| Titel: | Tauerei mit Kette ohne Ende. | 
| Fundstelle: | Band 253, Jahrgang 1884, S. 12 | 
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                        Tauerei mit Kette ohne Ende.
                        Tauerei mit Kette ohne Ende.
                        
                     
                        
                           Nach der Revue industrielle, 1884 S. 18 ist es dem
                              									Schiffbau-Ingenieur Zédé, Direktor der Société des Forges et Chantiers de la Mediterranée,
                              									gelungen, die mehrfach schon versuchte Aufgabe zu lösen, einem Schiffe ohne
                              									Anwendung einer über die ganze Bahn desselben gelegten kostspieligen Kette bezieh.
                              									eines Seiles einen festen Stützpunkt zu gewähren und so eine vortheilhaftere
                              									Ausnutzung der Dampfkraft desselben zu ermöglichen als bei Verwendung von Rad- oder
                              									Schraubenpropellern. Zu diesem Zwecke benutzt er eine Kette ohne Ende, welche am Bug
                              									des Schiffes auf den Fluſsboden herabsinkt und am Heck wieder aufgewunden wird. Die
                              									Kette soll dabei auf dem Boden einen genügenden Widerstand gegen das Gleiten finden,
                              									um den Zug des Schleppers und der anhängenden Schiffe aufnehmen zu können.
                           Nach dem Génie civil, 1884 Bd. 5 * S. 23 berichtete Dupuy de Lôme in der Sitzung der Académie des sciences vom 22. Oktober v. J. über die
                              									von Zédé auf der Rhone mit einem solchen Schiffe von
                              									nachfolgend beschriebener Einrichtung angestellten Versuche.
                           Ein flacher Holzkahn, wie solche auf der Rhone unter dem Namen „Pénelle“ gebraucht werden, von 33m Länge, 7m,5
                              									Breite und 2m,1 Tiefe, wurde zu diesen Versuchen
                              									mit der erforderlichen Einrichtung versehen. Zu den zu beiden Seiten des Schiffes
                              									anzubringenden endlosen Treibketten wurden alte gebrauchte Schiffsketten mit einem
                              									Gewichte von 46k auf das Meter verwendet.
                              									Dieselben waren über auſserhalb des Bordes angebrachte Leitrollen geführt. Ungefähr
                              									in der Mitte des Schiffes lief jede Kette über eine Windetrommel, welche von einer
                              									Dampfmaschine von 15e umgetrieben wurde. Die
                              									beiden Maschinen waren durchaus unabhängig von einander, aber ihre Einlaſsventile
                              										so nahe bei einander
                              									angebracht, daſs ein Maschinenwärter dieselben bequem in der Gewalt hatte.
                           Von gröſster Wichtigkeit ist eine Einrichtung zur Lagenänderung des freien, d.h. des
                              									nicht von den Tragrollen über Wasser geführten Kettentrums entsprechend der
                              									verschiedenen Tiefe des Fahrwassers. Ist dieses Trum bei flachem Fahrwasser zu lang
                              									geworden, so liegt die Gefahr nahe, daſs die Kette beim Herabsinken auf den Boden
                              									sich verschlingt, während andererseits die Kette bei zu tiefem Fahrwasser in zu
                              									groſser Länge vom Boden abgehoben würde, so daſs schlieſslich die Reibung des auf
                              									dem Grunde verbleibenden Stückes nicht mehr für die Fortbewegung des Schiffes
                              									ausreicht. Diese Veränderlichkeit der Länge des freien Kettentrums wurde in sehr
                              									einfacher Weise dadurch erreicht, daſs man die ersten Tragrollen auf beiden Seiten
                              									in einem auf dem Schiffe verschiebbaren Wagen anbrachte. Dieser wurde dann bei
                              									flacher werdendem Fahrwasser mit Hilfe einer Winde mehr oder weniger nach vorn
                              									bewegt, wodurch die Länge des herabsinkenden Kettentrums geregelt und so einem
                              									Verschlingen desselben vorgebeugt wurde. Auſserdem muſsten noch zu beiden Seiten der
                              									auf- und absteigenden Seiltrume wagerechte Leitrollen angebracht werden, um bei
                              									seitlichem Zuge ein Herausspringen der Seile aus den Tragrollen zu verhüten.
                           Früher angestellte Versuche hatten einen Reibungscoefficienten zwischen Kette und
                              									Fluſsbett von 0,83 bis 1,20 vom Gewichte der Kette in der Luft ergeben. Da nun die
                              									Länge des Schiffes und die Anordnung der äuſsersten Tragrollen erlaubt, die Ketten
                              									in einer Länge von 15 bis 22m sich auf den
                              									Fluſsboden auflagern zu lassen, so ergibt sich daraus eine Zugkraft von. 1145 bis
                              										2430k. Andererseits hatten die Erfahrungen
                              									über das Schleppen ähnlicher Schiffe einen Widerstand von ungefähr 20k auf 1qm des
                              									Hauptspantes ergeben, bei einer Geschwindigkeit von 1m in der Secunde; zu diesem Widerstände addirt sich die parallel zur
                              									Oberfläche des Fahrwassers gerichtete Seitenkraft des Gewichtes des Schiffes auf der
                              									schiefen Ebene des Fluſslaufes, welche durchaus nicht vernachlässigt werden darf, da
                              									das Gefalle der Rhone stellenweise 2 bis 3m auf
                              										1km beträgt.
                           Man schloſs aus alle dem, daſs das Schiff mit einer Absolutgeschwindigkeit von 4km in der Stunde fahren würde, wenn der Strom 3m in der Secunde und das Gefälle 1m auf 1km
                              									betrüge.
                           Die Versuche ergaben die Richtigkeit dieser Annahme. Zunächst wurden vorläufige
                              									Versuche insbesondere in Bezug auf die Lenkbarkeit des Fahrzeuges im Bezirke von
                              									Port-au-Bouc angestellt. Lieſs man die eine Kette schneller laufen als die andere,
                              									so drehte sich das Schiff nach der anderen Seite, und indem man beide Ketten in
                              									entgegengesetztem Sinne umlaufen lieſs, konnte man bewirken, daſs das Fahrzeug sich
                              									um sich selbst drehte. Nachdem man sich so von der Zuverlässigkeit des Fahrzeuges
                              									überzeugt hatte, führte man dasselbe nach Arles über und unternahm eine Fahrt
                              									stromaufwärts. Alles ging gut, bis man in eine Strömung von 2m in der Secunde gelangte. Hier verlor das Schiff
                              									seine Steuerfähigkeit, da der Angriffspunkt des seitlichen Widerstandes zu nahe bei
                              									dem Schwerpunkte, wenn nicht vor demselben sich befand. Zédé, welcher diese Ursache bald erkannte, beseitigte sie in einfacher und
                              									wirksamer Weise dadurch, daſs er am Hintertheile genau in der Achse des Schiffes ein
                              									langes Ruder befestigte. Auf diese Weise wurde der Mittelpunkt des Abtreibens
                              									zurückverlegt und das Schiff wieder vollkommen lenksam. Weiter aufwärts fand sich
                              									die schwierigste Stelle des Flusses; die Geschwindigkeit des Stromes überschritt
                              										3m in der Secunde; dabei war das Gefälle 73cm auf 1km und
                              									nahm die Wassertiefe plötzlich von 6m,5 auf 1m,5 ab. Die ein wenig mangelhafte Einrichtung zur
                              									Veränderung der freien Kettenlänge verursachte einigen Zeitverlust; aber nachdem die
                              									Kette entsprechend der neuen Fahrwassertiefe eingestellt war, bewegte sich das
                              									Schiff in dieser Stromschnelle ebenso leicht als in den ruhigeren Theilen desdss Flusses.
                           Auf diesen günstigen Ausfall des Versuches hin war Zédé
                              									bestrebt, dieses neue Verkehrsmittel im Groſsen auszuführen. Auf den Rath von
                              									Fachleuten wurde beschlossen, anstatt Frachtschiffe mit diesem Bewegungsmittel
                              									auszurüsten, für die Rhone Schlepper nach diesem Systeme zu erbauen, welche einen
                              									Schiffszug von 500t Ladung befördern könnten, ohne
                              									durch Hoch- oder Niedrigwasser behindert zu werden. Diese Last soll auf 4
                              									Schleppkähne vertheilt werden, deren Tauchung ebenso wie die des Schleppers 80cm nicht überschreiten soll. Der Schlepper selbst
                              									soll eine Länge von 70m bei einer Breite von 6m,6 und einer Raumtiefe von 2m erhalten und sein Deplacement 260t betragen. Die Treibketten sollen 150k auf das Meter wiegen und jede durch eine
                              									Dampfmaschine von 130e angetrieben werden, woraus
                              									sich eine Zugkraft von mindestens 10000k ergibt.
                              									Die mittlere Geschwindigkeit zwischen Arles und Lyon wird 6km betragen.
                           Da die Thalfahrt mit Hilfe der Kette zu langsam geschehen würde, so sind hierfür zwei
                              									mächtige, theilweise eintauchende Schrauben von 2m,70 Durchmesser und 3m Ganghöhe vorgesehen.
                              									Man muſste sich für diese entschlieſsen, weil für ganz eingetauchte Schrauben die
                              									Tauchung zu unbeträchtlich ist, dagegen andererseits die Maximalbauhöhe für das
                              									Durchfahren der vorhandenen Brücken die Verwendung von Schaufelrädern unthunlich
                              									erscheinen lieſs. Die Thalfahrt soll mit einer mittleren Geschwindigkeit von 7km,5 in der Stunde geschehen. Auſserdem sind
                              									verschiedene maschinelle Einrichtungen für das Handhaben der Kette geplant.
                           Zédé nimmt an, daſs ein solches Schiff jährlich 40
                              									Fahrten auf- und abwärts zwischen Arles und Lyon machen kann, und schätzt danach den
                              									Reingewinn auf 20 Procent des Anlagekapitals. Wenn diese Annahme auch etwas zu
                              									günstig erscheint, so wird doch dieses System, wenn sich die technische Ausführung
                              									im Groſsen bewährt, entschieden eine Zukunft haben.