedingung dafür, daß
                              									Glocke und Klöppel sich genau übereinstimmend bewegen.
                           Wenn man aus der Gleichung (8) a
                              									entwickelt, so kann sie die Form
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 485
                              
                           annehmen. Hier ist nun nach der
                              									Pendeltheorie t2/s
                              									die Länge eines mathematischen Pendels, welches mit der Glocke
                              									allein gleiche Schwingungsdauer hat. Ebenso ist t12/S1 die Länge eines Pendels von
                              									gleicher Schwingungsdauer mit dem für sich bei ruhender Glocke
                              									schwingenden Klöppel. Nennt man erstere l, letztere 11, so kann man also vorige Gleichung
                              									so schreiben:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 485
                              
                           In derselben kommen jetzt außer dem
                              									Abstände der Drehpunkte und den Massen nur die beiden
                              									Pendellängen und Schwerpunktsabstände vor, Größen von denen drei
                              									sich durch Schwingungs- und Gleichgewichtsversuche leicht
                              									bestimmen lassen; nur der Schwerpunktsabstand des  Klöppels muß,
                              									wenn man diesen nicht aus der Glocke herausnehmen will, durch
                              									unmittelbare Berechnung gefunden werden.
                           Man kann jedoch der Gleichung eine für praktische Zwecke in den
                              									meisten Fällen genügende, noch einfachere Form geben. Einer
                              									praktischen Regel zufolge soll das Gewicht der Glocke ungefähr
                              									das vierzigfache desjenigen des Klöppels betragen; der Bruch m1/m in Gleichung (9) wäre demnach ungefähr
                              									= 1/40 zu setzen. Da nun zugleich l1 - s1/s ein ziemlich kleiner Bruch ist, so
                              									kann man statt der Gleichung (9) annähernd folgende nehmen:
                           a = l - l1 (10)
                           Das fragliche Verhalten der Glocke findet also dann statt, wenn
                              									annähernd der Abstand der Drehpunkte
                                 									gleich der um die Pendellänge des Klöppels verminderten
                                 									Pendellänge der Glocke ist.
                           Es tritt nun die für die Anwendung wichtige weitere Frage ein:
                              									Nach welcher Richtung hin muß der Abstand a von dem Werthe in Gleichung (9) oder (10) abweichen,
                              									damit der Klöppel tadellos fungire; muß er größer oder kleiner
                              									sein oder darf beides stattfinden? Die Theorie würde diese Frage
                              									nur schwierig beantworten können; dagegen läßt sich durch
                              									Beobachtungen an Glocken und Versuche mit glockenähnlichen
                              									Doppelpendeln dieselbe leicht entscheiden und volle Klarheit in
                              									die Sache bringen. Die Theorie liefert nur den nöthigen Anhalts-
                              									und Ausgangspunkt für die Beobachtung und das Experiment, so daß
                              									man dabei nicht ins Blaue hinein zu operiren braucht.
                           An Versuchen mit Glocken gerade für den vorliegenden Zweck fehlt
                              									es nicht gänzlich; denn die Kaiserglocke ist nicht etwa die
                              									erste, bei welcher sich der derselben eigene Uebelstand gezeigt
                              									hat. Auch hat man bei der Construction der Welle für diese
                              									Glocke sehr wohl an die Möglichkeit einer solchen fatalen
                              									Erscheinung gedacht und dieselbe zu verhüten gesucht. Die Regeln
                              									aber (die Lage des Drehpunktes der Glocke betreffend), die man
                              									hierbei angewendet hat, sind nicht die allgemein richtigen; sie
                              									mochten wohl für die bei jenen Versuchen benützte Glocke (der
                              									evangelischen Kirche in Wiesbaden) passen, aber deshalb noch
                              									nicht für jede andere. Die Versuche hatten gar nicht allgemein
                              									ergeben, auf was es hier hauptsächlich ankam, und konnten das
                              									auch nicht, da ihnen hierzu die nöthige theoretische Grundlage
                              									fehlte.
                           Ich habe die Größen in der Gleichung (10) außer der Kaiserglocke
                              									auch für die übrigen größern Glocken des Cölner Doms, sowie für
                              									diejenigen  einiger andern Kirchen bestimmt. Ferner
                              									ist auch bei mehreren der Abstand des Punktes, in welchem der
                              									Klöppel an die Glocke schlägt, von dem Drehpunkte desselben
                              									gemessen worden. Da ungefähr in gleicher Höhe mit dem
                              									Anschlagpunkte der Mittelpunkt des
                                 									Stoßes im Klöppel liegt, so ergibt sich hierdurch die
                              									gegenseitige Lage dieses Punktes und des Schwingungspunktes.
                              									Damit der Stoß in der richtigen Weise, ohne Kippen des Klöppels
                              									und Einbiegung in dem Gelenke desselben erfolge, sollten diese
                              									beiden Punkte zusammenfallen. Die Beobachtung lehrt jedoch, daß
                              									der Schwingungspunkt wohl ohne Ausnahme stets um eine
                              									beträchtliche Größe über dem Anschlagepunkte liegt. Die blose
                              									Schätzung nach dem sogen. praktischen Gefühle hat hier offenbar
                              									irregeführt; man macht den untern Zapfen des Klöppels viel zu
                              									klein, als daß er mit dem obern Theile beim Anschlagen im
                              									momentanen Gleichgewichte sein könnte.
                           Die größte von den ältern Glocken des Doms hat früher dieselbe
                              									üble Eigenschaft gehabt wie die Kaiserglocke, wenn auch nicht in
                              									gleichem Grade; sie ist lange Zeit in der Weise benützt worden,
                              									daß man blos den Klöppel in Bewegung setzte. Dem Fehler wurde
                              									später dadurch abgeholfen, daß man, sei es durch eine dunkle
                              									Ahnung von der wahren Ursache geleitet oder auch auf Grund ganz
                              									falscher Anschauungen doch das Richtige treffend, den obern
                              									Theil des Klöppels etwas leichter machte. Jedoch überträgt sich
                              									auch jetzt die Bewegung der Glocke noch keineswegs in dem Grade
                              									auf den Klöppel, wie sie sollte, und da der Schwingungspunkt
                              									noch ungefähr 7cm über dem Anschlagepunkte liegt,
                              									so könnte durch weiteres Tieferlegen desselben der Klöppel noch
                              									in doppelter Hinsicht verbessert werden.
                           Um indeß die von mir an Glocken gemachten Beobachtungen richtig
                              									beurtheilen zu können, wird es gut sein, vorher die Resultate
                              									einiger Versuche mit einem Pendelapparate mitzutheilen, der vor
                              									einer Glocke für diesen Zweck den Vorzug hat, daß an demselben
                              									die die Bewegung bestimmenden Größen in mannigfaltiger Weise
                              									verändert werden können. Der Apparat hat folgende Einrichtung:
                              									Eine hölzerne Latte von 1m,5 Länge, an den Enden mit
                              									Gewichten beschwert, stellt die Glocke vor, eine andere kleinere
                              									den Klöppel. Drei Schraubklemmen sind so angebracht, daß der
                              									Drehpunkt der Glocke an dieser und derjenige des Klöppels an
                              									beiden verschoben werden kann, so daß also der Abstand der
                              									Drehpunkte und die beiden Pendellängen innerhalb bestimmter
                              									Grenzen beliebig verändert werden können.
                           In folgender Zusammenstellung der Resultate einer Versuchsreihe
                              									ist unter der relativen Elongation der Winkel φ1, zu verstehen, welchen  die Mittellinie
                              									des Klöppels mit derjenigen der Glocke macht. Für jeden Abstand
                              									ist das Maximum der Elongation angegeben und die Zahl der
                              									Schwingungen, nach denen es erreicht wurde, für a = 33 jedoch auch die Elongation nach
                              									einer geringern Anzahl Schwingungen.
                           
                              
                                 Nummer des Versuches.
                                 Abstand der Drehpunkte.
                                 Zahl der Schwingungen.
                                 Relative Elongation.
                                 
                              
                                 1
                                 12cm
                                 6
                                 51°
                                 
                              
                                 2
                                 13
                                 6
                                 49
                                 
                              
                                 3
                                 15
                                 6
                                 48
                                 
                              
                                 4
                                 20
                                 7
                                 42
                                 
                              
                                 5
                                 25
                                 7
                                 30
                                 
                              
                                 6
                                 30
                                 7
                                 5
                                 
                              
                                 7
                                 31,5
                                 
                                 0
                                 
                              
                                 8
                                 32
                                 8
                                 1
                                 
                              
                                 9
                                 32,5
                                 10
                                 14
                                 
                              
                                 10
                                 33
                                 20
                                 16
                                 
                              
                                 11
                                 33
                                 48
                                 92
                                 
                              
                                 12
                                 34
                                 20
                                 113
                                 
                              
                                 13
                                 35
                                 18
                                 116
                                 
                              
                                 14
                                 37
                                 14
                                 122
                                 
                              
                                 15
                                 39
                                 12
                                 123
                                 
                              
                                 16
                                 40
                                 10
                                 130
                                 
                              
                                 17
                                 50
                                 8
                                 134
                                 
                              
                           Glocke und Klöppel wurden immer gemeinschaftlich um 45°
                              									aus der Verticalen entfernt und dann sich selbst überlassen.
                           Zur Bestimmung desjenigen Abstandes der Drehpunkte, bei welchen
                              									die relative Bewegung Null war, durfte nur die Gleichung (9),
                              									nicht (10) benützt werden. Um nämlich große, mit denen von
                              									größern Glocken vergleichbare Pendellängen zu erhalten, war s sehr klein genommen und durfte deshalb
                              									in (9) nicht nebst den betreffenden andern Größen vernachlässigt
                              									werden. Da überdies mit dem Abstände der Drehpunkte wegen der
                              									Verschiebung der Schraubklemme, an welcher der Klöppel hing, der
                              									Schwerpunktsabstand s sich nicht
                              									unbeträchtlich änderte, so konnte der Abstand a auch aus (9) nicht unmittelbar
                              									berechnet werden; er ergab sich durch mehrmalige Anwendung
                              									dieser Gleichung nach der Regel falsi bei jedesmaliger Bestimmung der Pendellänge und der
                              									Lage des Schwerpunktes. Als zu der relativen Elongation = 0
                              									gehörige Werthe wurden auf solche Weise folgende gefunden:
                           
                              
                                 l = 251,25
                                 l1 = 202,77
                                 
                              
                                 s = 12,9
                                 s1 = 2,5.
                                 
                              
                           m1/m = 29/828
                           a = 31,4,
                           welcher Werth von a mit dem in Versuch Nr. 7 übereinstimmt.
                           
                           Man sieht aus obiger Zusammenstellung, daß der Klöppel eine um so
                              									größere relative Bewegung erhält, je mehr sich der Abstand a von dem Werthe in Nr. 7 entfernt.
                              									Jedoch ist der Erfolg wesentlich verschieden, je nachdem die
                              									Abweichung nach oben oder nach unten stattfindet. In letzterm
                              									Falle, also für a < 31,5,
                              									nimmt die relative Elongation nur langsam zu und bleibt stets
                              									ziemlich klein. In ersterm Falle dagegen wird die relative
                              									Bewegung schon sehr beträchtlich, wenn a nur um einige Centimeter zunimmt. Man kann den Abstand
                              									so groß machen, daß der Klöppel sich überschlägt, eine volle
                              									Umdrehung macht. Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist der,
                              									daß bei a < 31,5 der Klöppel
                              									bei jeder Schwingung der Glocke voraneilt, bei a > 31,5 dagegen hinter derselben
                              									zurückbleibt. Wie der Unterschied sich bei einer wirklichen
                              									Glocke darstellt, sowie auch in welcher Schwingungsphase der
                              									letztern das Anschlagen erfolgt, darüber noch folgende
                              									Bemerkungen.
                           Wenn eine Glocke, für welche a
                              									> l—l1 ist,
                              									geläutet wird, so nimmt man immer wahr, daß der Klöppel ungefähr
                              									in dem Augenblicke, wo die Glocke die größte Elongation hat, an
                              									den alsdann höchsten Punkt des Schlagringes anschlägt. Daß dies
                              									nothwendig so sein muß, ergibt sich unter der Voraussetzung, daß
                              									ein regelmäßiges und gleichmäßiges Anschlagen stattfindet, durch
                              									eine sehr einfache Ueberlegung. Sobald nämlich ein solcher
                              									Beharrungszustand in der Bewegung der Glocke eingetreten ist, so
                              									wiederholen sich die Schwingungen sowohl der Glocke als des
                              									Klöppels stets in derselben Weise. Letzterer prallt also beim
                              									Stoße gegen den Schlagring mit der nämlichen Geschwindigkeit ab,
                              									mit welcher er an demselben anlangte. Nehmen wir nun zunächst
                              									an, die Geschwindigkeit der Glocke sei im Augenblicke des Stoßes
                              									= 0. Dann würde dieselbe vom Klöppel sowohl moleculare als
                              									Massen-Bewegung aufnehmen, und deshalb der letztere mit einer
                              									etwas geringern Geschwindigkeit reflectirt werden. Soll dieser
                              									Verlust nicht stattfinden, vielmehr obiger Beharrungszustand
                              									bestehen, so muß also im Augenblicke des Stoßes die Glocke dem
                              									Klöppel mit einer kleinen Geschwindigkeit begegnen; sie muß eben
                              									begonnen haben, wieder abwärts zu schwingen.
                           In dem entgegengesetzten Falle, wo a
                              									< l — 1 ist, findet das Anschlagen
                              									ebenfalls in einem Zeitpunkte statt, welcher dem der größten
                              									Elongation sehr nahe liegt, und zwar aus denselben Gründen wie
                              									oben. Der Punkt jedoch, worin der Klöppel die Glocke trifft, ist
                              									nicht der höchste, sondern der tiefste Punkt des Schlagringes;
                              									er schlägt im Vergleich zum vorigen Falle an der
                              									entgegengesetzten Seite an.
                           Eine solche Weise zu läuten ist nun nicht gerade unzulässig; sie
                              									findet statt bei einer von dem Pester Großzeugschmied Posdech zuerst  angewendeten
                              									Aufhängungsart für Glocken, bei welcher der Drehpunkt der
                              									letztern ziemlich nahe über dem Schwerpunkte und derjenige des
                              									Klöppels noch etwas höher liegt, so daß also a hier negativ ist.
                           Auch für diese Anordnung habe ich einige Versuche gemacht. Die
                              									Bewegung des Klöppels ist dabei schwer zu verfolgen; sie nimmt
                              									durch die stattfindenden Interferenzen periodisch ab und zu. Bei
                              									einer wirklichen Glocke wird nun zwar diese Bewegung durch das
                              									Anschlagen an dieselbe modificirt; ob aber nicht doch vielleicht
                              									in Folge jener Interferenzen die Töne der Glocke in ihrer
                              									Intensität etwas verschieden werden? — Eine solche
                              									periodische Aenderung findet übrigens auch dann statt, wenn a positiv, aber sehr klein ist.
                           Nach allem diesem muß also, wenn die Glocke in gewöhnlicher Weise
                              									geläutet werden soll, der Abstand a
                              									größer sein, als er sich aus der Gleichung (9) oder (10) ergibt.
                              									Die Beobachtung lehrt auch in der That, daß wenigstens bei allen
                              									größern Glocken der Abstand der Drehpunkte größer ist als die
                              									Differenz der Pendellängen. Man vergleiche nur die Angaben in
                              									folgender Zusammenstellung, welche die Resultate von
                              									Beobachtungen an der Kaiserglocke und mehreren andern Glocken
                              									enthält.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 220, S. 490
                              Pendellänge;
                                 										Abstand; Quotient; der Glocke.; des Klöppels.; Differenz.;
                                 										der Drehpunkte.; des Drehpunktes vom Anschlagepunkt d.
                                 										Klöppels.; aus dem Gewichte der Glocke.; l; l1; l—l1;a;a/l— l1; Glocken des Kölner Doms.; I Kaiserglocke Nr. 1; Kaiserglocke
                                 										Nr. 2; II Pretiosa; III Speciosa; IV Hl. drei Könige; Glocken einer Dorfkirche.; V; VI;
                                 										VII; Glocke der Münsterkirche zu
                                 										Bonn
                              
                           Die Pendellängen sind hier aus den Schwingungszahlen berechnet
                              									worden. Die negativen Abstände des Schwingungspunktes des
                              									Klöppels vom Anschlagpunkte bei der Kaiserglocke bedeuten, daß
                              									der erstere unter letzterm lag, während gewöhnlich das
                              									Umgekehrte der Fall ist.
                           
                           Die Angaben über die KaiserglockeDem freundlichen Entgegenkommen des
                                    									Dombauvereins, sowie des Fabrikanten, welcher die Kaiserglocke
                                    									gegossen hat, verdanke ich es, daß ich im Stande bin, die in
                                    									dieser Abhandlung enthaltenen, die Domglocken betreffenden
                                    									Beobachtungsresultate mitzutheilen. — Sehr gern hätte ich
                                    									auch Angaben über die Glocke Maria
                                       									gloriosa des Doms zu Erfurt in obige Zusammenstellung
                                    									aufgenommen. Es hat mir jedoch ungeachtet mehrfacher
                                    									diesbezüglicher Bemühung nicht gelingen wollen, solche zu
                                    									erhalten. Der Nothbehelf, welchen man bei dieser Glocke
                                    									anwendet, um beim Läuten den Klöppel zum Anschlagen zu bringen,
                                    									zeigt recht auffallend, wie jämmerlich es mit der Kunst, Glocken
                                    									richtig aufzuhängen etc., bestellt ist. beziehen sich
                              									auf zwei Versuche, welche im vorigen Jahre am 9. October (Nr. 1)
                              									und 2. December (Nr. 2) stattfanden. Bei ersterm fiel der
                              									Schwingungspunkt mit dem Anschlagepunkte, also auch mit dem
                              									Mittelpunkte des Stoßes fast genau zusammen; er hatte also die
                              									für eine centrale Stoßwirkung erforderliche Lage. Gleichwohl lag
                              									er noch bei weitem nicht tief genug, damit ein regelmäßiges
                              									Anschlagen des Klöppels erfolgte; letzterer bedürfte nach jedem
                              									Schlage 5 bis 6 freier Schwingungen, um wieder die Glocke zu
                              									erreichen. Den Grund hiervon erkennt man gleich. Der Abstand der
                              									Drehpunkte war nur um 1/50 größer als die Differenz der
                              									Pendellängen, während er bei Pretiosa und Speciosa das
                              									anderthalbfache und bei der Glocke des Bonner Münsters gar mehr
                              									als das Doppelte derselben beträgt. Es rührt dieses ungünstige
                              									Verhältniß an der Kaiserglocke daher, daß deren Pendellänge, wie
                              									aus der letzten Columne der Tabelle zu ersehen, verhältnißmäßig
                              									viel größer ist als z. B. bei Pretiosa. Allerdings hat auch
                              									Speciosa eine verhältnißmäßig große Pendellänge und dennoch ist
                              									hier der Abstand a sogar noch
                              									beträchtlicher als bei der größern Pretiosa. Hierbei muß jedoch
                              									berücksichtigt werden, daß bei der Kaiserglocke und bei Speciosa
                              									die Ursache der großen Pendellänge eine ganz verschiedene ist.
                              									Bei der letztern besteht sie darin, daß deren Aufhängungspunkt
                              									ziemlich hoch liegt, während dagegen die Kaiserglocke an einer
                              									gekröpften Welle so aufgehängt ist,
                              									daß ihre Drehachse ungefähr in gleicher Höhe mit der obern
                              									Fläche der Glocke liegt. Die Hauptmasse der Welle, deren Gewicht
                              									ungefähr 2/5 von dem der Glocke beträgt, befindet sich ziemlich
                              									weit über der Drehachse. Hierdurch wird das statische Moment
                              									verkleinert, das Trägheitsmoment vergrößert, und es mußte
                              									deshalb eine große Pendellänge die nothwendige Folge sein.
                           Um die Glocke läutbar zu machen, hat man (noch vor dem Versuche
                              									im October) zwischen Glocke und Welle ein Zwischenstück
                              									angebracht und dadurch erstere um 210mm
                              									gesenkt; ferner hat man den Drehpunkt des Klöppels bald höher,
                              									bald tiefer gelegt. Der Erfolg war bei allen diesen Aenderungen
                              									nur gering, ohne Zweifel deshalb, weil dabei immer zwei Größen,
                              									der Abstand a und eine Pendellänge
                              									zugleich sich änderten  — die eine in vortheilhaftem, die
                              									andere in nachtheiligem Sinne. So wurde z. B., wenn man den
                              									Drehpunkt des Klöppels hinauf rückte, die Pendellänge desselben
                              									größer, der Abstand a aber ungefähr
                              									um eben so viel kleiner; wenn also vorher nahezu a = l
                              									— l1, war, so war es auch
                              									nachher noch so. Da jedoch eine kleine Besserung dabei erzielt
                              									wurde, so hat man mit Versuchen in dieser Richtung fortgefahren,
                              									bis man mit dem Drehpunkte des Klöppels bis dicht unter die
                              									Wölbung der Glocke gekommen war.Es ist wohl selbstverständlich, daß
                                    									es nicht meine Absicht sein kann, aus diesem Verfahren dem
                                    									Urheber desselben einen Vorwurf zu machen. Niemand ist
                                    									verpflichtet, in seinem Gewerbe eine höhere Stufe einzunehmen
                                    									als alle seine Fachgenossen. Nicht der einzelne Fabrikant,
                                    									sondern die ganze Glockenmontirungskunst tappte hier im Dunkeln.
                                    									Nach den verschiedenen, manchmal höchst seltsamen Urtheilen,
                                    									welche in der Presse über das Verhalten der Kaiserglocke zu
                                    									lesen waren, sowie nach den zur Abhilfe gemachten Vorschlägen
                                    									muß ich annehmen, daß von dem wirklichen Zusammenhange weder
                                    									irgend ein Glockengießer, noch sonstiger Techniker, der sich mit
                                    									der Sache beschäftigt hat, eine Ahnung hatte. Jedem andern
                                    									Glockengießer hätte es eben so gehen können; wäre er glücklicher
                                    									gewesen, so hatte er dies nur dem ihm günstigern Zufalle, nicht
                                    									seiner größern Sachkenntniß zu verdanken.
                           Dann erst wurde der allein richtige Weg eingeschlagen, ohne
                              									anderweitige Aenderungen die Pendellänge des Klöppels zu
                              									vergrößern. Ich hatte zu dem Zwecke eine Einrichtung des
                              									Klöppels vorgeschlagen, bei welcher die Pendellänge durch eine
                              									angehängte und mittels Schrauben verschiebbare Gußplatte bis auf
                              									303cm gebracht werden konnte. Der Schwingungspunkt lag
                              									dann 26cm unterhalb des Anschlagepunktes — eine
                              									Grenze, die schwerlich überschritten werden durfte, wenn keine
                              									merklich schlingernde Bewegung des Klöppels eintreten sollte.
                              									Unglücklicher Weise sah man sich jedoch durch wenig begründete
                              									Rücksichten auf Festigkeits- und andere Verhältnisse veranlaßt,
                              									von den vorgeschriebenen Maßen so bedeutend abzuweichen, daß der
                              									Schwingungspunkt im Maximum nur um 10cm,5
                              									unter dem Anschlagepunkte lag. Hierdurch war der ursprüngliche
                              									Zweck der anzustellenden Versuche, entweder die Bedingungen zu
                              									ermitteln, unter denen das Läuten vollständig gelang, oder den
                              									Beweis zu liefern, daß es bei der damaligen Aufhängungsweise der
                              									Glocke nicht gelingen konnte, vereitelt. Jedoch wurde wenigstens
                              									das eine bestimmte Resultat erhalten, daß unter Bedingungen,
                              									welche von denen des centralen Stoßes nicht sehr bedeutend
                              									abweichen, das Läuten vollständig mißlingen würde. Der Erfolg
                              									war nämlich selbst in dem Grenzfalle, wo der Schwingungspunkt um
                              									10cm,5 (obige Zusammenstellung Nr. 2) tiefer lag als
                              									der Anschlagepunkt, noch keineswegs befriedigend. Ein
                              									regelmäßiges Anschlagen bei jeder Schwingung wurde zwar
                              									erreicht; aber die Schläge waren nicht kräftig genug und die
                              									Gleichmäßigkeit derselben zu sehr abhängig von zufälligen
                              									Ungleichheiten in der Vertheilung der Zugkräfte.
                           
                           Demnächst wurde wieder ein Klöppel von gewöhnlicher Form aus
                              									Schmiedeisen angefertigt, jedoch annähernd nach dem Muster jenes
                              									Versuchsklöppels bei dessen größter Pendellänge. Meinem Rathe,
                              									die Pendellänge noch beträchtlich größer zu nehmen, wurde nicht
                              									entsprochen, theils weil es an Raum fehlte, um den untern Theil
                              									noch mehr verlängern zu können, theils weil man mit Rücksicht
                              									auf die nöthige Festigkeit Bedenken trug, dem obern Theile eine
                              									so geringe Dicke zu geben, wie ich vorschlug. Das hier nahe
                              									liegende Auskunftsmittel, diesem obern Theil einen rechteckigen
                              									Querschnitt zu geben, wo dann an der Masse gespart werden
                              									konnte, ohne die Festigkeit zu beeinträchtigen, wurde deshalb
                              									nicht angewendet, weil man dann diesen Theil nicht auf der
                              									Drehbank bearbeiten konnte. So kam denn ein Klöppel zu Stande,
                              									welcher in der Pendellänge von dem Versuchsklöppel nur wenig
                              									abwich. Mit dem neuen Klöppel wurde am 11. Februar d. I. eine
                              									Probe vorgenommen; dieselbe fiel so aus, wie wegen der
                              									Uebereinstimmung der Umstände mit denjenigen am 2. December v.
                              									I. zu erwarten stand. Ein regelmäßiges Anschlagen bei jeder
                              									Schwingung der Glocke fand wieder statt, ebenso jedoch auch die
                              									frühere Verschiedenheit desselben. An der einen Seite gab die
                              									Glocke einen volleren Ton, als an der andern, und der
                              									Unterschied war bei dem zweiten der beiden vorgenommenen
                              									Versuche größer als bei dem ersten, was ohne Zweifel von einer
                              									Verschiedenheit der wirkenden Zugkräfte herrührte.
                           Aber selbst wenn man hinsichtlich der Regelmäßigkeit der Bewegung
                              									des Klöppels die Aufgabe als ziemlich gelöst hätte betrachten
                              									wollen, so blieben doch noch sehr wesentliche Uebelstände übrig.
                              									Zunächst entstand nämlich beim Anschlagen ein höchst
                              									widerwärtiger klatschender Ton — ähnlich demjenigen, den
                              									zwei an einander geschlagene Metallplatten geben. Derselbe
                              									dauerte zwar nur einen Augenblick und war auch in größerer
                              									Entfernung nicht hörbar; aber der eigentliche Ton der Glocke,
                              									welcher gleich darauf eintrat, besaß durchaus nicht die nöthige
                              									Intensität. Es trat dies besonders hervor, als einige Tage
                              									später die Kaiserglocke mit den übrigen größern Glocken des Doms
                              									zusammen geläutet wurde. Selbst wenn sie nur mit einer von
                              									denselben, der größten, zusammentönte, wurde ihr Ton von dem der
                              									letztern gänzlich verdeckt; nur den Klirrton beim Anschlagen des
                              									Klöppels hörte man deutlich. Die Ursache des Klirrtons ist wohl
                              									zum größten Theil die, daß der Klöppel mittels eines eisernen
                              									Zwischenstückes aufgehängt ist. Daß man gewöhnlich den Klöppel
                              									einer Glocke mittels eines ledernen Riemens aufhängt, geschieht
                              									wohl nicht blos der Einfachheit wegen.
                           Die geringe Intensität des Tones aber kann nur darin ihren  Grund
                              									haben, daß der Klöppel noch nicht kräftig genug gegen die Glocke
                              									stößt. In der That war dies auch unter Verhältnissen, bei
                              									welchen erst eben ein regelmäßiges
                              									Anschlagen erreicht wurde, gar nicht zu erwarten. Auch zeigt
                              									obige Tabelle, daß bei der Kaiserglocke die die Bewegung
                              									bestimmenden Größen, so wie sie bei den letzten Versuchen waren
                              									(Nr. 2), noch lange nicht in entsprechender Proportion stehen,
                              									wie bei der leicht läutbaren Speciosa oder auch nur der etwas
                              									schwerfälligern Pretiosa.
                           Eine weitere Annäherung an das richtige Verhältniß kann nun nicht
                              									wohl dadurch geschehen, daß man die Pendellänge des Klöppels
                              									noch größer macht. Denn obgleich hier die Grenze, bei welcher
                              									entschiedene Nachtheile sich einstellen, nicht, wie es meine
                              									Absicht war, durch Versuche festgestellt ist, so läßt sich doch
                              									mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß die zulässige Grenze
                              									erreicht, wenn nicht schon überschritten ist. Zu dem oben
                              									erwähnten Klirrton trägt möglicherweise auch der Umstand bei,
                              									daß der Stoß des Klöppels gegen die Glocke von einem centralen
                              									Stoße bedeutend abweicht. Dennoch kann eine weitere Verbesserung
                              									auch jetzt noch erreicht werden, dadurch nämlich, daß man, statt
                              									die Pendellänge des Klöppels zu vergrößern, diejenige der Glocke
                              									verringert. Dies würde schon früher geschehen sein, wenn es
                              									nicht so sehr umständlich wäre; da aber jetzt nichts anderes
                              									übrig bleibt, so wird man sich dazu entschließen müssen.
                           Eigenthümliche Verhältnisse zeigen in obiger Zusammenstellung die
                              									Glocken V, VI und VII. Bei VI
                              									ist nämlich die Differenz der Pendellängen genau gleich dem
                              									Abstände der Drehpunkte und bei V
                              									und VII sogar beträchtlich größer.
                              									Von diesen Glocken wurde mir aber auch gesagt, daß denselben
                              									beim Läuten immer ein kräftiger Ruck gegeben werden müsse, um
                              									den Klöppel zum Anschlagen zu bringen. Bei ruhig schwingender
                              									Bewegung der Glocke würde dies in der That nicht möglich sein.
                              									Es ist begreiflich, daß bei kleinern Glocken, auch wenn sie
                              									solche Fehler haben, es doch immer möglich ist, durch ruckweise
                              									Bewegung den Klöppel an die Glocke zu schleudern; kann man sie
                              									nicht in ruhiger Weise läuten, so rüttelt man sie. Eine Glocke
                              									von der Größe derjenigen des Cölner Doms dagegen läßt sich nicht
                              									in dieser Weise behandeln. Wenn also, bei der Abwesenheit aller
                              									bestimmten Regeln, der Zufall es einmal so fügt, daß eine solche
                              									große Glocke in obiger Weise fehlerhaft wird, so kommt die reine
                              									Praxis in Verlegenheit und weiß sich nicht zu helfen.
                           Für die praktische Anwendung lassen sich die Hauptresultate der
                              									vorstehenden Erörterungen in folgende beiden Regeln
                              									zusammenfassen:
                           
                           1 Man hänge die Glocke so auf, daß ihre
                              									Pendellänge möglichst klein wird. Selbst der kleinste Werth,
                              									welchen sie erreichen kann, wird nie zu klein sein.
                           2 Man gebe dem Klöppel eine solche
                              									Pendellänge, daß der Schwingungspunkt in gleicher Höhe mit dem
                              									Anschlagepunkte liegt.
                           Hierdurch wird eine untadelhafte Stoßwirkung und zugleich die mit
                              									dieser vereinbare größtmögliche Leichtigkeit des Läutens
                              									erreicht.
                           Ein wirkliches Arbeiten nach diesen Regeln erfordert übrigens
                              									einfache Formeln und Tafeln, welche in jedem besondern Falle die
                              									Dimensionen der einzelnen Constructionstheile liefern. Solche
                              									Formeln und Tafeln gedenke ich aufzustellen und später zu
                              									publiciren.
                           Düren, Ende
                              									Februar 1876.