| Titel: | Ueber Glas, Glasuren, Porzellane, Steinzeuge und feuerfeste Thone; von Dr. G. Wagener in Tokio. | 
| Autor: | G. Wagener | 
| Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 30 | 
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                        Ueber Glas, Glasuren, Porzellane, Steinzeuge und
                           								feuerfeste Thone; von Dr. G. Wagener in Tokio.
                        Wagener, über Glas, Glasuren, Porzellan u.s.w.
                        
                     
                        
                           Zusammensetzung von Porzellanglasuren. In früheren
                              									Notizen (1882 243 152. 244
                              									400) wurde die Anschauung erörtert, daſs die bei den hohen Temperaturen der
                              									Porzellan- oder böhmischen Glasöfen geschmolzenen Gläser ein Gemenge der
                              									nachfolgenden Silicate thatsächlich sind und sein sollten, d.h. ihrer quantitativen
                              									Zusammensetzung nach, wobei alle Speculation über die wirkliche
                              									Molecularconstitution des Glases ganz bei Seite gelassen wird. Diese Silicate
                              									sind:
                           
                           K2(Na2)O,6SiO2. Ca(Ba)O,2SiO2. Mg(Fe,Mn u. dgl.)O,SiO2.Nicht 2SiO2, wie früher als zulässig von mir
                                    											angenommen.W. Al2O3,3SiO2.
                           Es sind aber auch noch K2(Na2)O,5SiO2 und
                              										CaO,SiO2 zulässig. Die Mengenverhältnisse dieser
                              									Silicate sind ganz willkürlich und können innerhalb ziemlich weiter Grenzen
                              									wechseln. Nur ist für vollkommene Transparenz und Nichtentglasbarkeit eine
                              									hinreichende Menge von Alkalisilicat erforderlich, welche wesentlich von dem Gehalt
                              									an Thonerde- und Kalksilicaten abhängt, wenigstens in den meisten Fällen der
                              										Praxis.Es mag hier
                                    											ausdrücklich bemerkt werden, daſs die in der ersten Notiz (1882 243 66)
                                    											aufgestellten, rein empirischen Formeln als annullirt zu betrachten und durch die einfacheren Formeln der
                                    											späteren und der vorliegenden Notizen zu ersetzen sind. Jene erste Notiz ist
                                    											nur in Folge verspäteten Eintreffens einer verbesserten Einsendung zum Druck
                                    											gelangt.W. Wenn nun die
                              									erwähnte Auffassung von der quantitativen Zusammensetzung schwer schmelzbarer Gläser
                              									thatsächlich mit den Analysen der besten Produkte dieser Art übereinstimmt, so ist
                              									es von vorn herein wahrscheinlich, daſs eine solche Uebereinstimmung auch bei den
                              									Porzellanglasuren stattfinden wird.
                           Um diese Frage näher zu prüfen, wurde dieselbe zum Gegenstand einer Examensarbeit des
                              									Studirenden Uyeda gemacht und seine Analysen und
                              									Versuche, sowie die des Assistenten Hrn. Nakasawa u.a.
                              									zeigten, daſs die vermuthete Uebereinstimmung thatsächlich stattfindet und daſs es
                              									somit auch sehr leicht ist, aus gegebenen Materialien eine Glasur zusammen zu
                              									setzen. Die Art der Berechnung zu dem Zweck, die Zusammensetzung der Glasuren besser
                              									übersehen und dieselben mit einander vergleichen zu können, mag hier an einem
                              									Beispiele vollständig, an anderen nur in den Hauptresultaten erläutert werden, nach
                              									Analysen der oben erwähnten Chemiker:
                           
                              
                                 Glasur aus Kioto.
                                 
                              
                                 H2O
                                 1,90
                                 
                                 Kieselsäure er-
                                 
                              
                                 CO2
                                 8,65
                                 Aequivalent
                                 forderlich zur
                                 
                              
                                 SiO2
                                 61,56
                                 1,0267
                                 Glasbildung
                                 
                              
                                 Al2O3
                                 11,56
                                 0,1129
                                 0,3387
                                 
                              
                                 Fe2O3
                                 0,17
                                 0,0011
                                 0,0022
                                 
                              
                                 CaO
                                 12,36
                                 0,2207
                                 0,4414
                                 
                              
                                 MgO
                                 0,76
                                 0,0190
                                 0,0190
                                 
                              
                                 K2O
                                 2,30
                                 0,0246
                                 0,1476
                                 
                              
                                 Na2O
                                 0,89
                                 0,0144
                                 0,0864
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 1,0353.
                                 
                              
                                 Alkalisilicat 19,3 Procent der
                                    											geschmolzenen Glasur.
                                 
                              
                           Man sieht, daſs die berechnete Kieselsäure bis auf weniger als 1
                              									Proc. mit der gefundenen übereinstimmt.
                           Die nachfolgende Tabelle enthält die Hauptresultate für eine Reihe anderer
                              									Glasuren:
                           
                           
                              
                                 GeschmolzeneGlasur von
                                 VorhandeneSiO2 in
                                    											Proc.der berechn.
                                 ProcentanAl2O3
                                 ProcentanCaO
                                 Procent anAlkali-silicat
                                 
                              
                                 Isse
                                 103,7
                                 16,8
                                   4,5
                                 34,9
                                 
                              
                                 Kioto
                                 107,1
                                 14,5
                                   9,4
                                 23,4
                                 
                              
                                    „
                                   99,2
                                 12,9
                                 13,8
                                 19,3
                                 
                              
                                 Hizen
                                   93,2
                                 17,8
                                 10,3
                                 21,6
                                 
                              
                                    „
                                   86,9
                                 14,3
                                 18,2
                                   9,4
                                 
                              
                                    „
                                   81,4
                                 15,5
                                 14,8
                                 17,7
                                 
                              
                                 SèvresVgl.
                                          														Muspratt's Chemie, 3. Aufl. Bd. 6 S. 1991.
                                 113,7
                                 14,9
                                   1,1
                                 44,6
                                 
                              
                           Man sieht, daſs die vorhandene Kieselsäure im Ganzen nur um wenige Procent von der
                              									berechneten abweicht. Da, wo sie weniger beträgt, wie bei der Hizen-Glasur, beträgt
                              									ihre Menge doch immer noch so viel, daſs sie vollständig ausreicht, wenn man anstatt
                              									des CaO,2SiO2 ein Gemisch von CaO,SiO2 und CaO,2SiO2
                              									annimmt. Uebrigens lassen die Hizen-Glasuren mit groſsem Kalk- und verhältniſsmäſsig
                              									geringem Kieselsäuregehalt sehr oft an Transparenz und Glanz viel zu wünschen übrig.
                              									Noch ist bemerkenswerth, daſs ein sehr hoher Gehalt an Kieselsäure durch einen hohen
                              									Gehalt an Alkalisilicat wieder ausgeglichen ist. Es ist ein solcher Ueberschuſs an
                              										SiO2 um so eher zulässig, als die Glasur nur
                              									eine dünne Schicht bildet, sich also leichter läutert als ein groſses Volumen Glas.
                              									Auch wird sie wegen ihrer geringen Dicke nicht leicht entglasen und eine schwache
                              									Entglasung oder ein gelindes Trübewerden wird auch kaum bemerkbar sein.
                           Als Versuch zur Prüfung und Bestätigung der obigen Anschauung wurde nun eine Glasur
                              									hergestellt aus folgendem Material:
                           
                              
                                 
                                 
                                 
                                 Zur Glasbildung
                                 
                              
                                 H2O
                                 4,14
                                 Aequivalent
                                 erforderliche
                                 
                              
                                 SiO2
                                 77,78
                                 1,2963
                                 Kieselsäure
                                 
                              
                                 Al2O3
                                 10,06
                                 0,1000
                                 0,3000
                                 
                              
                                 Fe2O3
                                 1,20
                                 0,0075
                                 0,0150
                                 
                              
                                 CaO
                                 2,21
                                 0,0400
                                 0,0800
                                 
                              
                                 MgO
                                 0,28
                                 0,0070
                                 0,0070
                                 
                              
                                 K2O
                                 1,56
                                 0,0166
                                 0,0996
                                 
                              
                                 Na2O
                                 2,12
                                 0,0342
                                 0,2052
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 0,7068.
                                 
                              
                           In 100 Th. des Materials ist also ein Ueberschuſs von 0,5895 SiO2, zu dessen Sättigung 0,2947 CaCO3 erforderlich sind. Demgemäſs wurden zu 100 Th. des
                              									erwähnten Materials 29,47 Kalkspath gemischt, diese Mischung auf zwei verglühte
                              									Porzellanscherben verschiedener Herkunft und zwei Steinzeugscherben aus Isse, sogen.
                              									graues und braunes Banko, aufgetragen und in einen Porzellanofen eingesetzt. Auf
                              									allen 4 Scherben zeigte sich die Glasur vollständig geschmolzen, glänzend, gut
                              									haftend, ohne jede Spur von Haarrissen.
                           Es scheint also wohl, daſs man für die Zusammensetzung von Porzellanglasuren dieselbe
                              									im Anfang dieser Notiz erwähnte Regel wie für die Zusammensetzung schwer
                              									schmelzbarer Gläser gelten lassen muſs.
                           
                           Für Thonerde sollte man 15 und für Kalk etwa 18 Proc. als äuſserste Grenze gelten
                              									lassen.
                           Zusammensetzung der Porzellane. Die Porzellanmassen
                              									enthalten dieselben Elemente wie die schwer schmelzbaren Gläser und die
                              									Porzellanglasuren; sie werden denselben Temperaturen ausgesetzt und bestehen, wie
                              									die mikroskopische Untersuchung zeigt, aus einer durchsichtigen glasigen Masse, in
                              									welche krystallinische oder nichtkrystallinische Körperchen eingebettet sind. Es ist
                              									daher wahrscheinlich, daſs auch dieselben Silicate entstehen, so weit dies möglich,
                              									und wird es immerhin den Versuch werth sein, die Zusammensetzung der Porzellane, auf
                              									Grund der Glasformel, einer näheren Berechnung zu unterziehen. Thut man dies, so
                              									ergeben sich höchst bemerkenswerthe Resultate.
                           Von vorn herein stellen sich – wozu ja auch schon ein Blick auf die Pauschanalysen
                              									genügt – bedeutende Unterschiede zwischen den verschiedenen Porzellanmassen heraus.
                              									Die einen enthalten weniger Kieselsäure, als der Glasberechnung entspricht, die
                              									anderen mehr, noch andere fast genau die berechnete Menge. Um die Uebersicht zu
                              									erleichtern – keineswegs aber um damit die wirkliche Constitution der Porzellane
                              									darzustellen –, ist die Berechnung so ausgeführt, daſs alle Basen, ausgenommen die
                              									Thonerde, als mit der nöthigen Menge Kieselsäure verbunden angenommen sind und
                              									somit, wenn keine anderen Bestandtheile vorhanden wären, ein klares böhmisches Glas
                              									bilden würden. Die noch übrig bleibende Thonerde und Kieselsäure sind alsdann zu
                              										Al2O3,2SiO2, zu Al2O3,3SiO2 und zu
                              									überschüssiger SiO2 gruppirt worden, wobei es aber
                              									ganz unentschieden bleibt, ob diese letzteren Silicate und die überschüssige
                              									Kieselsäure wirklich als solche getrennt vorhanden sind oder nicht. Es wird genügen,
                              									an 2 Beispielen zu zeigen, wie die Rechnung ausgeführt ist, wobei zu bemerken, daſs
                              									die Analysen gröſstentheils der Tabelle in Muspratt's
                              										Chemie, 3. Auflage Bd. 6 S. 1963 entnommen
                              									sind:
                           
                              
                                 1) Meiſsener Porzellan (f).
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Aequivalent
                                 
                                 
                              
                                 SiO2
                                 60,033
                                 1,0006
                                 Erforderliche
                                 
                              
                                 Al2O3
                                 35,435
                                 0,3460
                                 Kieselsäure
                                 
                              
                                 K2O
                                 2,264
                                 0,0241
                                 0,1446
                                 
                              
                                 Na2O
                                 1,547
                                 0,0250
                                 0,1500
                                 
                              
                                 CaO
                                 0,577
                                 0,0103
                                 0,0140Hier
                                          													sind nur 0,0140 anstatt 0,0206 SiO2
                                          													angenommen, um nachher als Rest genau das Al2O3,2SiO2 zu erhalten. Der
                                          													Unterschied ist so gering, daſs wohl keine ernste Einwendung erhoben
                                          													werden kann.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 0,3086.
                                 
                              
                                 Also weitere Kieselsäure
                                 0,6920,
                                 
                              
                           welche mit Thonerde genau zu Al2O3,2SiO2 verbunden sein kann.
                           Das Porzellan könnte also nach dem Brande ein Gemenge sein von: 22,90 Th. Thonerde
                              									freien Glases und 76,95 Th. des Silicates Al2O3,2SiO2, von welchem letzteren natürlich
                              									ein Theil in dem Glase gelöst sein und bleiben kann.
                           
                              
                                 2) Böhmisches Porzellan (i.)
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Aequivalent
                                 Zur Glasbildung
                                 
                              
                                 SiO2
                                 74,798
                                 1,2466
                                 erforderliche
                                 
                              
                                 Al2O3
                                 21,303
                                 0,2080
                                 Kieselsäure
                                 
                              
                                 K2O
                                   2,484
                                 0,0264
                                 0,1584
                                 
                              
                                 Na2O
                                   0,584
                                 0,0094
                                 0,0564
                                 
                              
                                 CaO
                                   0,639
                                 0,0114
                                 0,0228
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 0,2376.
                                 
                              
                                 Weitere vorhandene SiO2
                                 1,0090.
                                 
                              
                           Also läſst sich die Masse denken als ein Gemisch von 18 Th. Thonerde freien Glases,
                              									58,75 Th. des Silicates Al2O3,3SiO2 und 23,10
                              									Th. überschüssige Kieselsäure.
                           In der folgenden Tabelle sind nun die Resultate der Rechnungsmethode für verschiedene
                              									Porzellane zusammengestellt und zwar so viel wie möglich nur für solche, bei denen
                              									es sicher ist, daſs sie ohne Glasur analysirt worden sind. – Die mit Buchstaben
                              									versehenen Porzellane sind der Tabelle aus Muspratt's
                              										Chemie, Bd. 6 S. 1963 entnommen; die mit einem
                              									Kreuz versehenen sind vermuthlich glasirt gewesen:
                           
                              
                                 Herkunft
                                 Thonerdefreies Glas
                                 Gehalt anAl2O3,2SiO2
                                 Gehalt anAl2O3,3SiO2
                                 UeberschüssigeSiO2
                                 
                              
                                 Meiſsen (f)
                                 22,90
                                 76,95
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 Sèvres (q)
                                 25,07
                                 74,93
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 ParianVgl.
                                          														Muspratt's Chemie, Bd. 6 S. 2010, 1344 bezieh.
                                          											1964.
                                 35,14
                                 64,52
                                 –
                                 –
                                 
                              
                                 † Chinesisches (z)
                                 38,40
                                 11,70
                                 50,20
                                 –
                                 
                              
                                 Statuenporzellan (r)
                                 30,40
                                   5,25
                                 64,05
                                 –
                                 
                              
                                 BerlinVgl.
                                          														Muspratt's Chemie, Bd. 6 S. 2010, 1344 bezieh.
                                          											1964.
                                 24,90
                                 –
                                 73,16
                                   1,94
                                 
                              
                                 † Japanisches (d1)
                                 38,00
                                 –
                                 60,00
                                   2,91
                                 
                              
                                 † Chinesisches (c1)
                                 38,10
                                 –
                                 58,70
                                   3,00
                                 
                              
                                 LimogesVgl.
                                          														Muspratt's Chemie, Bd. 6 S. 2010, 1344 bezieh.
                                          											1964.
                                 31,20
                                 –
                                 63,10
                                   5,70
                                 
                              
                                 Schlaggenwalde (k)
                                 25,10
                                 –
                                 64,56
                                   9,51
                                 
                              
                                 Elgersburg (h)
                                 15,50
                                 –
                                 67,64
                                 15,50
                                 
                              
                                 Böhmisches (i)
                                 18,00
                                 –
                                 58,75
                                 23,10
                                 
                              
                                 Isse (Japan)
                                 17,00
                                 –
                                 47,30
                                 35,70
                                 
                              
                                 Tokio
                                 38,16
                                 –
                                 49,92
                                 11,87
                                 
                              
                           Die letzteren beiden Porzellane wurden im
                              									Universitätslaboratorium analysirt.
                           Ein Blick auf diese Tabelle genügt, um zu zeigen, daſs diejenigen Haupttypen von
                              									Porzellanen, welche von jeher als sehr verschieden von einander aufgefaſst worden
                              									sind und unter dem Mikroskope ein ganz, verschiedenes Aussehen zeigen, welche bei
                              									verschiedenen Temperaturen gebrannt werden u.s.w., daſs diese Typen auch durch die
                              									obige Berechnung in der schärfsten Weise charakterisirt sind, viel schärfer
                              									jedenfalls, als es die Analyse thut.
                           Die beiden Porzellane Meiſsen und Sèvres, die ältesten in Europa, welche hier und da
                              									wohl ausschlieſslich als „eigentliche“ Porzellane bezeichnet worden, sind von
                              									beinahe identischer Zusammensetzung, obgleich die Analyse in den Basen groſse
                              									Verschiedenheiten aufweist. Auch geht aus der Rechnung hervor, daſs das fast
                              									unschmelzbare Al2O3,2SiO2
                              									vielleicht bei der sehr
                              									hohen Temperatur zum groſsen Theile aufgelöst ist, aber beim Erkalten sicherlich
                              									sich ausscheiden muſs, ähnlich wie bei einer Entglasung. Auſserdem zeigt die
                              									Berechnung, daſs zum Brennen eine sehr hohe Temperatur erforderlich sein muſs. Das
                              									Parian ist ganz ähnlich zusammengesetzt, kann aber viel mehr Glas bilden, kann bei
                              									niedererer Temperatur gebrannt werden und ist mehr dem Milchglas ähnlich.
                           Ein anderer charakteristischer Typus ist von jeher das Berliner Porzellan gewesen. Es
                              									besteht, bis auf einen kleinen Ueberschuſs von Kieselsäure, aus an Thonerde freiem
                              									Glase und dem Silicate Al2O3,3SiO2; d.h. es ist
                              									überhaupt wie ein Glas zusammengesetzt, nur mit einer so groſsen Menge von Al2O3,3SiO2, daſs es nicht transparent und flüssig wird. Nun
                              									aber zeigen die Versuche von Bischof und Richters, daſs das genannte Thonerdesilicat bei der
                              									Weiſsgluthitze sich glasirt; es ist also anzunehmen, daſs es mit dem übrigen Glase
                              									innig zusammenschmilzt zu einer zähen homogenen Masse, jedenfalls viel inniger als
                              									das 2fache Silicat im Meiſsener Porzellane. Daraus erklärt es sich auch wohl, daſs
                              									im Dünnschliffe das Berliner Porzellan ein ganz homogenes Aussehen hat ohne
                              									Ausscheidungen, während das Meiſsener Porzellan gleichmäſsig vertheilte Krystalle in
                              									einer Glasmasse zeigt. Ferner, da das Berliner Porzellan dieselben – und keine
                              									anderen – Silicate wie die Glasur, nach dem früher Gesagten aller Wahrscheinlichkeit
                              									nach (eine Analyse liegt nicht vor), ebenfalls enthält, so muſs die Vereinigung von
                              									Glasur und Scherben eine höchst innige sein und beide werden an der
                              									Berührungsstelle, indem die Glasur in den Scherben eindringt, einen ganz
                              									allmählichen Uebergang bilden, der gewissermaſsen ein Ideal von Glasur- und
                              									Scherbenverbindung ist. Dieser besondere Umstand ist vielleicht der Grund, weshalb
                              									das Berliner Porzellan einen so hohen Ruf bei den Chemikern hat. Nicht nur, daſs
                              									hier Glasur und Masse von solcher Zusammensetzung sind, wie sie das Maximum der
                              									Widerstandsfähigkeit gegen chemische Reagentien erfordert, sondern die vollkommene
                              									Gleichartigkeit der Zusammensetzung und die innige Verbindung von Glasur und
                              									Scherben bewirken es auch, daſs bei noch so häufigen Temperaturwechseln u.s.w. keine
                              									Lockerung des Zusammenhanges, keine Haarrisse entstehen können.
                           Den dritten Typus bilden gewisse böhmische und der gröſste Theil der japanischen
                              									Porzellane, welche einen Ueberschuſs von Kieselsäure enthalten. Es sind die
                              									gewöhnlichen Handelsporzellane, und die Praxis hat hier den Weg gefunden, Mischungen
                              									herzustellen, welche bei niedrigerer Temperatur als die von Meiſsen, Sèvres und
                              									Berlin gebrannt werden können. Der Ueberschuſs von Kieselsäure ist höchst
                              									wahrscheinlich der Grund, weshalb diese Porzellane – wenigstens die japanischen –
                              									beim Brande sehr leicht weich werden, wenn nicht zur rechten Zeit aufgehört oder
                              									wenn die Temperatur etwas zu hoch wird. Es läſst sich annehmen, daſs alsdann immermehr Kieselsäure
                              									sich chemisch verbindet mit der Thonerde zu höheren Silicaten, welche nun erweichen
                              									und kein hinreichend starres Skelett mehr bilden. Bei solchen Porzellanen wie die
                              									von Meiſsen, Sèvres und Berlin ist eine weitere chemische Reaction nicht mehr
                              									denkbar und, wenn auch bei übertriebenem Feuer das Silicat etwas Kieselsäure an das
                              									Glas abträte, so würde die dabei frei werdende Thonerde der Masse doch die nöthige
                              									Feuerbeständigkeit geben. Wenn man nach der Tabelle sich Rechenschaft davon zu geben
                              									sucht, was nun eigentlich das Skelett bei dem Porzellan bildet, so findet man, daſs
                              									bei den Porzellanen von Meiſsen und Sèvres es der Kaolin ist: beim Berliner
                              									Porzellan das 3 fache Thonerdesilicat, welches aber inniger in der ganzen Masse
                              									verschmolzen ist und nicht so scharf den Charakter einer gesonderten Substanz zeigt;
                              									endlich bei dem dritten Typus ist es ebenfalls das Al2O3,3SiO2,
                              									aber als gesonderte Substanz wird die freie Kieselsäure auftreten. Dies stimmt nun
                              									wieder vollkommen mit den mikroskopischen Untersuchungen, z.B. von Behrens, soweit dieselben dem Verfasser bekannt
                              									sind.
                           Es mag hier bemerkt werden, daſs viele japanische Porzellanmassen so mangelhaft
                              									pulverisirt sind, daſs die bei der Berechnung vorausgesetzten chemischen Reactionen
                              									gar nicht alle eintreten werden und das Mikroskop alsdann ein ganz ungleichförmiges
                              									Gemenge zeigt. Es versteht sich von selbst, daſs alle hier gemachten Ausführungen
                              									die innigste Mischung und feinste Pulverisirung der Bestandtheile voraussetzen.
                           Aus dem Obigen folgt ferner, daſs es keineswegs absolut nöthig ist, zur Anfertigung
                              									der Waare, welche im Handel als Porzellan gilt, Kaolin zu gebrauchen, wie dies auch
                              									schon von H. Wurtz in New-York aus seinen
                              									Untersuchungen über japanische Porzellane und Materialien geschlossen worden ist.
                              										W. Pabst (1881 239 210)
                              									bezeichnet die chinesischen und japanischen Porzellanmaterialien als Tuff ähnliche
                              									Gebilde. Es kommt nur darauf an, daſs die Masse plastisch genug ist und das
                              									Verhältniſs der Thonerde zu den übrigen Basen hinreichend groſs ist, weit gröſser
                              									als dies beim Feldspath der Fall ist.
                           Es wurde auch eine Reihe von Versuchen gemacht: mit Gemischen aus fertigem böhmischen
                              									Glase, reiner Thonsubstanz, wozu der amerikanische Indianait oder Kaolinit von
                              									Indiana (s. Muspratt, Bd. 6 S. 1307) benutzt wurde, und
                              									reiner Kieselsäure. Die Gemische entsprechen den verschiedenen Typen der Porzellane
                              									und gaben in jedem Falle Scherben, welche von Porzellan nicht zu unterscheiden
                              									waren. Diese Versuche sollen übrigens noch weiter fortgesetzt werden. Diese und
                              									andere Versuche hatten auch den Zweck, zu zeigen, daſs bei der hohen Temperatur der
                              									Porzellanöfen und bei Gegenwart einer hinreichenden Menge Glas bildender Substanzen
                              									das Silicat Al2O3,2SiO2 noch Kieselsäure aufnehmen und
                              									sich in Al2O3,3SiO2 verwandeln kann, oder daſs dies
                              									sehr wahrscheinlich ist. Dagegen ist es mindestens unwahrscheinlich, wohl unmöglich, daſs ein Gemisch
                              									aus Basen, Thonerde und Kieselsäure, wie es der Zusammensetzung der Porzellane
                              									entspricht, auch Porzellan geben kann, aus dem einfachen Grunde, weil die Thonerde
                              									vielleicht Aluminate, aber keine Silicate bilden wird, auſser bei noch höherer
                              									Temperatur als die der Porzellanöfen oder bei Gegenwart einer so groſsen Menge von
                              									Basen, daſs Thonerde und Kieselsäure sich gleichzeitig in dem Glase lösen und dann
                              									verbinden. Dann ist es aber kein Porzellan mehr, sondern Glas.
                           Es drängt sich nun die Frage auf, ob man Dinge, welche so verschieden sind, wie die
                              									in obiger Tabelle dargestellten Mischungen, auch mit demselben Namen belegen darf.
                              									Darüber haben die Praxis und der Handel, welche sich mehr an physikalische
                              									Eigenschaften als an die chemische Zusammensetzung halten, längst entschieden.
                              									Dagegen wäre es nicht unzweckmäſsig, für die Fachleute und die Wissenschaft eine
                              									Nomenclatur anzunehmen. Es liegt zwar nahe, für die drei Gruppen etwa die Namen
                              										„basisch, neutral und sauer“ einzuführen; allein es ist sehr fraglich, ob
                              									es zweckmäſsig ist, so scharf definirte Bezeichnungen, chemische Verbindungen
                              									betreffend, auch auf Gemenge auszudehnen. Vielleicht wird der Vorschlag angenommen,
                              									die beiden äuſsersten Gruppen der Porzellane – einerseits repräsentirt durch das
                              									Meiſsener, andererseits durch einige böhmische und japanische – Thon-Porzellane bezieh. Kiesel-Porzellane zu nennen; das zwischen beiden stehende Berliner und ihm
                              									ähnlich zusammengesetzte, welche nur wenige Procent überschüssiger Kieselsäure
                              									enthalten, als Glas-Porzellan zu bezeichnen, oder
                              									besser vielleicht als Silicat-Porzellan.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)