| Titel: | Die Arbeit des Dampfes in der Dampfmaschine; von P. Käuffer in Kaiserslautern. | 
| Autor: | P. Käuffer | 
| Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 97 | 
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                        Die Arbeit des Dampfes in der Dampfmaschine; von
                           									P. Käuffer in
                           									Kaiserslautern.Auszug aus
                                 										einem Vortrag, gehalten im Verein deutscher Ingenieure
                                    											(Pfalz-Saarbrücker Bezirksverein).
                        Käuffer, über die Arbeit des Dampfes in der
                           								Dampfmaschine.
                        
                     
                        
                           Nachfolgende Arbeit ist aus dem Bedürfniſs entstanden, mir eine möglichst einfache
                              									Berechnungsweise zu formen, mit deren Hilfe ich eine möglichst klare und doch
                              									durchaus zuverlässige Uebersicht bei Vergleichen von Dampfmaschinen mir verschaffen
                              									konnte. Aus der einfachen Berechnung mehrerer Diagramme ist nach und nach ein
                              									zusammenhängendes Ganze entstanden – im Verlauf von mehreren Jahren.
                           Betrachten wir vorerst den Kessel allein, und zwar die Dampfbildung, um uns recht
                              									klar zu werden, worin das motorische Agens der Dampfmaschine liegt. Der Dampf ist
                              									die motorische Substanz und der Kessel ist der Generator dieses Dampfes. Denken wir
                              									uns einen Kessel wie gewöhnlich mit Wasser gefüllt, genau wie er für den Betrieb
                              									einer Dampfmaschine hergerichtet wird, und das Feuer darin soeben angezündet.
                           Nachdem das Feuer auf dem Roste angebrannt ist, erwärmt sich das Wasser und es dehnt
                              									sich dasselbe mehr und mehr aus, je wärmer es wird, bis es bei 100° ein Volum von
                              									1,04 seines ursprünglichen erreicht hat, wenn es vorher 11° warm war. Dann aber hört
                              									diese Ausdehnung auf und eine viel gröſsere tritt ein, d. i. die der Dampfbildung.
                              									Das Wasser fängt an zu kochen, und Wasser in sogenannten gasförmigen Zustand, Dampf,
                              									verläſst die Oberfläche und mischt sich mit der im Kessel über dem Wasserspiegel
                              									befindlichen Luft.
                           Das Wasser wird während seines Ueberganges vom tropfbaren in den gasförmigen
                              									Aggregatzustand, in Folge erhöhter Molecular-Energie, so zertheilt, daſs es 1696mal
                              									sein ursprüngliches Volum einnimmt, bei 100°. Diese auſserordentliche Zunahme an
                              									Volum verursacht eine augenblickliche Druckerhöhung, sobald der Dampfraum im Kessel
                              									mit Dampf gefüllt ist. Die Compression dieses Dampfes erhöht seine Temperatur, und
                              									da von der Heizfläche mehr Wärme dem Wasser zuertheilt wird, so nehmen Temperatur
                              									und Energie des letzteren zu, und es sendet dasselbe mehr Dampf in den Dampfraum, wodurch Druck
                              									und Temperatur im Dampf von Neuem wachsen. So erhalten wir nach Ablauf einer
                              									gewissen Zeitperiode, einfach durch Anwendung von Wärme, ohne Hilfe einer
                              									Compressionsmaschine, einen mechanisch comprimirten
                                 										Dampf von z.B. 5at, welcher Dampf dann
                              									eine Temperatur von 152,26° hat. Wenn bei diesem Druck das Wasser nicht eine
                              									Temperatur von mehr als 152,26° hat, so kann es nicht mehr kochen; gleichförmige
                              									Temperatur und Gleichgewicht ist dann im ganzen Kessel vorhanden, so lange als nicht
                              									neue Wärme, höhere Energie, dem Wasser zuertheilt wird. Es wird kein neuer Dampf
                              									erzeugt, und der vorhandene wird nicht ferner comprimirt, weil kein Wassertheilchen
                              									dem Dampfe an Energie überlegen ist, und wenn keine Wärme verloren wird, so stehen
                              									beide, Wasser und Dampf, im Gleichgewicht zu
                              									einander.
                           Wenn diese wenigen Worte die Action der Wärme im Dampfkessel genügend klar gemacht
                              									haben, so wird man leicht einsehen, daſs die Wärme des Dampfes, mag sie durch
                              									erhöhten Druck noch so hoch steigen, nicht durch Berührung dieses Dampfes mit den
                              									heiſsen Oberflächen demselben zuertheilt wurde, sondern daſs diese Wärme einfach die
                              									Folge der mechanischen Compression des im Dampfraum bereits vorhandenen Dampfes ist,
                              									wenn durch erhöhte Energie die wärmsten Wassertheilchen nicht mehr in einem
                              									tropfbaren Zustande verbleiben konnten und das Wasser als Dampf verlieſsen. Es ist
                              									selbstverständlich, daſs der unter dem nun erhöhten Drucke erzeugte neue Dampf
                              									dieselbe Temperatur hat als der bereits erzeugte, und es ist sogar sehr
                              									wahrscheinlich, daſs derselbe durch eine gröſsere Energie, höhere Wärme, gebildet
                              									worden ist, weil er in Folge seiner Bildung den früher gemachten Dampf comprimiren
                              									muſs, um Platz für sich selbst zu machen. Dieses
                              									Platzmachen geschieht in demselben Augenblick, wenn diese Wassertheilchen aufhören
                              									tropfbar zu sein, und es ist daher die dieser mechanischen Compression äquivalente
                              									Wärme im Wasser selbst aufgezehrt, natürlich
                              									unmittelbar an der Heizfläche.
                           Wir sehen also, daſs die Wärme im Kessel folgende Vorgänge hervorruft: 1) Sie
                              									verwandelt erst das Wasser in Dampf (eine innere Arbeit, welche die Flüssigkeit im
                              									Thermometer nicht ferner auszudehnen vermag, da hier keine sogen. Potenzirung der
                              									Energie eintritt, sondern da dies eine Anhäufung von Energie ist gleicher
                              									Intensität); diese Wärmemenge ist die sogen, latente Wärme des Dampfes. 2) Macht die
                              									Wärme Platz im Verhältniſs zur Volumvergröſserung des Wassers und 3) als natürliche
                              									Folge erhöht sie Druck und Temperatur des bereits vorhandenen und ebenso des neu
                              									gebildeten Dampfes, je nach dem begrenzten Räume, in welchem das Gesammtgewicht des
                              									erzeugten Dampfes Raum finden muſs. Es ist also der Kessel nicht allein der
                              									Generator des Dampfes, sondern er verdichtet ihn auch zugleich zu einer so hohen Spannung, daſs der dem
                              									Kolben entgegenstehende schwächere Widerstand überwunden werden kann, wodurch eine
                              									Arbeitsverrichtung erst möglich, wird.
                           Während dieser Compression des Dampfes verändert sich seine innere Energie. Sie nimmt
                              									sofort ab; denn wir finden, daſs ein Theil der latenten Wärme in sogen, freie Wärme
                              									übergeht. Dies ist leicht mit den Daten von Regnault's
                              									Experimenten zu berechnen. Zwischen Dampf von 1at
                              									und 2at Totaldruck ist nach Regnault die Differenz an Totalwärme gleich 643,2952 –
                              									637 = 6c,2952 für 1k Dampf. Die latente Wärme von 1at
                              									Dampf, oder Dampf von 100°, ist 537c und die von
                              										2at Dampf ist nur 522c,6552. Die Differenz dieser zwei Mengen latenter
                              									Wärme ist 537 – 522,6552 = 14,3448, während die der totalen Wärme nur 6c,2952 war, d. i. weniger als die Hälfte. Da 6c,2952 dem Dampfe von 1at durch die Compression mit neuem Dampf
                              									zuertheilt werden muſsten, so ist die Summe aus freigewordener und neuer freier
                              									Wärme in Dampf von 2at gleich 14,3448 + 6,2952 =
                              										20c,64, wovon ungefähr ⅔ von der latenten
                              									Wärme des 1at-Dampfes geliefert werden. Wenn ich
                              									demnach den gebräuchlichen Ausdruck benutzte, daſs Wärme „frei wird“ (nicht
                              									mehr latent bleibt), so muſs ich sagen: Wärme wird frei
                                 										während der Compression des Dampfes, und es ist unmöglich anzunehmen, daſs
                              									Wärme während der Expansion des Dampfes frei wird, wie einige Mathematiker bei
                              									Berechnung des expandirenden Dampfes unbegründet angenommen haben.
                           Latente Wärme wird frei, wenn die Molecüle einander genähert werden durch mechanische
                              									Compression, und Wärme wird gebunden (um mich noch einmal dieses bekannten, aber
                              									falschen Ausdruckes zu bedienen), freie Wärme geht in innere Energie über während
                              									der entgegenstehenden Operation, d. i. während der Expansion, genau wie bei der
                              									Expansion von Wasser in Dampf.
                           In der Dampfmaschine, welche während des ganzen Hubes mit Volldruck arbeitet, die
                              									also allein vom Kessel und nicht vom Dampfe getrieben wird, da wird keine Wärme im
                              									Cylinder latent, weil der Dampf constant mit dem Kessel in Verbindung steht bis zum
                              									Augenblick, wo er mit der äuſseren Atmosphäre in Berührung kommt, und weil derselbe
                              									nicht durch Ausdehnung in einer Kammer mit beweglicher Wand (Kolben) an Volum
                              									zunimmt. Dieser Dampf verlangt also keine höhere innere Energie, da alle von der
                              									Dampfmaschine verrichtete Arbeit allein während der
                              									Volumzunahme des Wassers im Kessel geleistet wird.
                           In der Expansionsdampfmaschine ist die während der Admission verrichtete Arbeit
                              									derselben Ursache zu verdanken; aber es wird hier die Verbindung mit dem Kessel
                              									unterbrochen, nachdem der Cylinder nur theilweise gefüllt ist, und es ist hier die
                              									nach diesem Augenblick verrichtete Arbeit der früheren Compression des Dampfes im
                              									Kessel zu verdanken. Ein
                              									Theil der freien Wärme des dann im Cylinder eingeschlossenen Dampfes geht nun in
                              									Arbeit über; der andere Theil dieser freien Wärme geht über in innere Energie, im
                              									Verhältniſs zur Volumzunahme, weil dann die Molecüle in einem gröſseren Zirkel
                              									schwingen müssen, um an Energie mit dem Widerstände gegen den Kolben wenigstens im
                              									Gleichgewicht zu sein.
                           Es geschieht also die Umwandlung von Wärme in Arbeit nicht im Cylinder, sondern im
                              									Dampfgenerator, im Kessel, und die Aufgabe der Dampfmaschine
                                 										allein ist: zuerst die während der Admission vom Kessel direct geleistete Arbeit
                                 										und dann erst die in dem Dampfe angesammelte Arbeit in die einzelnen Factoren,
                                 										d.h. Weg und Druck zu zerlegen.Der Weg ist die secundliche Kolbengeschwindigkeit, und der Druck ergibt sich
                                    											aus der Spannung des Dampfes im Cylinder und der
                                    										Kolbenoberfläche.
                           Ich komme nun zur Berechnung der für das Kilogramm verrichteten Arbeit in
                              									verschiedenen Dampfmaschinen. Hier trennt sich mein Verfahren vollständig von dem in
                              									den Lehrbüchern gebräuchlichen. Ich zeichne nämlich geometrisch das Diagramm, das
                              									nach Regnault's so genauen und zuverlässigen
                              									Experimenten mit gesättigtem Dampf den verschiedenen zu betrachtenden Dampfmaschinen
                              									entspricht. Es ist, wenn man es für jeden besonderen Fall machen will, sehr umständlich, aber ganz entschieden ebenso richtig
                              									und gewiſs nicht weniger zuverlässig als die Berechnung mit Hilfe von Formeln, die
                              									man ja erst aus den Daten Regnault's abgeleitet hat.
                              									Ich habe dieses Verfahren auf drei der am häufigsten in der Praxis vorkommenden und
                              									auf einen, so zu sagen theoretischen, nämlich in der Praxis unmöglich erreichbaren,
                              									angewendet.
                           In allen vier Fällen führe ich den Dampf in den totalen
                              									Spannungen, d.h. eingerechnet der äuſseren Atmosphäre, von 1 bis 8at in den Cylinder ein. Im ersten Falle lasse ich
                              									den Dampf im Cylinder bis zum äuſseren atmosphärischen Drucke expandiren; im zweiten
                              									Falle bis zu ½at über dem Vacuum, im dritten Falle
                              									bis zu 1/16at über dem Vacuum, während ich im vierten Falle
                              									den Dampf im Cylinder gar nicht expandiren, sondern ihn von Anfang bis Ende des
                              									Kolbenhubes unter vollem Kesseldruck wirken lasse. Dies ist nun nicht anders zu
                              									erreichen als damit, daſs ich mit der Zeichnung des Diagrammes am Ende des
                              									Kolbenhubes anfange, mit der Endspannung des Dampfes, und nach Angaben Regnault's über das Verhalten des gesättigten Dampfes
                              									die demselben entsprechende Curve, rückwärts greifend bis zum Anfang des Hubes,
                              									aufzeichne. Ich verfahre also geradezu umgekehrt, als wenn ich mit Hilfe einer
                              									Formel von einem gewissen Punkte an, wo der Schieber den Dampfstrom abschneidet, die
                              									Curve der Expansion berechne. Indem ich nun meine Curve rückwärts steigend auftrage, erhalte ich
                              									z.B. im ersten Diagramm, wo der Dampf am Ende des Hubes 1at Spannung hat, dort, wo meine Curve auf der
                              									Spannung von 2at angelangt ist, durch das
                              									Auftragen einer Parallelen zur Basis die Länge der Einführung, wenn ich mit Dampf
                              									von 2at bis zum Hubende Dampf von 1at haben will. Dies habe ich nun bis zu 8at fortgesetzt und ersehe aus diesem Diagramm jede
                              									Hublänge, bei welcher ich (theoretisch) abschneiden muſs, um mit einer gewissen
                              									gegebenen Anfangsspannung am Hubende genau die Spannung der äuſsern Atmosphäre, in
                              									welche ich nachher entleeren muſs, zu erreichen. Schon dies ist für den Constructeur
                              									von solcher Bedeutung, daſs ihm der Besitz eines solchen Diagrammes viele Mühe
                              									späterhin erspart; denn hat er dieses Diagramm ein für allemal, so ist für solche
                              									Fälle nur ein Abmessen nöthig, und kennt er das Volum des schädlichen Raumes in
                              									seinem Cylinder, so übersetzt er dies durch Rechnung in Theile des Kolbenhubes,
                              									zieht diese Länge von der theoretischen Einführungslänge ab, und er hat die
                              									effective Einführungslänge in Theilen des ganzen Hubes, wo der Schieber wirklich
                              									abschneiden muſs, damit am Ende des Hubes die Spannung im Cylinder weder höher noch
                              									niederer sei, als wie verlangt.
                           Für ein mehr klares Verständniſs der ausgeführten Berechnungen will ich hier darauf
                              									aufmerksam machen, daſs die Bezeichnung „vom Volldruckdampf verrichtete
                                 										Arbeit“ keine logische ist, weil ja diese Arbeit vom Dampfe selbst nicht
                              									verrichtet worden ist, sondern allein vom Kessel. Der nach dem Zumachen des
                              									Schiebers oder Ventiles im Cylinder eingeschlossene Dampf war während der Admission
                              									vom Kessel vorwärts gedrückt worden, wie Wasser aus einem Accumulator gedrückt wird.
                              									Der Accumulator ist der Kessel, und die Wärmemenge, welche der während der Admission
                              									verrichteten Arbeit äquivalent ist, wird alle direct im Kessel consumirt. Der ganze
                              									im Kessel, im Dampfrohr, in den Kanälen u.s.w. enthaltene Dampf verliert natürlich
                              									an Spannung während der Admission; aber es ist doch die Heizfläche des Kessels
                              									allein, welche diesen Verlust als Wärme direct in
                              									demselben Moment ersetzt, und diese Wärme, das Aequivalent der verrichteten Arbeit,
                              									ist in keinem Falle ein Theil der Wärme des Dampfes,
                              									welcher im Cylinder eingeschlossen ist. Die Arbeit, welche in diesem Dampfe
                              									aufgespeichert ist, kommt erst dann zur Zerlegung, wenn die Verbindung zwischen ihm
                              									und dem Kessel abgeschnitten, d.h. unterbrochen ist. Ich schneide deshalb das
                              									Diagramm in zwei Theile und werde in Zukunft diese zwei Abschnitte durch „directe Arbeit“ (vom Kessel) und „indirecte Arbeit“ (vom Kessel) bezeichnen. Diese Theilung ist
                              									bisher nicht so scharf gemacht worden und es hat dieses sehr wichtige Versehen
                              									Manchen auf falsche Wege geleitet.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)