| Titel: | Zur Verarbeitung von Gaswasser und Reinigungsmassen. | 
| Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 476 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Zur Verarbeitung von Gaswasser und
                           								Reinigungsmassen.
                        Mit Abbildungen auf Tafel 35.
                        Zur Verarbeitung von Gaswasser und Reinigungsmassen.
                        
                     
                        
                           Um bei der Verarbeitung von Gaswasser u. dgl. alles Ammoniak als Ammoniumcarbonat zu
                              									erhalten, will es P. Seidler in
                              										Elberfeld (* D. R. P. Kl. 75 Nr.
                                 										26633 vom 9. August 1883) über Kalkstein, Dolomit und ähnliche Carbonate
                              									destilliren. Die nichtflüchtigen Ammoniaksalze werden dadurch zersetzt,
                              									beispielsweise: 2NH4CNS + CaCO3 = (NH4)2CO3 + Ca(CNS)2. Das erhaltene Ammoniumcarbonat enthält etwas
                              									Schwefelammonium. Es wird daher in concentrirter wässeriger Lösung mit Kohlensäure
                              									behandelt, das gefällte Ammoniumbicarbonat von der Mutterlauge getrennt und durch
                              									Sublimation das käufliche kohlensaure Ammoniak erhalten. Die dabei entweichende
                              									Kohlensäure wird in frische Ammoniumcarbonatlösung geleitet, die Mutterlauge wird,
                              									mit Schwefelsäure versetzt, auf Ammoniumsulfat verarbeitet.
                           Bei Ausführung des Verfahrens wird das Gaswasser durch Rohr d (Fig. 13
                              									Taf. 35) in das Kühlgefäſs D gepumpt, um durch Rohr e in den Vorwärmer B, dann
                              									durch Rohre f in das Vertheilungsrohr g zu gelangen, aus welchem es gleichmäſsig über die
                              									Kalksteinfüllung des Cylinders A flieſst. Durch Rohr a unter dem Siebboden b
                              									wird Dampf eingeblasen. Dadurch werden die nichtflüchtigen Ammoniaksalze zerlegt in
                              									Ammoniumcarbonat, welches mit dem Dampfe entweicht, und in die entsprechenden
                              									Kalksalze, so daſs das Gaswasser, unten angelangt, durch den selbstthätigen
                              									Condensationswasser-Ableiter c frei von
                              									Ammoniakverbindungen ausflieſst. Die Dämpfe von Ammoniumcarbonat werden im Vorwärmer
                              										B theilweise von Wasser befreit, wärmen dabei das
                              									durch B strömende Gaswasser vor und treten dann in den
                              										Liebig'schen Kühler C
                              									ein. Man läſst durch letzteren nur so viel Kühlwasser flieſsen, daſs die Dämpfe aus
                              									dem Kühler noch mit einer Temperatur von etwa 65° austreten und daſs aus der
                              									Kühlschlange in D eine concentrirte Lösung von
                              									Ammoniumcarbonat ausflieſst, welche, nachdem sie die Kokesfüllung im Behälter E durchflössen hat, durch m nach dem Behälter G gelangt. Aus diesem
                              									füllt man den Absorptionscylinder F bis zu einer durch
                              									ein Wasserstandsglas s erkennbaren Höhe an und treibt
                              									mittels einer Compressionspumpe durch das mit Abzweigungen und vielen kleinen
                              									Löchern versehene Rohr o Kohlensäure hinein. Die
                              									letztere erhält man zum Theile durch Zerlegen der Mutterlaugen vom Ammoniumcarbonate
                              									mit Schwefelsäure, den gröſseren Theil jedoch durch die Gase, welche bei der
                              									bekannten Fabrikation von Ammoniumsulfat aus Gaswasser entstehen.
                           Man läſst nun durch Hahn v zeitweilig einen Theil der
                              									Cylinderfüllung ab und trennt das ausgeschiedene Bicarbonat von der Mutterlauge,
                              									wäscht es mit reinem Wasser und kann es dann bei gelinder Wärme trocknen oder durch
                              									Sublimiren in bekannten Apparaten in das „kohlensaure Ammoniak“ des Handels
                              									überführen. Nach jedesmaligem Ablassen eines Theiles der Füllung von F läſst man mittels eines Hahnes im Ablaufrohre aus dem
                              									Behälter G wieder frische Ammoniumcarbonatlauge in den
                              									Absorptionscylinder F einflieſsen. Die aus F unabsorbirt entweichende Kohlensäure gelangt unter
                              									die auf einem falschen Boden ruhende Kokesfüllung des Cylinders E, durchstreicht diese und wird dabei von der
                              									herabflieſsenden Ammoniumcarbonatlösung noch theilweise absorbirt. Die noch durch
                              										l entweichende Kohlensäure wird nach einem mit
                              									Kokes gefüllten und durch Schwefelsäure gespeisten Thurme geleitet, wo etwa
                              									mitgerissenes Ammoniumbicarbonat absorbirt wird. Zur Darstellung von
                              									Ammoniumbicarbonat aus Lösungen von Ammoniumcarbonat lassen sich die durch die
                              									bekannten, zur Fabrikation der sogenannten Ammoniaksoda gebräuchlichen Apparate
                              									benutzen. Es ist vortheilhaft, das im Gaswasser enthaltene Ammoniumsulfid vor der
                              									Verarbeitung der ersteren zu entfernen, um nachher nicht durch den im Laufe des
                              									Verfahrens entstehenden Schwefelwasserstoff belästigt zu werden. Diese Entfernung
                              									des Schwefelammoniums ist mittels Durchblasen eines kräftigen Luftstromes durch das
                              									Gaswasser in verhältniſsmäſsig kurzer Zeit leicht zu erreichen. Auch für die
                              									Fabrikation von Ammoniumsulfat entschwefelt man zweckmäſsig das zu verarbeitende Gaswasser, da das
                              									dabei entweichende Gas dann nur aus Kohlensäure besteht.
                           Die concentrirte Lösung von Ammoniumcarbonat wird in einen liegenden, mit Rührer
                              									versehenen Cylinder gefüllt, dann durch Rohr w (Fig.
                                 										14) Kohlensäure eingepreſst. Man läſst den Hahn bei x so lange geöffnet, bis aus demselben Kohlensäure
                              									entweicht, und schlieſst ihn dann. Nachdem hierauf das Rührwerk in Bewegung gesetzt
                              									worden ist, preſst man so lange Kohlensäure ein, bis der durch das Manometer y angezeigte Druck ungefähr 5at beträgt. Die Kohlensäure wird anfänglich rasch
                              									absorbirt; findet dann keine Absorption mehr statt, verringert sich also bei
                              									unterbrochener Zuführung von Kohlensäure der durch das Manometer y angezeigte Druck nicht mehr, so läſst man den Inhalt
                              									des Cylinders durch z ablaufen und trennt das
                              									ausgeschiedene Ammoniumbicarbonat in bekannter Weise von der Mutterlauge.
                           Zur Gewinnung von Ferrocyanverbindungen aus
                                 										Gasreinigungsmassen werden dieselben nach H.
                                 										Kunheim in Berlin und H. Zimmermann in
                              										Wesseling (D. R. P. Kl. 12 Nr. 26884
                                 										vom 6. Juli 1883) in bekannter Weise entschwefelt und durch Auslaugen mit
                              									Wasser die löslichen Ammoniaksalze entfernt. In lufttrockenem Zustande werden sie
                              									dann mit trockenem, pulverförmigem Aetzkalk innig gemischt, wobei schon die für die
                              									Aufschlieſsung der unlöslichen Ferrocyanverbindungen äquivalente Menge Aetzkalk
                              									genügt. Die trockene Mischung wird nun entweder in einem geschlossenen Apparate
                              									unter fortwährendem Umrühren behufs theilweisen Austreibens des nicht löslichen
                              									Ammoniaks auf 40 bis 100° erwärmt, wobei das entweichende Ammoniak in bekannter
                              									Weise condensirt wird, und hierauf die Masse einer methodischen Auslaugung mit
                              									Wasser unterworfen, wodurch direkt Ferrocyancalciumlaugen erhalten werden, oder man
                              									wendet zuerst eine methodische Auslaugung mittels Wasser an und erhält auf diese
                              									Weise eine ammoniakalische Ferrocyancalciumlauge mit naturgemäſs stark alkalischer
                              									Reaction. Diese Lauge wird sorgfaltig neutralisirt und dann bis zum Aufkochen
                              									erwärmt, wobei eine schwer lösliche Ferrocyanverbindung herausfällt, welche
                              									wesentlich Ferrocyancalciumammonium, Ca(NH4)2FeCy6, ist. Durch
                              									Behandlung mit Aetzkalk in geschlossenen Gefäſsen wird das Ferrocyancalciumammonium
                              									zersetzt, das entweichende Ammoniak gewonnen und eine reine Ferrocyancalciumlauge
                              									erhalten. Das Neutralisiren und Ausfällen durch Erwärmen bis zum Aufkochen kann
                              									übrigens auch bei dem zuerst beschriebenen Verlaufe des Verfahrens angewendet
                              									werden, obschon es hier in den meisten Fällen fortfallen wird.
                           Die Ferrocyancalciumlaugen können auf bekannte Weise durch Niederschlagung mit
                              									Eisenoxydulsalzen und nachheriger Oxydation auf Berliner Blau verarbeitet werden.
                              									Soll aus den Laugen aber Blutlaugensalz gewonnen werden, so stellt man aus denselben
                              									zunächst Ferrocyancalciumkalium her, indem man die Ferrocyancalciumlauge eindampft
                              										und mit so viel
                              									Chlorkalium versetzt, als zur Bildung von Ferrocyancalciumkalium, CaKa2FeCy6, nöthig ist.
                              									Das genannte Doppelcyanür scheidet sich alsdann sowohl in der Kälte, als auch beim
                              									Erwärmen aus, wird abfiltrirt und von der Mutterlauge durch Auswaschen befreit.
                              									Durch Kochen mit einer Lösung von Kaliumcarbonat wird dann das Doppelcyanür in
                              									Blutlaugensalz übergeführt.
                           Auf diese Weise erzielt man, daſs zur Bildung des Blutlaugensalzes nur die Hälfte
                              									Kaliumcarbonat nöthig ist, während die andere Hälfte durch das viel billigere
                              									Chlorkalium ersetzt ist. Statt des Kaliumcarbonates könnte man natürlich auch
                              									Natriumcarbonat zur Zersetzung des Ferrocyancalciumkaliums verwenden, wodurch man
                              									ein Gemenge von Kalium- und Natriumeisencyanür erhält.
                           Nach dem beschriebenen Verfahren lassen sich nicht nur die ausgenutzten
                              									Reinigungsmassen der Gasfabriken, sondern auch andere Ferrocyan haltige Massen
                              									behandeln.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
