| Titel: | Ueber Schwefelsäurefabrikation aus Pyrit in Amerika; von G. Lunge. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 293 | 
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                        Ueber Schwefelsäurefabrikation aus Pyrit in
                           								Amerika; von G. Lunge.
                        Lunge, über Schwefelsäurefabrikation aus Pyrit.
                        
                     
                        
                           Bis vor wenigen Jahren wurde in Nordamerika sämmtliche Schwefelsäure, deren dieses
                              									groſse und an Industrie reiche Land bedarf, durch Verbrennung von Rohschwefel
                              									dargestellt, welcher von Sicilien eingeführt wurde. Die hin und wieder angestellten
                              									Versuche, die in Amerika reichlich vorhandenen Schwefelkiese zu verwenden, hatten
                              									keinen dauernden Erfolg, augenscheinlich weil man nicht die richtigen Apparate und
                              									Methoden besaſs. In der deutschen Ausgabe meines Handbuches
                                 										der Sodaindustrie, Bd. 1 S. 72 ist schon auf dieses abnorme Verhältniſs
                              									hingewiesen und noch bestimmter sagte ich in der englischen Ausgabe (Bd. 1 S. 82),
                              									daſs es nur eine Frage der Zeit sei, wann Amerika den sicilianischen Schwefel gegen
                              									seine eigenen Pyrite vertauschen werde.
                           Diese Voraussagung hat sich schon jetzt groſsentheils bewahrheitet und zwar erfahre
                              									ich aus verschiedenen mir in neuester Zeit aus Amerika zugesendeten Dokumenten, daſs
                              									gerade mein Buch einen sehr wesentlichen Antheil hieran gehabt hat, indem darin
                              									einerseits, wie bemerkt, die Aufmerksamkeit auf jenen ganz anomalen Zustand gelenkt
                              									wurde, andererseits die Apparate und Methoden zur Darstellung von Schwefelsäure aus
                              									Pyrit so genau beschrieben waren, daſs man unmittelbar danach bauen und arbeiten
                              									konnte, wie mir dies der Präsident einer der betreffenden Actiengesellschaften (der
                              										Davis Company zu Charlemont, Mass.) schrieb. In
                              									einer von dieser Gesellschaft als Instruction für ihre Käufer veröffentlichten
                              									Broschüre heiſst es (S. 4): „Probably every successful user of pyrites in the United States owes his
                                    											success directly or indirectly to Dr. Lunge.“Ebenso hebt ein von einer
                              									anderen Gesellschaft (der Sulphur Mines Company of
                                 										Virginia) herausgegebenes Schriftchen mit einer ähnlich schmeichelhaften
                              									Erwähnung meines Werkes an. Aus dem später zu erwähnenden Briefe des Präsidenten
                              									dieser Gesellschaft entnehme ich die Thatsache, daſs im J. 1882 nur 2 Fabriken, im
                              									März 1884 aber schon 18 Fabriken in Nordamerika Schwefelkies brannten.
                           Um so mehr fühle ich mich verpflichtet, einen Irrthum zu berichtigen, den ich in
                              									Bezug auf letztere Gesellschaft begangen habe. In Bd. 248 S. 35 dieses Journals
                              									hatte ich aus dem (mir von der Redaction zugesendeten) Engineering and Mining Journal eine Aufstellung zur Vergleichung der
                              									Kosten von Schwefelsäure aus Rohschwefel und Pyrit entnommen und mit einem die
                              									Irrthümer derselben hervorhebenden kurzen Commentar begleitet; daran hatte ich eine
                              									abfällige Aeuſserung über die vermuthlichen Gründe der von mir gerügten
                              									Uebertreibungen geknüpft, in der Meinung, es mit einem Prospecte zur
                              										„Gründung“ von Pyritgruben zu thun zu haben. Der Vicepräsident der
                              									Gesellschaft Hr. W. G. Crenshaw sendet mir nun einmal
                              									die Broschüre selbst, aus welcher obige Calculation (wie ich erst jetzt sehe) nur
                              									ein Auszug war, und ferner den Abdruck eines langen Briefes an das Engineering and Mining Journal (vgl. 1. März 1884 S.
                              									154), in welchem er meine Kritik zu widerlegen sucht. In den meisten Punkten
                              									geschieht dies mit wenig Glück, wie ich in einer an jene Zeitschrift abgesendeten
                              									Antwort kurz dargelegt habe; hier interessiren nur die zwei Punkte, welche in der
                              									That einer Berichtigung bedürfen. Erstens muſs ich zurücknehmen, was ich über die
                              									vermuthlichen Motive zur Aufstellung jener Calculation gesagt habe; denn es handelt
                              									sich nicht um die Gründung einer neuen Schwefelkies – Grube, sondern um die durchaus
                              									berechtigte Empfehlung des Productes einer bestehenden und arbeitenden Grube.
                              									Zweitens konnte es mir nicht bekannt sein – und gerade dies ist das den Leser einzig
                              									Interessiren de –, daſs, während auch in Amerika der Pyrit gewöhnlich Arsen haltig
                              									ist, jene Grube, wie auch andere nordamerikanische z.B. die der oben erwähnten Davis Company, enorme Mengen von völlig Arsen freiem Schwefelkies enthält, so daſs die
                              									Pyritsäure dort der Rohschwefelsäure gegenüber in der That noch concurrenzfähiger
                              									ist, als sie sich in Europa erwiesen hat. Einige nähere Notizen hierüber werden
                              									deshalb wohl am Platze sein.
                           Der Kies der Sulphur Mines Company of Virginia hat nach
                              									einer Analyse von Dr. A. Voelcker in London folgende
                              									Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Schwefel
                                 48,02
                                 
                              
                                 Eisen
                                 42,01
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                   1,93
                                 
                              
                                 Schwefelsäure
                                   0,44
                                 
                              
                                 Kieselsäure
                                   7,60
                                 
                              
                                 Kupfer
                                   0
                                 
                              
                                 Arsenik
                                   0
                                 
                              
                           Die Analyse zeigt, daſs eine etwas verwitterte Probe vorlag.
                              									Andere Analysen (von Dr. Taylor, Staatschemiker von
                              									Virginien, und C. Hope.
                              									Chemiker von Tennants in Glasgow, eine Anzahl aus New-York)
                              									bestätigen die Abwesenheit von Arsenik und zeigen einen Schwefelgehalt von 46,4 bis
                              									50 Proc. Das Erz kommt ganz nahe unter der Oberfläche in einem Gange von über
                              										1200m Länge und in einer Breite von mindestens
                              										2m,5, meist jedoch 5 bis 9m Breite vor, mit einem Fallen von 75 bis 85°, so
                              									daſs man es am besten durch senkrechte Schächte abbaut. Die Mächtigkeit ist noch
                              									nicht bekannt, da man noch nicht hindurch gekommen ist. Nimmt man nur 30m auf eine Länge von 600m an, so hätte man schon über 500000t Erz, das sich ausbeuten lieſse (diese Angaben
                              									und Schätzungen rühren von dem Ingenieur der Gesellschaft her). In den meisten
                              									Theilen des Ganges stellt das Erz einen Sand von Schwefelkies, gemengt mit wenig
                              									Quarz, vor und eignet sich deshalb namentlich vorzüglich für Etagenbrenner oder
                              									selbstthätige Schliech-Brenner.
                           Die Grube der Davis Company zu Charlemont, deren Erz zur
                              									Zeit von 4 Fabriken gebrannt wird, ist nur 200km
                              									von New-York entfernt, also den Industriecentren viel näher als die oben erwähnte,
                              									und von einem Netzwerke von Eisenbahnen umgeben. Das Erz enthält im Durchschnitte
                              									48,5 Proc. Schwefel, keine Spur von Arsen, Antimon oder Kobalt, auch wenig oder kein
                              									Zink, Blei und Calcium und weniger als 3 Proc. Kieselsäure. Es hat körnige Structur,
                              									läſst sich leicht von Hand brechen und gibt beim Brennen gute und reiche Gase; die
                              									Rückstände halten nicht über 3 Proc. Schwefel.
                           In diesen ausgezeichneten Arsen freien Erzen hat Amerika einen groſsen Vorsprung vor
                              									den europäischen Fabriken und wird vermuthlich von sicilianischem Schwefel sehr bald
                              									völlig absehen. Die erwähnten Erze sind frei von Kupfer und kosten nach dem Engineering and Mining Journal, März 1884 Bd. 37 S. 194
                              										1t höchstens 7,50 Dollars für Stückerz,
                              									gebrochen und gesiebt, oder 6,50 Dollars für Schliech, beides in der Fabrik,
                              									vermuthlich aber nur in nicht zu weiter Entfernung von den Gruben. Der Prospect der
                              									Virginia-Gesellschaft rechnet 6 Dollars. Diese Preise sind freilich etwas höher als
                              									selbst die früheren Preise des kupferigen Schwefelkieses in England, geschweige denn
                              									die jetzt ermäſsigten; aber sie sind doch eben in Anbetracht der Abwesenheit von
                              									Arsen günstig zu nennen und bieten natürlich schon einen sehr groſsen Vortheil
                              									gegenüber dem sicilianischen Schwefel, der dort etwa auf 30 Dollars zu stehen kommt.
                              									Die auch in Amerika massenhaft vorkommenden Kupfer haltigen Schwefelkiese scheinen
                              									bis jetzt noch sehr wenig, wenn überhaupt, in die Schwefelsäure-Industrie einbezogen
                              									worden zu sein; wenn dies einmal geschieht, wie dies früher oder später sicher
                              									eintreten wird, so wird der Preis des Erzschwefels dort noch mehr sinken müssen, und
                              									selbst wenn, wie zu vermuthen, diese Erze Arsen haltig wären, so wäre ja doch die
                              									damit erzeugte Säure noch immer für die meisten Zwecke brauchbar, so gut wie in
                              									Europa.