| Titel: | Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen. | 
| Fundstelle: | Band 246, Jahrgang 1882, S. 433 | 
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                        Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen.
                        (Fortsetzung des Berichtes S. 241 d.
                           								Bd.)
                        Ueber Neuerungen im Eisenhüttenwesen.
                        
                     
                        
                           Im weiteren Verlaufe der Verhandlungen des Iron and Steel
                                    										Institute in Wien sprach G. J. Snelus über die chemische Zusammensetzung und die Prüfung der
                                 										Stahlschienen.
                           J. T. Smith und Dudley
                              									kamen beide zu dem Schlüsse, daſs weiche Stahlschienen, d.h. solche, welche eine
                              									mäſsige absolute Festigkeit bei bedeutender Ausdehnung ergeben, die dauerhaftesten
                              										sind.Vgl. auch Gruner in den Annales
                                       												des Mines, 1881 Bd. 20 S. 171. Leider erstreckte sich
                              									die chemische Untersuchung von Smith nur auf
                              									Kohlenstoff. Dudley's Proben von 89 Schienen wurden auf
                              									das sorgfältigste auf Kohlenstoff, Silicium, Phosphor und Mangan geprüft. Er
                              									versuchte auch, die Verhältniſswerthe der Härtewirkung dieser Elemente zu bestimmen,
                              									und glaubte, annehmen zu dürfen, daſs 1 Th. Phosphor, 2 Silicium, 3 Kohlenstoff und
                              									5 Mangan in dieser Hinsicht gleich wirksam seien, und faſste die Gesammtwirkung
                              									unter der Bezeichnung Phosphoreinheiten zusammen. Er bestimmte dieselben durch
                              									Summirung des Phosphors, ½ des Siliciums, ⅓ des Kohlenstoffes, ⅕ des Mangans,
                              									ausgedrückt in Hundertstelprocent.
                           Nun ist es wohl bekannt, daſs die Wirkung irgend eines Elementes innig zusammenhängt
                              									mit der gleichzeitigen Anwesenheit und Menge anderer Bestandtheile des Stahles. So
                              									wurde ein Stahl von so hohem Siliciumgehalte, wie ihn die folgende Analyse zeigt,
                              									auſserordentlich biegsam und zähe befunden:
                           
                              
                                 Eisen
                                 
                                 98,784
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                  unterhalb
                                 0,100
                                 
                              
                                 Silicium
                                 
                                 0,833
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 
                                 0,043
                                 
                              
                                 Phosphor
                                 
                                 0,075
                                 
                              
                                 Mangan
                                 
                                 0,216.
                                 
                              
                           Stahl für Façonguſs kann bekanntlich sehr bedeutende Mengen von Silicium bei
                              									verhältniſsmäſsig hohem Kohlenstoff enthalten und doch noch sehr zähe sein, so lange
                              									er nur gut getempert ist. Diese Behandlung ist aber für Schienen nicht wohl thunlich
                              									und alle Stahlfabrikanten wissen, daſs, sobald das Silicium über 0,2 Proc. steigt,
                              									der Kohlenstoff auf ungefähr 0,35 Proc. erniedrigt werden muſs, oder die Schiene
                              									wird spröde ausfallen.
                           Eine der von Dudley geprüften Schienen hatte die
                              									folgende bemerkenswerthe Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 0,483
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,480
                                 
                              
                                 Phosphor
                                 0,035
                                 
                              
                                 Mangan
                                 0,782.
                                 
                              
                           Trotzdem war sie zähe und gehörte zu den am wenigsten
                              									abgenutzten. Der Phosphor ist allerdings sehr niedrig und wahrscheinlich war die
                              									Schiene langsam auf warmer Unterlage erkaltet und daher so gut wie getempert.
                           Dudley gelangte auf Grund seiner Untersuchungen zu der
                              									folgenden idealen Zusammensetzung, als die höchste Dauerhaftigkeit für Stahlschienen
                              									bedingend:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 0,334
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,060
                                 
                              
                                 Phosphor
                                 0,077
                                 
                              
                                 Mangan
                                 0,491.
                                 
                              
                           Diese Zahlen sind der Durchschnitt der Analysen von 32
                              									Schienen von bewährter Dauerhaftigkeit: Dudley schlägt
                              									indessen vor, dieselben in folgender Weise festzustellen:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 0,300
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,040
                                 
                              
                                 Phosphor
                                 0,100
                                 
                              
                                 Mangan
                                 0,350,
                                 
                              
                           
                           weil amerikanische Fabrikanten nicht im Stande sind, den
                              									Phosphor so niedrig, wie in der ersten Analyse angegeben, zu halten. In seiner
                              									ersten Untersuchung fand er, daſs der durchschnittliche Kohlenstoffgehalt von 12
                              									Schienen, welche bei der Prüfung nicht brachen, 0,287 war; in den gebrochenen
                              									Schienen betrug er 0,366 Proc. Ebenso fand er in 12 nicht gebrochenen Schienen einen
                              									durchschnittlichen Phosphorgehalt von 0,077 und in 12 gebrochenen Schienen von
                              									0,132; in jedem Falle, wo der Phosphor 0,12 überstieg, war die Schiene gebrochen
                              									oder zerdrückt. In den ungebrochenen Schienen fand er im Durchschnitt 0,369 Proc. in
                              									den gebrochenen 0,521 Proc. Mangan. Im Silicium zeigte sich kein erheblicher
                              									Unterschied, nämlich in den ungebrochenen 0,044, in den gebrochenen 0,047 Proc. Dudley erhielt bei seiner Prüfung von 64 Schienen
                              									hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit die folgenden Durchschnittsresultate, je für die
                              									32 weniger (I) und die 32 mehr abgenutzten (II):
                           
                              
                                 
                                    Torsionsproben
                                    
                                 
                                    Zerreiſsungsproben
                                    
                                 
                              
                                 
                                 Verlust für1000000t
                                 Höhe desDiagrammes
                                 Länge desDiagrammes
                                 Elasticitäts-grenze
                                 Flächeninhaltdes Diagrammes
                                 Nicht getempert
                                 Getempert
                                 
                              
                                 AbsoluteFestigkeit
                                 Elasticitäts-grenze
                                 Dehnung
                                 AbsoluteFestigkeit
                                 Elasticitäts-grenze
                                 Dehnung
                                 
                              
                                 I
                                 0,0506
                                 3,00
                                 13,59
                                 1,16
                                 34,13
                                 75,125
                                 36,031
                                 17,1
                                 73,219
                                 33,281
                                 18,5
                                 
                              
                                 II
                                 0,1028
                                 3,26
                                 11,08
                                 1,27
                                 30,35
                                 80,188
                                 38,125
                                 14,2
                                 77,188
                                 36,594
                                 13,8
                                 
                              
                            
                           
                              
                                 Abscherungs-proben
                                 Biegeproben
                                 
                                    
                                    Analyse
                                    
                                 Dichtigkeit
                                 
                              
                                 
                                 BeanspruchungdesAbscherung
                                 Depression
                                 GröſsteBelastung
                                 Durchbiegung
                                 Kohlenstoff
                                 Phosphor
                                 Silicium
                                 Mangan
                                 Phosphor-Einheiten
                                 
                              
                                 I
                                 57,537
                                 0,0933
                                 2878
                                 160°
                                 0,334
                                 0,077
                                 0,060
                                 0,491
                                 31,3
                                 7,8211
                                 
                              
                                 II
                                 61,922
                                 0,0856
                                 3222
                                 133°
                                 0,390
                                 0,106
                                 0,047
                                 0,647
                                 38,9
                                 7,8166
                                 
                              
                           Trotz dieser scheinbar überzeugenden Beweise für die Zweckmäſsigkeit eines weichen
                              									Stahles für Schienen gibt es viele Vertheidiger eines härteren Materials und die North Eastern Railway Company, gestützt auf die
                              									Erfahrung, daſs der in letzteren Jahren gelieferte Bessemerstahl sich nicht so gut
                              									bewährt habe als frühere Lieferungen, verlangt für ihre Schienen 0,45 bis 0,50 Proc.
                              									Kohlenstoff. Auch geben wohlbekannte englische Ingenieure folgende Zusammensetzung
                              									als Fabrikationsvorschrift:
                           
                              
                                 Kohlenstoff nicht unter 0,3 und nicht über
                                 0,45
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,06
                                 
                              
                                 Phosphor
                                 0,06
                                 
                              
                                 Schwefel
                                 0,06.
                                 
                              
                           Auſser diesen Stoffen darf der Stahl nur Eisen und Mangan
                              									enthalten. Der Verfasser hat mehr als eine halbe Million Tonnen Schienen ähnlicher
                              									Zusammensetzung gemacht und kann deren Zähigkeit bezeugen; auch die Dauer derselben
                              									ist bis jetzt gut.
                           Dudley ist der Ansicht, daſs Dauerhaftigkeit eine
                              									Function der Formveränderung durch die Biegung ist, welche ein Stück aushält. Aus
                              										Chanute's Versuchen geht hervor, daſs mit einer
                              									Last von 7t und mehr auf einem Locomotivtriebrade
                              									der Druck die Elasticitätsgrenze des Stahles am Berührungspunkte überschreitet und daſs daher
                              									diese auf jeder Schiene vorhandenen kleinen Erhebungen bei jeder Umdrehung des Rades
                              									eine fortwährende Formänderung erleiden und schlieſslich abbrechen müssen.
                              									Andererseits zeigen manche der von Dudley mitgetheilten
                              									Diagramme abgenutzter Schienen, daſs ein erhebliches Nachgeben des Materials von
                              									einer Stelle zur anderen stattgefunden hat. Ob nun mehr Metall durch das Nachgeben
                              									eines weichen Materials, oder durch das Abbrechen kleiner Theilchen der Oberfläche
                              									durch eine schleifende Wirkung erfolgen wird, dies hängt von vielen Umständen ab und
                              									kann nur durch wirkliche Versuche bestimmt werden. Es ist eine ganz gewöhnliche
                              									Erscheinung an Eisenbahnstationen, wo Bremsen häufig in Anwendung kommen, daſs
                              									flache Stahlmassen von den Schienenköpfen förmlich nach der Auſsenseite hin
                              									gequetscht und allmählich abgebrochen werden. Dieselbe Art der Abnutzung muſs in
                              									geringerem Grade an allen Stellen der Linie stattfinden.
                           Während es indessen eine keineswegs entschiedene Frage ist, ob harte oder weiche
                              									Schienen am dauerhaftesten sind, so kann es nicht bezweifelt werden, daſs harte
                              									Schienen mehr zum Brechen geneigt sind, und es ist daher im Ganzen wohl besser für
                              									den Fabrikanten, nach der Seite der Weichheit hin zu fehlen. Aber Dudley's ideale Zusammensetzung für Schienen ist eine
                              									solche, nach welcher zu arbeiten schwierig und kostspielig sein würde; auſserdem ist
                              									sie ohne Frage eine solche, welche nicht die dichtesten Güsse liefern wird.
                           Der Verfasser ist derselben Ansicht, wie Jones von der
                              										Edgar-Thomson-Hütte. daſs der erste Schritt zur
                              									Anfertigung einer guten, dauerhaften Schiene darin besteht, einen dichten Guſsblock,
                              									frei von Porosität, Schwammigkeit und Blasenräumen herzustellen. Es ist nun nicht
                              									wahrscheinlich, daſs die von Dudley vorgeschriebene
                              									Zusammensetzung einen dichten Guſsblock ergeben wird; vielmehr ist es erforderlich,
                              									zur Herstellung eines dichten Bessemerstahles nach den üblichen Methoden entweder
                              									mehr Kohlenstoff, oder mehr Silicium, oder mehr Mangan einzuführen. Es kann nun der
                              									Gehalt am vortheilhaftesten wahrscheinlich am Silicium vergröſsert werden, weil es
                              									bekannt ist, daſs durch einen sehr geringen Zuwachs an Silicium ein dichter Guſs
                              									erzielt wird, so daſs durch Erhöhung des Siliciums auf 0,1, ja selbst bis auf 0,15
                              									Proc. der Stahl ohne wesentliche Härtung verbessert werden kann; auch hat Raymond durch eine von Dudley's Analyse abgeleitete mathematische Formel gezeigt, daſs innerhalb
                              									gewisser Grenzen Silicium nicht die Neigung zur Abnutzung vermehrt. Mangan kann auch
                              									mit einem gleichen Resultate in Anwendung gebracht werden und wahrscheinlich in
                              									gröſserer Menge, da ein Ueberschuſs sich nur wie ebenso viel Eisen verhält. Dies
                              									erklärt, warum englische Fabrikanten jetzt ohne Nachtheil so beträchtliche Mengen
                              									von Mangan gebrauchen. Da es indessen ein kostspieliger Zusatz ist, so hat man allen
                              									Grund, mit seiner Verwendung sparsam zu sein, so lange nur ein dichter Guſs erzielt
                              									wird. Es scheint somit kein Grund vorzuliegen, warum der Fabrikant an die engen
                              									Grenzen von 0,04 Silicium und 0,35 Mangan gebunden werden sollte, obgleich es gewiſs
                              									wahr ist, daſs weicher Stahl am dauerhaftesten ist und die geringste Anzahl von
                              									gebrochenen und zerdrückten Schienen ergibt.
                           Alle Gründe indessen sprechen dafür, daſs man den Phosphor niedrig halte. Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daſs
                              									dieses Element selbst in höchst unbedeutenden Mengen sehr verderblich wirkt, und der
                              									Versuch, seine gefährlichen Eigenschaften zu verdecken, wie bei der Fabrikation der
                              									Phosphor haltigen Schienen von Terre-Noire, hat einen sehr geringen Erfolg gehabt.
                              									Der Verfasser hat bei mehr als einer Gelegenheit seine Ansicht dahin ausgesprochen,
                              									daſs der geringe Ueberschuſs an Phosphor der Hauptgrund ist, warum der englische
                              									Bessemerstahl von geringerer Qualität ist als der schwedische, und es kann nicht zu
                              									sehr hervorgehoben werden, ein wie groſser Vortheil des basischen Prozesses darin
                              									besteht, daſs er es ermöglicht, die letzten Spuren dieses schädlichen Stoffes zu
                              									entfernen. Wir brauchen in der That für Schienen einen Stahl, welcher in manchen
                              									Eigenschaften einem guten Schneidstahl gleich ist. Ein gutes Messer bewahrt seine
                              									scharfe Schneide, ohne einerseits spröde zu sein, andererseits sich umzubiegen, und
                              									so ist für Schienen ein Stahl wünschenswerth, dessen zahnartige Projectionen, wie
                              									sie Dudley beschreibt, weder abbrechen, noch
                              									abgequetscht werden können.
                           
                           Nach Snelus sollte der Schienenfabrikant auf die
                              									folgende Zusammensetzung hin arbeiten:
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                 0,35
                                 
                              
                                 Silicium
                                 0,10
                                 
                              
                                 Phosphor so niedrig wie möglich, aber nicht über
                                 0,075
                                 
                              
                                 Mangan
                                 0,75
                                 
                              
                           Etwa 0,1 mehr oder weniger Kohlenstoff und Silicium und 0,25
                              									mehr oder weniger Mangan kann gestattet werden. Die von Dudley angenommenen Werthe der verschiedenen Elemente werden für die
                              									Bestimmung des Phosphorhärtegrades besser etwas abgeändert und Snelus schlägt vor, daſs dieser Faktor gleich dem P + ⅓
                              									C + ⅓ Si + ⅛Mn sei. Die obige Analyse würde danach ergeben für:
                           
                              
                                 0,35 Kohlenstoff
                                 0,116
                                 
                              
                                 0,10 Silicium
                                 0,033
                                 
                              
                                 0,06 Phosphor
                                 0,060
                                 
                              
                                 0,75 Mangan
                                 0,093
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 0,302,
                                 
                              
                           oder durch Verschiebung des Decimalzeichens um zwei Stellen =
                              									30,2 als Phosphoreinheiten eines guten Schienenstahles.
                           Lassen wir nun z.B. alle Elemente unverändert, vermehren aber den Kohlenstoff bis zu
                              									einem ohne Zweifel gefährlichen Gehalte – etwa 0,6 Proc. –, so würden wir 38,6
                              									Phosphoreinheiten bekommen. Ebenso würden wir, falls wir Kohlenstoff, Phosphor und
                              									Mangan unverändert lassen und das Silicium bis auf 0,35 Proc. erheben, 38,5
                              									Phosphoreinheiten erhalten. Durch Vermehrung des Phosphors zu 0,15 ergeben sich
                              									ebenso 39,2 und durch Vermehrung des Mangans zu 1,5 aber 39,6 Einheiten; während,
                              									wenn wir für alle 4 Elemente die äuſserst zulässige Grenze erreichen, 41,2 Einheiten
                              									dieser Zusammensetzung entsprechen. Ein Stahl nach dieser Skala würde also mit
                              									ungefähr 35 Phosphoreinheiten genügende Sicherheit versprechen. Der amerikanische
                              									Fabrikant wird mehr Phosphor hineinbringen und der deutsche mehr Silicium; beide
                              									müssen den Kohlenstoff in entsprechendem Maſse erniedrigen, aber mit dem
                              									unvermeidlichen Erfolge, daſs sie einen geringen Stahl erzielen. Gewiſs ist es, daſs
                              									ein Stahl mit erheblich mehr Silicium und weniger Kohlenstoff, wie er in Deutschland
                              									gemacht zu werden pflegte, ebenso hohe Resultate bei Zerreiſsproben ergeben würde;
                              									er würde aber Biegungs-, Fall- und Schlagproben unterworfen, sich erheblich
                              									nachgiebiger zeigen. Phosphorreicher Stahl würde weder in der einen, noch in der
                              									anderen Art der Prüfung so gute Proberesultate geben wie englischer Normal stahl.
                              									Die Untersuchungen Dudley's verdienen alle Anerkennung;
                              									aber es ist ihm nicht gelungen, alle oder selbst eine erhebliche Anzahl der dabei
                              									Interessirten zu überzeugen, daſs weicher Stahl im Allgemeinen besser ist als mäſsig
                              									harter.
                           Snelus stimmt ganz mit Sandberg darin überein, daſs diese Frage in befriedigender Weise nur so
                              									gelöst werden kann, daſs eine Anzahl Eisenbahngesellschaften, jede etwa 1000t weicher Schienen auf der einen Seite und 1000t harter Schienen auf der anderen Seite eines
                              									Geleises niederlegen. Zur Sicherung von möglichster Gleichartigkeit aller anderen
                              									Verhältnisse, auſser der chemischen Zusammensetzung, müſsten beide Gruppen von
                              									Schienen von demselben Fabrikanten geliefert werden. Dies würde ein
                              									verhältniſsmäſsig einfaches Experiment sein; es würde damit die Prüfung einer so
                              									groſsen Anzahl von Proben verbunden sein, daſs ein Durchschnitt mit zuverlässigem
                              									Erfolge genommen werden könnte, da einzelne Abweichungen wenig Einfluſs auf das
                              									Mittel haben würden, während selbst in der gröſseren Untersuchungsreihe Dudley's eine einzige nicht normale Schiene die
                              									Berechnung in sehr ernstlichem Maſse beeinfluſst. Kein Schienenfabrikant würde es
                              									schwierig finden, 2 solche Gruppen von Schienen anzufertigen; ihre durchschnittliche
                              									chemische Zusammensetzung, absolutes Gewicht und andere Eigenschaften könnten im
                              									Voraus bestimmt werden und der einzige Uebelstand würde darin bestehen, daſs man
                              									mehrere Jahre auf die Resultate warten müſste. Mittlerweile müssen wir nach den
                              									gegenwärtig geläufigen Formeln weiter fabriciren, oder nach anderen, welche sich im
                              									Laufe der Zeit als annehmbar erweisen sollten.
                           
                           Der Verfasser will, wenn er eine chemische Formel als Arbeitsvorschrift für den
                              									Fabrikanten vorschlägt, durchaus nicht darauf bestehen, daſs Schienen dieser
                              									Zusammensetzung vollkommen seien; er ist sich wohl bewuſst, daſs auſser dieser
                              									chemischen Beschaffenheit viele andere Umstände die Eigenschaften einer Stahlschiene
                              									bedingen. Die härtende Wirkung des Gebrauches, auf welche Smith aufmerksam machte, ist eine Erscheinung, welche verhältniſsmäſsig
                              									wenig beachtet worden ist. Snelus legte ein Stück einer
                              									Stahlschiene vor, welche in einem Einschnitte bei einem Gefälle von 1 : 80 mehr als
                              									9 Jahre lang in fortwährendem Gebrauche gewesen ist. Sie hatte bei ihrer Entfernung
                              									ungefähr 10k,4 auf je 1m verloren und wurde dann der Fallprobe mit einem
                              									Gewichte von 816k unterzogen; die Fallhöhe wurde
                              									allmählich von 8 bis 91cm gesteigert und bei
                              									letzterer, entsprechend dem 8. Falle, trat Bruch ein. Die Freilage der Schiene war
                              										91cm. Die chemische Zusammensetzung der
                              									Schiene war:
                           
                              
                                 Eisen
                                   98,911
                                 
                              
                                 Kohlenstoff
                                     0,450
                                 
                              
                                 Silicium
                                     0,037
                                 
                              
                                 Stickstoff
                                     0,130
                                 
                              
                                 Phosphor
                                     0,076
                                 
                              
                                 Mangan
                                     0,396
                                 
                              
                                 
                                 –––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,000.
                                 
                              
                           Von dieser sollte man gewiſs keine solche Sprödigkeit erwarten
                              									und die Thatsache, daſs die Schiene so lange Jahre harten Gebrauches ausgehalten
                              									hatte, scheint fast zu beweisen, daſs sie ursprünglich kaum so spröde gewesen sein
                              									konnte; ihre gegenwärtigen Eigenschaften müssen in erheblichem Maſse das Resultat
                              									solcher molecularer Veränderung sein, wie sie Smith,
                              									als von fortwährender Vibration herrührend, beschreibt. Es ist eigenthümlich, daſs
                              									sie in Phosphoreinheiten fast identisch mit Dudley's
                              									guter Normalschiene ist, indem dieselben sich auf 32,3 statt 31,3 berechnen.
                           Die Reduction des Querschnittes beim Walzen, die dabei herrschende Temperatur, die
                              									schnellere und langsamere Kühlung und manche andere zufällige Umstände müssen die
                              									Eigenschaften des Stahles beeinflussen; darum sollten die Eisenbahngesellschaften
                              									und Ingenieure nicht eine zu engbegrenzte Vorschrift für den Fabrikanten festsetzen,
                              									sondern sich darauf beschränken, die Qualität der fertigen Schienen durch solche
                              									einfache Proben festzustellen, die in gewiſsem Maſse der Beanspruchung ähnlich sind,
                              									welche eine Schiene auszuhallen haben wird.
                           Zur Prüfung der Stahlschienen macht Snelus folgende Bemerkungen:
                           1) Prüfung des Bruches. Der frische Bruch eines Stahles
                              									ist zweifelsohne ein genauer Maſsstab für dessen Beschaffenheit für einen sehr
                              									geübten und scharfen Beobachter; aber es ist eine rein empirische Probe und so viel
                              									hängt dabei von individueller Ansicht ab, daſs sie nicht eine unbedingt verläſsliche
                              									ist.
                           2) Chemische Analyse. Es ist schon gesagt worden, daſs
                              									die chemische Analyse vom Fabrikanten als Richtschnur für die Erzeugung einer
                              									gewissen Qualität des Stahles benutzt werden sollte und daſs er auf eine bestimmte
                              									chemische Zusammensetzung hinarbeiten müsse, als das wirksamste und wichtigste
                              									Mittel zur Erreichung des gewünschten Productes. Aber es ist auch unwiderleglich
                              									bewiesen worden, daſs, während 2 Schienen von weit verschiedener chemischer
                              									Zusammensetzung sich gleich gut im Gebrauche bewähren können, andererseits 2
                              									Schienen von anscheinend gleicher chemischer Zusammensetzung sich aus anderen
                              									Ursachen verschieden verhalten können. Unter diesen Umständen sollte ein maſsig
                              									weiter Spielraum in der Zusammensetzung gestattet und die Schienenlieferung auf
                              									Grund derselben allein nicht verworfen werden. Dabei ist es, im Falle eine Schiene
                              									sich nicht bewährt, häufig wünschenswerth, eine Analyse zu machen, da diese sehr oft
                              									die Ursache anzeigen wird.
                           3) Die Fallprobe ist wahrscheinlich die einfachste und
                              									beste Methode der Schienenprüfung, indem sie es dem Inspektor ermöglicht, seine
                              									Proben schnell und sich auf den ganzen Querschnitt der Schiene erstreckend
                              									auszuführen; auch nähert sich dieselbe, wenn nicht übertrieben, in gewissem Maſse
                              									der Beanspruchung, welcher die Schiene beim wirklichen Gebrauche unterworfen ist.
                              									Sie entdeckt in unfehlbarer Weise Schienen, die zu hart und solche, die zu weich sind. Aber fast
                              									ohne Ausnahme bedingen Ingenieure eine Probe, welche Alles., was die Schiene je beim
                              									praktischen Gebrauche auszuhalten haben wird, bei Weitem überschreitet, und dies
                              									führt häufig zur Zurückweisung von Schienen, welche wirklich gut sind. Fernerhin
                              									bestehen manche Ingenieure darauf, daſs ganze Schienen dieser Prüfung unterzogen
                              									werden, ja einzelne gehen so weit, daſs die zu probirende Schiene die volle Länge
                              									von 10m habe und weigern sich, dazu selbst eine
                              									nur 9m lange zu nehmen. Dies ist gewiſs eine
                              									groſse Verschwendung, da die Qualität des Stahles ebenso gut durch Prüfung der
                              									Endabschnitte festgestellt werden kann, und, wenn dies regelmäſsig gethan wird, dann
                              									wird die zeitweilige Prüfling einer kurzen ganzen Schiene, zur Befriedigung des
                              									Ingenieurs, der nicht ununterbrochen während der ganzen Fabrikation gegenwärtig sein
                              									kann, vollständig genügend sein. Manche Ingenieure bedingen, daſs so viel wie 2
                              									Proc. guter Schienen diesem verschwenderischen Prozesse unterworfen werden sollen.
                              									Für ein Werk von mäſsiger Productionsfähigkeit, welches jährlich etwa 100000t macht, würde sich der Verlust auf jährlich etwa
                              									100000 M. belaufen. Fabrikanten finden es sehr schwer, dies in anderer Richtung der
                              									Schienenfabrikation wieder zu ersparen. Die Fallprobe ist indessen, wenn in
                              									vernünftiger Weise ausgeführt, nach des Verfassers Ansicht die beste, welche wir
                              									haben.
                           Eine groſse Schwierigkeit bei der Fallprobe besteht darin, daſs für jedes
                              									Schienenprofil ein abgeänderter Grad der Probe angegeben werden muſs, und nur das
                              									wirkliche Experiment kann zeigen, welche Probe jede Schienenart aushalten kann. Die
                              									Durchbiegungen, welche eine Anzahl Schienen von allgemein gebräuchlichen
                              									Querschnitten ergeben – vorausgesetzt ein Stahl von annähernd der besprochenen
                              									Zusammensetzung – sind vielleicht Manchem erwünscht
                           4) Die Hebelprobe kann, wenn in vernünftigerweise
                              									innerhalb der Elasticitätsgrenze ausgeführt, auf fertige Schienen angewendet werden;
                              									wenn sie aber zur äuſsersten Grenze, bis zum Bruchpunkte, getrieben werden soll,
                              									dann sollten nur Endabschnitte dazu genommen werden, damit nicht gute Schienen
                              									verschwendet werden. Die Fallprobe indessen gibt, wenn zweckentsprechend ausgeführt,
                              									ziemlich dieselben Aufschlüsse, welche wir von der bis zum Aeuſsersten getriebenen
                              									Hebelprobe erhalten können, und auch aus diesem Grunde kann letztere Probe auf
                              									solche Gewichte beschränkt bleiben, die sich innerhalb der Elastizitätsgrenze
                              									halten.
                           5) Zerreißproben. Eine gute Probirmaschine wird ohne
                              									Zweifel sehr werthvolle Aufschlüsse über die Qualität eines Stahles geben; aber
                              									gewisse Arten von Stahl, wie es sich vielfach bei den Platten der Livadia (vgl. 1881
                              										241 * 1. 242 306) zeigte,
                              									geben sehr hohe absolute Festigkeit, Dehnung und Contraction und sind trotzdem sehr
                              									spröde. Mit dieser Thatsache sind seit einiger Zeit. Diejenigen vertraut geworden,
                              									welche mit der Prüfung deutschen Stahles zu thun haben, und man sollte sich daher
                              									nicht auf die Probirmaschine als Mittel zur Schienenprüfung verlassen, selbst wenn
                              									es thunlich wäre, eine Schiene in ihrem ganzen Querschnitte zu zerreiſsen. Wenn aber
                              									zur Ausführung dieser Probe Stücke aus der Schiene herausgearbeitet werden müssen,
                              									dann wird sie noch aus einem anderen Grunde unverläſslich, nämlich dem, daſs Metall
                              									von verschiedenen Stellen einer Schiene sehr verschiedene Resultate ergibt. Der
                              									Hauptgrund indessen, warum die Probe für Schienen nicht angenommen werden kann,
                              									liegt in dem Umstände, daſs es vollständig unmöglich ist, innerhalb der zu Gebote
                              									stehenden Zeit eine angemessene Anzahl von Proben auszuführen und daſs deshalb die
                              									Resultate erst dann vollständig erhalten werden können, wenn die Schienen längst
                              									fertig gestellt und abgeliefert sein müssen.
                           6) Torsionsprobe. Fast alle in Bezug auf die
                              									Zerreiſsungsprobe gemachten Bemerkungen gelten auch hier und wird diese Probe selten
                              									ausbedungen.
                           7) Die Lochprobe ist noch niemals zur praktischen
                              									Anwendung gekommen und heutzutage, wo so viele Schienen gebohrt und nicht gelocht
                              									werden, ist sie ganz unausführbar. In abgeänderter Weise könnte sie indessen doch
                              									wohl eingeführt werden.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)