| Titel: | E. Grouven's Ofen zur Darstellung von reiner Kohlensäure aus Kalkstein, Dolomit oder Strontianit mittels glühenden Wasserdampfes; von E. Meyer-Mülsen. | 
| Autor: | E. Meyer-Mülsen | 
| Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 68 | 
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                        E. Grouven's Ofen zur Darstellung von reiner
                           								Kohlensäure aus Kalkstein, Dolomit oder Strontianit mittels glühenden Wasserdampfes; von
                           								E. Meyer-Mülsen.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 6.
                        Grouven's Ofen zur Darstellung von Kohlensäure.
                        
                     
                        
                           Leitet man durch ein glühendes, mit Stücken von Kalkstein, Dolomit oder Witherit
                              									gefülltes Rohr gewisse Mengen heiſsen Wasserdampfes, so stellt sich schon bei
                              									mäſsiger Rothglut eine Entbindung von Kohlensäure und nach gewisser Zeit eine
                              									vollständige Kausticität jener Mineralien ein. Diese Beobachtung ist schon von
                              									verschiedenen Chemikern gemacht, also nicht neu. Ihre Anwendung auf die Industrie
                              									der Kohlensäure-Gewinnung sowohl, als auf die des Kalkbrennens hat aber noch nicht
                              									stattgefunden; überall brennt man noch Kalkstein oder Strontianit, Dolomit u. dgl.
                              									in Schachtöfen bei angehender Weiſsglut entweder mittels eingeschichteter Kohle und
                              									Luft, oder mittels Gas und Luft; auch überall, wo man viel Kohlensäure braucht, wie
                              									in Zuckerfabriken, Ammoniaksodafabriken und so manchen anderen chemischen
                              									Industrien, da wird dieselbe in ähnlichen überdies mit theuren Pumpwerken und
                              									Waschapparaten versehenen Schachtöfen erzeugt. Die dabei erzielte Kohlensäure ist
                              									eigentlich nur ein an Kohlensäure reiches Rauchgas, welches bloſs 20 bis 30 Procent
                              									Kohlensäure enthält und trotz groſser Waschvorrichtungen manchmal, namentlich bei
                              									Anwendung böhmischer Kohle, viele Theergase führt. Auch durch seine oft groſsen
                              									Sauerstoffantheile schädigt es manche Saturation.
                           Eine so verdünnte Kohlensäure muſs in 4 fach gröſserem Volumen durch die zu
                              									saturirenden Flüssigkeiten getrieben werden und darin liegt die Schuld ihrer oft
                              									unvollständigen Ausnutzung. Ich beobachtete bei 30° warmen Ammoniaklösungen 30 bis
                              									50 Proc. Verlust an nicht absorbirter Kohlensäure und zwar unter Umständen, wo ¼
                              									Volumen reiner Kohlensäure fast gänzlich absorbirt wurde. Bei heiſsen
                              									Aetzkalklösungen war jener Verlust nicht so groſs.
                           Kohlensäuregewinnung mittels Wasserdampf hat nicht bloſs die Zulässigkeit einer
                              									niedrigeren Temperatur, sondern gewährt auch, da keinerlei Gas sich mit der
                              									entwickelten Kohlensäure vermengt, auſser dem leicht zu condensirenden
                              									überschüssigen Wasserdampfe, eine Kohlensäure von 99 Proc., d.h. eine ebenso reine,
                              									wie sie in Mineralwasserfabriken aus Magnesit und Schwefelsäure dargestellt wird.
                              									Solche Kohlensäure bedarf keiner Waschapparate; sie läſst die Möglichkeit zu, den
                              									Saturationsbatterien die kleinste, also billigste Gröſse zu geben. Die Vorzüge der
                              									Wasserdampf-Methode erscheinen also so groſs, daſs man den Grund ihrer bisherigen
                              									Nichteinführung nur suchen kann in den vielerlei abschreckend wirkenden
                              									Schwierigkeiten, welche in der Construction einer entsprechenden Ofenanlage
                              									liegen.
                           
                           Die in der chemischen Fabrik zu Bürgerhof bei Lauenburg auszuführenden Prozesse
                              									führten nun Dr. H. Grouven in
                              										Leipzig (* D. R. P. Kl. 12 Nr. 26248
                                 										vom 4. December 1883), nach mehrjährigen groſsen Vorversuchen, zur
                              									Construction des in Fig. 15 und
                              										16 Taf. 6 dargestellten Ofens, welcher sich gut bewährt hat. Die
                              									Zeichnung zeigt den Ofen mit 7 Retorten, wobei derselbe einer Leistungsfähigkeit von
                              									täglich 7t,5 Kalkstein entspricht; er kann aber
                              									ebenso gut auf 12 oder 16 Retorten erweitert werden; auch können letztere, je nach
                              									Leistungsforderung, ebenso gut 4 wie 3m Länge im
                              									Feuer haben. In allen Fällen ist aber erfahrungsgemäſs eine lichte Weite der
                              									Retorten von 0m,25 die zweckmäſsigste. Je weiter,
                              									desto schwieriger ist die Durchheizung derselben und desto gröſsere Glut muſs das
                              									ringsum brennende Gasfeuer bieten. Man wünscht aber zur Conservirung der Retorten
                              									diese Glut nicht unnöthig hoch. Luft und Gas, welche der Ofen zur Heizung bedarf,
                              									wird in denselben mittels eines Roots-Gebläses
                              									hineingedrückt. Angenommen, der Ofen brauche zur Heizung minutlich 1k Kokes, so hat dieses Gebläse die Hälfte (4cbm,5) der nöthigen Luft in den Gasgenerator, die
                              									andere Hälfte (4cbm,5) in den eigentlichen Ofen zu
                              									treiben. Direkt aus dem Generator kommend, strömt das Kokesgas mittels zweier
                              									Gasringe aus 10 Oeffnungen in den Ofen mit einer Temperatur von 600 bis 800°. Die zu
                              									dessen Verbrennung nöthige Luft wird oben unter der Decke des Ofens durch 5 Düsen
                              									eingepreſst, auf keinen Gasstrahl stoſsend und daher nirgendwo Stichflammen
                              									erzeugend, welche einer Retorte gefährlich wären. Auch die Luft tritt 300 bis 400°
                              									vorgewärmt in den Ofen; ihre Vorerwärmung findet innerhalb der 5 Säulen, auf welchen
                              									der Ofen steht, statt und zwar durch die Wärme der nach unten hin abziehenden
                              									Rauchgase. Obgleich damit die Bedingungen einer hohen Verbrennungstemperatur gegeben
                              									sind, so bleibt doch die Mischung von Luft und Gas eine allmähliche und sich auf die
                              									ganze Höhe des Ofens erstreckende.
                           Die Retorten werden nur zur Hälfte mit dem zu brennenden Kalksteine gefüllt, auch in
                              									keinen gröſseren Stücken als 20 bis 40mm. Auf je
                              										1t Füllung läſst man minutlich 1k Dampf durchstreichen. Indem der Dampf zunächst
                              									unten in die leere Hälfte der hochglühenden Retorten einströmt, bekommt er bis zum
                              									Eintritte in die Füllmasse eine solche Ueberhitzung, daſs ihm die Aufgabe leicht
                              									wird, das auf dem Roste lagernde glühende Gestein zu decarbonisiren. Von unten
                              									frisch und stetig nachströmend, entführt er rasch die frei werdende Kohlensäure nach
                              									oben hin bis zum Ausgange der Retorten und bis zur Condensation.
                           Solche Retorten brauchen erfahrungsgemäſs zur vollständigen Entkohlensäuerung ihres
                              									Inhaltes etwa 4 Stunden. Die kaustisch gebrannte Masse läſst man dann, nachdem oben
                              									die Retorte durch Zudrehung des Hahnes isolirt worden, mit dem beweglichen Roste
                              									herabfallen. Nach Wiedereinsetzung des Rostes bekommt sie sofort wieder neue Füllung
                              										von oben durch die
                              									leicht zu handhabende und gasdicht schlieſsende Morton'sche Thür. Zum Brennen von je 100k
                              									Rüdesheimer Muschelkalk muſsten in Bürgerhof ungefähr 12k Kokes und 24k Dampf aufgewendet
                              									werden. Hieraus geht hervor, wie wenig Brennmaterial ein solcher Ofen bedarf.
                           Gibt man in die Retorten anstatt Kalkstein gewöhnlichen Pyrit in Nuſsdicke, so findet
                              									unter theilweiser Spaltung des Dampfes allmählich eine vollständige Entschwefelung
                              									des Pyrites statt; der Schwefel entweicht in Form von Schwefel wasserstoffgas und in
                              									den Retorten bleibt Eisenoxydoxydul mit den sonstigen Nebenbestandtheilen der Pyrite
                              									zurück. Somit ist jener Ofen gleichzeitig zur Herstellung von Schwefelwasserstoffgas
                              									geeignet.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
