| Titel: | Ueber die Fortschritte der Zündmittel für Feuerwaffen, mit besonderer Berücksichtigung der Fabrikation der Zündhütchen; von H. Josten in Barmen. | 
| Autor: | H. Josten | 
| Fundstelle: | Band 228, Jahrgang 1878, S. 518 | 
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                        Ueber die Fortschritte der Zündmittel für
                           								Feuerwaffen, mit besonderer Berücksichtigung der Fabrikation der Zündhütchen; von
                           									H. Josten in
                           									Barmen.
                        (Schluſs von S. 493 Bd. 226.)
                        Josten, über die Fortschritte in der
                           								Zündhütchenfabrikation.
                        
                     
                        
                           Alle bisher betrachteten Operationen, wie umständlich und verwickelt dieselben
                              									mitunter auch sein mochten, bezweckten doch nur, die leere Kapsel des Zündhütchens darzustellen. Nachdem diese nun zu ihrer
                              									Vollkommenheit als solche gediehen ist, tritt der Moment ein, wo alle Fälle erwogen werden
                              									müssen, um die Zündmasse sowohl dauerhaft, gefahrlos
                              									und die Haltbarkeit seiner Explosionsfähigkeit sichernd in diese Kapsel zu bringen,
                              									sowie auch alle dabei vorkommenden Arbeiten rasch und sauber ausführen zu können. Es
                              									zerfällt diese Aufgabe in zwei Theile: in die Darstellung der Zündmasse selbst und
                              									in das Einbringen derselben in die Hütchen.
                           Die Anfertigung der Zündmasse ist zum Theil Sache der
                              									Chemie, wie z.B. die Darstellung des Knallquecksilbers; zum Theil gehört sie in die
                              									mechanische Abtheilung, so das Mischen, Körnen und Trocknen der Masse. Verfolgen wir
                              									auch hier den Gang der Operationen und sehen uns zunächst die Räumlichkeiten, in
                              									welchen diese zum Theil höchst gefährlichen Arbeiten vorgenommen werden, etwas
                              									genauer an und werfen hier und da einen Blick auf die zum Schütze für Leben und
                              									Gesundheit der dabei beschäftigten Personen getroffenen Anordnungen, Vorkehrungen
                              									und Apparate.
                           Die Darstellung und weitere Bearbeitung des Knallquecksilbers ist eine der
                              									gefährlichsten (um nicht zu sagen die gefährlichste) Operationen bei der ganzen
                              									Zündhütchenfabrikation. Dies ist auch wohl gröſstentheils die Ursache, weshalb sich
                              									so wenige tüchtige Chemiker mit der Sache befassen. Aber eben diese allerdings
                              									erklärliche Furcht ist sowohl für die Wissenschaft, wie für diese Fabrikation ein
                              									nicht. genug zu bedauernder Uebelstand. Es muſs sich doch auch hier der richtige Weg
                              									finden lassen, und ich glaube er liegt zwischen Vorsicht und Selbstvertrauen. Den
                              									ersten Nachtheil, welchen die Fabrikation bei der Darstellung des Knallquecksilbers
                              									durch die erwähnte Furcht des Chemikers hat, ist, daſs die Wissenschaft selten in
                              									der Lage ist, die von der Praxis gestellten Fragen so vortheilhaft für diese zu
                              									beantworten, wie es wohl erwünscht wäre. Die meisten Fragen werden nach sogen,
                              									feststehenden, meistentheils Lehrbüchern entnommenen Formeln und Regeln beantwortet
                              									und lassen den Fragenden unbefriedigt. Der zweite und sicherlich in den meisten
                              									Fällen auch der gröſste Nachtheil entsteht aber durch Unkenntniſs, d.h. der
                              									Fabrikant ist in die fatale Lage versetzt, in Ermangelung eines tüchtigen Chemikers
                              									die Operationen von solchen Arbeitern ausführen zu lassen, denen die Chemie
                              									unbekannt ist und die daher nach empirischen Regeln vorgehen, welchen aber in den
                              									meisten Fällen eine beträchtliche Dosis Aberglauben beigemengt ist.
                           Wir treten in einen geräumigen, gut ventilirten und sauber gehaltenen Schuppen. Die
                              									Wände sind von Latten gebildet, damit die frische Luft von allen Seiten frei
                              									durchströmen kann, welche, durch Lüftungsvorrichtungen unterstützt, unter dem
                              									ziemlich hohen Dache entweichen kann. An einer passenden Stelle finden wir, auf
                              									einem Tische aufgestellt, die Flüssigkeitsmaſse für Säure und Spiritus, verschiedene
                              									Thermometer, Aräometer und andere Hilfsmittel zum Prüfen der Chemikalien, eine Wage zum
                              									Abwiegen des Quecksilbers und sonstige Geräthe. Säure und Spiritus müssen von ganz
                              									genau bestimmten Graden und chlorsaures Kali, Antimon, Schwefel, Kohle, und wie die
                              									Stoffe alle heiſsen mögen, welche zu der Zündmasse verwendet werden, natürlich der
                              									genauesten Prüfung unterworfen und für durchaus rein befunden werden, ehe dieselben
                              									zur Verwendung gelangen. Aus Versuchen, die ich angestellt, welche aber nicht in dem
                              									erwünschten ausgedehnten Maſse fortgesetzt werden konnten, geht hervor, daſs durch
                              									mehr oder weniger Zusatz gewisser Metalle zum Quecksilber ein Präparat hergestellt
                              									wird, welches in der Empfindlichkeit sowohl, wie in der Dauerhaftigkeit der
                              									Explosionsfähigkeit auſserordentlich wechselt und zwar dermaſsen, daſs es nach der
                              									einen Richtung hin zu empfindlich wird, um eine Verwendung als Zündmasse noch
                              									zuzulassen, während es in der anderen Richtung so unempfindlich wird, daſs es nicht
                              									mehr in der sonst üblichen Weise zur Explosion gebracht werden kann. Hierdurch
                              									dürfte die Wichtigkeit der Reinheit auch des metallischen Quecksilbers, welches zur
                              									Darstellung des Knallquecksilbers verwendet werden soll, kaum einer weiteren
                              									Erörterung mehr bedürfen, und möchten wir daher den Chemikern dringend empfehlen,
                              									Verfahren und Mittel aufzufinden, um sowohl die Anwesenheit fremder Metalle im
                              									Quecksilber mit Leichtigkeit nachweisen, als auch das Reinigen von denselben schnell
                              									und. sicher bewirken zu können.
                           Die Manipulationen bei der Darstellung des Knallquecksilbers sind nun folgende. Auf
                              									einer genauen Wage wird eine gewisse Menge Quecksilber, welche sich nach den in dem
                              									Laboratorium eingeführten Kolben, Retorten und sonstigen Geräthen, mit welchen
                              									operirt wird, richtet, in einer Porzellanschale abgewogen; die zur Auflösung des
                              									Quecksilbers erforderliche Menge Salpetersäure wird gemessen und in einen Glaskolben
                              									mit langem Halse kalt eingegossen, wobei der Kolben auf ein passendes Gestell
                              									gebracht wird. Dann schüttet man das Quecksilber ebenfalls in den Kolben und läſst
                              									ihn eine Zeit lang-ruhig stehen, um die Auflösung des Quecksilbers einzuleiten. Zur
                              									vollständigen Auflösung des Quecksilbers in der Salpetersäure wird nun der Kolben
                              									mit seinem Inhalt, je nach der Gestalt des Kolbens und der in der Fabrik
                              									eingeführten Methode, entweder in ein Sandbad, oder auf ein Holzkohlenfeuer gestellt
                              									und hier so lange gelassen, bis keine rothen Dämpfe mehr entweichen. Die bei dieser
                              									Operation entweichenden Dämpfe sind bekanntlich giftig und müssen deshalb durch
                              									kräftig wirkende Lüftungsvorrichtungen abgeleitet und zudem für die Nachbarschaft
                              									unschädlich gemacht werden. Es geschieht dies hier in folgender vom Verfasser
                              									angegebener Weise, die nichts zu wünschen übrig läſst und noch den Vortheil von
                              									Zeit- und Brennmaterial-Ersparniſs hat, indem die Arbeiten schnell und sicher
                              									ausgeführt werden
                              									können. In einem aus Guſseisen eigens zu diesem Zwecke construirten sogen.
                              									Abdampfofen stehen auf zweekmäſsig angeordnetem Holzkohlenfeuer die gefüllten
                              									Kolben. Der Ofen ist ringsum verschlossen, und nur an der vordersten Seite gestatten
                              									mit Glas versehene Schiebefenster den Zugang zu den Kolben, das Ein- und Ausbringen
                              									derselben. Ein kurzer, ebenfalls aus Guſseisen hergestellter Schornstein steht durch
                              									ein Leitungsrohr mit einem kräftig saugenden Roots'schen Gebläse in Verbindung, welches die den Kolben entsteigenden
                              									Dämpfe, sowie die dem Holzkohlenfeuer entströmenden unverbrennbaren Gase zwingen, in
                              									einen mit Kalkmilch angefüllten Behälter einzuströmen, um hier unschädlich gemacht
                              									zu werden. Die mit dem Abdampfen beschäftigten Arbeiter sind mit Respiratoren
                              									versehen; solche werden aber während der kurzen Zeit der Operation selten oder gar
                              									nicht benutzt – wohl das beste Zeichen, daſs die Arbeiter von den Dämpfen nicht
                              									belästigt werden.
                           Nach erfolgter Auflösung des im Kolben befindlichen Quecksilbers wird der Kolben dem
                              									Feuer entnommen und in geschützter Lage an einen Ort hingestellt, wo er sich, ohne
                              									der Zugluft ausgesetzt zu sein, bis zu einer bestimmten Temperatur abkühlen kann.
                              									Während dieses Abkühlens, deren Dauer sich nach der jeweiligen Jahreszeit richtet
                              									und welches man nach dem Thermometer genau bestimmt, wird in dem dazu geeigneten
                              									groſsen Ballon, welcher mindestens den 18fachen Raum der zur Operation bestimmten
                              									Flüssigkeit haben muſs, der zur Reduction erforderliche Spiritus hineingegeben. In
                              									neuerer Zeit wendet Verfasser nicht mehr die theuren Retorten mit Tubus an, sondern
                              									mit sehr gutem Erfolg einfach die gewöhnlichen Schwefel- oder Salpetersäure-Ballons.
                              									Es bieten dieselben beim Arbeiten keinerlei Schwierigkeit, erleichtern aber das
                              									Entleeren nach geschehener Operation in vortheilhaftester Weise; auch sind die
                              									Ballons billig und immer zu haben. Mit den erwähnten Ballons sind mittels Glasröhren
                              									eine Anzahl Woulf'scher Flaschen verbunden, zum Zweck,
                              									die bei der Operation in den Ballons sich sehr stark bildenden Dämpfe in sich
                              									aufzunehmen und zu condensiren. Viel vollständiger, als es die bisher aus Steingut
                              									angewendeten Condensationstöpfe zulassen, erreicht man seinen Zweck mit groſsen,
                              									birnförmigen, aus Glas gefertigten Kühlflaschen. Dieselben werden in liegender
                              									Stellung hinter die Ballons aufgestellt und durch ein Rohr je mit einem Ballon
                              									verbunden. Die Kühlflasche ruht auf den Seitenwänden eines Kastens, der etwa bis zur
                              									Hälfte mit Wasser gefüllt ist; sie wird während der Operation fortwährend mit kaltem
                              									Wasser überrieselt, welches, wenn warm geworden, unten am Kasten durch einen zu
                              									regulirenden Hahn abflieſsen kann. Die in der Kühlflasche gewonnene Flüssigkeit
                              									flieſst aus dieser beständig ab und rieselt über eine in einem Fasse sich befindende
                              									Kalkschicht, um hier entsäuert zu werden. Von hier aus gelangt sie in ein Faſs, in
                              									welchem sie so lange
                              									aufbewahrt wird, bis sich eine gröſsere Menge angesammelt hat; die Flüssigkeit wird
                              									dann in einen eigens für diesen Zweck angefertigten Destillationsapparat geleitet,
                              									um den noch enthaltenden Spiritus wieder zu gewinnen. Das ganze Verfahren ist
                              									einfach, billig und ökonomisch.
                           Kehren wir nun zu unserm Kolben, der jetzt grade die richtige Abkühlung erreicht hat,
                              									zurück. Durch einen Thontrichter, dessen Dille möglichst lang und eng ist, und
                              									welcher auf den Ballon mit Spiritus aufgesetzt wird, gieſst man die Flüssigkeit aus
                              									dem Kolben so ein, daſs der Strahl möglichst die Mitte der Flüssigkeit im Ballon
                              									trifft; letzteres verhütet ein Springen des Ballon, welches sehr unangenehm werden
                              									kann, jedenfalls aber kostspielig ist. Man wähle beim Einschütten die Stelle so,
                              									daſs die hierbei unvermeidlichen Dämpfe durch den Luftzug abgeweht werden. Nach
                              									erfolgtem Eingieſsen wird rasch die Verbindung des Ballon mit der ihm zunächst
                              									stehenden Kühlflasche oder den Condensationstöpfen mittels des Glasrohres
                              									hergestellt und mit Thon verkittet. Sofort beginnt die Reaction. Es entwickelt sich
                              									eine groſse Menge Dämpfe, welche in sehr kurzer Zeit den ganzen Ballon und die
                              									Condensationsgefäſse ausfüllen und so dicht sind, daſs sie eher einer wirklichen
                              									Flüssigkeit als dem Dampfe ähnlich sehen. Von dieser Masse giftiger und
                              									kostspieliger Dämpfe, welche in manchen Fabriken noch heute frei in die Atmosphäre
                              									entweichen, wird durch die beschriebene einfache Vorrichtung mehr als der 4. Theil
                              									des angewendeten Spiritus wieder gewonnen und mit groſsem Vortheil zu den ferneren
                              									Operationen wieder verwendet; es lohnt sich daher wohl die kleine Ausgabe für die
                              									Condensationseinrichtung, ganz abgesehen von den Erleichterungen, die man sich
                              									schafft, und von den Unannehmlichkeiten, welche man dadurch von sich selbst und
                              									Andere abwendet. Ist die Reaction im Ballon einmal im Gange, so braucht man sich
                              									nicht mehr um dieselbe zu bekümmern; sie verläuft in sehr kurzer Zeit ohne alle
                              									Störung. Man kann sie daher ruhig sich selbst überlassen und die Vorbereitungen zu
                              									den folgenden Operationen treffen, bis der Ballon und das jetzt in ihm enthaltene
                              									Knallquecksilber so weit erkaltet ist, daſs man ihn entleeren kann.
                           Die auf dem Knallquecksilber stehende Flüssigkeit, Lauge genannt, wird vorsichtig
                              									abgegossen, in Ballons gesammelt und an chemische Fabriken verkauft, wenn man es
                              									nicht vorzieht, die in derselben enthaltene Oxalsäure etc. durch Abdampfen zu
                              									gewinnen, welche in der Färberei Anwendung findet. Das Knallquecksilber wird nunmehr
                              									dem Proceſs der Reinigung und des Entsäuerns unterworfen, und es ist dieser als
                              									beendigt anzusehen, wenn sehr empfindliches blaues Lackmuspapier, in die sehr
                              									feuchte Masse des Knallquecksilbers eingetaucht, sich nicht mehr röthet, und kleine
                              									Partien, auf einem reinen Uhrglase verdampft, keine dunklen Flecken
                              									hinterlassen.
                           
                           Das Reinigen des Knallquecksilbers ist für die Dauer der Explosionsfähigkeit von der
                              									höchsten Wichtigkeit, daher mit der gröſsten Genauigkeit auszuführen, weshalb
                              									hierfür sehr sinnreiche Apparate erfunden worden sind, die dies vollkommen
                              									verrichten. Das gereinigte Knallquecksilber wird unter
                                 										Wasser und in verschlossenen hölzernen oder steinernen Gefäſsen aufbewahrt
                              									vollkommen gefahrlos und ohne irgend eine Veränderung zu erleiden; doch wird man
                              									stets gut thun, wenn man lang gestandenes Knallquecksilber vor seiner Verwendung zur
                              									Zündmasse neuerdings wieder auf seine Reinheit prüft, da selbst die kleinste Menge
                              									Säure in demselben verhängniſsvoll werden kann. Unverantwortlich und unerklärlich
                              									aber finden wir es, wenn dieser äuſserst gefährliche Explosionskörper, selbst von
                              									Fachmännern trocken aufbewahrt wird.
                           Die weitere Bearbeitung des Knallquecksilbers ist rein mechanischer Natur und bietet
                              									keinerlei Schwierigkeiten. Selten, um nicht zu sagen nie, wird das Knallquecksilber
                              									als Zündmittel unvermischt verwendet, namentlich nicht in Feuerwaffen, und dies aus
                              									verschiedenen Gründen. Zunächst ist seine Wirkung eine zu schnelle, um die
                              									erforderliche Zeit zur Entzündung des Pulvers zu gestatten; dann aber greift es auch
                              									die Metalle zu sehr an. Es wird deshalb fast immer mit anderen Körpern von mehr oder
                              									minder explosiver Natur vermengt, welche man dann unter dem allgemeinen
                              									Collectivnamen „Zündmasse“ begreift. Die Zusammensetzung der Zündmassen für die
                              									verschiedensten Zwecke und Arten der Zündung ist auſserordentlich verschieden und in
                              									der Regel Geheimniſs desjenigen Fabrikanten, der diese für bestimmte Sorten seines
                              									Fabrikates verwendet. Hier dergleichen „Mischungen“, von denen mir allerdings
                              									eine groſse Anzahl bekannt ist, anzuführen, liegt auſser dem Zwecke dieser
                              									Abhandlung; auſserdem würde eine oberflächliche Anführung der einzelnen
                              									Bestandtheile einzelner Mischungen wenig Nutzen schaffen, denn viele derselben
                              									erhalten ihren eigentlichen Werth erst durch die eigentümliche
                              									Bearbeitungsmethode.
                           Es erübrigt uns nun noch, die Mischung der Zündmasse, die Körnung und das Trocknen
                              									derselben zu betrachten, wobei auch in den verschiedensten Fabriken die
                              									verschiedensten Methoden und Einrichtungen zu finden sind. Offenbar wird das trockne
                              									Mischen der Zündmasse stets mehr Unglücksfälle zur Folge haben als das feuchte, und
                              									man hat keinen Grund anzunehmen, daſs die trocken gemischte Zündmasse, sei es beim
                              									Verfeuern, sei es in Bezug auf Haltbarkeit, bessere Resultate ergebe, als wenn sie
                              									beim Mischen angefeuchtet und dadurch die Gefahr für den Arbeiter auſserordentlich
                              									vermindert wurde. Ist man doch – auch diejenigen, die nun einmal nicht anders als
                              									trocken mischen wollen – genöthigt, beim Körnen die Masse anzufeuchten, um diese
                              									Operation kunstgerecht vollziehen zu können, d.h. eine sich immer gleich bleibende
                              									Körnung zu erzielen, ohne welche ein egales Füllen der Zündhütchen nicht denkbar ist, selbst die richtige
                              									Mischung vorausgesetzt. Unter richtiger Mischung verstehen wir aber nicht nur die
                              									genaue Innehaltung der vorgeschriebenen Gewichtstheile der Ingredienzien der
                              									betreffenden Zündmasse, sondern ebenso die innige Vertheilung in das kleinste
                              									Partikelchen Zündmasse, sowie ganz genau egale Gröſse der Körner im trockenen
                              									Zustande und eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen das Zerbröckeln derselben. Die
                              									Räume, in welchen das Mischen, Körnen und Trocknen vorgenommen wird, sind unter sich
                              									streng getrennt, dürfen nur dem einmal fest bestimmten Zwecke dienen und von keinem
                              									als dem betreffenden Arbeiter betreten werden. Die Gebäulichkeiten sind aus Holz in
                              									leichter Construction ausgeführt, mit leichter Bedachung und gut schlieſsenden
                              									Thüren und Fenstern. Die inneren Wände und die Decke sind einfach, aber solid
                              									tapezirt, der Fuſsboden mit Teppichen belegt, alle Arbeitstische mit wollenen
                              									Decken, unter denen noch Wachsleinwand liegt, bedeckt. Daſs alle Geräthschaften,
                              									deren übrigens nur sehr wenige vorhanden sind, sauber und rein gehalten werden
                              									müssen, daſs die betreffenden Wagen und Gewichte in sehr gutem Zustande zu erhalten
                              									sind, dürfte nach dem bereits Gesagten sich von selbst verstehen; es ist die
                              									Grundbedingung eines gesicherten, geregelten Betriebes. In den Trockenhäusern, die
                              									nicht anders als mit reinen, über die gewöhnliche Fuſsbekleidung gezogenen
                              									Filzschuhen zu betreten sind, darf die Wärme, welche nur durch Heiſswasser- oder
                              									Dampfheizung erzeugt werden darf, nicht über 38° gesteigert werden, sowie jede
                              									Bearbeitung der Zündmasse hier ausgeschlossen ist. Die Trockenhäuser haben dieselbe
                              									Ausstattung wie das Mischhaus; nur stehen hier Holzgestelle, auf welche die Rahmen
                              									mit der Zündmasse gelegt werden. Diese Rahmen sind aus leichtem Holze hergestellt
                              									und in der Mitte mit Flechtwerk aus gutem starkem Bindfaden versehen. Auf dieses
                              									Flechtwerk wird zuerst glattes Papier und auf dieses Wachsleinen lose aufgelegt und
                              									darauf die feuchte Zündmasse in egalen, dünnen Lagen ausgebreitet, um sie ohne
                              									umzuwenden durch und durch trocknen zu können. Um jeden Stoſs und etwa nachtheilige
                              									Reibung beim Auflegen und Abnehmen der Rahmen von den Gestellen abzuhalten, sind
                              									letztere an den oberen Kanten da, wo die Rahmen aufliegen, entweder mit Gummi oder
                              									glattem Leder gepolstert. Das Glas der Fenster ist mit weiſser Oelfarbe betupft, um
                              									die Sonnenstrahlen abzuhalten. Vollständig zu verwerfen ist diejenige Einrichtung,
                              									wo die Trockenrahmen in geschlossenen Trockenöfen eingeschoben werden; man begreift
                              									nicht, wie sie noch geduldet werden können, da sie die Aufsicht sehr erschweren und
                              									nur zu oft durch Oeffnen und Schlieſsen des Ofens, durch ungeschicktes Herausnehmen
                              									der Trockenrahmen Unglücke verursacht haben, ohne ein besseres Resultat als das auf
                              									offenen Rahmen zu erzielen.
                           
                           Die fertige, getrocknete Zündmasse wird lose und vorsichtig durch ein Haarsieb
                              									gerüttelt und dann, sofern sie nicht gleich zur Verwendung kommt, in Flaschen aus
                              									Guttapercha mit losem, leicht abzunehmendem Deckel in dem eigens dazu angelegten
                              									Magazine aufbewahrt. Sie muſs jedesmal vor dem Gebrauch sorgfältig geprüft werden,
                              									ob der Grad der Trockenheit der Art ist, daſs die Zündmasse auf Dauerhaftigkeit
                              									Anspruch zu machen berechtigt ist, da das Verderben nicht vollständig getrockneter,
                              									nur eine Frage der Zeit ist und keine Sicherheit bietet. Jede dem Magazin übergebene
                              									Flasche, wie auch die sofort zur Verwendung kommende, erhält die genaue Bezeichnung
                              									der Bestandtheile der in ihr enthaltenen Zündmasse und das Datum der Anfertigung; es
                              									wird Buch darüber geführt, zu welchen Hütchen dieselbe verwendet wurde, sowie an wen
                              									die letzteren versendet worden sind.
                           Das Laden der Zündhütchen (vgl. 1846 101 434) geschieht
                              									ebenfalls in streng gesonderten Räumen. Es wird mittels einfacher, sinnreich
                              									construirter Maschinen jedem Hütchen die seinem Zwecke entsprechende Menge Zündmasse
                              									in ganz exacter Weise und groſser Genauigkeit zugetheilt, und sind die
                              									Manipulationen hierbei im Allgemeinen folgende: Ein Mädchen füllt in eine Form,
                              									welche je nach Gestalt und Gröſse der Hütchen verschiedene Dimensionen hat, eine
                              									bestimmte Anzahl leere Hütchen, so daſs die Oeffnung des Hütchens nach oben steht.
                              									Es erfordert dies groſse Uebung, ehe die Füllerin eine geläufige Fertigkeit sich
                              									angeeignet hat, ohne welche indessen an einen regelmäſsigen Betrieb nicht zu denken
                              									ist. Alle Versuche, diese Manipulation von der Maschine verrichten zu lassen, sind
                              									bis jetzt erfolglos geblieben, wenn auch die Möglichkeit des endlichen Gelingens
                              									noch nicht ausgeschlossen worden ist. Die mit leeren Hütchen gefüllte Form wird auf
                              									einen Schieber gestellt und mit diesem durch die Oeffnung eines eisernen Mantels,
                              									hinter welchem die Lademaschine aufgestellt ist, bis unter die Lademaschine
                              									geschoben. Der Schieber kann nur bis zu einer genau bestimmten Grenze durch den
                              									Mantel vorgeschoben werden, und correspondirt dann die auf demselben befindliche
                              									Form mit den leeren Hütchen mit der Lademaschine derart, daſs durch eine gewisse
                              									Bewegung der Lademaschine, das bestimmte Quantum Zündmasse in die Hütchen gelangen
                              									kann. Der schmiedeiserne Mantel dient zugleich dem Arbeiter als Schutz gegen
                              									Explosionsgefahr und ist deshalb von entsprechender Breite, Höhe und Dicke. Die
                              									Menge Zündmasse, welche das Hütchen enthält, richtet sich nach dem Zweck, der Gröſse
                              									und der Form des Hütchens und wird durch die Maschine demselben so genau zugemessen,
                              									daſs auf 1000 Ladungen kaum 0g,5 Differenz ist.
                              									Hauptbedingung des egalen Ladens ist hier die gleichmäſsigste Körnung und gute
                              									Trocknung der Zündmasse, selbstredend aber auch die sorgfältige Ausführung und
                              									Instandhaltung der Lademaschine, unterstützt durch geschickte Handhabung des die Maschine bedienenden
                              									Arbeiters, der folgende Verrichtungen auszuführen hat: Einschieben der Form mit den
                              									leeren Hütchen; Herniederdrücken des oberen Theiles der Lademaschine, die sich dabei
                              									ohne Reibung auf die Form aufsetzt; Hin- und Herbewegen des eigentlichen
                              									Ladeschiebers mittels einer Zugstange, wodurch die Hütchen in der Form mit Zündmasse
                              									gefüllt werden, die durch diese Manipulation dem oberen Theile der Lademaschine
                              									entnommen wurde; Freilassen der Maschine, die durch eine Spiralfeder nach oben, ohne
                              									Stoſs gehoben wird; endlich das Zurückziehen des Schiebers mit der Form der nun
                              									gefüllten Hütchen. In neuester Zeit ist durch des Verfassers Bemühung eine Maschine
                              									(*1855 131 338) in Anwendung gekommen, welche diese Arbeiten selbstthätig verrichtet
                              									und noch den wesentlichen Vortheil gewährt, daſs der Schieber der Lademaschine nicht
                              									zu schnell bewegt werden kann, wodurch bis jetzt fast alle Explosionen an der
                              									Lademaschine, die jedesmal sehr zerstörend wirken und auſser sonstigen
                              									Unannehmlichkeiten viele Kosten und Zeitverlust zur Folge haben, verursacht wurden.
                              									Der Arbeiter hat hierbei nichts anderes zu thun, als die Form auf den Schieber zu
                              									stellen, dann auf einen Knopf zu drücken, worauf die Maschine den Schieber mit der
                              									Form unter die Lademaschine führt, die Lademaschine senkt und auf der Form festhält,
                              									den Ladeschieber hin- und herführt und dadurch die Hütchen füllt, die Lademaschine
                              									wieder nach oben bringt und dann den Schieber mit der Form und den gefüllten Hütchen
                              									zurückführt, wo ihn der Arbeiter wieder in Empfang nehmen kann.
                           Zur Befestigung der Zündmasse und zur Markirung der Hütchen wird, entsprechend der
                              									Zahl der in der Form stehenden geladenen Hütchen, eine Anzahl Stifte verwendet,
                              									indem man diese in die Hütchen treten läſst und durch eine Presse einen Druck
                              									ausübt, welcher das Festhaften der Zündmasse in den Hütchen und das Ausprägen der
                              									Marke am Boden des Hütchens von auſsen bewirkt. Anders verhält es sich mit
                              									denjenigen Hütchen, deren Zündmasse noch eines besonderen Schutzes von Messing,
                              									Kupfer, Staniol o. dgl. bedarf; zu diesen gehören auſser den sogen. Patenthütchen
                              									besonders die für die Hinterladungspatronen M/71 und ähnliche Sorten. Bis vor nicht
                              									langer Zeit wurden zu diesem Zwecke aus dem entsprechenden Metall kleine Scheibchen
                              									ausgeschnitten, sauber geputzt und dann einzeln von Hand mittels der Pincette auf
                              									die Zündmasse in die Hütchen gelegt. Dem Verfasser ist es nach jahrelangen Versuchen
                              									gelungen, auch hier Fortschritte zu machen und eine Maschine (*1855 138 14)
                              									einzuführen, welche diese Handarbeit nicht nur beseitigt, sondern auch die ganze
                              									Arbeit des Einlegens des Deckplättchens in gröſserer Vollendung und tadelloser
                              									Sauberkeit ausführt. Die Maschine schneidet selbst die zarten Scheibchen aus jedem
                              									beliebigen Metall aus und legt sie mit groſser Geschwindigkeit ohne alle Beihilfe der Menschenhand
                              									regelrecht und sauber in die Hütchen. Statt des bisher gewöhnlichen Walzwerkes oder
                              									der Presse dient jetzt zum Festpressen der Zündmasse und des Deckplättchens in die
                              									Hütchen eine eigens zu diesem Zwecke construirte Kniehebelpresse.
                           Nach erfolgter Pressung entleert eine Arbeiterin die Form in einen Kasten, dem sie
                              									von Zeit zu Zeit entnommen werden, um sie nachträglich zu poliren, wenn dies
                              									erforderlich ist.
                           Hiermit wäre die Fabrikation der Zündhütchen im Allgemeinen
                              									beendet und das Hütchen für den Gebrauch geeignet. Nur um sie dem Handel in
                              									passender Form zu übergeben, sind noch einige nöthige Bedingungen zu erfüllen, so
                              									die genaue Durchsicht der Hütchen, das Zählen derselben, die Einschachtelung
                              									derselben in genau vorgeschriebenen Dosen und die Verpackung in Zink- und
                              									Holzkisten. Was die eigentliche geschäftsmäſsige Verpackung anbelangt, so ist dies
                              									gewissermaſsen eine Praxis für sich, von welcher die Wenigsten eine Ahnung haben,
                              									die eine Zündhütchenfabrik neu zu errichten Lust tragen. Es ist dies aber ein
                              									Kapitel von der gröſsten Wichtigkeit, und wie es für Manchen ein Stein des Anstoſses
                              									gewesen ist, wird es auch stets für Denjenigen bleiben, der oberflächlich der Sache
                              									näher tritt.
                           Die vorliegende Abhandlung macht nicht den Anspruch auf
                              									Erschöpfung der Sache; aber soviel dürfte doch, Alles in allem genommen, aus
                              									derselben hervorgehen, daſs die Zündhütchenfabrikation eine sehr schwierige ist, und
                              									daſs sie stets in den Händen groſser Handelshäuser bleiben, wenigstens eng verbunden
                              									mit denselben sein wird. Es gehören dazu bedeutendes Anlage- und Betriebskapital,
                              									umfassende kaufmännische und technische Kenntnisse, unermüdliche Arbeitskraft und
                              									ein erfinderisches Talent, um Neues zu schaffen.