| Titel: | Zur Geschichte der condensirten Milch; von E. A. Horsford. | 
| Autor: | E. A. Horsford | 
| Fundstelle: | Band 220, Jahrgang 1876, Nr. , S. 539 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        Zur Geschichte der
                           								condensirten Milch; von E. A. Horsford.
                        Horsford, zur Geschichte der condensirten
                           								Milch.
                        
                     
                        
                           Als ich im I. 1849 die Untersuchung über Conservirung der Milch
                              									begann, war mir Nichts, was sich auf den Gegenstand bezog,
                              									bekannt, mit Ausnahme des Versuches von Gay-Lussac, welchen Liebig in
                              									seiner Vorlesung erwähnte, durch täglich wiederholtes Erhitzen
                              									zum Sieden, die Milch mehr als 100 Tage lang, wenn ich mich
                              									recht erinnere, süß zu erhalten. Denn damals waren mir wenige
                              									von den wissenschaftlichen oder technischen Zeitschriften
                              									Europas leicht zugänglich; die frühern Bände der Annales de Chimie et de Physique, von
                              									Dingler's polytechnischem Journal, von dem pharmaceutischen
                              									Centralblatt, von Buchner's Repertorium, sowie die Berichte des
                              									franzöfischen und englischen Patentamtes standen mir nicht zur
                              									Verfügung. Selbstverständlich war mir die Anwendung des Zuckers
                              									und des Syrups zu dem Einmachen der Früchte bekannt, ebenso das
                              									Verfahren von Appert, die Luft
                              									abzuschließen und das Gefäß bei Siedehitze zu verlöthen. Ich
                              									ging bei meinen Versuchen von dem Gedanken aus, daß, wenn ich
                              									die Molecularbewegung der Bestandtheile der Milch zu verhüten im
                              									Stande wäre, deren Zersetzung verhütet und sie süß erhalten
                              									werden könnte. So einfach als dies erscheint, so verging doch
                              									viel Zeit, ehe es mir gelang, in Form einer Paste, oder als ein
                              									trocknes, nicht hygroskopisches Pulver oder als eine
                              									zusammenhängende feste Masse ein Präparat darzustellen, welches
                              									den an ein Handelsproduct gestellten Anforderungen wirklich
                              									entsprach. Eines der ersten Ergebnisse meiner Untersuchung war
                              									die Erkenntniß der Nothwendigkeit der Verdampfung bei niedriger
                              									Temperatur, deren Grund leicht einzusehen ist. Wird nämlich das
                              									Wasser bei einer so hohen Temperatur aus der Milch ausgetrieben,
                              									daß Dampfblasen auf dem Boden des Abdampfgefäßes entstehen, so
                              									bleibt das Caseïn an dem Boden haften und die beginnende
                              									trockene Destillation verleiht der concentrirten Flüssigkeit
                              									einen nachtheiligen, wenn auch unbedeutenden brenzlichen  Geruch.
                              									Bei Zusatz von Zucker und der allmälig fortschreitenden
                              									Verdampfung des Wassers kann jeder gewünschte Grad von Zähigkeit
                              									erreicht und das Product als ein Teig, oder als ein körniges
                              									Pulver oder als eine zusammenhängende Masse erhalten werden.
                           Nach Feststellung der zwei hauptsächlichsten Erfordernisse, der
                              									Verdampfung bei niedriger Temperatur, und der als Zusatz
                              									erforderlichen Zuckermenge, überließ ich die Erfindung meinem
                              									Assistenten Dalson, der bald darauf
                              									seine Stelle aufgab und sich der Ausbildung des Verfahrens zu
                              									einem fabrikmäßigen Betriebe zuwendete. Er construirte einen
                              									Abdampfapparat, bei welchem ein Luftstrom die Oberfläche der
                              									fortwährend umgerührten Flüssigkeit traf und ein Dampfmantel den
                              									Inhalt erhitzte. Nach mehrjährigen Versuchen trat Dalson mit den HH. Blatchford und Harris zu
                              									New-York in Verbindung, welche meines Wissens schon damals sich
                              									mit der Milchcondensirung befaßten und eine größere Fabrik in
                              									einem der Milchdistricte in der Nähe von New-York anlegten. Dalson hatte sich seinen Apparat im J.
                              									1854 patentiren lassen und Blatchford
                              									und Harris machten von ihm Gebrauch.
                              									Sie zahlten die gebräuchliche Summe für das Unternehmen, eine
                              									wissenschaftliche Erfindung für den praktischen Gebrauch und den
                              									Fabrikbetrieb nutzbar zu machen; sie büßten zwar einen
                              									bedeutenden Geldbetrag ein, erzeugten aber unter andern
                              									bedeutende Mengen 300k feste condensirte Milch für Dr. Kane's
                              									Nordpolexpedition. In sehr hervorragender Weise trug dieselbe
                              									nach dem Zeugniß von Dr. Kane zu dem sehr erfreulichen Ergebniß
                              									bei, daß die Gesundheit der Officiere und Mannschaften bei dem
                              									kühnen Unternehmen zur Erreichung des Nordpols erhalten blieb.
                              									Glücklicher Weise wurde von dieser Masse eine kleine Probe von
                              									Blatchford aufbewahrt; sie zeigt sich
                              									noch vollkommen gut erhalten, obgleich sie nur in ein loses
                              									Papier eingewickelt ist, und liegt mir jetzt, 20 Jahre nach
                              									ihrer Bereitung, vor.
                           Blatchford verbesserte den
                              									Abdampfapparat, indem er dabei die Vacuumpfanne in Anwendung
                              									brachte und Richter Blatchfort,
                              									gegenwärtig Mitglied des United States
                                 									Supreme District Court, entwarf die vorläufige Beschreibung
                              									behufs der Erwerbung eines Patentes, aber Mangel an Mittel
                              									verhinderten die weitere Ausbeutung des Unternehmens.
                           In demselben Jahre (am 19. August 1856) erhielt Gail Borden ein Patent für die besondere
                              									Anwendung der Vacuumpfanne zur Bereitung von condensirter Milch
                              									ohne Zusatz von Zucker. Bald darauf
                              									stellte Borden dieses Präparat dar
                              									und zwar Jahre lang, sowie in großen Mengen in Form einer
                              									verdickten halbflüssigen Masse. Dasselbe war  für einen
                              									verhältnißmäßig baldigen Gebrauch bestimmt, wurde nicht in
                              									verlötheten Büchsen, sondern in offenen Kannen verschickt und
                              									wie die gewöhnliche Milch an die Abnehmer vertheilt. Erst in
                              									einer spätern Zeit lieferte Borden
                              									unter Zusatz von Zucker bereitete condensirte Milch in
                              									verlötheten Büchsen für Seereisen und als allgemeinen
                              									Handelsartikel in sehr ansehnlichen Mengen.
                           Bei der Discussion der Jury, IV.
                              									Gruppe der Wiener Ausstellung 1873 über die Verleihung des
                              									Ehren-Diploms an die Anglo Swiss
                                 									Condensed Milk Company zu Cham im Canton Zug sind meine
                              									Angaben, welche ich behufs der Begründung der Ansprüche Amerikas
                              									auf die Ehre, das erste Land gewesen zu sein, welches
                              									condensirte Milch als einen wichtigen Handelsartikel einführte,
                              									vorbrachte, theilweise mißverstanden worden, namentlich in Bezug
                              									auf Dalson und Borden. Der erstere war mein Assistent, der letztere
                              									dagegen ist es nie gewesen, wie irrthümlich (in Thiel's Bericht) angegeben wird. Dalson übergab ich die Ergebnisse meiner
                              									Versuche zur Darstellung von condensirter Milch mit Hilfe eines
                              									Zusatzes von Zucker und der Verdampfung bei niedriger Temperatur
                              									unter beständigem Umrühren und bei Luftzutritt. Derselbe erfand
                              									einen Abdampfapparat zur fabrikmäßigen Bereitung des Präparats
                              									für den Handel. Gail Borden dagegen
                              									hat das Verdienst, den Vacuumapparat zuerst mit Erfolg
                              									angewendet und in größerm Maßstabe condensirte Milch ohne
                              									Zuckerzusatz behufs des leichtern Transportes und zum
                              									unmittelbaren Gebrauch, aber ohne Verpackung in verlötheten
                              									Büchsen dargestellt zu haben. Wie schon erwähnt, setzte er erst
                              									später Zucker zu und verlieh dem Präparat durch Aufbewahren in
                              									verlötheten Blechbüchsen eine fast unbegrenzte Haltbarkeit.
                           Mir selbst darf ich wohl das Verdienst zuschreiben, als
                              									selbstständiger Forscher die Bedingungen und Mengenverhältnisse
                              									der Substanzen festgestellt zu haben, unter welchen es durch
                              									meinen Assistenten Dalson und den HH.
                              									Blatchford und Harris glückte, die erste condensirte Milch mit Erfolg in
                              									den Handel zu bringen. Mir ist nicht bekannt, daß zur Zeit
                              									meiner Versuche irgend ein derartiges Product, welches sich
                              									vollkommen haltbar erwiesen hatte, im Handel vorkam, oder einige
                              									halbe Dutzend Jahre später ein solches, welches nicht auf meinen
                              									Versuchen beruhte. Das Präparat von De
                                 									Lignac scheint wegen mancher Gründe keinen Erfolg gehabt zu
                              									haben, obgleich es nach Einsicht der betreffenden Abhandlung
                              									nicht leicht ist, sie anzugeben, etwa dies ausgenommen, daß die
                              									Zeit zu seiner Einführung noch nicht reif war. Seitdem ich das
                              									Interesse, mit welchem die Sache verfolgt wird, kennen lernte,
                              									habe ich die mir jetzt zur Verfügung stehenden Zeitschriften
                              									durchgesehen und  finde, daß schon vor Aufnahme meiner
                              									Versuche im Allgemeinen eine große Anzahl von Erfindungen und
                              									Untersuchungen bezüglich der Condensirung und Haltbarmachung der
                              									Milch vorlagen.
                           Ich will nun im Nachstehenden eine Uebersicht derselben geben und
                              									beginne mit der Anglo Swiss Condensed
                                 									Milk Company zu Cham in der Schweiz (vgl. 1867 185 85) 1868 189 322). Nach den Angaben des
                              									schweizerischen Katalogs der Wiener Ausstellung 1873 war
                              									dieselbe das erste Etablissement zur Fabrikation von
                              									condensirter Milch in Europa und wurde 1866 gegründet.
                           Gail Borden erhielt nach den Berichten
                              									des Patentamtes der Vereinigten Staaten sein Patent am 19.
                              									August 1856 für eine Verbesserung bei der Concentration der
                              									Milch. Die Berichte sagen:
                           „Das Wesen dieser Erfindung besteht darin, daß die süße
                                 									Milch in einem luftleeren Gefäße C,
                                 									vor der Einwirkung der Atmosphäre geschützt, aufbewahrt wird und
                                 									ihre Concentration in einem Vacuumapparat B erfolgt, um die beginnende Zersetzung ihrer
                                 									Bestandtheile während des Verdampfens zu
                                 									verhüten.“…
                           
                              „Mir ist sehr wohl bekannt, daß Zucker und verschiedene
                                 									Extracte in einer Vacuumpfanne bei niedriger Temperatur
                                 									concentrirt wurden oder jetzt noch werden, um ihre Färbung und
                                 									ihr Anbrennen zu vermeiden. Ebenso ist mir bekannt, daß die
                                 									Milch, um ihre Haltbarkeit zu erhöhen, schon seit langer Zeit
                                 									aufgekocht und dann in luftdicht verlötheten Gefäßen aufbewahrt
                                 									wird. Auf beide Verfahren erhebe ich keinen Anspruch. Auch weiß
                                 									ich, daß William Newton und Andere
                                 									Patente in Betreff der Concentrirung der Milch durch
                                 									verschiedene Abdampfverfahren und in Verbindung mit einen Zusatz
                                 									von Zucker, um sie löslich und haltbar zu machen, erhalten
                                 									haben. Auch dies beanspruche ich nicht als meine Entdeckung oder
                                 									Erfindung. Aber ich stelle das Gesuch auf die Bereitung von
                                 									concentrirter Milch durch Verdampfen im Vacuumapparat im
                                 									Wesentlichen, wie beschrieben, ohne Zusatz von Zucker oder
                                 									andern fremdartigen Stoffen.“
                              
                           Das Patent wurde auch in England genommen unter dem Titel:
                              									„Verbesserungen in der Concentration der Milch und der
                                 									Bereitung von starken Extracten aus Thee, Kaffee und
                                 									Chocolade.“ Das unmittelbar vorhergehende Patent
                              									wurde von meinem Assistenten Dalson
                              									genommen und lautet, wie folgt:
                           „Patentamt der Vereinigten Staaten, 1854 S. 458 Nr. 11
                              									193. August F. Dalson. Apparat zum
                              									Austrocknen von Nahrungsmitteln, patentirt am 27. Juni 1854.
                           Dieser Apparat besteht aus einer runden flachen Pfanne A A. Die zu verarbeitende Substanz
                              									befindet sich in der kreisförmigen, mit einem Rand versehenen
                              									Vertiefung, und ein Rührer t und
                              									eine Walze r erzeugen beständig eine
                              									neue Oberfläche auf der Flüssigkeit, so lange die Verdampfung
                              									dauert. Gleichzeitig und später wird beständig ein Luftstrom
                              									über die Oberfläche der Flüssigkeit angezogen oder gepreßt
                              									zwischen der Pfanne A A und dem
                              									Deckel C C hindurch nach der
                              									Mittelröhre P. Das Erhitzen wird
                              									entweder durch den Dampfmantel B B
                              									oder durch Dampfröhren p oder in
                              									einer andern Weise bewerkstelligt.
                           
                           Anspruch der Neuheit: auf die Verbindung der flachen Pfanne A mit einem starken Luftstrom, unterhalb
                              									des Deckels C ein- und durch die in
                              									der Mitte befindliche Abzugsröhre P
                              									austretend, im Verein mit dem Apparat zum beständigen Umrühren
                              									mittels des sich drehenden Deckels C
                              									und seines Zubehörs t, r, wesentlich
                              									wie beschrieben.“
                           Mittels dieses patentirten Apparates wurde 1856 durch Blatchford und Harris condensirte Milch in festen Klumpen für die
                              									Nordpolexpedition von Dr. Kane, wie bereits erwähnt,
                              									dargestellt.
                           Das nächst vorhergehende Patent wurde in England an Felix Louis am 6. Mai 1848 verliehen. Derselbe
                              									stellte feste Kuchen von condensirter Milch dar, er 1/40 Zucker
                              									zusetzte und bei einer Temperatur von 80 bis 90°
                              									verdampfte. (Vgl. * 1849 111 438.)
                           Am 13. November 1847 erhielt Thomas Shipp Grimwate für England ein Verfahren patentirt, welches
                              									darin besteht, daß die Milch im Vacuum bei einer niedrigen
                              									Temperatur von dem größten Theil des Wassers, nach Zusatz einer
                              									kleinen Menge Salpeters, befreit und dann in Flaschen oder
                              									andere Gefäße, welche vorher luftleer gemacht wurden, gefüllt
                              									wird. Man bewahrt sie darin, vor Luftzutritt geschützt, auf und
                              									verdünnt sie zum Gebrauch mit soviel reinem Wasser oder einer
                              									andern geeigneten Flüssigkeit, als bei dem Verdampfen
                              									abgeschieden wurde, so daß sie wieder als Nahrungsmittel
                              									verwendbar ist.
                           Am 7. October desselben Jahres (1847) ließ sich I. M. De Lignac (*1848 108 363) 1874 211 151) sein Verfahren für Frankreich und am 10. März 1848
                              									für England patentiren (1849 113 454). Dasselbe wurde von Payen (1850 115 71) warm
                              									empfohlen, wobei er sich über mehrere ältere Vorschriften
                              									ungünstig äußerte, so über die von Braconnot, bei welcher ein Theil der Milch verloren ging,
                              									über das Verfahren von Villeneuve,
                              									welches leicht die Abscheidung der Butter veranlaßte, über das
                              									von Apper aus dem gleichen Grunde und
                              									über dasjenige von Robinet, weil es
                              									viel eher ein Laboratoriumsversuch als eine technisch brauchbare
                              									Methode darstelle.
                           De Lignac verdickte die Milch auf 1/5
                              									ihres Volums unter beständigem Umrühren in flachen Pfannen,
                              									welche von einem Dampfmantel umgeben sind und die Milch in einer
                              									2 bis 3cm hohen Schichte enthalten. Er setzte 1/16 ihres
                              									Gewichtes Zucker zu und hielt die Temperatur auf 85,5 bis
                              									90,5°. Das Präparat hielt sich in offenen Gefäßen 14 Tage
                              									lang, und nach dieser Zeit wurde der innere Antheil nach
                              									Entfernung des äußern noch gut und brauchbar gefunden.
                           In dem englischen Patent war die Concentration der Milch auf 1/6
                              									ihres Volums vorbehalten, der entstandene Schaum wurde mittels
                              									eines Spatels verrührt und die an die Wände gespritzten
                              									Theilchen nicht  in die zu concentrirende Flüssigkeit
                              									gekratzt, welche bis zur Honigconsistenz verdampft wurde.
                           Nach dem 1843 patentirten Verfahren von Searle (1843 89 398) verdampft man die
                              									abgerahmte Milch auf einem Wasserbad, setzt 1/40 ihres Gewichtes
                              									Zucker zu, um die Löslichkeit zu erhalten, und stellt ein
                              									vollkommen trocknes Product dar.
                           Im März 1835 las Grimaud (1835 56 474) vor der Akademie der Wissenschaften zu Paris eine
                              									Abhandlung über das Lacteïn. Er ließ die Milch in einer dünnen
                              									Schichte über eine stark geneigte Platte fließen und trocknete
                              									sie durch einen darüber geführten Luftstrom bis auf 1/10 ihres
                              									Volums ein.
                           In einer Anmerkung des Herausgebers von Dingler's polytechnischem
                              									Journal (1836 61 225) findet sich die
                              									Andeutung, daß Grimaud der fremde
                              									Erfinder ist, in dessen Interesse William Newton (1836 61 223) das nachstehende Patent
                              									sich auf seinen eigenen Namen ertheilen ließ.
                           „Bescheinigt am 11. März 1835 das Gesuch von einem
                                 									Ausländer, eingereicht durch William Newton: Ich setze der Milch eine kleine Menge gepulverten
                                 									Hutzucker und zwar 1/15 bis 1/100 ihres Gewichtes zu. Je nachdem
                                 									das fertige Präparat einen höhern Grad von Süßigkeit erhalten
                                 									soll, kann auch diese Menge größer sein. Nach der vollständigen
                                 									Lösung des Zuckers verdampfe ich die Milch ziemlich rasch
                                 									— entweder in der Weise, daß mittels eines geeigneten
                                 									Apparates, wie er z. B. jetzt für die Verdampfung der Syrupe
                                 									gebräuchlich ist, ein Strom kalter oder warmer Luft durch die
                                 									Milch getrieben wird, oder durch Erhitzung von außen in
                                 									Verbindung mit einem luftleeren Raum über der Oberfläche, der in
                                 									irgend einer jetzt bei dem Abdampfen gebräuchlichen Weise
                                 									erzeugt wird.“...
                           In dieser Beschreibung haben wir, soweit ich mich zu vergewissern
                              									im Stande war, den zum ersten Mal verzeichneten Gebrauch der
                              									Vacuumpfanne bei der Darstellung von Milchextract.Vgl. Prandtl 1864 174 * 149. 1868
                                    									189 336. Der Auftraggeber von W. Newton benützte sie oder beabsichtigte
                              									sie in einer so vollständig wissenschaftlich begründeten Weise
                              									zu benützen, daß man jetzt zu glauben geneigt ist, es wäre nur
                              									ein wenig praktische Erfahrung nothwendig gewesen, um ihre
                              									Anwendung mit vollem Erfolg auszuführen. Doch es scheint die
                              									Sache wieder in Vergessenheit gerathen zu sein, ohne daß sie zu
                              									einer Prüfung in der Praxis gelangte.
                           Dr. Kirchoff (1831 40 73) 41 63) verdampfte die Milch zur Trockne und zerrieb sie
                              									dann zu einem Pulver. Mit Wasser angerührt, lieferte das
                              									Präparat eine der Milch zwar sehr ähnliche, aber nicht ganz
                              									gleiche Flüssigkeit (vgl. 1873 209
                              									400).
                           Gay-Lussac (1831 41 62)
                              									veröffentlichte 1830 seine Beobachtung,  daß die Milch
                              									durch tägliches Erhitzen zum Sieden Monate lang unverändert
                              									erhalten werden kann.
                           Braconnot (1830 38 144) 1831 41 134) erhitzte 2l,5 Milch auf 45° und
                              									versetzte sie unter wiederholtem Umrühren von Zeit zu Zeit mit
                              									verdünnter Salzsäure, bis sich das Caseïn und die Butter von dem
                              									Serum (den Molken) vollständig abgeschieden hatten und das
                              									letztere auf Lackmuspapier schwach sauer reagirte. Zu dem
                              									abgeschiedenen Gerinsel setzte er in mehreren Antheilen 5g
                              									gepulvertes und krystallisirtes Natriumcarbonat und löste es
                              									rasch durch gelindes Erwärmen.
                           Streng genommen ist das Verfahren von Braconnot keine Milchcondensirung, sondern nur eine
                              									Methode der Benützuug ihres Caseïns und ihrer Butter zur
                              									Bereitung eines Ersatzmittels derselben, welches durch Zusatz
                              									von Zucker concentrirt und dann unverändert für den Gebrauch zu
                              									Kaffee oder zu anderweitiger Verwendung aufbewahrt werden
                              									kann.
                           Im J. 1826 ließ sich Adolph Anaclet Malbec in Paris eine Erfindung von versendbarer Milch
                              									patentiren, über welche die Berichte des französischen
                              									Patentamtes Folgendes enthalten:
                           „Der Erfinder concentrirt die mit 1/16 ihres Gewichtes
                                 									von reinem Zucker versetzte Milch in einem silbernen Gefäße auf
                                 									einem Wasserbade unter beständigem Umrühren mit einem
                                 									Holzspatel, bis eine Probe auf einer kalten Fläche sich hart und
                                 									spröde zeigt. Man läßt dann die Masse abkühlen, wickelt sie in
                                 									Bleifolie ein, oder versieht sie mit einem andern Umschlag zum
                                 									Aufbewahren. Sie hält sich Jahre lang, ohne zu verderben; bei
                                 									dem Gebrauch löst man sie in heißem Wasser durch Erwärmen über
                                 									freiem Feuer, in dem Verhältniß von 3 Unzen oder 6 Löffel voll
                                 									in 13 Unzen Wasser.“ (Vgl. 1870 198 168. 1873 210 61.)
                           Von 1826 bis rückwärts 1791 enthalten die französischen
                              									Patentberichte kein Verfahren zur Darstellung von condensirter
                              									Milch. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß das Verfahren von
                              									Malbec vom Jahre 1826 das erste ist,
                              									welches die Milch durch Verdampfen unter Zusatz von Zucker
                              									haltbar zu machen sucht. Dasselbe war augenscheinlich nur ein
                              									Laboratoriumsexperiment, und es wurde nicht versucht, es in dem
                              									größern Maßstabe des gewerbmäßigen Betriebs auszuführen.
                           Bei der Zusammenstellung der hierher gehörigen Arbeiten geziemt
                              									es sich zu erwähnen, daß der landwirtschaftliche Verein zu
                              									Carlsruhe (1851 119 457) mehrere Jahre ein von
                              									Bremen stammendes Verfahren prüfte und empfahl, dessen
                              									Vorschrift also lautet:
                           Man löst ¼ bis ⅛ Pfd. Zucker in je 1 Pfd. Milch auf
                              									und verdampft dieselbe auf die Hälfte ihres Volums. Die
                              									eingedickte Masse füllt man in Flaschen, verkorkt, befestigt die
                              									Stopfen mit Draht und erhitzt dann die Flaschen 2 Stunden lang
                              									in einem Kessel mit siedendem Wasser. Bei dem Gebrauch verdünnt
                              									man das Präparat mit dem gleichen Volum Wasser. (Vgl. 1835 57 77.)
                           
                           Auch muß man das Verfahren von Bethel
                              									(1850 117 79) erwähnen. Derselbe
                              									sättigt die Milch mit Kohlensäure und bewahrt sie dann in gut
                              									verkorkten Flaschen auf. Fadeuilhe
                              									(1853 130 250) schlägt vor, die Milch
                              									durch Erhitzen mit Dampf unter fortwährendem Rühren bei
                              									sorgfältig regulirter Temperatur von 71 bis 77°
                              									einzudampfen nach dem Zusatze von geringen Mengen Zucker und
                              									arabischem Gummi. Mabru (1854 133 449) 1855 135 317. *138 142) will die Milch mittels eines Trichters, dessen
                              									Röhre bis auf den Boden des Gefäßes reicht, in Flaschen füllen,
                              									um die Luft vollständig auszutreiben, dann mit einer Schichte
                              									Oel bedecken und erhitzen (vgl. *1853 130 428).
                           Ueberblickt man diese verschiedenen Angaben, so muß man
                              									vermuthen, daß der unbekannte Erfinder, dessen Verfahren sich
                              									1835 Newton für England patentiren
                              									ließ, Erfolg gehabt hätte, wenn er die nöthigen Geldmittel,
                              									Geschäftsgewandheit und namentlich die Geduld besessen hätte,
                              									sein Product dem Publicum so lange vorzuführen, bis es den Werth
                              									und die Brauchbarkeit der concentrirten Milch vollkommen erkannt
                              									hätte. In einem gewissen Sinne war die Erfindung eine
                              									verfrühte.
                           Es scheint, daß fast Alle, welche die Milch durch Concentration
                              									haltbar zu machen suchten, den Zusatz von Zucker und die
                              									Verdampfung bei niedriger Temperatur unter Umrühren als
                              									wesentlich erkannt haben, um sowohl das Gerinnen des Caseïns an
                              									der Oberfläche, als auch die Abscheidung der Butter in Folge
                              									ihres geringern Volumgewichtes zu verhüten. Da aber die
                              									Zeitschriften, in welchen diese Verfahren veröffentlicht wurden,
                              									theilweise nur einen beschränkten Leserkreis besaßen und
                              									dasselbe Verfahren in Folge dessen wiederholt versucht wurde, so
                              									erscheint jeder Erfinder in Bezug auf seine Vorgänger unabhängig
                              									und selbstständig.
                           Es war vielleicht ein besonders günstiger Umstand für mich, daß
                              									ich im Vergleich zu den mir in der Lösung der Aufgabe voran
                              									gegangenen Forschern der Zeit näher stand, in welcher die
                              									Erfindung durch die Bedürfnisse eines ausgedehnten Seehandels
                              									und die Nothwendigkeit von längern Expeditionen hervorgerufen
                              									wurde. Es war mir beschieden, das Werkzeug bei Feststellung der
                              									Bedingungen des Erfolges zu sein, sie durch ein erfolgreiches
                              									gewerbliches Unternehmen nachgewiesen zu haben, und schließlich
                              									eine noch erhaltene Probe der nach meinem Verfahren bereiteten
                              									condensirten Milch zu besitzen, welche 20 Jahre lang, nur durch
                              									einen einfachen Papierumschlag vor der Luft geschützt,
                              									aufbewahrt wurde.