| Titel: | Aus dem Berichte der englischen Sodafabriks-Inspection; von G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 236, Jahrgang 1880, S. 131 | 
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                        Aus dem Berichte der englischen
                           								Sodafabriks-Inspection; von G. Lunge.
                        (Schluſs des Berichtes S. 54 dieses
                           								Bandes.)
                        Mit Abbildungen auf Tafel 14.
                        Lunge, über den Bericht der englischen
                           								Sodafabriks-Inspection.
                        
                     
                        
                           Groſse Aufmerksamkeit hat Smith dem
                              										Schwefelwasserstoff gewidmet. Er glaubt bestimmt,
                              									daſs dieses Gas nie vollständig vermieden werden könne, so lange das jetzige
                              									Leblanc'sche Sodaverfahren existirt. Das Ammoniak-Sodaverfahren mache Fortschritte;
                              									wenn es durch eine groſse Entdeckung einmal gelingen sollte, Ammoniak aus dem
                              									Stickstoff der Luft und dem Wasserstoff des Wassers zu machen, so werde das
                              									Ammoniakverfahren gewiſs das alte verdrängen; aber diese Zeit scheine nicht nahe
                              									bevorzustehen. Auſserdem müsse man auch dann noch immer die Darstellung des Chlores
                              									berücksichtigen, welches jetzt eine „ungeschickte“ Fabrikation sei, auch noch
                              									nach den Erfindungen von Weldon und Deacon.
                           Ich kann diesen Ausführungen von Smith nicht ganz
                              									beistimmen. Allerdings kann man es Jemandem, welcher in dem groſsen
                              									Sodafabrikations-Districte von Süd-Lancashire wohnt, nicht verdenken, wenn er an der
                              									Möglichkeit verzweifelt, bei dem Leblanc-Verfahren ohne Entweichen von
                              									Schwefelwasserstoff auszukommen; denn von den dort entstehenden Auslaugerückständen
                              									wird wohl lange noch nicht der zehnte Theil einem Entschweflungverfahren
                              									unterworfen, und auch bei diesem selbst (dem Mond'schen) ist ein Entweichen von Schwefelwasserstoff, sowohl während der
                              									Oxydation als bei der Zersetzung der Laugen mit Säure, nicht immer zu vermeiden.
                              									Daſs es aber in der That möglich ist, ohne Entweichen
                              									von Schwefelwasserstoff auszukommen, zeigt das Schaffner-Helbig'sche Verfahren der Behandlung der Sodarückstände, selbst
                              									wenn dieses erst noch weiterer Verbesserungen bedürfen sollte, um sich allgemeiner
                              									einführen zu können. Was ferner die Verdrängung des Leblanc-Verfahren durch das
                              									Ammoniakverfahren betrifft, so hängt dieses durchaus nicht allein von der Frage der
                              									Ammoniakbeschaffung, sondern wohl noch mehr von derjenigen der Salzsäure und des
                              									Chlores ab. Bis jetzt scheint es nicht, als ob man diese Körper bei dem
                              									Ammoniakverfahren bequem und billig genug aus dem Chlorcalcium erhalten könnte, und die Magnesia, obwohl
                              									oft als Ersatz des Chlorcalciums vorgeschlagen, ist bis jetzt nie ernstlich versucht
                              									worden. Sollte die Salzsäure- und Ammoniakfrage für das Ammoniakverfahren einmal
                              									gelöst werden, was eben noch nicht in Aussicht steht, so würde es natürlich, falls
                              									nicht inzwischen ein anderes noch günstigeres auftritt, das Leblanc-Verfahren so gut
                              									wie ganz verdrängen müssen, und die Schwefelwasserstoff-Frage wäre dann erledigt;
                              									doch bliebe die Beaufsichtigung der Condensation der Salzsäure und des Chlores genau
                              									so nöthig wie jetzt.
                           Smith beschreibt sehr ausführlich eine Reihe von
                              									Versuchen, welche er angestellt hat, um den schlimmsten Begleiter der
                              									Sodarückstands-Halden, die davon ablaufenden Schwefel haltigen Laugen, unschädlich
                              									zu machen, bezieh. zu verwerthen. Er knüpft an ein System an, das ich in meiner
                              									früheren Fabrik in South-Shields eingerichtet hatte, welche nicht an einem Flusse
                              									oder Bach liegt, und deren Abflüsse in Folge davon in die groſsen Sielkanäle der
                              									Stadt gehen müssen. Dies ist auch der Fall mit der Drainage von einer groſsen
                              									Sodarückstands-Halde hinter der Fabrik, welche sehr reich an Sulfiden ist und in der
                              									an Kohlensäure reichen Luft der Siele so viel Schwefelwasserstoff ausgibt, daſs
                              									ernstliche Klagen daraus entstanden. Die localen Umstände verboten den Gedanken
                              									einer ökonomischen Verwerthung dieser Drainage; es gelang mir aber dieselbe völlig
                              									unschädlich zu machen dadurch, daſs sie abwechselnd in eine von drei Gruben geleitet
                              									wurde, in der sie mit dem Absatzschlamme der Manganlaugen des Weldon-Processes
                              									vermischt wurde. Dieser Schlamm enthält kohlensauren Kalk, Eisenoxydhydrat und etwas
                              									Manganoxyde. Den gebrauchten Schlamm lieſs ich an den Rand der Gruben werfen und
                              									dort stets durch die Luft regeneriren. Dieses freilich nur rohe Verfahren war seinem
                              									Zwecke ganz entsprechend und ist in der That auch seit einer Reihe von Jahren in
                              									Ausführung geblieben; dabei gewinnt man aber kein nützliches Product und hat noch
                              									Arbeitslohn zu bezahlen.
                           Smith, welcher das Verfahren an Ort und Stelle
                              									untersuchte, kam nun auf den Gedanken, es zu einem continuirlichen zu gestalten,
                              									indem er die Schwefel haltigen Laugen mit ein wenig Manganoxyd zusammenbrachte und
                              									einen Luftstrom durchleitete, welcher das gebildete Mangansulfür fast momentan
                              									wieder oxydirt. Dabei bildet sich neben freiem Schwefel auch stets
                              									unterschwefligsaurer Kalk, um so mehr, je weniger Mangan man anwendet; aber
                              									jedenfalls werden die Sulfide durchaus zerstört, ohne daſs sich eine Spur von
                              									Schwefelwasserstoff entwickelte.
                           Wie man sieht, ist Smith's Verfahren durchaus identisch
                              									im Princip mit demjenigen von Pauli zur Entschweflung
                              									von Sodarohlaugen, welches zuerst am 4. April 1879 in England patentirt wurde. Daſs
                              									hier eine von der Pauli'schen völlig unabhängige
                              									Beobachtung vorliegt, kann ich verbürgen, wenn dies bei einem Manne wie Angus Smith überhaupt nöthig wäre; denn er setzte mir
                              									das ganze, erst jetzt von ihm veröffentlichte Verfahren schon im April 1878 aus
                              									einander, als ich ihn in Manchester besuchte. Ferner hat schon Weldon einen ganz ähnlichen continuirlichen Proceſs
                              									beschrieben, wie Smith selbst hervorhebt, aber mit
                              									Anwendung von Eisenoxyd, welches lange nicht so vortheilhaft wirkt wie
                              									Manganoxyd.
                           Smith's Versuche wurden im Kleinen in einem Apparate
                              									gemacht, welcher im Originalbericht abgebildet ist. Die Schwefellauge wird in einem
                              									hohen Glasgefäſse mit 1g,5 Mangansuperoxyd auf
                              										1l vermischt und Luft mittels eines einfachen
                              									Dampfgebläses eingetrieben. Um das Verfahren zu einem continuirlichen zu machen,
                              									wurde die Lauge vom Boden fortwährend durch einen Heber abgesaugt, dessen innerer
                              									Schenkel in einen mit Baumwollzeug überspannten Trichter endete, während oben
                              									fortwährend eine entsprechende Menge frischer Schwefellauge nachlief. Die
                              									Entschweflung der Laugen ist nur vollständig, wenn man in sehr groſser Verdünnung
                              									arbeitet, so daſs der Sulfid-Schwefel nur 0,1 Procent der Flüssigkeit ausmacht; dies
                              									thut aber nichts, da man nicht einzudampfen hat und nur mit einem gröſseren Volumen,
                              									also mit gröſseren Gefäſsen arbeiten muſs. Smith bekam
                              									dabei ungefähr 70 Procent des Sulfid-Schwefels im Niederschlag, während der Rest als
                              									Calciumhyposulfit fortging. Der Niederschlag am Boden des Gefäſses enthielt neben
                              									Schwefel noch kohlensauren Kalk und das Manganoxyd. Smith berechnet, daſs man für jeden Acre (= 0ha,4) Sodahalden jährlich 537600 Gallonen (2435cbm) Drainage haben würde. Wenn diese auch so
                              									stark als möglich wäre, so könnte man doch alle 12 Stunden 1200 Gallonen (54360
                              									davon in einem Gefäſse von 1000 Gallonen (4530l)
                              									Inhalt entschwefeln und würde dazu 224 Tage und Nächte brauchen. Das Ergebniſs
                              									würde, nach dem längsten Versuche im Kleinen, 1,76 Procent oder 63,26 Tons (zu
                              										1016k) sein, welche zum Preise von 120 M. für
                              									1 Ton 7600 M. werth sein würden. Dies würde die Kosten sicher mehr als bezahlen,
                              									aber nicht viel übrig lassen.
                           Aehnliche Resultate, wie mit dem Schwefelcalcium der Sodarückstände, erhielt Smith mit Schwefelbarium und gründet sogar hierauf den
                              									Vorschlag, auf diesem Wege Aetzbaryt zu machen, um damit Natriumsulfat zu zersetzen.
                              									Leider wird dieses Soda-Verfahren wohl an der Schwierigkeit der Beseitigung des
                              									Bariumhyposulfits scheitern.
                           Verschiedene Versuche wurden auch gemacht, um den Schwefel der festen Sodarückstände
                              									in vollständigerer Weise als bei Mond's Verfahren
                              									auszuziehen; aber dies gelang nur mit Kraushaares
                              									Verfahren (s.u.).
                           Auch in gröſserem Maſsstabe wurden Versuche mit der Smith'schen Methode durch Mactear in Glasgow
                              									angestellt, freilich nicht mit sehr günstigem Erfolge. Hier wird nur das Endresultat
                              									interessiren. Von 100 Theilen ursprünglich vorhandenen Sulfid-Schwefels wurden
                              									wieder gefunden:
                           
                           
                              
                                 In Lösung (als Hyposulfit)
                                 65,65 Th.
                                 
                              
                                 Im Niederschlag
                                 33,18
                                 
                              
                                 Verlust
                                   1,17
                                 
                              
                                     Im Niederschlag sind vorhanden:
                                 
                                 
                              
                                 als Schwefel selbst, also verwendbar
                                 27,3 Th.
                                 
                              
                                 als Suffid
                                   3,64
                                 
                              
                           Smith glaubt dieses geringe
                              									Ausbringen an Schwefel dadurch erklären zu können, daſs Mactear zu viel Luft angewendet habe, was man vermeiden müsse.
                           Von Wichtigkeit ist auch die Beobachtung von Smith, daſs
                              									Schwefelcalcium und schwefelsaurer Kalk, welche unter gewöhnlichen Umständen so gut
                              									wie gar nicht auf einander wirken, sich ganz anders verhalten, wenn man durch den
                              									Brei einen anhaltenden Luftstrom bläst. Das Sulfat verschwindet ganz; ebenso findet
                              									sich auch kein schwefligsaures Salz, sondern nur unterschwefligsaures Salz, indem
                              									das Schwefelcalcium gleichfalls in dieses übergeht. Smith glaubt, daſs man auf diesem Wege nicht nur den Schwefel der bereits
                              									oxydirten Sodarückstände, sondern auch den des natürlichen Gypses werde nutzbar
                              									machen können, gibt aber zu, daſs ihm die Einzelheiten der Vorgänge noch nicht klar
                              									seien und der Gegenstand weiterer Untersuchungen bedürfe, deren er auch mir sehr
                              									werth zu sein scheint.
                           Smith bespricht ferner die bisher gebräuchlichen Schwefelregenerationsmethoden, von denen er aber nur
                              									diejenige von Mond näher zu kennen scheint, welche die
                              									einzige in England angewendete ist. Er constatirt, daſs dieser Proceſs (in England)
                              									nur wenig angewendet wird und einen wenn auch nicht groſsen Gewinn lasse; die
                              									Rückstände geben noch immer etwas, aber sehr wenig Schwefelwasserstoffgas aus, und
                              									die Drainagen seien ganz frei von Sulfiden. Ueber das zu Dieuze angewendete
                              									Verfahren (Smith erwähnt dabei gar nicht den
                              									Patentträger, P. W. Hofmann, welchem doch wohl das
                              									Hauptverdienst zukommt, sondern nur E. Kopp) gibt er
                              									den, jetzt schon theilweise veralteten, Bericht von Rosenstiehl vollinhaltlich wieder. Ueber Schaffner's Verfahren, welches ihm augenscheinlich nicht näher bekannt
                              									war, findet sich buchstäblich nur eine Zeile und kein
                              									Wort über das neue Verfahren von Schaffner und Helbig.
                           Am interessantesten sind die Versuche, welche Smith
                              									durch seinen Assistenten Curphey mit Kraushaar's Verfahren (vgl. 1877 226 412) anstellen lieſs. Dieses besteht darin, den Sodarückstand mit
                              									Wasser unter einem Druck von 5at zu erhitzen. Curphey erhielt folgende Resultate:
                           
                              
                                 Zeit des Erhitzens
                                 Temperatur
                                 Löslich gewordener Schwefel
                                 
                              
                                 5 Stunden
                                   155°
                                          86,0 Proc.
                                 
                              
                                        3
                                 160
                                 82,4
                                 
                              
                                      34
                                 164
                                 87,6
                                 
                              
                                        5
                                 140
                                 88,9
                                 
                              
                           Smith (welcher Schaffner und
                                 										Helbig's Proceſs noch nicht kannte) meint, daſs durch Kraushaar's Verfahren der Schwefel der Sodarückstände
                              										wohl am
                              									vollständigsten zu gewinnen sei, daſs aber das Verfahren viel zu kostspielig sein
                              									werde.
                           Endlich findet sich auch ein ausführlicher Bericht von Mactear über sein Verfahren zur Verwerthung der Drainage von alten
                              									Sodahalden, wodurch zu St. Rollox jährlich 1500t
                              									Schwefel gewonnen werden. Die ganzen Anlagekosten dafür beliefen sich auf 40000 M.;
                              									die Selbstkosten des Schwefels werden zu 61 M. für 1t angegeben. Diese Berechnung ist übrigens eine ganz indirecte, nämlich
                              									aus den Rohmaterialien der Sodafabrikation mit Abzug des Werthes des Sulfates, auf
                              									einer mir unverständlichen Basis; es lohnt nicht näher darauf einzugehen, da der
                              									wesentliche Zweck der ganzen Aufstellung ganz unverhohlen der ist, darzulegen, daſs
                              									die Sodafabrikanten besser daran thäten, ihre Salzsäure zur Wiedergewinnung des
                              									Schwefels nach Mactear's Verfahren zu verwenden, statt
                              									Chlorkalk daraus zu machen. Dies hat meines Wissens bis jetzt noch keinem einzigen
                              									englischen Sodafabrikanten so weit eingeleuchtet, daſs er Mactear's Patentlicenz erworben hätte. Wieweit Mactear Anspruch auf irgend welche eigene Erfindung in dieser Sache machen
                              									kann, habe ich in meinem Handbuche der Soda-Industrie
                              									aus einander gesetzt.
                           Während die erwähnten Verfahren sämmtlich den Zweck verfolgen, die Sodarückstände in
                              									solcher Weise zu verarbeiten, daſs gar kein Schwefelwasserstoff entweichen kann,
                              									wurde dieses Gas bei früheren Versuchen (z.B.
                                 									Gossage's) absichtlich erzeugt, um es zu verbrennen und Schwefelsäure daraus zu
                              									machen. Ferner entsteht es noch jetzt massenhaft bei der Verarbeitung von
                              									Schwefelammonium haltigem Gaswasser und gibt dabei oft eine Quelle groſser
                              									Unannehmlichkeiten ab. Es sollte scheinen, als ob sich das hier frei werdende Gas
                              									verhältniſsmäſsig leicht verbrennen lassen müſste, da es nicht mit Stickstoff
                              									gemengt ist; dafür ist ihm aber stets viel Kohlensäure beigemengt, von dem stets
                              									gleichzeitig im Gaswasser vorkommenden kohlensauren Ammoniak. Die Kohlensäure
                              									bewirkt ein oftmaliges Ausgehen der Flamme des Schwefelwasserstoffes, welche
                              									Schwierigkeit von W. Hunt dadurch überwunden worden
                              									ist, daſs er die Gase durch ein Kokesfeuer streichen läſst. Die Koke brennt auf
                              									einem Roste etwas über dem Boden des Kanales, durch welchen die gemischten Gase
                              									streichen; auf jeder Seite befinden sich Oeffnungen, durch welche Luft zur
                              									Verbrennung des Schwefelwasserstoffes eintreten kann, während die Luft zur
                              									Verbrennung der Koke von unten kommt. Auf diese Weise wird das Gas fortwährend
                              									entzündet gehalten, und das Gemisch von schwefliger Säure, Wasserdampf und
                              									Kohlensäure wird in Bleikammern geleitet. Erst wird es aber durch einen 12m langen Kanal abgekühlt. Dieses Verfahren wurde
                              									zuerst in der chemischen Fabrik zu Frizinghall bei Bradford eingerichtet, wo man
                              									damit 4t Schwefelsäure wöchentlich erzeugt, dann
                              									in Birmingham, wo man mehr fabricirt.
                           
                           A. Smith ist der Meinung, daſs das Problem der
                              									Verwandlung des Schwefelwasserstoffes in ein nützliches Product hiermit gelöst sei,
                              									und man verlangen könne, daſs jede Belästigung aus dieser Quelle jetzt aufhören
                              									solle. Dieser Schluſs scheint mir aber noch nicht durch die Thatsachen
                              									gerechtfertigt, Smith selbst gesteht zu, daſs man
                              									ziemlich viel Kokes braucht und daſs die Gase derselben die Condensation der Säure
                              									sehr erschweren. Grade well alle darauf bezüglichen Angaben fehlen, bin ich der
                              									Meinung, daſs bei diesem Verfahren wohl kaum die Kosten der Arbeit und des Salpeters
                              									herauskommen werden, was bis dahin die allgemeine Erfahrung gewesen ist, wenn man
                              									Schwefelwasserstoff auf Schwefelsäure zu verarbeiten gesucht hat. Eine Production
                              									von 4t Schwefelsäure wöchentlich ist eine so
                              									ungemein geringe, daſs schon daraus die Unmöglichkeit eines vortheilhaften
                              									Kammerprocesses mit Sicherheit gefolgert werden kann. Bei der Zersetzung im
                              									Gaswasser bekommt man übrigens noch lange nicht so verdünnten Schwefelwasserstoff,
                              									als bei manchen anderen chemischen Processen, und in solchen Fällen wird Hunt's Verfahren erst recht nicht anzuwenden sein. Weit
                              									eher glaube ich, daſs eine Beseitigung des Schwefelwasserstoffes und Verwerthung
                              									seines Schwefels in vortheilhafter Weise nach dem Verfahren von Schaffner und Helbig
                              									erreicht werden kann.
                           Wir wenden uns nun zu der Beschreibung neuer Condensationsapparate für Salzsäure. Von diesen hebt Smith besonders denjenigen von Fryer hervor, welcher in Figur 1 Taf.
                              									14 abgebildet ist. Die Abkühlung der Gase, auf welche A.
                                 										Smith von jeher so viel Werth gelegt hat, ist hier in der möglichst
                              									energischen Weise durchgeführt, nämlich in einem System von Glasröhren, welche von
                              									kaltem Wasser umspült werden. Die Röhren sind 25mm
                              									im Durchmesser und 1m,2 lang; je 144 davon sind in
                              									einem Kasten a von 1m,2 Seite enthalten. Da aber später beim Zusammen treffen des Gases mit Wasser
                              									wieder Wärme frei werden würde, so mischt Fryer das Gas
                              									gleich mit so viel Wasserdampf, als zur Bildung gewöhnlicher Salzsäure nöthig ist,
                              									und kühlt das Ganze nun in seinem Röhrenapparat ab. Auf dem kurzen Wege durch die
                              									Röhren wird nun allerdings das Meiste verdichtet; aber es bleibt doch immer noch
                              									etwas uncondensirtes Säuregas und zwar jetzt in sehr verdünnter Form übrig, welches
                              									auch durch den Aufsatz b mit directer
                              									Wassereinspritzung nicht verdichtet werden konnte. Der Versuch mit diesem Apparate,
                              									welchen eine Fabrik in Widnes im groſsen Maſsstabe angestellt hatte, wurde aus
                              									diesem Grunde sehr bald wieder aufgegeben, nach Smith's
                              									Meinung zu früh, da ihm das Princip der energischen Röhrenkühlung das richtige
                              									scheint. Ein Zusatzapparat, welchen Fryer mit
                              									vorgeschlagen hatte, wurde gar nicht probirt; dies ist eine
                              										„Staubstrahl-Kammer“, bestehend aus einem stehenden Cylinder mit sechs
                              									horizontalen, in der Mitte durchbrochenen Scheidewänden; im Centrum rotirt eine Welle, auf welcher
                              									Scheiben von etwas gröſserem Durchmesser als die Durchbrechungen sitzen; auf diese
                              									fällt das Wasser auf, wird durch Centrifugalkraft herum gespritzt und läuft in der
                              									Mitte nach der nächsten Etage ab. Vermuthlich würde dieser Apparat der Säure nicht
                              									lange Widerstand geleistet haben.
                           Ein anderer Condensationsapparat, welcher jetzt grade in
                              									derselben Fabrik probirt wird, ist der von Hazlehurst
                              									(patentirt in England i. J. 1877, Nr. 1668). Er beruht darauf, daſs das saure Gas in
                              									das Innere eines hohlen Cylinders gesaugt wird, welcher kolbenförmig in einem
                              									anderen Gefäſse auf und ab geht, das mit Wasser oder verdünnter Säure gefüllt ist.
                              									Beim Niedergange des Kolbens preſst er das Gas durch die Sperrflüssigkeit durch.
                           Was schlieſslich die Controle der
                                 										Condensation von sauren Gasen betrifft, so gibt Smith die Zeichnung und Beschreibung eines für ihn speciell construirten
                              										Anemometers (von Fryer), welches in Fig. 2 bis
                              										7 Taf. 14 wiedergegeben ist und das genaueste aller solchen Instrumente
                              									sein soll. Es beruht darauf, den Luftdruck auf einer sehr groſsen Oberfläche
                              									aufzunehmen und die Veränderung zu messen, welche dadurch an einer stählernen
                              									Spiralfeder hervorgebracht wird. Fig. 2 ist
                              									ein Aufriſs, Fig. 3 ein
                              									Längsschnitt, Fig. 4 ein
                              									Grundriſs, Fig. 5 ein
                              									vergröſserter Schnitt desjenigen Theiles des Instrumentes, welcher unmittelbar unter
                              									der Spiralfeder liegt, genommen im rechten Winkel zu Fig. 3. Fig.
                                 										6 ist ein vergröſserter Schnitt und Fig. 7 ein
                              									Grundriſs der Schraubenmutter. Der untere Theil des Instrumentes besteht aus zwei
                              									etwas gewölbten Kupferplatten A, A1
                              									, zwischen welchen eine dritte Platte B an der Spiralfeder C
                              									aufgehängt ist. Diese Platte B reicht nicht ganz bis an
                              									die Wandung des die Platten einschlieſsenden Gefäſses; ein Diaphragma D aus dünnem Kautschukstoff oder aus dünnem, mit
                              									Kautschuklösung getränktem Papier bewirkt einen luftdichten Abschluſs des Gefäſses
                              									in eine obere und untere Kammer. Eine ähnliche Membran E gestattet dem Stift G, welcher die
                              									Mittelscheibe trägt, eine kurze Strecke auf und ab zu gehen, und eine ganz ähnliche
                              									Membran F schlieſst die Oeffnung in der unteren Scheibe
                              										A1 ab. Die
                              									Spiralfeder C hängt in einer Röhre H, welche durch Umdrehung der Schraubenmutter J gehoben oder gesenkt werden kann. Jede Umdrehung von
                              										J hebt die Röhre um 1/10 engl. Zoll, und da ihre Oberseite in
                              									100 Theile getheilt ist, so stellt jeder Theilstrich eine Verticalbewegung von 1/1000 Zoll (= 1/40mm) vor. Am oberen Ende des Instrumentes befindet
                              									sich eine Stellschraube K, unter der Feder eine
                              									Schneide L gegenüber einer anderen feststehenden
                              									Schneide M. Die Röhren und Hähne N und O führen in die
                              									obere bezieh. untere Kammer; Stellschrauben P und eine
                              									Libelle Q dienen zur Horizontalstellung des
                              									Instrumentes, ein Mikroskop R zur Beobachtung der
                              									Schneiden M und L.
                           
                           Die Benutzung des Instrumentes geschieht in folgender Weise: Kautschukröhren
                              									verbinden die beiden Quellen verschiedenen Druckes mit den Hähnen N und O. Der
                              									Druckunterschied wirkt nun auf die groſse Oberfläche der Scheibe B, welche dadurch herabgedrückt wird und die Feder
                              									spannt. Man dreht nun die Mutter J so lange, bis die
                              									Scheibe B wieder genau in der vorigen Stellung ist, was
                              									man daraus erkennt, daſs die Schneiden L und M wieder einander genau gegenüber stehen. Die Anzahl
                              									der Theilstriche an der Mutter J zeigt den gesuchten
                              									Druck an. Man soll hierdurch einen Druck von 1/3000 Zoll (= 1/120mm) Aether mit
                              									aller Leichtigkeit ablesen können. Man kann damit Luftgeschwindigkeiten bis hinab zu
                              									3 Zoll (= 76mm) in der Secunde messen.
                           In dem Berichte von Smith sind noch
                              									die Instructionen abgedruckt, welche eine von dem Vereine der englischen
                              									Sodafabrikanten niedergesetzte Commission für die Controle des Entweichens von Gasen
                              									aus den Schwefelsäurekammern und den Salzsäure-Condensatoren aufgestellt hat. Da ich
                              									diese Regeln im Anhange zu meiner „Soda-Industrie“ (Bd. 2 S. 964 ff.)
                              									ausführlich mittheile, so sei hier nur ein Auszug daraus gegeben.
                           Von den hinter den Gay-Lussac-Thürmen entweichenden Gasen soll eine Probe von etwa 1
                              									Kubikfuſs stündlich je 24 Stunden hindurch continuirlich abgesaugt werden. Das Gas
                              									wird durch vier Absorptionsflaschen von ganz bestimmtem Inhalt geleitet, von welchen
                              									drei mit Normalnatronlauge, die vierte mit destillirtem Wasser gefüllt sind.
                              									Temperatur und Barometerstand werden beobachtet und das Gasvolumen auf die
                              									Normaleinheiten reducirt. Der Inhalt der Waschflaschen wird in drei Theile getheilt,
                              									von denen der eine auf Gesammtsäure, der zweite auf Stickstoffsäuren titrirt wird
                              									und der dritte als Reserve bleibt. Die Differenz zwischen der ersten und zweiten
                              									Bestimmung wird als Säuren des Schwefels angenommen. Die Bestimmung der Gesammtsäure
                              									geschieht durch Rücktitrirung der Natronlauge mit Normalschwefelsäure; das Resultat
                              									wird in Gran Natriumcarbonat auf 1 Cubikfuſs ausgedrückt (während sonst in der
                              									Anweisung nur metrisches Maſs und Gewicht angenommen ist!). Die Bestimmung der
                              									Stickstoffsäuren erfolgt, indem die Absorptionslauge langsam in eine warme, stark
                              									angesäuerte Halbnormal-Chamäleonlösung gegossen wird, so daſs noch ein kleiner
                              									Ueberschuſs von Chamäleon bleibt, welcher durch einige Tropfen einer Lösung von
                              									schwefliger Säure bis auf eine ganz schwache Rosafarbe weggenommen wird. Man bringt
                              									die Flüssigkeit dann in eine saure Eisenvitriollösung, deren Verhältniſs zur
                              									Chamäleonlösung bekannt ist, nachdem man aus dem sie enthaltenden Kolben die Luft
                              									durch Kohlensäure verdrängt hat. Man kocht dann so lange, bis die dunkle Färbung von
                              									Stickoxyd ganz verschwunden ist, und titrirt mit Chamäleon oder Bichromat zurück.
                              									Durch Formeln erleichtert man sich die Ableitung der Werthe für Stickstoff und
                              									für Schwefel im Cubikfuſs. Diese Anweisung, welche ganz im Einzelnen ausgeführt ist,
                              									scheint mir in der That sehr zweckmäſsig zu sein; nur nimmt sie gar keine Rücksicht
                              									auf Stickoxyd, welches doch notorisch gerade bei unregelmäſsigem Kammergange oft
                              									entweicht. Wie man dieses und eventuell auch Stickoxydul bestimmen kann, habe ich in
                              									meinem Handbuche S. 966 und 951 erörtert.
                           Die Vorschriften der englischen Commission für Controle des Entweichens von Salzsäure aus den Condensationsapparaten ähneln im
                              									allgemeinen Theile ganz den obigen. Zur Absorption dient hier destillirtes Wasser,
                              									und die Titrirung geschieht mit Silbernitrat und Kaliumchromat als Indicator; dabei
                              									ist aber nicht beachtet, daſs dies bei Gegenwart von schwefliger Säure nicht ohne
                              									weiteres angeht (vgl. Soda-Industrie, Bd. 2 S.
                              									236).
                           Zürich, Februar 1880.
                           
                        
                     
                  
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