| Titel: | Ueber die Verwendung der Thermo-Elektricität in der Technik; von Ferd. Fischer. | 
| Autor: | Ferd. Fischer | 
| Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 324 | 
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                        Ueber die Verwendung der Thermo-Elektricität in
                           								der Technik; von Ferd. Fischer.
                        F. Fischer, über Verwendung der Thermoelektricität in der
                           								Technik.
                        
                     
                        
                           Die Beobachtung von Seebeck (1823), daſs sich bei
                              									ungleicher Erwärmung der Löthstellen zweier Metalle Elektricität entwickelt, wurde
                              									nach Nobili's Vorgang zwar längst zur Messung geringer
                              									Wärmeunterschiede benutzt, Apparate zur Lieferung gröſserer Mengen von
                              									Thermoelektricität wurden aber erst in neuerer Zeit hergestellt. Die von Mure und Clamond (1873 207 * 125) hergestellte Thermosäule soll bereits bei
                              									einem stündlichen Gasverbrauch von 150l Leuchtgas
                              										3g,3 Kupfer niedergeschlagen haben. Eine
                              									Thermosäule von Noë (1871 200 * 18) von 72 Elementen erforderte nach Waltenhofen stündlich fast 0cbm,5
                              									Leuchtgas, um einen Strom von 3,5 bis 4 Bunsen'schen
                              									Elementen zu liefern. Von den späteren Verbesserungen dieser Säule (vgl. 1872 205 * 33. 1877 224 267) liegen
                              									keine Angaben über Brennstoffverbrauch vor. Leider scheinen auch die Versuche mit
                              									der groſsen Clamond'schen Säule (vgl. 1875 215 * 427), welche stündlich mit 10k Kokes geheizt wurden und dafür 2 elektrische
                              									Flammen zu je 40 Gasbrenner lieferte (vgl. 1879 234 250),
                              									nicht sonderlich gefördert zu sein.
                           In neuester Zeit liefert Koch in Eisleben kleine, den
                              										Clamond'schen im Wesentlichen gleiche Thermosäulen,
                              									welche namentlich zum Gebrauche in chemischen Laboratorien sehr geeignet sind. Ich
                              									besitze eine derartige Säule mit 144 Elementen, welche bei einem Verbrauch von
                              									stündlich 2201 Gas mit einem kleinen
                              									Wasserzersetzungsapparat 660cc Knallgas
                              									entwickelt. Bei Verwendung zweier Kupferelektroden von je 30qc Fläche und bei etwa 5mm Plattenabstand wurden aus einer
                              									Kupfervitriollösung stündlich 1g,691, bei
                              									Hintereinanderschaltung von 2 solchen Zersetzungszellen aber 2g,278 Kupfer gefällt. Der Strom genügt ferner, um
                              									kleine maschinelle Spielsachen, wie Motoren und Pumpen, sowie einen kleinen
                              									Funkeninductor in Thätigkeit zu setzen. Die Verbrennungsgase entwichen hierbei
                              									durchschnittlich mit 480° und enthielten 6,8 Proc. Kohlensäure und 6,5 Proc.
                              									Sauerstoff. Das verwendete Leuchtgas hatte die unten angegebene Zusammensetzung; 1cbm desselben hatte somit einen Brennwerth von
                              										6078c berechnet auf flüssiges Wasser, oder
                              										5393c auf Wasserdampf von 100° als
                              									Verbrennungsproduct:
                           
                              
                                 
                                 Zusammen-setzung desGases
                                 Brennwerthvon 1cbm Gas
                                 1cbm
                                    											erfor-dert zur Ver-brennungSauerstoffC6H6 + 15O = 6CO2 + 3H2OC2H4 + 6O = 2CO2 + 2H2O2 Vol.  15 Vol. 12 Vol. 6
                                                      															Vol.2 Vol. 6 Vol. 4 Vol.  4
                                                      															Vol.C3H6 +   9O = 3CO2 + 3H2OCH4  + 4O =   CO2 + 2H2O2 Vol.  9 Vol.  6 Vol.  6
                                                      															Vol.2 Vol. 4 Vol. 2 Vol.  4
                                                      															Vol.
                                 Verbrennungs-producte
                                 
                              
                                 Kohlen-säure
                                 Wasser-dampf(berech.auf 0°)
                                 
                              
                                 
                                 
                                 c
                                 cbm
                                 cbm
                                 cbm
                                 
                              
                                 BenzolPropylenAethylenMethanWasserstoffKohlenoxydKohlensäureStickstoffSauerstoff
                                     0,59    0,64    2,48  38,75  47,60    7,42    0,48    2,02    0,02
                                   210  140  37136731457  227000
                                    0,0443   0,0288   0,0744  
                                    											0,7750   0,2380   0,037100– 0,0002
                                 0,03540,01920,04960,387500,07420,004800
                                 0,01770,01920,04960,77500,47600000
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 6078
                                 1,974
                                 0,5707
                                 1,3375
                                 
                              
                           Zu dieser Berechnung möge noch Folgendes bemerkt werden. Der Brennwerth des
                              									gasförmigen Benzols ist für 1 Molecül nach J.
                                 										ThomsenBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
                                    											1880 S. 1325 und 1806. 805800c,
                              									nach BerthelotComptes rendus, 1880 Bd. 90 S. 1242. Bd. 91
                                       												S. 738 und 785. 783200c, daher im Mittel 794500c oder für 1cbm 35630c (da
                              									das Moleculargewicht aller Gase im Kilogramm = 22cbm,3), der Brennwerth des Propylens nach Thomsen 495200c, nach Berthelot 507300c, im
                              									Mittel 501250c oder für 1cbm 22480c. Der
                              									Brennwerth des Aethylens berechnet sich nach den Versuchen von Andrews auf 334380c,
                              									von Favre und Silbermann
                              									auf 332024c, nach Thomsen 334800c und nach Berthelot auf 334500c, somit im Mittel für 1cbm 14970c (vgl. 1882 245
                              									400).
                           Der Wärmeverlust durch die 480° heiſsen Verbrennungsgase stellt sich somit bei 20°
                              									Lufttemperatur auf:
                           
                              
                                 
                                 1cbm Gas gibt
                                 
                                 460 × Sp. W.
                                 Wärmeverlust
                                 
                              
                                 Kohlensäure
                                     0,57cbm
                                 
                                 224
                                   128
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                 0,55
                                 
                                 143
                                     79
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                 7,29
                                 
                                 141
                                 1028
                                 
                              
                                 Wasser durch Verbrennen
                                 1,34
                                 (360 × Sp. W.) =
                                 139
                                   186
                                 
                              
                                      „      in Luft und Gas
                                 0,12
                                 
                                 178
                                     21
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 9,87
                                 
                                 
                                  1442.
                                 
                              
                           Die übrig bleibenden 3951c
                              									gibt der Apparat fast völlig an seine Umgebung ab, hat doch seine Auſsenfläche an
                              									verschiedenen Stellen 175 bis 191°; nur ein sehr geringer TheilBei Anwendung
                                    											mehrerer Zersetzungszellen wird man mit 1l
                                    											Leuchtgas etwa 4 bis 6l Wasserstoff
                                    											bekommen von 12 bis 20c
                                    										Brennwerth. 0,3 bis 0,5 Proc. der Wärme, wird in Elektricität
                              									umgesetzt.
                           
                           Die Apparate sind demnach allerdings noch verbesserungsbedürftig, wenn sie auch
                              									auſserhalb der chemischen Laboratorien angewendet werden sollen. Zunächst dürfte es
                              									sich empfehlen, die Apparate höher zu bauen, um die Wärme der Verbrennungsgase
                              									besser auszunutzen. Da ferner die Stromstärke für niedere Wärmegrade den
                              									Temperaturunterschieden der Löthstellen proportional, für gröſsere Hitzen aber die
                              									elektromotorische Kraft meist langsamer zunimmt als die Temperaturunterschiede, so
                              									erscheint es weniger vorteilhaft, die Temperatur der inneren Löthstellen höher zu
                              									steigern, als vielmehr die äuſseren abzukühlen, wobei diese Wärme noch zu Heizungs-
                              									u. dgl. Zwecken ausgenutzt werden könnte. Nach der thermo-elektrischen
                              									Spannungsreihe: Wismuth, Kupfer, Blei, Zinn, Zink, Eisen, Antimon dürften, wenn man
                              									das theuere Wismuth vermeiden will, sich namentlich Kupfer mit Eisen und Antimon
                              									besonders zur Herstellung empfehlen, obgleich hier zur endgültigen Entscheidung noch
                              									viele Versuche nothwendig sein werden, namentlich wie der groſse Widerstand der
                              									Säule selbst zu ermäſsigen ist, ohne – was vielleicht der Anwendung des Kupfers
                              									entgegensteht – zu viel Wärme durch Leitung von der einen zur anderen Löthstelle zu
                              									verlieren.
                           Wenn es gelingt, durch Ueberwindung der angedeuteten Schwierigkeiten mittels der
                              									Thermosäulen einen gröſseren Procentsatz der aufgewendeten Wärme in Elektricität
                              									überzuführen – der erwähnte Versuch mit der groſsen Clamond'schen Säule läſst dies wahrscheinlich erscheinen – so würde die
                              									Thermoelektricität bald die allgemeinste Anwendung finden.
                           Die Anwendung der Dynamomaschinen wird eben erschwert durch die Nothwendigkeit einer
                              									Betriebskraft, also meist einer Dampfmaschine, welche die von den Brennstoffen
                              									gelieferte Wärme selbst nur sehr mangelhaft (meist 3 bis 5 Proc.) in Arbeit umsetzt,
                              									die dann von den dynamoelektrischen Maschinen erst in Elektricität übergeführt
                              									werden muſs, was selbstverständlich wieder nur mit Verlust geschehen kann. Dennoch
                              									wird die so gewonnene Elektricität bereits nicht nur zur Beleuchtung, sondern auch
                              									zu manchen sonstigen technischen Zwecken vortheilhaft angewendet. So liefert die 8
                              									bis 10e erforderliche Maschine von Siemens und Halske (vgl. 1881 240 * 38) täglich 250 bis 300k Kupfer,
                              									so daſs 1k Kupfer = (10 × 75 × 60 × 60 × 24) :
                              									(428 × 300) = 505c entsprechen würden. Wohlhill (1878 227 210)
                              									erhielt mit 15e stündlich 43k Silber bei Hintereinanderschaltung der Bäder,
                              									gegen 15k bei Parallelschaltung, so daſs 1k Silber = (15 × 75 × 60 × 60) : (428 × 43) = 220°
                              									entspricht; Gramme erhielt bei 48 hinter einander
                              									geschalteten Bädern für je 1mk 23g Kupfer, so daſs hier 1k Kupfer sogar nur 370c erfordert hätte.
                           Diese Resultate erscheinen überraschend günstig, wenn man die Wärmentwickelungen bei
                              									Bildung der hier in Frage kommenden VerbindungenVgl. A. Naumann: Thermochemie, S. 425, 448 und
                                    											481. damit Abgleicht. Dieselbe beträgt z.B. für Kupfersulfat in wässeriger Lösung
                              									(für 63k,5 Kupfer) 55960 und für Silbernitrat
                              										(214k Silber) 16780c. Ferner beträgt nach Thomsen die OxydationswärmeDie
                                    											Haltlosigkeit des Welter'schen Gesetzes ergibt
                                    											sich hieraus von selbst (vgl. 1882 245
                                    										361). der folgenden Metalle:
                           
                              
                                 Metall
                                 Reaction
                                 Wärmeentwickelung
                                 
                              
                                 Silber
                                 Ag2 + O
                                      5900c
                                 
                              
                                 Calcium
                                 Ca  + O
                                 131360
                                 
                              
                                 Blei
                                 Pb  + O
                                   50300
                                 
                              
                                 Kupfer
                                 Cu  + O
                                   37160
                                 
                              
                           Von der bei Herstellung der Metalle aufgewendeten Wärme wird danach nur ein sehr
                              									geringer Theil zur Reductionsarbeit verbraucht und ist es daher erklärlich, daſs
                              									einige derselben vorteilhafter mittels Elektricität hergestellt werden, namentlich
                              									wenn sie, wie Magnesium und Aluminium, auf chemischem Wege nicht direkt gewonnen
                              									werden können (vgl. d. Bd. S. 29). Entsprechend der Reaction Mg + Cl2 = 151000c und
                              										Al2 + Cl6 =
                              										321870c sind aber zur Abscheidung von 1k Magnesium nur 6292c und von 1k Aluminium nur 5960c erforderlich, also nicht einmal so viel Wärme,
                              									als 1k Kohle gibt.Die
                                    											Schwierigkeiten, welche dem Keith'schen
                                    											Entsilberungsprozeſs noch entgegenstanden (vgl. S. 30 d. Bd.), sind nach H. Morton (Engineering and Mining Journal, 1882
                                    											Bd. 33 S. 292) jetzt dadurch gehoben, daſs die Silber haltigen Bleiplatten
                                    											in eine Lösung tauchen, welche in 1l
                                    												130g essigsaures Natrium und etwa
                                    												20g schwefelsaures Blei enthalt. Die
                                    											Flüssigkeit wird mittels einer kleinen Pumpe in Bewegung erhalten und
                                    											dadurch die Polarisation zwischen den Bleielektroden von 1/10
                                    												auf  1/30 Volt vermindert. Bei Anwendung von 4 Zersetzungsgefäſsen und
                                    											einer Maschine, welche 3e erfordert,
                                    											werden wöchentlich 1500k Werkblei
                                    											zersetzt. Vorläufig wird man die dieser chemischen Arbeit
                              									entsprechende Elektricität allerdings noch meist mit dynamo-elektrischen Maschinen
                              									erzeugen.
                           In wie weit es vortheilhaft ist, diese Elektricität nun wieder in Wärme umzusetzen,
                              									müssen weitere Versuche zeigen; der elektrische Schmelzofen von C. W. SiemensVgl. C. W. Siemens: Gas and Electricity as heating
                                          													agents (London 1881). setzt ⅓ der von der
                              									Dampfmaschine gelieferten Arbeit in Wärme um, somit bei sehr guten Dampfmaschinen
                              									etwa 3 bis 4 Procent der von den Brennstoffen gelieferten Wärme (vgl. Wagner's Jahresbericht,
                              									1881 S. 129). Hospitalier (1882 243 80) erhielt angeblich 3,8 bis 4,5 Proc. Für Reductionszwecke erscheint
                              									jedoch die direkte Umsetzung der Elektricität in chemische Arbeit vortheilhafter.
                              									Der Vorschlag, Dampfkessel mittels Elektricität zu heizen (vgl. 1879 234 482), ist kaum ernsthaft zu nehmen.
                           Berücksichtigt man die Verwendung der Elektricität zur Herstellung von Anilinschwarz
                              									(vgl. 1876 221 76. 1877 224
                              									92. 209. 1882 245 225), zum Bleichen (vgl. S. 155 d.
                              									Bd.), in der Gerberei (1880 238 236), zur Reinigung von
                              									Spiritus (1882 245 * 120), zur Herstellung von Ozon (* S.
                              									24 d. Bd.), zur Reinigung von Soda (1881 239 54. 84), zur
                              									Herstellung von Alkalien (1881 239 * 54. 1882 245 * 511), zum Beschreiben von Glas (1879 233
                              									313) und ähnlichen Zwecken, für welche Thermoelektricität schon jetzt meist
                              									ausreichen würde, so wird man zugeben, daſs die Vervollkommnung der so bequem zu
                              									handhabenden und anscheinend im Gegensatz zu den dynamo-elektrischen Maschinen so
                              									wenig Reparatur bedürftigen Thermosäulen für die Technik sehr wichtig werden würde,
                              									um so mehr dadurch jetzt noch vielfach verlorene Wärme ausgenutzt werden könnte.
                           Es lieſse sich z.B. die von Stubenöfen (vgl. 1879 233
                              									133), Küchenherden u. dgl. abgehende Wärme mittels passend angebrachter
                              									Thermoelemente wenigstens theilweise in Elektricität umsetzen, um diese unter
                              									Zuhilfenahme von hoffentlich bald verbesserten AccumulatorenVgl. G. Wiedemann: Die Lehre von der Elektricität,
                                    											Braunschweig 1882 S. 97. (vgl. 1882 244 201. 246 249) für Glühlampenbeleuchtung,
                              									zum Treiben von Nähmaschinen u. dgl. zu verwenden. Auch die abgehende Wärme von
                              									Dampfkesselfeuerungen (vgl. 1881 242 * 40) könnte unter
                              									Umständen auf diese Weise in Elektricität umgesetzt werden, um diese zu einem der
                              									erwähnten Zwecke zu verwenden. Sollte sich ferner die Vermuthung bestätigen, daſs
                              									aus geschmolzenen Metallen, namentlich Eisen, mittels Elektricität Phosphor, Arsen
                              									u. dgl. ausgeschieden werden können, so würde die in den Hütten abgehende Wärme
                              									(vgl. 1880 238 419) oft genügen, die erforderliche
                              									Thermoelektricität zu liefern.
                           Ob es schlieſslich sogar möglich sein würde, an Stelle des Dampfes zum Betriebe von
                              									Maschinen Thermoelektricität zu setzen, läſst sich zur Zeit noch nicht
                              									beurtheilen.