| Titel: | Rübenmüdigkeit und Nematoden. | 
| Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 295 | 
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                        Rübenmüdigkeit und Nematoden.
                        J. Kühn, über Rübenmüdigkeit und Nematoden.
                        
                     
                        
                           Mit dem Ausdruck „Rübenmüdigkeit“ bezeichnet man, wie J. Kühn in Fühling's landwirthschaftlicher
                                       										Zeitung. 1882 S. 342 ausführt, sehr mannigfache Erscheinungen, welche nur
                              									darin übereinstimmen, daſs sich eine Abnahme der Erträge früher rübensicherer Aecker
                              									ohne augenfällige Ursache kundgibt. Eingehendere Untersuchungen haben gezeigt, daſs
                              									in vielen Fällen da, wo man von Rübenmüdigkeit spricht, nicht eine Abnahme der
                              									Ertragsfähigkeit des Ackers an sich, sondern Vorhandensein verborgener pflanzlicher
                              									und thierischer Schmarotzer Veranlassung der Mindererträge ist. Eine rationelle
                              									Bekämpfung dieser Feinde der Rübe beseitigt die Ertragsausfälle. In weiteren Fällen
                              									ist eine krankhafte Beschaffenheit der Rüben (Neigung zur Zellenfäule) vorhanden,
                              									die aber auch auf Aeckern beobachtet wurde, welche niemals Rüben trugen: abnorme
                              									Beschaffenheit der Rüben kann auch Folge eines fehlerhaften Culturverfahrens sein,
                              									ohne daſs die Fähigkeit des Bodens zur Erzeugung normaler Rübenerträge abgenommen
                              									hat.
                           In den erwähnten Fällen ist sonach eine wirkliche Müdigkeit des Bodens, diese Frucht
                              									zu tragen, nicht vorhanden. Dagegen glaubte man bis in die neuere Zeit wirkliche
                              									Rübenmüdigkeit, veranlagst durch Erschöpfung des Bodens, insbesondere des
                              									Untergrundes, an den für die Rübe wichtigsten mineralischen Nährbestandtheilen da
                              									voraussetzen zu müssen, wo bei anfänglich gleichmaſsig gutem Auslaufen später an
                              									einzelnen Stellen oder in allgemeinerer Verbreitung mangelhafte Entwicklung und
                              									selbst gänzliches Ausgehen der Rüben sich zeigt.
                           Die an solchen Rüben wahrgenommenen thierischen Schmarotzer (Nematoden) betrachtete
                              									man als begleitende Erscheinungen.
                           Die Asche der Rüben ist besonders reich an Kali. Dieser Kaligehalt ist jedoch ebenso
                              									wie der übrige Stoffgehalt auch bei gesunden, normal entwickelten Rüben bedeutenden
                              									Schwankungen unterworfen. Es ist nicht gerechtfertigt, aus dem mittleren Gehalte der Asche einer Pflanzenart ohne
                              									weiteres einen Schluſs herleiten zu wollen über ihr wirkliches Stoffbedürfniſs; die
                              									Pflanzen vermögen sich normal zu entwickeln, auch wenn ihnen innerhalb gewisser
                              									Grenzen von einzelnen Nährstoffen nur sehr mäſsige Mengen zur Verfügung stehen. Dies
                              									gilt speciell auch von der Zuckerrübe und von der Erzeugung desjenigen Stoffes, auf
                              									welchem ihr technischer Werth beruht Die Zuckerrübe nimmt auf den an löslichem Kali
                              									reicheren Böden eine gröſsere Menge dieser Bestandteile auf; aber sie vermag auch
                              									bei geringerer Kaliaufnahme normal sich zu entwickeln und einen reichen Zuckergehalt
                              									zu erzeugen. Wenn daher der Kaligehalt bei einem von Natur reichen Boden im Laufe
                              									der Zeit auch erheblich sinkt, so folgt daraus noch keineswegs eine Abnahme der Productionsfähigkeit für den Zuckerrübenbau.
                              									Der Kaligehalt kann dann immerhin noch bedeutend genug sein., um auch für längere
                              									Zeit noch den Gewinn befriedigender Ernten zu sichern. Endlich muſs bei ungenügendem
                              									Ersatz allerdings ein Zeitpunkt eintreten, wo die Rübe selbst die ihr unbedingt
                              									nöthigen minimalen Mengen von Kali nicht mehr findet; dann würde der Boden wirklich
                              									rübenmüde geworden sein.
                           Der auf eine frühere unzureichende Untersuchung gestützte Nachweis einer wesentlich
                              									abweichenden Zusammensetzung rübenmüder und gesunder Böden, auf welche Fühling Bezug nahm, veranlaſste eine ausgedehnte
                              									Untersuchung der Böden dieser Oertlichkeit. Sie ergab bei den rübenmüden Feldern in
                              									Oberkrume und Untergrund einen analogen, zum Theil selbst höheren Gehalt an
                              									löslichem Kali und an Phosphorsäure als bei den rübensicheren, erst in neuerer Zeit
                              									zum ausgedehnten Rübenbau verwendeten Aeckern. Es kann daher die Rübenmüdigkeit der
                              									Felder nicht in einer Erschöpfung des Bodens an Kali und Phosphorsäure begründet
                              									sein; vielmehr zeigt das Resultat dieser Untersuchung, daſs hier ein Beispiel dafür
                              									vorliegt, wie unter entsprechender Rücksichtnahme auf die Ersatzverhältnisse mit der
                              									höchsten Intensität der Rübencultur selbst bei 30jährigem Anbau der Zuckerrübe die
                              									volle Erhaltung der Bodenkraft vereinbar ist.
                           Wo die Ersatzverhältnisse minder günstig waren, wird sich auf den längere Zeit einem
                              									forcirten Rübenbau unterworfenen Aeckern eine Abnahme des Kaligehaltes zeigen
                              									müssen, wie dies die Untersuchungen der Nematodenversuchsfelder bestätigen. Aber die
                              									Menge des auf diesem rübenmüden Lande vorhandenen, leicht löslichen Kalis erwies
                              									sich als noch ebenso gröſs wie bei den entsprechenden Bodenschichten mehrerer
                              									Klein-Wanzlebener rübensicherer Böden, würde also für normale Rübenernten noch
                              									vollauf ausreichend sein. Wenn dennoch die Rübenerträge auf dem
                              									Nematodenversuchsfelde nur sehr geringe sind, so kann der Ausfall nicht durch die
                              									verminderte Kalimenge erklärt werden. Dieses wird auch durch mehrjährige Versuche
                              									mit Anwendung von Kalidüngemitteln bestätigt, welche sich wirkungslos zeigten,
                              									während andererseits die sehr Kali bedürftige Cichorie auf demselben rübenmüden
                              									Versuchsfelde vortrefflich gedieh.
                           Hiernach ist die Rübenmüdigkeit des Versuchsfeldes ebenso wenig wie die in
                              									Klein-Wanzleben in Erschöpfungsverhältnissen begründet: sie wird an beiden Orten
                              									lediglich durch die massenhaft vorkommenden Nematoden bedingt. Sind aber die
                              									Nematoden Ursache der geringen Erträge, dann muſs es möglich sein, durch Vernichtung
                              									derselben den Acker zur vollen Ertragsfähigkeit zurückzuführen. Dies ist in der That
                              									bei einem im Herbst 1877 ausgeführten Versuch mit Brennen des Bodens gelungen: einem
                              									seit mehr als 15 Jahren äuſserst rübenmüden Acker wurde damit die volle
                              									Ertragsfähigkeit wiedergegeben.
                           Es wurde nun zunächst die Anwendung giftiger Stoffe versucht, welche möglicher Weise
                              									auf die Nematoden eine zerstörende Wirkung äuſsern konnten; doch hat sich auſser dem
                              									Aetzkalk keine einzige der geprüften zahlreichen Substanzen sicher wirksam gezeigt.
                              									Auch der Aetzkalk würde nicht mit Erfolg zur Bekämpfung der Nematoden auf dein Acker
                              									angewendet werden können; wohl aber erwies er sich bei zweckentsprechender
                              									Verwendungweise als ein sehr empfehlenswerthes Mittel zur Zerstörung der Nematoden
                              									in den Fabrikabfällen. Als ein sicheres Mittel zur Zerstörung der Nematoden zeigte
                              									sich allerdings das Brennen des Bodens, sofern dasselbe in zweckentsprechender Weise
                              									zur Ausführung gelangt. Aber die Kosten dieses Verfahrens sind so erhebliche, daſs
                              									es nur für kleinere Flächen in Anwendung kommen kann.
                           Allgemein anwendbar scheint nur der Anbau von Fangpflanzen zu sein und ergaben
                              									Versuche, daſs sich am günstigsten eine dichte Ansaat des Wirsings, des Kohlrabis
                              									und mancher Sorten des Blattkohls zeigte. Da jedoch der Samen dieser Fangpflanzen
                              									bei den späteren Saaten weniger sicher ausläuft, so ist für die 2. und 3. Saat ein
                              									Gemenge von Gartenkresse mit einer Kraut- oder Blattkohlsorte zu empfehlen. Weniger
                              									brauchbar erwiesen sich Raps, Rübsen und Senf. Das Aufnehmen der Fangpflanzen muſs
                              									von der Mitte der 5. Woche bis spätestens der 6. Woche nach Beginn des Auslaufens
                              									der Saat erfolgen. Durch eine angemessene Rücksicht bei der Saat, dem Verziehen und der Ernte läſst sich
                              									auch die Zuckerrübe selbst als eine sehr wirksame Fangpflanze benutzen.