| Titel: | Ueber die Ermittlung von Lichtbrechungs-Verhältnissen fester Körper durch Totalreflexion; von F. Kohlrausch. | 
| Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 425 | 
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                        Ueber die Ermittlung von
                           								Lichtbrechungs-Verhältnissen fester Körper durch Totalreflexion; von F. Kohlrausch.
                        Mit einer Abbildung.
                        F. Kohlrausch, über Lichtbrechung fester Körper.
                        
                     
                        
                           Das von Wollaston erdachte sinnreiche Verfahren, die
                              									Totalreflexion zur Ermittlung von Lichtbrechungsverhältnissen zu benutzen, ist
                              									bekanntlich in seiner Ausführung entweder etwas umständlich oder minder genau und
                              									wird auſserdem durch das verlangte Ankleben des untersuchten Körpers an ein Prisma
                              									in seiner Anwendbarkeit einigermaſsen eingeschränkt.Vgl. Poggendorff's Annalen, 1876 Bd. 157 S.
                                    											302.
                           E. WiedemannVgl. Poggendorff's Annalen, 1876 Bd. 158 8.
                                       												375. hat nun kürzlich ein Verfahren beschrieben, welches
                              									den zu untersuchenden Körper, anstatt ihn auf ein Prisma aufzukleben, in Gestalt einer
                              									dünnen Planplatte in eine stark brechende Flüssigkeit bringt. Hierdurch entgeht man
                              									den oben genannten Hindernissen und erreicht, wie Wiedemann gezeigt hat, eine groſse Genauigkeit; doch läſst sich nicht
                              									läugnen, daſs man auch viele Vortheile von Wollaston's
                              									Methode einbüſst. Denn das angewendete Parallel-Strahlenbündel verlangt wesentlich
                              									wieder den ganzen Spectrometer-Apparat; ferner ist die Herstellung einer dünnen
                              									Planparallelplatte unvergleichlich schwieriger als die eines einzigen ebenen
                              									Anschliffes, der bei Wollaston genügt; endlich aber
                              									schlieſst die Anwendung durchgehenden Lichtes in Wiedemann's Methode wieder die undurchsichtigen Körper aus, für welche die
                              									Totalreflexion eben von besonderer Bedeutung ist.
                           Es soll hier gezeigt werden, wie man durch die Verschmelzung der beiden genannten
                              									Verfahren zu einem Hilfsmittel der Bestimmung von Brechungsverhältnissen fester
                              									Körper gelangt, welches an Einfachheit nichts zu wünschen läſst und welches, wie ich
                              									glaube, die gleiche Verwendbarkeit besitzt, wie Abbe's
                              									Methode für flüssige Körper.Abbe: Neue Apparate zur Bestimmung des
                                       												Brechungsvermögens u.s.w. Jena 1874. Verlangt wird
                              									natürlich, daſs man über eine Flüssigkeit verfügt, welche stärker bricht als der zu
                              									untersuchende Körper, und darin liegt bis jetzt eine Beschränkung. Ich habe
                              									Schwefelkohlenstoff angewendet, da diese Flüssigkeit zu den stärkst brechenden
                              									gehört, und da sie ferner eine groſse optische Unveränderlichkeit mit den
                              									schätzenswerthen Eigenschaften der Reinlichkeit und der chemischen Neutralität gegen
                              									die meisten Substanzen verbindet.
                           Textabbildung Bd. 228, S. 426Das kleine Instrument, welches ich benutze und welches ich Totalreflectometer nennen möchte, besteht aus einem
                              									weithalsigen Fläschchen mit einseitigem, durch ein Planglas verkitteten Anschliff
                              									und aus einem Theilkreise, welcher auf der Flasche befestigt wird. Der mit einer
                              									Alhidade im Theilkreise drehbare Zapfen ragt in die Flasche mit einem Fortsatz
                              									hinein, an welchem der zu bestimmende Körper so angebracht wird, daſs seine
                              									spiegelnde Fläche die Drehungsachse in sich enthält. Zur Feststellung der
                              									Sehrichtung wird auf diese Fläche durch das Planglas des Fläschchens ein kleines,
                              									auf unendliche Entfernung eingestelltes Fernrohr mit Fadenkreuz gerichtet. Man kann
                              									statt dessen auch eine Marke benutzen, deren Bild durch eine vorgesetzte kleine
                              									Linse in groſse Entfernung gerückt ist. Eine diffuse Beleuchtung der spiegelnden
                              									Fläche wird durch Seidenpapier bewirkt, welches das Fläschchen mit Ausnahme des
                              									Planglases umgibt, und welches mit der Natrium-, Lithium- oder Thalliumflamme
                              									beleuchtet wird. Den Hintergrund des Fläschchens verdunkelt man zweckmäſsig.
                           
                           Bei geeigneter schräger Stellung der spiegelnden Fläche sieht man mit dem Fernrohr
                              									oder mit dem auf unendlich eingestellten Auge die Grenzlinie der totalen Reflexion
                              									des Lichtes zwischen dem Schwefelkohlenstoff und dem schwächer brechenden Körper
                              									vollkommen scharf hervortreten. Man stellt die Alhidade, bis diese Grenzlinie mit
                              									dem Fadenkreuz oder der Marke zusammenfällt und liest die Stellung über dem
                              									Theilkreise ab. Nun dreht man die spiegelnde Fläche nach der anderen Seite und
                              									stellt ebenso ein. Die Hälfte des Winkels, um welchen man gedreht hat, ist der
                              									Winkel der totalen Reflexion, und sein Sinus, multiplicirt mit dem
                              									Brechungsverhältniſs des Schwefelkohlenstoffes liefert also das gesuchte
                              									Brechungsverhältniſs des Körpers. Besondere Vortheile bietet das Verfahren bei
                              									Krystallen. Eine einzige beliebig gelegene Fläche genügt für das Brechungsvermögen
                              									isotroper und, wie man leicht sieht, auch für die beiden Hauptbrechungsverhältnisse
                              									optisch einachsiger Substanzen. Bei zweiachsigen Krystallen muſs allerdings ein
                              									Schliff in einem Hauptschnitt hergestellt werden, um die drei Brechungsverhältnisse
                              									zu bestimmen. Gegenüber der Herstellung von mindestens zwei orientirten Prismen aber
                              									ist die Anfertigung dieses einen Schliffes, den man ja ohnehin zur Messung des
                              									Achsenwinkels auszuführen pflegt, eine geringfügige Arbeit. Die
                              									Schwingungsrichtungen, welche den an doppelbrechenden Körpern auftretenden beiden
                              									Grenzen zugehören, werden durch ein Nicol'sches Prisma
                              									leicht erkannt.
                           Wenn so das Verfahren an Einfachheit und die Beobachtung an Genauigkeit nichts zu
                              									wünschen läſst, so kann man von vornherein doch dem Resultate das Miſstrauen
                              									entgegenbringen, ob die Lichtgeschwindigkeit in der Oberfläche dieselbe ist wie im
                              									Innern des Körpers. Indessen sieht man, wie schon Abbe
                              									für sein Flüssigkeits-Refractometer bemerkt, daſs ein Fehler nur dann erwachsen
                              									würde, wenn in der Trennungsfläche zwischen Schwefelkohlenstoff und fester Substanz
                              									eine Schicht entstände, welche schwächer bricht als beide Körper, was von vornherein
                              									unwahrscheinlich ist und was auch wohl an secundären Erscheinungen kenntlich sein
                              									würde. Immerhin wird die Erfahrung hierüber entscheiden müssen. (Vom Verfasser gef.
                              									eingesendeter Sonderabdruck aus den Verhandlungen der
                                       												physikalisch-mathematischen Gesellschaft in
                                       										Würzburg.)