| Titel: | Biegungsfestigkeit von Tafelglas für Bedachungen. | 
| Fundstelle: | Band 236, Jahrgang 1880, S. 210 | 
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                        Biegungsfestigkeit von Tafelglas für
                           								Bedachungen.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 20.
                        Schwering, über Biegungsfestigkeit von Tafelglas.
                        
                     
                        
                           Die bisherigen Angaben über die Festigkeitsverhältnisse des Glases sind keineswegs
                              									geeignet, als zuverlässige Grundlage zur Berechnung der Abmessungen von Glasplatten
                              									für Bedachungen zu dienen. Da eine solche Berechnung aber aus ökonomischen Gründen
                              									besonders dann von Wichtigkeit ist, wenn es sich um die Eindeckung groſser Räume
                              									handelt, verdienen neuere Untersuchungen über diesen Gegenstand Beachtung, welche
                              									vom Regierungsbaumeister Schwering in Hannover angestellt und in der
                              										Zeitschrift des Architekten- und Ingenieurvereines zu
                                       										Hannover, 1880 S. 69 mitgetheilt wurden, wenngleich dieselben, lediglich
                              									für praktische Zwecke berechnet, nicht darauf abzielten, wissenschaftlich genügende
                              									Resultate zu geben. Zur richtigen Beurtheilung des Werthes dieser Versuche sei
                              									vielmehr bemerkt, daſs durch dieselben zunächst die Constanten in den bekannten
                              									Formeln für Biegungsfestigkeit ermittelt wurden, so daſs sich nun die Festigkeit
                              									bestimmter im Handel vorkommender Tafelglassorten mit Hilfe derselben berechnen
                              									läſst. Auſserdem wurden in einzelnen Fällen auch die Durchbiegungen gemessen, um den
                              									jeweiligen Elasticitätsmodul wenigstens annäherungsweise zu bestimmen.
                           Die Versuche wurden in folgender Weise vorgenommen: Glastafeln von meist 20cm Breite und von verschiedenen Längen und Stärken
                              									wurden auf zwei etwas abgerundeten, mit Filzstreifen überdeckten Schneiden
                              									aufgelagert und in der Mitte belastet. Bei einer Reihe von Versuchen diente hierzu
                              									ein auf die Glastafel aufgelegtes Holzstück mit Filzunterlage, auf dessen
                              									Mittelpunkt mittels einer Schneide ein Belastungshebel wirkte (vgl. Fig. 12 und
                              										13 Taf. 20). Bei einer zweiten Versuchsreihe, bei welcher stärkere,
                              									bezieh. kürzere Tafeln zerbrochen wurden, erfolgte die Belastung durch einen Hebel
                              									mit 4 facher Uebersetzung; derselbe drückte mittels einer Schneide auf die
                              									Glastafel; zwischen beide war zur gleichmäſsigen Druckübertragung wieder ein Stück
                              									Filz gelegt. Die Schneidenlänge betrug hierbei etwas mehr als die Breite der
                              									Glastafel (vgl. Fig. 10 und
                              										11). Zur annähernden Bestimmung des Elasticitätsmoduls wurden die
                              									Durchbiegungen in einzelnen Fällen in der Weise bestimmt, daſs ein feiner
                              									Seidenfaden, an dessen Enden Gewichte befestigt waren, über die Glastafel gezogen
                              									wurde. An einer in deren Mitte aufgesetzten Scale konnte zunächst die durch das
                              									Eigengewicht hervorgerufene Durchbiegung abgelesen werden, worauf die Beobachtung
                              									weiterer durch Belastung von 5 zu 5k
                              									hervorgerufener Durchbiegungen stattfand. Nachdem noch jede gemessene Durchbiegung
                              										δ1 (Fig. 14)
                              									auf die der Stützweite l entsprechende Durchbiegung δ reducirt wurde, konnte der Elasticitätsmodul nach der
                              									bekannten Formel E=\frac{P\,l^3}{48\,\delta\,T} bestimmt werden,
                              									worin T das Trägheitsmoment des Tafelquerschnittes und
                              										δ die durch ein Gewicht P hervorgerufene, auf die Länge l reducirte
                              									Durchbiegung ist. Aus den beobachteten Bruchbelastungen wurde der Bruchmodul
                              									(Coefficient) k nach der Formel
                              										k\,\frac{b\,h^2}{6}=\frac{2600\,h\,b}{1000000}\
                                 										\frac{l^2}{8}+\frac{P}{4}\,\left(l-\frac{l_1}{2}\right) bestimmt,
                              									worin b die Breite, h die
                              									Dicke und l die Länge der Glastafel in Centimeter, P die Bruchbelastung in Kilogramm bedeutet und das
                              									specifische Gewicht des Glases zu 2,6 angenommen ist. Unter l1 ist die Breite des die Belastung
                              									übertragenden Brettstückes (Fig. 12 und
                              										13) zu
                              									verstehen; bei der zweiten Versuchsreihe, welche mit der in Fig. 10 und
                              										11 abgebildeten Vorrichtung vorgenommen wurde, war l1 = 0 zu setzen.
                           Die erste Reihe weist 25 Versuche mit geblasenem Glas
                              									von 3,0 bis 5mm,0 mittlerer Stärke und 36 Versuche
                              									mit gegossenem Glas von 5,13 bis 15mm,0 mittlerer Stärke auf. Sämmtliche Proben der
                              									33 Versuche zählenden zweiten Reihe waren gegossenes
                              									Glas in mittleren Stärken von 5,02 bis 25mm,2.
                              									Auſserdem wurden mit jedem der beiden Apparate je zwei Proben Preſshartglas in Stärken von 2,76 bis 6mm,0 untersucht.
                           Bei geblasenem Rohglas betrug k (die Bruchbelastung für 1qc) 286 bis
                              										596k, im Mittel 375k. Die Bruchbelastungen des gegossenen Rohglases in Stärken von 5 bis 15mm erwiesen sich als mit der Stärke abnehmend; die
                              									Mittelwerthe derselben sind in dem Diagramm Fig. 15
                              									Taf. 20 übersichtlich zusammengestellt. Die nach den Minimalstärken der Probetafeln
                              									der ersten Versuchsreihe berechneten Bruchbelastungen (Ia
                              									in Fig. 15) sind etwas gröſser als die aus den mittleren Glasstärken
                              									berechneten (Ib). Bei Tafeln von über 15mm Stärke ist die Bruchbelastung nach dem
                              									Ergebniſs der ersten Versuchsreihe constant etwa = 200k zu setzen. Auch die Resultate der zweiten Versuchsreihe sind in Fig.
                                 										15 angegeben (II); doch legt Schwering selbst
                              									auf diejenigen der ersten Versuchsreihe gröſseres Gewicht. Nach den letzteren stellt
                              									er die Bruchfestigkeitscoefficienten des gegossenen Rohglases in zwischen 5 und
                              										15mm gelegenen Stärken x durch die Formel dar:
                           k_x=200+(15-x)^2\,\times\,1,6.
                           Die nach dieser Formel berechneten Coefficienten sind in Fig.
                                 										15 punktirt angedeutet.
                           Die Abnahme der Festigkeit des gegossenen Glases bei
                              									zunehmender Stärke ist einestheils aus den mit der Dicke sich ändernden inneren
                              									Spannungen im Glase, anderntheils daraus zu erklären, daſs die äuſseren Schichten
                              									eine höhere Festigkeit haben als der innere Kern, dessen Einwirkung bei groſsen
                              									Dicken besonders hervortritt. Probeplatten, welche sogen. „Haarrisse“
                              									zeigten, hatten eine verhältniſsmäſsig geringe Festigkeit; die eine von 6mm,8 Dicke brach bei 192k/qc, die andere
                              									von 6mm,21 Dicke schon bei 108k/qc. Solches Glas
                              									sollte deshalb für Dachbedeckungen oder ähnliche Zwecke nicht benutzt werden.
                              									Haarrisse – feine Risse von oft nur geringer Länge und zackiger Form – sind dadurch
                              									charakterisirt, daſs sie sich bei einem leichten Schlag mit einem Hammer auf die
                              									betreffende Stelle der Glastafel vergröſsern.
                           Für Preſshartglas ergab sich aus den 4 Versuchen ein
                              									mittlerer Bruchmodul von 1000k. Dagegen zeigt sich
                              									der aus zwei Versuchen im Mittel zu rund 7800 berechnete Elasticitätsmodul desselben
                              									nicht wesentlich verschieden von dem des gewöhnlichen Glases; denn für geblasenes Glas wurde als
                              									Mittelwerth aus 11 Proben von 3 bis 5mm Stärke E = 7473 und für gegossenes Glas als Mittelwerth aus 9
                              									besonders hervorgehobenen Proben E = 7638 bestimmt.
                              									Weil nun Dachplatten nicht nur eine ruhende Last, sondern auch erhebliche
                              									Stoſswirkungen bei Hagelschlag u. dgl. auszuhalten haben, ist neben hoher Festigkeit
                              									auch eine groſse Elasticität von Wichtigkeit, und aus diesem Grunde müſste das
                              									Preſshartglas für Bedachungen als ganz besonders geeignet erscheinen. Allein der
                              									ausgedehnteren Verwendung desselben steht nicht nur der hohe Preis (5 bis 12 M. für
                              										1qm 2 bis 5mm starker Tafeln zweiter Sorte und 3,50 bis 6 M. für 1qm 2 bis 3mm,5
                              									starker Tafeln dritter Sorte), sondern auch die geringe Gröſse entgegen, in welcher
                              									sich die Tafeln herstellen lassen. (Nach Angaben von F.
                                 										Siemens in Dresden kann dieselbe bei 4mm
                              									Dicke 350 × 550 bis 685mm und bei 5mm Dicke 640 × 400 bis 430mm betragen.) Ueberdies ist auch die
                              									wahrscheinlich durch innere Spannungen bedingte Möglichkeit des Zerspringens von
                              									Hartglastafeln ohne äuſsere Veranlassung sowie der Umstand in Betracht zu ziehen,
                              									daſs sich dieselben mit dem Diamant in der gewöhnlichen Weise nicht schneiden
                              									lassen.
                           Bezüglich der Frage, ob geblasenes oder gegossenes Rohglas für Bedachungen
                              									vorzuziehen sei, kommt Schwering zu keiner allgemeinen
                              									Entscheidung. Während geblasenes Glas eine gröſsere Festigkeit zeigt, hat das
                              									gegossene den Vortheil, daſs es sich in gröſseren Dimensionen herstellen läſst; auch
                              									wird hervorgehoben, daſs die Fehler, welche dünnen Rohgläsern anhaften, bei
                              									sorgfältiger Herstellung bis zu einem gewissen Grade vermieden werden können.
                           Ob eine Riffelung des Glases auf die Festigkeit Einfluſs hat, ist fraglich;
                              									angestellte Versuche scheinen zu ergeben, daſs stärker
                              									geriffelte Platten fester als glatte oder schwach geriffelte sind. Jedenfalls
                              									empfiehlt es sich, die Riffeln rechtwinklig zum Auflager zu legen, was bei wenig
                              									geneigten Dächern allerdings den Uebelstand zur Folge hätte, daſs sich in den
                              									Riffeln Schmutz ansetzt. Was das Schleifen des Glases betrifft, so läſst sich
                              
                              									annehmen, daſs dasselbe die Festigkeit vermindert, weil die härtere, bezieh. festere
                              									Oberfläche entfernt wird. Es müſsten deshalb die Tafeln so gelegt werden, daſs die
                              									geschliffene Fläche auf der Druckseite, also bei Bedachungen oben liegt.
                           Schlieſslich macht Schwering den Vorschlag, bei groſsen
                              									Bestellungen eine bestimmte Festigkeit und Elasticität des zu liefernden Materials
                              									vorzuschreiben und die Güte desselben durch Prüfungen jeweilig festzustellen. Von
                              									einer derartigen Maſsregel verspricht er sich bezüglich der Fortschritte in der
                              									Fabrikation den besten Erfolg.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
