| Titel: | Selbstwirkendes Doppelsitzventil für den Abschluss von Kanalschleusen und Wasserbehältern. | 
| Autor: | L. | 
| Fundstelle: | Band 252, Jahrgang 1884, S. 491 | 
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                        Selbstwirkendes Doppelsitzventil für den
                           								Abschluſs von Kanalschleusen und Wasserbehältern.
                        Mit Abbildung auf Tafel 36.
                        Decoeur's Doppelsitzventil für Schleusen u. dgl.
                        
                     
                        
                           Um weite Ausfluſsöffnungen bei hohem Drucke rasch zu öffnen und zu schlieſsen, kann
                              									man keine der üblichen Schieber oder Ventile verwenden. Wenn es sich z.B. darum
                              									handelt, eine Schleuse mit 4m Wasserstand durch
                              									einen unter dem Unterthore durchführenden Kanal von 1m Lichtweite und kreisrundem Querschnitt zu entleeren, so würde ein
                              									einfaches Ventil gegen die Kanalöffnung mit einer Kraft von rund 3140k angedrückt werden; die Hebung des Ventiles würde
                              									mithin einen umständlichen Apparat erfordern und die schwierige Bedienung desselben
                              									von Hand eine lange Zeit in Anspruch nehmen, etwa in gleicher Weise, wie das
                              									Aufdrehen eines gewöhnlichen Schiebers. Zur Zeit weicht man bei neuen
                              									Schleusenanlagen u. dgl. dieser Schwierigkeit dadurch aus, daſs man eine Art
                              									cylindrischen Abschlusses in das Mauerwerk der Schleusenkammer einläſst, welcher aus
                              									einer senkrechten Röhre besteht, deren obere Oeffnung über Oberwasserspiegel liegt.
                              									Diese durch Gegengewichte entlastete Röhre kann zwar mit einem gewöhnlichen Getriebe
                              									leicht bewegt werden; bei groſsen Druckhöhen aber wird eine solche Einrichtung sehr
                              									schwerfällig und versperrt viel Platz, so daſs dieselbe, trotz ihrer groſsen
                              									Vortheile gegenüber gewöhnlichen Schiebern und Ventilen und trotz des guten
                              									Verschlusses, bis jetzt eine allgemeine Verbreitung nicht finden konnte. Als Ersatz
                              									für diesen Verschluſs hat nun Paul Decoeur im Génie civil, 1883/4 Bd. 4 S. 353 ein neues
                              									Doppelsitzventil mitgetheilt, welches in Fig. 20
                              									Taf. 36 wiedergegeben ist.
                           Ein Hohlcylinder C umschlieſst einen beweglichen Teller
                              										F, welcher auf dem durch die vom unteren
                              									Ventilsitze A ausgehenden Rippen N getragenen Ringe K
                              									aufliegt und ist mit einem Deckel D nach oben
                              									geschlossen. Dieser Deckel ist in der Mitte durchbrochen und trägt auf runder
                              									Oeffnung O einen zweiten Ventilsitz, auf welchem das
                              									Ventil S den Verschluſs herstellt; letzteres Ventil ist
                              									mittels eines Keiles an der Leitstange T befestigt. Die
                              									Leitstange, welche man am besten als Röhre construirt, um ihr eine gröſsere
                              									Steifigkeit zu verleihen, endigt über Wasser als Schraube oder Zahnstange, um dort
                              									mit Hilfe eines Handrades oder Getriebes auf und ab bewegt zu werden; sie ist in
                              									einem auf dem Deckel D des Ventilcylinders angebrachten
                              									Bügel E geführt, durchdringt den beweglichen Teller F und sodann den festen Ventilsitz A je in einer Büchse; die untere Ventilsitzbüchse dient
                              									also der Leitstange als zweite Führung.
                           Der Durchmesser des beweglichen Tellers F, welcher einer
                              									über der Kanalöffnung aufgesetzten Kappe entspricht, ist nahezu ebenso groſs als die
                              									innere Weite des Hohlcylinders C und sind die
                              									Tragrippen N und der Teller F stark genug, um den heftigen Wasserpressungen, wie sich dieselben nach
                              									Oeffnung des Ventiles S gegen den Teller F äuſsern, widerstehen zu können; gegen seitliche
                              									Schwankungen ist der Teller F durch die genaue Führung
                              									an der Leitstange T gesichert; derselbe kann ohne
                              									Reibung im Inneren des Hohlcylinders C gleiten, welch
                              									letzterer durch die Hülse im Bügel E und die Rippen N des unteren Ventilsitzes ebenfalls genügend geführt
                              									ist.
                           Im geschlossenen Zustande wird das groſse Ventil C
                              									sowohl durch den Wasserdruck, als auch durch sein eigenes Gewicht und das der
                              									Leitstange auf den Sitz gepreſst; ebenso wie das kleine Ventil S, welches gegen den Deckel D angedrückt wird. Während die erstere Pressung aber eine sehr bedeutende
                              									ist, erreicht die letztere bei einem Ventildurchmesser von 0m,20 und 4m
                              									Druckhöhe nur die Gröſse von 125k; es ist also
                              									leicht, mittels eines gewöhnlichen Getriebes die Leitstange und das obere Ventil S zu heben und das Wasser durch die Oeffnung O in den Raum zwischen dem Deckel D des Ventilcylinders und dem Teller F eintreten zu lassen. Da aber zwischen dem Teller F und dem Hohlcylinder C
                              									nur ein kleiner Spielraum vorhanden ist, so wird durch diesen zunächst sehr wenig
                              									Wasser entweichen können; es stellt sich mithin im Hohlräume über dem Teller F eine gegen den Deckel D
                              									nach oben gerichtete Pressung her, welche sich nur wenig von der auf der anderen
                              									Seite des Deckels nach unten wirkenden Pressung unterscheidet. Dagegen bewirkt jetzt
                              									die Ausladung B des Hohlcylinders C einen Auftrieb desselben, entsprechend dem
                              									Wasserdrucke an dieser Stelle, multiplicirt mit der Differenz aus der inneren
                              									Querschnittsfläche des Hohlcylinders C und der von den
                              									Aufsenkanten des unteren Ventilrandes eingeschlossenen Flächen.Sind z.B. die Durchmesser der oben genannten Flächen 1m,2 bezieh. 1m, so ist die Differenz ihrer Inhalte 0qm,3454 und die Gröſse des Auftriebes (bei
                                    											Vernachlässigung des Druckverlustes, der beim Ausströmen zwischen Teller und
                                    											Hohlcylinder entsteht) 4 × 345,4 = 1382k. Schlägt schlieſslich das kleine Ventil S an dem Bügel E an, so
                              									wird bei weiterer Hebung der Leitstange das groſse Ventil C gelüftet, wobei lediglich die (unter Wasser berechneten) Gewichte der
                              									Ventilstange und des
                              									Ventilkörpers die Belastung bilden. Höher als zum vierten Theile der Lichtweite des
                              									Abfluſskanales braucht das Ventil nicht gehoben zu werden, da in dieser Lage der
                              									ringförmige Querschnitt um das Ventil herum gleich dem Kanalquerschnitte ist, eine
                              									weitere Hebung also keine Vortheile bieten würde. Ein Stoſs findet bei der Hebung
                              									des Ventiles C nicht statt. In dem Augenblicke, in
                              									welchem der Auftrieb auf die Ausladung B das
                              									Hauptventil C öffnet, geht der hydrostatische in den
                              									hydraulischen Druck über und der Unterschied beider erzeugt die Einströmung in den
                              									Abfluſskanal. Das durch den Auftrieb beschleunigte Ventil C kann aber nicht an den Teller F anschlagen,
                              									weil zwischen diesem und dem Ventilcylinder C schon
                              									vorher eine Wasserbewegung hervorgerufen wurde, welche den Anschlag verhindert in
                              									ähnlicher Weise, wie bei einem Katarakte; ebenso wenig kann das Ventil rasch wieder
                              									herabfallen, weil es vorher das zwischen F und D vorhandene Wasser verdrängen müſste, was nur durch
                              									langsame Abwärtsbewegung möglich ist.
                           Um mit zwei solchen, symmetrisch gegen die Achse einer Schleuse angeordneten
                              									Doppelsitzventilen von 1m Sitzweite einen
                              									Schleuseninhalt von 1000cbm zu entleeren, bedarf
                              									man bei einer Druckhöhe von 4m nicht viel mehr als
                              									2 Minuten Zeit. Da alle Stöſse vermieden sind, kann der Apparat unbedenklich ganz am Guſseisen hergestellt werden. Das
                              									Doppelsitzventil ist leicht zu versenden, bequem aufzustellen und nötigenfalls auch
                              									leicht zu untersuchen, da der Ventilsitz A lose auf die
                              									Einmündung des Abfluſskanales aufgelegt werden kann, an welche er durch den
                              									Wasserdruck genügend angepreſst wird, und die Leitstange T nach Lösung des Keiles, welcher das kleinere Ventil S hält, einfach herauszunehmen ist, wodurch die
                              									Einzeltheile getrennt werden. Die abgedrehten Sitzflächen des Ventiles gewähren
                              									jederzeit einen guten Schluſs ohne Anwendung von Gummi- oder Bleidichtungen, welche
                              									stets rascher Abnutzung ausgesetzt sind. Es erwachsen mithin auch keine
                              									Unterhaltungskosten.
                           Ein Doppelsitzventil von 1m,2 Lichtweite des hohlen
                              									Ventilcylinders C kostet, an Ort und Stelle aufgesetzt,
                              									etwa 800 M., d.h. nur etwa die Hälfte des Preises eines cylindrischen Verschlusses
                              									gleicher Weite, wie er eingangs beschrieben wurde. Ueberschreitet die Wassertiefe in
                              									der Schleuse das vorhin gedachte Maſs von 4m, so
                              									ist der Preisunterschied des Doppelsitzventiles gegenüber dem cylindrischen
                              									Verschlüsse noch bedeutender.
                           Die Verwendung des Apparates beschränkt sich nicht auf Kanalschleusen, sondern dürfte
                              									auch bei Sammelbehältern, insbesondere bei Thalsperren, befriedigende Resultate
                              									ergeben; das Doppelsitzventil kann nämlich als selbstwirkender Regulator für die
                              									Erhaltung eines bestimmten Wasserstandes benutzt werden, wenn an dem oberen Ende der
                              									Leitstange T ein Schwimmer angebracht wird. Das
                              									Hauptventil C bildet in diesem Falle den Grundablaſs und
                              									öffnet sich, sobald der Schwimmer das kleine Ventil S
                              									aufzieht, was geschieht, wenn der Wasserstand über das festgesetzte Maſs ansteigt;
                              									das untere Ventil C wird aber alsbald geschlossen, wenn
                              									der Schwimmer seinen Normalstand wieder erreicht hat, wobei Gewicht und Wasserdruck
                              									stets zusammen wirken. Grundablaſs und Ueberlauf sind also in dem Doppelsitzventile
                              									vereinigt, was bei seiner einfachen Construction und Billigkeit für dessen
                              									Verwendung bei Sammelbehältern empfehlend sprechen dürfte.
                           Die Einzelheiten der Construction können, dem einzelnen Falle entsprechend, verändert
                              									bezieh. nach der einen oder anderen Richtung hin verbessert werden; die Idee ist
                              									geistreich und verdient alle Anerkennung, welche ihr auch in weiteren Kreisen nicht
                              									versagt werden wird.
                           
                              
                                 L.
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
