| Titel: | Neuere Fortschritte in der Soda-Industrie; von G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 335 | 
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                        Neuere Fortschritte in der Soda-Industrie; von G. Lunge.
                        Lunge, über neuere Fortschritte in der Soda-Industrie
                        
                     
                        
                           Die folgenden Blätter, welche die neueren Fortschritte der Soda-Industrie, namentlich
                              									in England, beschreiben sollen, werden zum groſsen Theile Dinge berühren, über die
                              									schon in einer oder der anderen Form Veröffentlichungen erfolgt sind. Trotzdem hoffe
                              									ich, daſs sie dem Fachmann nicht überflüssig erscheinen werden, da meine Arbeit
                              									einerseits aus englischen Quellen schöpft, welche dem deutschen Leser schwer
                              									zugänglich und bisher in anderweitigen deutschen Veröffentlichungen nur sehr
                              									unvollständig benutzt sind, andererseits aber die einzelnen behandelten Gegenstände
                              									häufig mit Bemerkungen begleitet werden, welche aus direkten Erkundigungen an best
                              									informirter Stelle geschöpft sind. Ebendaher stammt eine gröſsere Anzahl von
                              									positiven neuen Angaben, namentlich auch über den Erfolg verschiedener Erfindungen, Calculationen u. dgl. Solche Gegenstände
                              									dagegen, welche schon in der deutschen Fachliteratur genügend besprochen worden
                              									sind, sollen hier nicht mehr erwähnt werden, weshalb auch dieser Bericht in keiner
                              									Weise auf den Charakter einer vollständigen Uebersicht der Fortschritte der
                              									Soda-Industrie Anspruch erhebt, sondern vielmehr nur einen Beitrag hierzu geben
                              									soll.
                           Wir wollen mit einem Gegenstande beginnen, welcher nicht nur alle Zweige der
                              									Soda-Industrie, sondern sogar fast alle Zweige der technischen Chemie überhaupt angeht, nämlich
                              									mit der Unsicherheit der Tabellen über
                                    											specifische Gewichte. In einer Sitzung des Londoner Zweigvereins
                              									der neu gegründeten und ungemein thätigen englischen Gesellschaft für chemische
                              									Industrie hat R. Messel auf diesen Gegenstand
                              									aufmerksam gemacht (vgl. Journal of the Society of Chemical
                                 										Industry, 1882 S. 5). Er zeigt auf erhebliche, übrigens schon längst
                              									bekannte Verschiedenheiten in den Tabellen über specifische Gewichte von
                              									Schwefelsäuren und noch gröſsere in denen über Ammoniakflüssigkeit hin und regt es
                              									an, daſs die neue englische Gesellschaft die Herstellung einer Gleichförmigkeit
                              									sowohl in dieser Beziehung, als in den Methoden zur Werthbestimmung von chemischen
                              									Producten überhaupt, anstreben möge. Zugleich weist er auf die in Deutschland nach
                              									dieser Richtung schon gemachten Schritte hin, nur daſs er irrthümlicherweise die Gesellschaft für Wahrung der Interessen der chemischen
                                 										Industrie Deutschlands anführt, während es der Verein der deutschen SodafabrikantenSodafahrikanten ist, von dem die Herstellung eines Taschenbuches mit
                              									gleichförmigen Normen für die Soda-, Potaschen- und Ammoniak-Industrie an die Hand
                              									genommen worden ist (vgl. 1882 243 * 418. 246 279).
                           In der Discussion über Messel's Vorschlag erwähnt Lyte, daſs die Verschiedenheiten in den Angaben über
                              									specifische Gewichte häufig von den Ungenauigkeiten der angewendeten Aräometer
                              									herrühren. Er begeht dabei den Irrthum, anzunehmen, daſs die Grade des Baume'schen Aräometers die Procente von
                              									Kochsalzlösungen ausdrücken sollen, und macht ferner eine Behauptung, welche
                              									allerdings sehr in Erstaunen setzen müſste, wenn sie der Wahrheit entspräche.
                              									Bekanntlich hat die englische Industrie den auſserordentlich groſsen Vorzug vor der
                              									deutschen und französischen, daſs schon seit längerer Zeit in England für schwere
                              									Flüssigkeiten ganz allgemein das Aräometer von Twaddell
                              									eingeführt ist, bei dem von Grad zu Grad eine Verschiedenheit von 0,005 stattfindet,
                              									so daſs z.B. 100° Tw. = 1,500 ist. Hierdurch ist nicht allein die Verwandlung von
                              									Twaddell-Graden in specifische Gewichte ohne alle Tabellen durch eine äuſserst
                              									einfache, im Kopfe auszuführende Rechnung möglich, sondern die Herstellung von
                              									Aräometern sollte danach auch eine sichere Operation sein und alle solche
                              									Instrumente durchaus mit einander übereinstimmen, wo sie auch gemacht sein mögen.
                              									Freilich müſsten sie dann nach den wirklichen specifischen Gewichten angefertigt
                              									sein, während Lyte, wie es scheint ohne genügenden
                              									Grund, annimmt, daſs die Twaddell'schen Grade der
                              									gewöhnlichen Aräometer die Anzahl von Unzen Kochsalz in einer Kochsalzlösung
                              									bezeichnen. Jedenfalls wäre dies, wenn es vorkäme, ein Miſsbrauch, welcher dem
                              									Systeme als solchem durchaus nicht anhängt. Der Verfasser möchte es sich nicht
                              									versagen, sein Bedauern darüber auszusprechen, daſs bisher durchaus keine Aussicht
                              									vorhanden zu sein scheint, dieses so rationelle Aräometer auf dem Continent
                              									einzuführen, wo wir nicht nur mit dem ohne Tabelle gar nicht auf specifische
                              									Gewichte zurückführbaren Baume'schen Aräometer behaftet
                              									sind, sondern noch dazu eine ganze Anzahl von verschiedenen Spindeln unter demselben
                              									Namen vorkommen. Wenn wir seit allgemeiner Annahme des metrischen Maſs- und
                              									Gewichtssystemes in dieser Beziehung auf die Engländer und Amerikaner
                              										„herabschauen“ dürfen, so können dieselben diesen Ausspruch in Bezug auf
                              									unsere Aräometer für schwere Flüssigkeiten gebrauchen. Es ist aber mindestens zu
                              									hoffen, daſs in Deutschland die Baume'schen Aräometer
                              									in Zukunft nicht mehr, wie früher gewöhnlich, durch Eintauchen in Salzlösungen oder
                              									in englische Schwefelsäure, sondern in rationeller Weise nach der Formel d = 144,3 : (144,3 – n)
                              									graduirt werden.
                           Auf einen anderen oft übersehenen Punkt machte in der Besprechung über Messel's Vorschlag Squire
                              									aufmerksam, nämlich daſs die in den Büchern zu findenden Tabellen sich nur auf reine
                              									Säuren u. dgl. bezögen und daher auf die Handelsproducte häufig gar nicht paſsten.
                              									Namentlich ist dies der Fall mit der rohen, Schwefelsäure haltigen Salzsäure und mit
                              									der Schwefelsäure; deshalb solle man so weit als möglich an Stelle des Aräometers
                              									eine wirkliche Analyse treten lassen (was freilich in der Praxis meist nicht
                              									angeht).
                           Von den anderen Anwesenden wurde bemerkt, daſs bei der gerade in London noch viel
                              									fabricirten Schwefelsäure aus Rohschwefel die Verunreinigungen das specifische
                              									Gewicht nicht merklich beeinflussen könnten. Ich meinerseits möchte schon dies
                              									bezweifeln; sicher aber ist es, daſs bei der jetzt in Deutschland ausschlieſslich
                              									erzeugten Säure aus Kiesen die specifischen Gewichte erheblich höher sind, als dem
                              									Procentgehalt nach irgend einer der brauchbaren Tabellen für reine Säure entspricht.
                              									Dem Baumé-Grad 66 = 1,842 bei 15° sollte hiernach
                              									chemisch reines Monohydrat entsprechen, während in Wirklichkeit die 66grädige
                              									Schwefelsäure nur 95 bis höchstens 96 Proc. SO4H2 enthält und manchmal noch 1 bis 2 Procent weniger
                              									zeigt. Freilich muſs man bedenken, daſs nicht nur bei den höchsten Concentrationen
                              									schon ein ganz unbedeutender Unterschied im Volumengewicht einem erheblichen
                              									Unterschiede im Gehalte entspricht, sondern daſs auch das Volumengewicht der
                              									allerstärksten Säuren nach Kohlrausch wieder zurückgeht
                              									(vgl. meine Soda-Industrie, Bd. 1 S. 25), allerdings
                              									erst oberhalb der Grenze, bis zu welcher Schwefelsäure (abgesehen von rauchender) im
                              									Handel vorkommt.
                           Als eine Art Trost für den Schwefelsäurefabrikanten mag es gelten, daſs nach Tyrer die Verwirrung in den Tabellen für
                              									Ammoniakflüssigkeit noch viel gröſser ist und Unterschiede bis zu 25 Procent des
                              									Gehaltes an NH3 vorkommen.
                           Als einen zweiten Gegenstand von allgemeinem Interesse für alle Zweige der
                              									Soda-Industrie möchte ich den Umstand hervorheben, daſs in England, wo die
                              									Feuerungseinrichtungen in den chemischen Fabriken früher groſsentheils mangelhafter
                              									Natur waren und wo die vereinzelten Versuche zur allgemeineren Anwendung von Gas-Generatoren (fast ausschlieſslich Siemens'schen) keinen dauernden Erfolg zu verzeichnen hatten, man neuerdings
                              									doch, ebenso wie schon früher in Deutschland, einzusehen anfängt, daſs in der
                              									Gasfeuerung die rationellste Art des Betriebes von chemischen Oefen zu finden ist.
                              									In England knüpft sich die allgemeine Verbreitung der Gasfeuerung an eine in
                              									Deutschland wohl sehr wenig verbreitete Construction, nämlich Wilson's Gas-Producer, von
                              									welchem schon früher in diesem Journal (1878 228 * 136)
                              									eine kurze Beschreibung gegeben worden ist. Ausführlichere Mittheilungen darüber
                              									finden sich in dem Journal of the Society of Chemical
                                 										Industry, 1882 S. 53 und 96. Da bei diesem Apparate die Luft durch ein
                              									Dampfstrahlgebläse in den unteren Theil des Schachtes (ein Rost ist nicht vorhanden)
                              									eingepreſst wird, so wird auch das Gas mit einem gewissen Drucke abgegeben, was für
                              									manche Zwecke von groſsem Nutzen ist. Die Gaserzeugung findet auf verhältniſsmäſsig
                              									sehr kleiner Herdfläche statt und das billigste Brennmaterial kann benutzt werden.
                              									Natürlich kann man mit oder ohne Regenerator arbeiten. Der Wilson'sche Gasgenerator wäre wohl auch in Deutschland gröſserer
                              									Aufmerksamkeit werth; denn in England wird er schon sehr vielfältig angewendet für
                              									Stahlöfen, Schweiſsöfen, Glasöfen, Kupferöfen, Porzellanöfen u. dgl. Uns interessirt
                              									hier mehr seine Anwendung in chemischen Fabriken, wo er sich namentlich zur Feuerung
                              									des Mactear'schen Sulfatofens (vgl. unten)
                              									ausgezeichnet bewährt hat.
                           Wir wenden uns zur Schwefelsäure-Fabrikation. Nach authentischen Angaben von Chance (Journal of the Society of Arts, 1882 S. 724)
                              									wurden nach England eingeführt:
                           
                              
                                 
                                 1880
                                 1881
                                 
                              
                                 Rohschwefel
                                   46896
                                   40561t engl.
                                 
                              
                                 Pyrit
                                 657867
                                 542046    „
                                 
                              
                           mithin i. J. 1881 bedeutend weniger als im Vorjahre. Von dem
                              									Schwefel wird natürlich ein groſser Theil für Schieſspulver und andere Zwecke
                              									verbraucht; aber auch Schwefelsäure wird in England noch in groſsem Maſsstabe aus
                              									Rohschwefel gemacht, da manche Fabrikationszweige, wie die Fabriken von
                              									schwefelsaurem Ammoniak, von organischen Säuren, von Weiſsblech, die Bleichereien u.
                              									dgl., die Pyritsäure durchaus nicht brauchen wollen, zum Theil auch wohl nicht
                              									können. Von der Pyritsäure wird ein sehr groſser Antheil (den ich glaube, sehr nahe
                              									auf ⅓ der ganzen Production schätzen zu können) zur Darstellung von künstlichen
                              									Düngemitteln gebraucht. Die zur Zersetzung von Kochsalz verwendete Menge Säure läſst
                              									sich aus den für diesen Zweck verbrauchten Mengen Salz berechnen, welche für d. J.
                              									1880 = 700016, für 1881 = 675099 betrug, im Mittel also 687500t engl. Da man annimmt, daſs man mit der Säure von
                              										1t spanischen Kieses etwa 1t,75 gewöhnlichen (d. i. des in England
                              									verwendeten feuchten) Salzes zersetzen kann, so entspricht obiges einer Menge von 392890t Pyrit als Jahresdurchschnitt für 1880 und 1881.
                              									Ein Theil des Sulfates wird natürlich als solches, namentlich zur Glasfabrikation,
                              									verwendet; aber nach Chance (der als einer der gröſsten
                              									englischen Glasfabrikanten hiervon Bescheid wissen muſs) höchstens etwa 40000t, so daſs etwa 350000t Pyrit für die zur Fabrikation von Leblanc-Soda dienende Säure übrig
                              									bleibt. Der Werth dieses Pyrites ist, zu 24 Schilling „ex
                                    											shipy“, 420000 Pfund Sterling und die Ausladekosten, Frachten u.
                              									dgl. erhöhen diese Summe noch ganz erheblich. Der dadurch repräsentirte Schwefel
                              									geht in der Sodafabrikation, wenn keine Regeneration aus den Rückständen
                              									stattfindet, ganz verloren, und zwar etwa 85 Procent davon in Form von
                              									Sodarückstand, der Rest als der Soda beigemengtes Sulfat u. dgl.
                           Der Preis des Schwefels im Schwefelkies wird durch
                              									eine Vereinigung aller der groſsen spanischen Grubengesellschaften geregelt und ist
                              									bis Anfang d. J. 1885 auf 6 Pence per unit, d.h. 24 M.
                              									für die Tonne 48procentigen Kieses festgesetzt. In Folge der unerträglichen Nothlage
                              									der englischen Leblanc-Sodafabrikation und zugleich der unten zu besprechenden
                              									energischen Versuche zur Einführung der Schwefelregeneration aus den Sodarückständen
                              									hatten sich zwei der groſsen Grubengesellschaften (Tharsis und Rio Tinto) schon zu einer
                              									Preisherabsetzung von 25 Proc. verstanden, aber da die dritte (Mason und Barry) dagegen Verwahrung einlegte, so
                              									konnte dieser Abschlag nicht durchgeführt werden und die Sache bleibt beim Alten,
                              									wenn nicht etwa ein entschiedener Erfolg der Schwefelregeneration schlieſslich doch
                              									den Widerstand jener einen Firma bricht.
                           Während, abgesehen von allen anderen jetzt ganz veralteten Methoden, bis auf die
                              									neueste Zeit die englischen Fabriken die Verbrennung
                                 										des Feinkieses fast ausschlieſslich mittels der in meiner Soda-Industrie, Bd. 1. S. 169 beschriebenen Methode
                              									(Mahlen mit Wasser zu Schlamm, Formen in Kuchen und Aufgeben mit dem Stückkies)
                              									bewirkten, ist durch die englische Ausgabe meines Werkes die Aufmerksamkeit auf die
                              									bei uns gebräuchlichen Etagenöfen gelenkt worden. Die Newcastle Chemical Works (früher Allhusen) zu
                              									Gateshead haben ihre sämmtlichen Pyritöfen abgeschafft und Etagenöfen nach der in
                              									meinem Buche S. 195 enthaltenen, mir von Hrn. Generaldirektor Schaffner freundlichst überlassenen Zeichnung
                              										erbautDer Plan
                                    											dieser Oefen rührt nach einer Mittheilung des Hrn. Direktor Schott in Heinrichshall von diesem her; das
                                    											Prinzip ist natürlich das von Malétra zuerst
                                    											angewendete., worin sie nun täglich die bedeutende Menge von
                              									beinahe 100t spanischen Feinkieses verbrennen. Hr.
                              										Alfred Allhusen gibt mir hierüber folgende
                              									specielle Auskunft: „Wir sind mit den Etagenöfen sehr zufrieden; wir haben jetzt
                                 										129 von diesen im Betrieb und brennen wöchentlich 600 bis 650t Feinkies. Jeder Brenner wird alle 8 Stunden
                                 										beschickt; die Beschickung beträgt zwischen 4 ½ und 4 ¾ Centner  (229 bis 241k), je nach dem Zustande der Oefen und dem
                                 										Bedarf an Schwefelsäure. Das Ausbringen an Schwefelsäure zeigt sich nach 9
                                 										monatlicher ununterbrochener Arbeit als ausgezeichnet; aber ich glaube, daſs der
                                 										Verbrauch an Salpeter um ein sehr Unbedeutendes höher ist als bei den früheren
                                 											StückkiesbrennernDie
                                       												Stückkiesöfen der groſsen Fabrik in Gateshead gehörten zu den
                                       												vollkommensten Typen ihrer Art, wie sie in meiner Soda-Industrie, Bd. 1 S. 151 abgebildet und
                                       												in Deutschland wohl auch meist üblich sind.G. L.
                                 										(a shade higher, but only a shade). Der Feinkies,
                                 										welchen wir verarbeiten, kommt aus der Grube von Mason
                                    											und Barry in Portugal (dies ist das San Domingos-Erz, vgl. meine Soda-Industrie, Bd. 1 S. 89) aus deren
                                 										Cementationswerk und ist durch die Wirkung der Luft und des Wassers während der
                                 										Kupferextraction entstanden. Wenn dieser Feinkies zu uns kommt, hält er noch
                                 										0,75 bis 1 Proc. Kupfer; die Abbrände gehen nach dem Kupferextractionswerke von
                                 											Gibb, Johnson und Comp., welches das Kupfer mit
                                 										Vortheil gewinnt und uns für die Abbrände einen solchen Preis zahlt, daſs uns
                                 										der Schwefel etwas unter 3 Pence per unit (d. i.
                                 										die Hälfte des in England bis 1884 contractmäſsig eingeführten Preises von 6
                                 										Pence per unit oder 24 Mark für 1t 48procentigen Kieses ex ship) zu stehen kommt. Die Abbrände, wie sie in das Kupferwerk
                                 										gehen, enthalten 3 bis 4 Proc. Gesammtschwefel.“
                           Jene Fabrik erspart mithin durch Einführung der Etagenöfen jährlich über 400000 M.
                              									und hat sich mithin die Ausgabe für Anschaffung meines Werkes recht gut bezahlt
                              									gemacht. Auch Weldon (Journal of the Society of Chemical
                                 										Industry, 1882 S. 47) erwähnt, daſs die Etagenöfen jetzt an vielen Orten in
                              									England eingeführt werden.
                           Das Verfahren von Benker und Lasne (Einführung von schwefliger Säure und Wasserdampf in die
                              									Kammeraustrittsgase vor dem Eintritt in den Gay-Lussac-Thurm, vgl. 1882 243 56 u. 244 247) ist in
                              									einer ganzen Reihe von englischen Fabriken ausgeführt worden, u.a. in sehr
                              									gründlicher Weise bei Chance. Der Erfolg stimmt mit
                              									dem, was ich nach meinen Untersuchungen über das Verhalten der Unterschwefelsäure
                              									zur Schwefelsäure vorausgesagt hatte, nämlich daſs bei normal arbeitenden Kammern mit richtig construirten Apparaten das
                              									Verfahren keinen Nutzen geben werde. Es wird mir in Privatnachrichten höchst
                              									verläſslicher Natur mitgetheilt und wird sogar durch den englischen Vertreter des
                              									Patentes (Weldon a. a. O. 1882 S. 45) zugegeben, daſs
                              									das Benker und Lasne'sche
                              									Verfahren in keiner einzigen englischen Fabrik günstige Resultate gegeben habe.
                              									Dasselbe ist nach Privatnachrichten der Fall mit einem Versuche gewesen, den man in
                              									Schottland mit dem Richters'schen Verfahren (1882 243 56) gemacht hat; ob in genügender Weise und
                              									hinreichend lange, kann ich nicht sagen.
                           Die Einführung von Salpeter in Form von wässeriger
                                 										Lösung ist im Rückgange begriffen; sowohl das direkte Einlaufen in den
                              									Gloverthurm, als auch
                              									das Burnand'sche Verfahren sind fast überall wieder
                              									aufgegeben worden (vgl. meine Soda-Industrie, Bd. 1 S.
                              									298).
                           Angesichts der immer weiteren Ausbreitung der Ammoniaksoda -fabrikation und der
                              									Unwilligkeit der englischen Fabrikanten, für den Schwefelkies theure Preise bei
                              									groſsem Verluste anzulegen, haben sich die Besitzer der groſsen Pyritgruben
                              									entschlossen, sich ihrerseits von den englischen Fabrikanten möglichst unabhängig zu
                              									machen, indem sie selbst Fabriken errichten. Namentlich die Rio-Tinto-Gesellschaft
                              									ist sehr rührig in dieser Beziehung; eine groſse Sodafabrik nach Hargreaves und Leblanc,
                              									zugleich mit Kupferextraction aus den Rückständen, wird von ihr zu Marseille
                              									errichtet und eine andere für Schwefelsäure und Kupfer zu Elizabeth bei New-York
                              									folgt nach; eine Leblanc-Sodafabrik zu Antwerpen soll den Beschluſs machen. Alle
                              									drei werden von englischen technischen Chemikern gebaut und dirigirt. In Amerika
                              									wird übrigens auch eine Ammoniaksodafabrik mit einer Wochenproduction von 400t gebaut.
                           Von der Colonialregierung von Neuseeland war ein Preis für die Darstellung der ersten
                              										500t Schwefelsäure ausgesetzt worden, um die
                              									Einführung dieser Industrie in das Land zu befördern. Der Preis ist wirklich
                              									gewonnen worden, indem zu Dunedin eine Fabrik errichtet wurde, welche jetzt in
                              									vollem Betrieb ist (vgl. Journal of the Society of Chemical
                                 										Industry, 1882 S. 172).
                           Von der Prüfung auf das Entweichen von
                                    											schädlichen Gasen (Hüttenrauch) handelt ein Aufsatz von W. J. Lovett im Journal of the
                                 										Society of Chemical Industry, 1882 S. 209, welcher eine Anzahl von
                              									Absorptionsapparaten, Aspiratoren u. dgl. beschreibt und abbildet, wesentlich
                              									diejenigen, welche von einem der englischen Sodafabriks-Inspektoren,. G. E. Davis, angewendet werden. Der deutsche Leser wird
                              									darin kaum vieles finden, was zugleich neu und gut wäre. Originell ist es, daſs als
                              										Davis' Nitrometer eine Abbildung gegeben ist,
                              									welche mein Nitrometer, nur mit sehr primitivem Stativ,
                              									vorstellt, während der wirkliche Apparat von Davis zur
                              									Ausführung der Crum'schen Methode nichts als eine ganz
                              									rohe Form der Frankland'schen Hahnröhre in einer
                              									Quecksilberwanne war und als viel zu unbequem und zugleich ungenau sich in der
                              									Praxis nie erheblich einführen konnte. Das wesentlich Neue, nämlich die Ersetzung
                              									der Wanne durch ein Niveaurohr mit Verbindungsschlauch, die Einführung des
                              									Dreiweghahnes und die erst durch diese Aenderungen ermöglichte Anwendung eines
                              									langen und sorgfältig getheilten Meſsrohres, ja selbst der Name „Nitrometer“
                              									rühren von mir her, wovon Lovett kein Wort sagt. Davis' Verdienst, das ich als solches immer anerkannt
                              									habe, ist nur dies, daſs er die Aufmerksamkeit der Sodatechniker auf das von Crum gefundene und von Frankland und Armstrong sowie von Watt weiter
                              									ausgebildete Verfahren zur Bestimmung von Stickstoffsäuren lenkte; aber sein Apparat
                              									(den ich in seinen eigenen Händen gesehen habe) war äuſserst roh und zugleich viel
                              									zu unbequem zum Gebrauche in Fabriken; auch hatte er nie Versuche zur Controle der Methode auf
                              									ihre Genauigkeit angestellt, wie ich und später Warington dies gethan haben, und die Crum'sche Methode wäre also trotz Davis'
                              									Empfehlung wenig in Aufnahme gekommen, wenn nicht die anderweitig geschehene
                              									Construction eines handlichen Apparates sie zugänglich gemacht und zugleich
                              									wissenschaftlich genaue Versuche ihre Zuverlässigkeit dargethan hätten.
                           Eine Arbeit von einer Art, wie sie selbst in der theoretischen Chemie bisher nur in
                              									ganz eng begrenzten Gebieten, abgesehen von dem Grenzgebiete mit der Physik, und in
                              									sehr einfachen Fällen versucht worden ist, nämlich die mathematische Behandlung der
                              									Vorgänge hat F. Hurter für eine technische Frage von
                              									ziemlicher Complicirtheit zu leisten gesucht. Seine dynamische Theorie der Schwefelsäurefabrikation im Journal of the Society of Chemical Industry, 1882 S. 8, 49 und 83 eilt
                              									mithin der sogenannten „reinen“ Chemie ein groſses Stück voraus. Es ist dies
                              									wohl kaum nur daraus zu erklären, daſs die Chemiker im Allgemeinen zu wenig
                              									mathematische Bildung besitzen, um sich an der Behandlung solcher Fragen versuchen
                              									zu können; denn wenn es auch bei der Mehrzahl derselben (zu denen sich leider auch
                              									Schreiber dieses rechnen muſs) zutrifft, daſs sie bestenfalls im Stande sind, einer
                              									strengeren mathematischen Deduction zu folgen, aber keinesfalls es unternehmen
                              									können, eine solche selbst aufzustellen, so gibt es doch heutzutage schon so manchen
                              									Chemiker, namentlich unter den jüngeren Lehrern der reinen Wissenschaft, welcher die
                              									nöthige Befähigung in dieser Richtung besitzt. Wenn sie es trotzdem nicht wagen, die
                              									mathematische Analyse auf chemische Reactionen anzuwenden, so mag dies wohl daran
                              									liegen, daſs ihnen der Mechanismus der letzteren bisher zu wenig klar gestellt und
                              									die Bedingungen der Vorgänge nicht allseitig genug erforscht zu sein scheinen, um
                              									ein so feines Instrument schon mit Vortheil daran probiren zu können. Der Vorgang
                              										Hurter's ist daher ein recht kühner, ist aber um so
                              									mehr mit Dank zu begrüſsen, als doch einmal ein Anfang gemacht werden muſs und es
                              									sicher in dieser Beziehung völlig gleichgültig ist, ob man die Reactionen innerhalb
                              									einer Glasretorte oder diejenigen innerhalb einer Bleikammer verfolgt.
                           Bei der Natur solcher Untersuchungen ist es beinahe selbstverständlich, daſs
                              									dieselben durch einen kurzen Auszug nicht genügend wiedergegeben werden können, und
                              									ich muſs daher den sich dafür interessirenden Leser auf das 9 Quartseiten umfassende
                              									Original verweisen. Es sei also nur Folgendes erwähnt, um eine Idee davon zu geben,
                              									in welcher Richtung sich Hurter's Arbeit bewegt. Er
                              									versucht zu zeigen, in welcher Verbindung nach mathematischen Gesetzen die
                              									Dimensionen der Kammern, die Zusammensetzung der Gase, die Intensität der
                              									Reactionen, die Kammertemperatur und die Combination der einzelnen Kammern zu
                              									Systemen zu einander stehen. Er glaubt ein für complicirte Reactionen anwendbares
                              									Gesetz gefunden zu haben, welches er so ausdrückt: „Die
                                 										Geschwindigkeit einer chemischen Veränderung hängt ab
                                    											von und ist proportional zu der Leichtigkeit, mit welcher Gruppirungen von
                                    											Molecülen, die für diese specielle Veränderung günstig sind, in dem der
                                    											Veränderung unterworfenen Systeme sich bilden können.“ Man wird
                              									wohl meist ein solches Gesetz auch ohne mathematische Deductionen für ein ganz
                              									selbstverständliches halten; aber daſs ein mathematischer Beweis dafür unnöthig sei,
                              									wird Niemand behaupten wollen.
                           Uebrigens gibt Hurter nicht die Deduction selbst,
                              									sondern nur eine darauf beruhende Differentialgleichung, in welche er nun für den
                              									hier behandelten speciellen Fall den Betrag an Schwefligsäure, Sauerstoff, Wasser
                              									und Stickstoffverbindungen einführt, um die dynamische Gleichung für die
                              									Geschwindigkeit der Bildung von Schwefelsäure in den Kammern zu finden. Er kommt zu
                              									folgenden Resultaten: 1) Mit der Vermehrung des Kammerraumes in arithmetischer
                              									Progression vermindert sich der Betrag von nicht in Schwefelsäure verwandelter SO2 in geometrischer Progression; 2) der Kammerraum
                              									für einen gegebenen bestimmten Verlust an Schwefel ist direkt proportional der
                              									Geschwindigkeit des Gases, oder, was dasselbe sagen will, dem Betrage des
                              									verbrannten Schwefels; 3) der Kammerraum ist umgekehrt proportional zu den
                              									anwesenden Stickstoffverbindungen und auch zu dem Wasserdampfe. Er gibt auch einige
                              									Zahlen aus der Praxis, welche einen Beleg für die Richtigkeit dieser Sätze bilden
                              									sollen, aber doch wohl kaum zureichend sind, um bestimmt darzuthun, daſs wirklich um
                              									so weniger Kammerraum nöthig ist, je verdünnter die Kammersäure gehalten wird;
                              									hiergegen spricht schon der Umstand, daſs seine Beispiele sämmtlich von
                              									Kammersystemen ohne Gay-Lussac- und Gloverthurm genommen sind, sowie die für so
                              									complicirte Verhältnisse kaum genügende Zahl (5), wobei sogar eines der beiden
                              									Beispiele von schwachen Kammersäuren unsicher ist. Immerhin darf man nach Hurter's Beweisführungen in Zukunft bei der
                              									Beurtheilung von Betriebsresultaten auch die Stärke der Kammersäure nicht mehr
                              									vernachlässigen.
                           Mit der Praxis stimmt dagegen ohne allen Zweifel das theoretische Verhältniſs
                              									zwischen Kammerraum und Salpeter, sowie die Beweisführung, daſs weitaus der gröſste
                              									Theil der Schwefelsäurebildung (70 bis 80 Proc.) in dem ersten Drittel des Systemes
                              									vor sich gehen muſs, wenn der Verlust an entweichender SO2 nicht ein bedeutender sein soll; die hierauf bezüglichen graphischen
                              									Darstellungen Hurter's sind auſserordentlich lehrreich.
                              									Weniger Fortschritt scheint mir seine Betrachtung der Temperaturverhältnisse zu
                              									ergeben, aus der wir kaum etwas direkt Verwerthbares ableiten können; immerhin zeigt
                              									er, welchen Weg eine zukünftige Behandlung dieser Sache einschlagen muſs. Sein
                              									Schluſs ist, daſs der Ueberschuſs der Temperatur der Kammern über diejenigen der
                              									Umgebung bei auf einander folgenden Kammern nahezu in geometrischer Progression
                              									abnehme und daſs die Temperatur der ersten (Haupt-) Kammer von der Zahl zu einem
                              									System verbundener Kammern abhänge.
                           Endlich berechnet er nach seiner Formel auch noch die beste Zusammensetzung der
                              									Kammergase beim Eintritt und Austritt, freilich nothwendigerweise mit Einführung
                              									einer Anzahl von rein empirischen Annahmen. Hiernach wäre die beste Zusammensetzung
                              									der Gase für spanischen Kies, der 45 Proc. Schwefel beim Brennen abgibt und 71,3
                              									Proc. Abbrand hinterläſst:
                           
                              
                                 
                                 Röstgas beimEintritt in dieKammern
                                 Austrittsgas vonden Kammern inden
                                    											Thurm
                                 
                              
                                 Schwefligsäure (SO2)
                                 7,84 Proc.
                                 –
                                 
                              
                                 Sauerstoff
                                  10,92
                                 7,93 Proc.
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                  81,24
                                     92,07
                                 
                              
                           Hierbei komme man auf nur 0,5 Proc. Verlust an Schwefligsäure;
                              									übrigens zeigt die Rechnung, daſs zwischen den Grenzen von 6 bis 10 Proc.
                              									Schwefligsäure beim Eintritt und 11 bis 4 Proc. Sauerstoff beim Austritt der Verlust
                              									an Schwefligsäure nur ganz unbedeutend gröſser sein sollte. Man muſs freilich sagen,
                              									daſs die Praxis rationell geführter Werke erheblich engere Grenzen als die Hurter'sche Theorie verlangt, was eben mit der
                              									Complicirtheit der Bedingungen zusammenhängen mag, von denen die Gleichungen nur
                              									einen Theil berücksichtigen können. Für Verbrennung von Rohschwefel kommt er auf
                              									einen theoretisch besten Gehalt von 9,33 Proc. Schwefligsäure im Eintritts- und 8,14
                              									Proc. Sauerstoff im Austrittsgas.
                           Hurter deutet darauf hin, daſs seine Theorie durch eine
                              									einfache Rechnung ein ähnliches, aber genaueres Resultat gegeben habe, als die
                              									Erfahrung von 100 Jahren geliefert hat. Freilich würde andererseits ohne diese
                              									Erfahrung die ganze Theorie in der Luft schweben und wenig Beachtung finden; so
                              									lange der Prüfstein der Erfahrung fehlt, könnten am Ende andere Mathematiker ganz
                              									andere Theorien aufbauen und zu ganz abweichenden Resultaten kommen. Schon in der
                              									Wissenschaft der reinen und wahrlich noch mehr in der technischen Chemie liegen die
                              									Sachen so, daſs das so bedeutend gehäufte empirische Material meistens zu
                              									vielseitige Bedingungen darbietet, um schon einer fruchtbaren mathematischen
                              									Behandlung unterworfen werden zu können. Aber wenn dieselbe in irgend einem Gebiete
                              									noch nicht verfrüht erscheinen sollte, so ist es gewiſs in demjenigen der Reactionen
                              									von Gasen auf einander, also auch in dem von Hurter
                              									behandelten Falle. Ohne mithin ein Urtheil. über den mathematischen Werth von Hurter's Theorie aussprechen zu wollen, wozu dem
                              									Berichterstatter die Competenz durchaus fehlt, möchte derselbe nur dem Wunsche Worte
                              									geben, daſs diese jedenfalls sehr beachtenswerthe Theorie dem deutschen Publikum
                              									seitens des Verfassers zugänglicher gemacht werden möchte.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)